29/1  Von der Stange

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:26

Eine der grossen Annehmlichkeiten beim Gewichtsverlust ist die Tatsache, dass sich das allgemeine Leben normalisiert. Diese Woche werden es 77 Kilo sein, die sich buchstäblich in Luft (bzw. CO2) aufgelöst haben, und der UHU-Club ist schon so gut wie in Sichtweite, wenn es mir gelingt, im Endspurt weiterhin Disziplin zu wahren.

Kürzlich, als mir beim frühmorgendlichen Gang zum Zeitungskasten im Lift die Trainerhose unversehens in die Knie abgerutscht ist, beschloss ich, mir einen neuen Freizeitdress zu kaufen. Ich ging zwei Strassen weiter zum C&A, wo ich mir locker ein XXL-Modell vom Bügel holte, das mir wie angegossen passte und preislich nur noch einen Bruchteil dessen ausmachte, was ich vormals im Spezialgeschäft für meine 8XL-Kleidung hinblättern musste.

An dieser Stelle will ich ein allgemeines Loblied anstimmen auf jene Textil-Verkäufer, die bemüht sind, auch Menschen mit extremer Körperfülle so modisch wie möglich einzukleiden. Ich habe in meiner schwersten Phase die meisten der gängigen Kleidergeschäfte besucht, mich fahckundig bedienen und beraten lassen, mich gefreut am sympathisches Umgang und an der freundlichen Betreuung, aber auch an den jeweils wieder neuen Modellen aus Produktionslinien, die eigens auf die besonderen Bedürfnisse der Menschen mit besonders ausladenden Hüften und Bäuchen zugeschnitten waren. Herzlichen Dank und volle Anerkennung, dort, wo der Service entsprechend war!

Aber jetzt ist diese Phase abgeschlossen und es kommt mir vor, als sei ich von einer langen Reise zurückgekehrt in die Welt der „Normalverbraucher“, wo ich mich unauffällig bewegen kann, untertauchen in der Menge, Schritt halten mit den Menschenströmen unterwegs, ohne eine Extrawurst verlangen zu müssen… und ich verblüffe mich selber täglich wieder (noch bin ich sensibel darauf), dass mir Dinge gelingen, die mir lange, zu lange verwehrt waren, so triviale Geschichten wie etwa die Benützung eines Raststätten-Pissoirs im Stehen… was ich während Jahrzehnten nicht mehr geschafft hatte.

Das gibt mir Mut und Kraft für die letzte Strecke. Packen wirs.


Ein Kommentar zu “Von der Stange”

  1. Heini Hertach sagt:

    Ich lese häufig Deine Texte. Ein Journalist durch und durch. Ich bewundere auch Deine Standhaftigkeit in Sachen Gewicht und drücke Dir auch weiter die Daumen!

Comments are closed.