9/4 Zahlenspielereien
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 16:43 |
Das sind die teuersten Krankheiten. Mit dieser Schlagzeile hat die „SonntagsZeitung“ gestern einen Artikel und eine Grafik (leider beide online kostenpflichtig, daher hier nicht aufschaltbar) veröffentlicht, mit einem Ranking der Kosten für die verschiedenen Krankheits-Typen. Grundlage waren Berechnungen aus dem Jahr 2011 (inzwischen haben sich die Kosten unseres Gesundheitswesens bereits wieder um 25% erhöht).
Rund die Hälfte aller nichtübertragbaren Krankheiten sind durch den individuellen Lebensstil beeinflusst: Essen, Trinken, Bewegung, Suchtverhalten. Knapp eine Milliarde kostet die Behandlung von Diabetes, zehnmal teurer kommen die Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu stehen. Rechnet man all jene Krankheiten zusammen auf welche insbesondere die Ernährung einen Einfluss hat, dann beläuft sich diese Summe auf nicht weniger als 27 Milliarden Franken (!!), demnach praktisch die Hälfte der gesamten Gesundheitskosten (2011 waren das 64 Milliarden).
Bei den meisten dieser Krankheiten handelt es sich um sogenannte Komorbiditäten der Adipositas, also um „Begleit-Erkrankungen“ die u.a. als Folge von Übergewicht und Adipositas auftreten können. Aber seltsamerweise ist der Befund „Adipositas“ in dieser Aufstellung gar nicht erfasst. Nun lässt sich einwenden, Adipositas sei zwar ein Problem für die Volksgesundheit und ein Risikofaktor, aber keine anerkannte „Krankheit“ im eigentlichen Sinne…
Aber dann stellt man fest, dass bei der Auflistung der Krankheitskosten auch ein Posten von 2,5 Milliarden als „Primärprävention – z.B. Kampagne gegen Unfälle im Strassenverkehr“ aufgeführt ist. Das ist ja dann auch keine Krankheit „im eigentlichen Sinne“. Und interessant: den 2,5 Milliarden für die Unfall-Prävention stehen Kosten für die Behandlung von „Verletzungen/Unfällen“ in der Höhe von 5,2 Milliarden gegenüber. Also: für die Prävention wird offenbar halb so viel aufgewendet, wie die Behandlung selber kostet!
Wenn wir das jetzt auf die Prävention der durch die Ernährung bestimmten Krankheiten umrechnen, müssten für die entsprechende Aufklärung und Information also mindestens 12 Milliarden Franken zur Verfügung stehen!
Heute wird für solche Aktivitäten bloss ein Bruchteil davon ausgegeben, genaue Zahlen sind nicht verfügbar. Im Gegenteil: es wird an allen Ecken und Enden gespart. Budgets werden gekürzt. Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE, zuständig für diese landesweite neutrale Aufklärungsarbeit, muss um ihre Mittel – und ihr Überleben – kämpfen. In Sachen „Verhältnisprävention“ (Thema: Regulierung der Werbung für ungesunde Produkte, Zuckersteuer, etc.) wird das Wohl der Bürger unter dem Vorwand der Eigenverantwortung einem kurzsichtigen Profitdenken des Marktes geopfert.
Die am Sonntag publizierten Zahlen machen deutlich: Es muss nun endlich etwas geschehen, auch auf politischer Ebene. Wirkungsvolle Prävention muss finanziert werden. Mit billigen Appellen an die Selbstverantwortung des Einzelnen ist es nicht mehr getan.