23/2 Vitamine und Naschen
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 16:12 |
Es war schon so, als wir selber klein waren. Alles, was „gesund“ war, schmeckte scheusslich, war bitter, lebertranig, roch nach Schnaps und nach sonstwas… und es handelte sich um reine Überlebensstrategie, wenn man sich mit Händen und Füssen gegen die Einnahme von „Gesundem“ zur Wehr setzte. Am schmerzhaftesten waren die Zäpfchen, auch wenn man sie nicht oral verköstigen musste. Dafür kniff man die Pobacken umso fester zusammen.
Gesundes in eine wohlschmeckende Leckerei zu verpacken, das war schon immer die Kriegslist, um kindlichen Widerwillen zu überwinden. Auch Supernanny Mary Poppins war mit diesem Kniff vertraut, wenn sie den spoonful of suger besang, mit dem sich die Medizin besser schlucken lässt. Wohlvertraut aus der Werbung sind uns die Spots, in denen etwa „Fruchtgummis“ angepriesen werden mit dem Argument, sie enthielten besonders viele wertvolle Vitamine.
Solche Anpreisungen konnte man bisher leicht ignorieren, weil die Motivation der Süsswarenfabrikanten auf der Hand lag: Umsatz zu generieren. Das Wohlergehen der Kids war dabei lediglich ein vorgeschobener Nebeneffekt, wie fragwürdig das auch immer erscheinen mochte.
Aber nun kommt in Deutschland eine Steigerung auf den Markt: eine Drogerie-Kette verkauft mit Vitaminen angereicherte Gummibärchen. Vier dieser Vitamin-Petzchen würden den ganzen Tagesbedarf eines Kindes bis zu 100% decken! Ernährungsexperten sind konsterniert: ausgerechnet eine Handelskette, die sich in den Dienst der Gesundheit stellen müsste, gibt sich für eine solche Aktion hin.
Schleckwaren mit Vitaminen können kein Ersatz sein für Früchte und Gemüse. Bei einer einigermassen ausgewogenen Ernährung besteht die Gefahr, dass es zu einer Überdosierung mit bestimmten Vitaminen kommt. Auch wenn dadurch keine akute Schädigung droht, weil die meisten Vitamine wasserlöslich sind und wieder ausgeschieden werden, ist es doch ernährungstechnisch ein Unsinn, sich damit vollzupumpen.
Der Vorgang findet in Deutschland statt. Bleibt zu hoffen, dass das hiesige Apotheken- und Drogerie-Wesen mehr Vernunft und Verantwortungsbewusstsein zeigt.