25/1 Volksmund direkt
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 16:40 |
Ich bin konsterniert. Da war letzte Woche diese Meldung in der Presse über die Empfehlungen einer Fachkommission betreffend die Adipositas-Chirurgie. Heute nun wurde nachgefasst mit einem Bericht über drei Fälle in 20minuten. Die Schilderung dieser Beispiele aus der Praxis hat eine Flut von 226 Kommentaren ausgelöst. In der überwiegenden Mehrzahl dieser Eintragungen spiegelt sich mehr oder weniger ungefiltert die Meinung des „Volkes“: Abnehmen sei eine reine Willenssache, man müsse nur weniger essen und sich mehr bewegen, die Dicken seien bloss zu faul, würden sich aus lauter Bequemlichkeit eine Luxus-OP von der Allgemeinheit finanzieren lassen, während viele andere, dringend benötigte Leistungen von den Krankenkassen nicht übernommen würden…
Zwar gibt es einige besonnene SchreiberInnen, die darauf hinweisen, dass Adipositas ein komplexes Krankheitsbild ist, dass niemand „einfach so“ operiert wird, dass der Magen-Bypass in aller Regel die letzte Option ist und dass damit in den meisten Fällen wesentlich höhere Folgekosten vermieden oder verringert werden können… Aber das bleibt in diesem Schlagabtausch der Vorurteile ohne Wirkung: verbal wird auf die egoistischen, dummen, faulen, unbelehrbaren Dicken eingedroschen, als wären sie allein der Grund für die jährliche Prämienerhöhung!
Zugegeben, die stetig steigenden Gesundheitskosten sind ein Ärgernis. Sie sind nicht zuletzt zurückzuführen auf immer raffiniertere und aufwändigere Behandlungsmethoden für Krankheiten, die man früher entweder nicht kannte oder die man einst wohl in stillem Leiden ertragen hatte. Der Wunsch, für sich selber die beste aller möglichen Therapien zu bekommen, ist legitim. Aber er verursacht Kosten.
Wie steht es nun mit dem Aufwand für die Adipositas-Chirurgie? Ein solcher Eingriff beläuft sich im Schnitt auf 20’000 Franken. Pro Jahr werden heute etwas über 5’000 Operationen ausgeführt. Das macht total 100 Millionen. Die Gesamtkosten, die dem Gesundheitswesen jährlich durch die Folgen von Übergewicht und Adipositas entstehen (Therapien von Diabetes, Herzinfarkt, Hirnschlag, Krebs…), belaufen sich auf rund 8 Milliarden. Davon sind es für die Operationen gerade mal 1,25%!
Schade, dass in der ersten Fassung des Online-Berichts von 20minuten das Gespräch mit dem Krankenkassen-Experten Felix Schneuwly, das in der gedruckten Ausgabe der Zeitung enthalten ist, nicht veröffentlicht wurde: Er plädiert nämlich für zielgruppenspezifische Anreize bei der Prämiengestaltung, etwa im Sinne eines Bonus-Systems für Übergewichtige, das zu einer Prämienvergünstigung führt, wenn sie dauerhaft abnehmen. Ein Vorschlag, den ich gerne unterschreiben würde. – Hier der nachträglich eingefügte Link zu seinen Antworten.