15/11 Kunstfrass
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 11:53 |
Da ist heute dieser Bericht im Beobachter. Es geht um einen Mann, der sich sein Essen aus verschiedenen Lebensmittel-Bestandteilen in Pulverform selber mixt: Proteine, Kohlenhydrate, Fett, Vitamine, Mineralien… Er folgt damit dem Vorbild eines Amerikaners, der sich 2012 einen Monat lang nur von solchen Kunstprodukten ernährt hat.
An sich ist das ja noch nichts Weltbewegendes. Auch Astronauten ernähren sich aus der Tube, und wer im Spital nicht mehr selber essen kann, wird per Magensonde mit speziellen Flüssigkeiten gefüttert, die er in sich hineinlaufen lassen kann, da lebt eine ganze Medizinalindustrie davon. Und auch die zahlreichen Formula-Diäten, die auf dem Markt erhältlich sind, und komplette, ausgewogene Mahlzeiten in Form von Shakes anbieten, sind ja nichts anderes.
Aber was irritiert einen an der Vorstellung, dass dies die Lösung des Welternährungs-Problems sein soll? Klar, wer keine Beziehung zum „Essen“ als Ausdruck der menschlichen Kultur hat, dem kann es schnuppe sein, in welcher Form und welchem Zustand er die zum Überleben notwendigen Stoffe zu sich nimmt. Wer aber gerne gut und schmackhaft isst, den graust es bei der Vorstellung, sich sein Leben lang nur noch von einförmiger Pampe ernähren zu müssen.
Wo bleibt der Stolz der Spitzenköche, die immer raffiniertere Gaumenkitzeleien entwerfen, um sich punkto Geschmacksexplosion und Augenschmaus gegenseitig zu übertreffen? – Der Mann, so liest man, träumt von einer quasi öffentlich-rechtlichen Versorgung der Menschen mit Lebenssaft: wie das Trinkwasser solle seine Flüssignahrung in Zukunft aus Hahnen fliessen, für jedermann zugänglich, der gerade ein Hüngerlein verspürt…
Aber was ist denn der „Hunger“ ohne die besondere Nahrung, auf die der Gaumen sich mit allen seinen Sinnen freuen kann? – Wer uns einen künstlichen Ersatz für unsere Leibspeise anbieten will, muss diesen schon so täuschend echt gestalten, dass er uns genau so „schmeckt“ wie das Original, das er ersetzt. Da gefällt mir die Utopie doch besser, die ich mal in einem Science-Fiction-Film gesehen habe, wo der Astronaut an einem Terminal seinen Menü-Wunsch eintippt, dann öffnet sich eine Klappe und daraus ist ein Teller zu entnehmen, auf dem die gewünschte Speise sich in voller kulinarischer Pracht präsentiert, knusprig und zart, aromatisch duftend und geschmacklich exzellent… ein Verwöhnpaket für die Befriedigung der zweitältesten aller Lüste, des Genusses beim Essen.