4/10 Die smarten schlanken Männer
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 22:56 |
Paradeplatz Zürich. Im Moment läuft dort eine Aktion. Vielmehr: sie läuft nicht, sie sitzt, sie kauert, sie hockt. Es sind schemenhafte Gestalten, auf Holz- oder Kunststoffplatten gezeichnete Menschen, die offenbar dabei sind, ihre Notdurft zu verrichten. Mitten auf dem Trottoir am noblen Zürcher Paradeplatz! Knapp verstecken sie sich hinter Koffern, Aktentaschen, kleinen Sichtblenden…
Mit dieser Darstellung will eine Organisation, die sich weltweit für die Verbesserung der sanitären Verhältnise einsetzt, darauf aufmerksam machen, dass weltweit 2,6 Milliarden Menschen unter Umständen leben müssen, in denen es weder fliessendes Wasser noch Toiletten gibt. Unvorstellbar für uns, die wir das extraflauschige, fünflagige, supersofte Klopapier mit Kamille kaufen und die wir und dank Closomat und Balena den Hintern hämorrhoidenfreundlich mit körperwarmem Wasserstrahl duschen…
Ich habe solche Zustände auf der Welt gesehen, in Flüchtlingslagern in Bangladesh, wo weite Felder übersät waren mit Kothäufchen, schön regelmässig im Ein-Meter-Abstand, in ländlichen Regionen im Kaukasus, wo sich die Menschen im Strassengraben hinkauerten, in den Slums von Kabul in Afghanistan… man nimmt es zur Kenntnis, denkt sich nicht viel dabei (man kann ja selber ins Hotel zurück, wenn man muss).
Aber wenn dann die bildliche Darstellung dieses Sachverhalts zu uns kommt, auf den Paradeplatz, ins Fadenkreuzz der Hochfinanz, dann sind viele ratlos, wie man den Medienberichten entnehmen konnte. Es ist eine andere Welt: Die Welt der jungen Banker, smart und schlank sind sie, meist dezent dunkel gekleidet, unvorstellbar, dass plötzlich einer die Hosen herunter lässt, während ich daneben aufs Tram warte.
Überhaupt, die jungen Banker. Da hat sich ein Redaktor vom „Blick“ bei uns gemeldet, mit der Frage, ob wir eine Erklärung dafür hätten, dass man unter den Bankleuten kaum je einen Übergewichtigen sehe. Nein, ich hatte dieses Phänomen noch gar nicht bedacht. woran mochte es liegen? Gibt es da so etwas wie eine stille Übereinkunft, dass bei einer Bank nur vorwärts kommt (oder überhaupt eine Lehrstelle findet), wer dünn und sportlich ist? Haben Leute in gehobenen Bank-Positionen automatisch so viel Zeit, dass es für Golf und Tennis und Fitness reicht? Oder faulen die Dicken laufend raus?
Früher, da hatten die Bank-Chefs noch Gewicht. Wie etwa ein Leo Schürmann. Auch Ulrich Bremi war als Wirtschaftsführer nicht diskriminiert… aber heute? – Ich bin gespannt, was der „Blick“-Mann zum Thema herausgefunden hat.