6/5 Das PET-Paradox
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 14:31 |
Ich bereite mich mental vor. Es geht um die Teilnahme an einer Podiumsdiskussion, heute in einer Woche. Thema: Prävention und individuelle Vorsorge des/der Einzelnen. Tun wir selber genug, um gesund zu bleiben? Wenn ja, warum? Oder doch nicht? Und woran liegt das?
Über die Gesundheitskompetenz wird hierzulande ja viel geredet und geschrieben. „Selfempowerment“ ist ein magisches Schlüsselwort: einerseits nimmt es Zuflucht bei der uralten Spruchweisheit „hilf dir selbst – so hilft dir Gott“ (als ob es dafür eine Garantie gäbe), anderseits aber entlastet es viele der Zuständigen im politischen Entscheidungsprozess davon, für Andere Verantwortung übernehmen zu müssen bzw. vom Vorwurf, bezüglich der Schaffung von gesundheitsförderlichen Verhältnissen und entsprechender gesetzlicher Regulierungen zu wenig zu tun… Schliesslich ist doch jeder einzelne seines eigenes Glückes (und damit auch seiner Gesundheit) Schmied. Ich höre schon das muntere, vielstimmige Tingeln und Klingeln zur Melodie der Ambosspolka… Man muss, so lautet die Losung, den Menschen nur die richtigen Informationen vermitteln. PR-Profis vor!
Und doch befallen mich Zweifel, die ich für berechtigt halte. Ich war heute Vormittag im Supermarkt beim Wocheneinkauf. Bei der Gelegenheit entsorge ich jeweils auch das Leergut zum Recycling. Seit einiger Zeit nehmen sie in der Migros (und anderswo) auch andere Kunststoff-Gebinde zurück: Milchflaschen aus weissem Plastic, Ölflaschen, Flaschen von Putzmitteln, was auch immer… Und deutlich steht bei den Einwurfstellen geschrieben: „Hier NUR PET-Getränkeflaschen!“ Alles andere muss in den Container nebenan, wo in Wort und Bild ebenso deutlich angezeigt ist, was hier entsorgt werden kann. Heute nun war der Behälter mit den PET-Getränkeflaschen voll und die Angestellten hatten ihn aus seinem Verschlag geholt. Ein Blick in sein Inneres liess mich an der Lernwilligkeit meiner Mitmenschen mehr als zweifeln. Etwa die Hälfte der eingeworfenen Flaschen waren „artfremd“: Shampoos, Flüssigseifenspender, Milchtüten (auch solche aus Karton), flüssiges Bodenwachs, leere Alu-Spraydosen… Und dabei wäre doch die Unterscheidung zwischen „PET-Getränkeflasche“ und „anderem“ eine verhältnismässig einfache gewesen. Zudem sehe ich täglich animierte TV-Spots in den Werbeblöcken, die mich für gutes Geld zum korrekten Handeln anhalten sollen.
Um wie unendlich viel komplexer sind dagegen die jeweiligen Empfehlungen für das „richtige“ Gesundheitsverhalten! Und das sollen die Flaschen-Falsch-Einwerfer dann einfach so aus dem Schnupf beherrschen? An welchen Storch glauben die Leute denn, die sich auf das Selbst-Empowerment verlassen möchten?
Wir haben noch einiges zu tun, auch wenn wir unsere Flaschen korrekt entsorgen!