26/2 Ohne Zusatzstoffe
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 15:46 |
Früher haben wir nicht einmal gewusst, was das ist. Man hat gegessen, was auf den Tisch kam bzw. was Mutter ghekocht hatte. Die Lebensmittel kaufte man beim Bauern direkt oder auf dem Markt oder im Lädeli, sie wurden in eine Tüte gesteckt, in ein Papier eingewickelt, in das emaillierte Milchkesseli abgefüllt (das die Mutigsten auf dem Heimweg tollkühn im Kreis nach oben schwangen, unter Ausnützung der Fliehkraft und zum Entsetzen der Zuschauenden, die schon den Milchsee auf dem Pflasterboden sahen) oder einfach in den Korb gelegt… Da gab es noch keine Etiketten mit aufgedrucktem Gewicht, Verkaufs- und Verbrauchsdatum und der ganzen Litanei der zahllosen Inhaltsstoffe.
Heute ist offene Deklaration aller Werte, Mengen, Informationen und verwendeter Materialien das A und O jeder Lebensmittel-Beschriftung. Lange wurde gerätselt, wie viele der KonsumentInnen diese Angaben effektiv so ernsthaft studieren, dass diese deren Kaufverhalten entscheidend beeinflussen würden. Allgemein wurde angenommen, dass es eine eher kleine Minderheit sei, die überhaupt über genügend Kenntnisse verfüge, um die Angaben schlüssig interpretieren zu können… Daher wurde und wird immer wieder die Forderung laut nach einer simplen, auf den ersten Blick entschlüsselbaren Anzeige mit einfachen, am liebsten farbigen Symbolen, zum Beispiel der „Ampel“…
Eine Studie des Forschungsinstituts MMR Research Worldwide (im Auftrag von Zusatzstoff-Herstellern) hat durch Befragung von 1’000 Teilnehmenden in Grossbrittannien und in Russland erfasst, wie die Verbraucher in diesen Ländern auf Labels bzw. Bezeichnungen reagieren, die aussagen, ein Produkt sei „natürlich“, „frei von Zusatzstoffen“, „naturberlassen“, „aus der Region“… Dabei ging es um Molkereiprodukte und um Backwaren.
Das Resultat ist doch ermutigend, was die Kompetenz des Publikums betrifft: 30% der Befragten suchen aktiv nach solchermassen beschrifteten Produkten, 70% geben an, sich durch solche Bezeichnungen gelegentlich beim Kauf beeinflussen zu lassen; 75% der Befragten erklärten, skeptisch zu sein gegenüber Produkten mit vielen E-Nummern und ganze 63% sagten, sie würden beim Einkauf die Marke wechseln, wenn ein gleiches Produkt als „natürlich“ und „ohne Zusatzstoffe“ angepriesen werde.
Es sieht aus, als hätten die Aufklärungs-Bestrebungen in so unterschiedlichen Gesellschaften etwas Positives bewirkt und das Bewusstsein der Verbraucher geschärft. Noch abzuwarten bleibt, wie die Lebensmittelindustrie insgesamt auf diesen Befund reagiert: passt sie ihre Rezepte und Produktionsweisen an oder passt sie lediglich die Etiketten an… Wachsamkeit ist angesagt.