10/5 Von wegen: Verantwortung?!
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 18:43 |
Ein heisses Eisen. Es wird auch hier gerne und lauthals geschmiedet: von Selbstverantwortung ist immer dann die Rede, wenn es um den Entscheid geht, wer wieviel wovon essen solle. Der frühere Gesundheitsminister Pascal Couchepin erklärte ganz im Sinne seiner pilitischen Partei-Klientel, der Staat habe sich auf keinen Fall in den Teller seiner Bürger zu mischen. Und im Rahmen der Auseinandersetzung um das Präventionsgesetz war die Selbstverantwortung jene Universal-Keule, mit der die bürgerlichen Industrie-Lobbyisten jedes präventive Argument niederknüppelten.
Gar nichts spricht gegen diese Selbstverantwortung „an sich“. Voraussetzung ist allerdings, um sie wahrzunehmen, dass ausreichende Informationen verfügbar sind, dass Aufklärung und Wissen vermittelt werden, damit der mündige Bürger sich seine eigene, mündige Meinung selber bilden kann.
Ein interessanter Prozess zu diesem Thema findet in Amerika statt. Der Verband der Lebensmittelproduzenten (die Grocery Manufacturers Association GMA) hat eine grosse Kampagne lanciert, in welcher die Bevölkerung aufgefordert wird, sich bewusst zu ernähren und sich mehr zu bewegen… dabei wird auf die aktuelle Information verwiesen, die sich auf den Lebensmittel-Verpackungen vorne drauf befindet. Diese biete alle nötigen Informationen, es sei nun Sache der Kunden, sich in eigener Verantwortung richtig zu verhalten.
Mit schneidender Schärfe reagiert die international renommierte Ernährungswissenschafterin Marion Nestlé in ihrem Blog Food Politics auf diese Kampagne. Die Industrie, sagt sie, weise damit den Schwarzen Peter ihrer Kundsachaft zu, ohne sich auch nur im geringsten um verbesserte Rezepturen, gesündere Angebote, verbilligte Produkte oder gar den Verzicht auf Werbe- und Marketingmassnahmen zu erwägen, welche weiterhin mit aller propagandistischen Macht zu immer mehr Verzehr von Produkten verführten, welche für eine gesunde Entwicklung schädlich sind.
Interessant sind auch die Feedbacks zu ihrem Blog. Ein Kommentator vergleicht die Lebensmitelbranche mit der Automobil-Industrie: hier erlasse der Staat auch ganz klare Sicherheitsnormen und Auflagen, gegründet auf einer strukturierten Gesetzgebung, im Interesse der Unfall-Vermeidung und des Überlebens im Strassenverkehr… um wieviel wichtiger und nötiger wären entsprechende Vorgaben und Regelungen im täglichen Umgang mit dem lebenswichtigen Gut der Nahrung!? Die Verantwortung allein macht uns auch nicht zu sicheren Verkehrsteilnehmern.