14/6 Die Milch und wir
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 16:10 |
Es war spät am Abend. Eigentlich habe ich nur zufällig in den Dokumentarfilm gezappt, bin dann aber gebannt hängen geblieben.
Es ging um Milch und wie sie heute produziert und weltweit vermarktet wird. Das berührte mich persönlich, habe ich doch einen grossen Teil meiner Jugend mit Kühen verbracht, als Hüterbub auf der Weide (wo noch alle Hörner hatten), im Stall mit Füttern, Misten und Melken, mit Fellpflege, Klauenschneiden und bei der Geburt der Kälbchen… Was gab es Meditativeres als so neben einer gemächlich schnaufenden Kuh im Gras zu liegen, an ihren weichen Pansen geschmiegt in einer Welt, die in Ordnung schien. Und die warme Milch direkt ab Zitze zu trinken…
Heute kommt die Milch ja aus der Kartonbox oder der Plasticflasche. Und sie ist nicht mehr einfach Milch, sie ist gepanscht, verarbeitet, entfettet, mineralisiert, laktosefrei, es gibt -zig Ersatzprodukte für Veganer aus Soja, Mandeln, Kokos, usw. Aber die Kuh – inzwischen hornlos – bleibt die Hauptlieferantin, gnadenlos auf Leistung getrimmt, eine Bio-Maschine gewissermassen, eine lebende Stoffwechselfabrik, die Gras und Kraftnahrung in flüssiges Eiweiss und Fett verwandelt.
Die Dokumentation „Das System Milch“ rüttelt auf. Sie hat mir Zusammenhänge der heutigen globalen Milchwirtschaft aufgedeckt, die mir in dieser Stringenz nicht bekannt bzw. bewusst waren: In Europa hängen die Milchbauern rettungslos am Subventionstropf der EU-Gelder, ohne diese Mittel würde sich die Viehhaltung nicht mehr rechnen. Billig produziert wird in riesigen Industrie-Betrieben mit Tausenden von Kühen. Sie sind auf Futter angewiesen, das aus dem Ausland importiert werden muss. Die Gülle, die aus diersem Futter entsteht, müsste eigentlich in die Urprungsländer zurück, um dort im natürlichen Kreislauf als Dünger zu dienen. Tut sie aber nicht, sondern überdüngt die europäischen Böden und verdirbt auf Dauer unser Grundwasser. Es wird mehr Milch industriemässig gefertigt, als hier überhaupt konsumiert wird, denn die sich öffnenden Märkte in Asien versprechen grosse Gewinne. Ein Teil der Überschuss-Produktion wird zu Milchpulver verarbeitet, das riesige Lagerhallen füllt und mit staatlicher Subvention zu Billigpreisen in afrikanische Länder verramscht wird, wo wiederum die einheimischen Bauern keine Existenzgrundlage mehr finden, weil sie ihre Milch niemals so billig produzieren können wie das Pulver aus Europa…
Mit durch Steuern finanzierten Subventionen zerstört Europa die afrikanische Agrarwirtschaft und plündert dabei die Eiweiss-Rohstoffe (Soja-Anbau nach Abholzung der Regenwälder!) anderer Kontinente und zwingt die Tiere in eine unnatürliche Massenproduktion, die weit über den lokalen Bedarf hinausgeht und von der nur die grossen Konzerne profitieren. Wir sind gefangen in einer überhitzten Produktions-Spirale und ein Ausweg scheint nicht (mehr?) möglich zu sein.
Es wird neue Generationen brauchen, bis ein Umdenken stattfinden kann. Und wir sollten uns die Frage stellen: Wieviel Milch braucht der Mensch..?