11/10  World Obesity Day

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:53

Es gibt „Welt-Tage“, die füllen ganze Zeitungsseiten. Nicht so der Welt-Adipositas-Tag, der heute auf dem offiziellen Kalender steht. Der hat sich bis jetzt unauffällig tief unter dem Radar all der Zeitungen und ihrer Redaktionen gehalten, die ich heute gelesen und nach einem Hinweis abgesucht habe. Ein paar schüchterne Memes auf facebook sind alles, was ich bis jetzt finden konnte.

Zum Glück hat sich einer unserer Sponsoren, die Firma Johnson&Johnson mit ihrer Sparte für das Zubehör zur bariatrischen Chirurgie, des Themas angenommen und uns eingeladen, einen Text zu verfassen, den sie als Sponsored-Content in verschiedenen medialen Plattformen publizieren lassen. Ich nutze die aktuelle Gelegenheit, um meine Ausführungen auch hier zu veröffentlichen:

Übergewicht! Selber schuld?

Falsch: Adipositas ist eine chronische Krankheit.

Zum Welt-Adipositas-Tag (11.10.19): vom lebenslangen Kampf gegen den eigenen Körper

Noch immer nimmt die Zahl der übergewichtigen und adipösen (fettleibigen) Menschen weltweit zu, trotz intensiver Anstrengungen der Gesundheitsbehörden. Das Übermass an Körpergewicht ist quasi ein Kollateralschaden unserer Zivilisation, unseres Wohlstandes. Wir ernähren uns zu üppig und mit Lebensmitteln, die unseren Stoffwechsel negativ beeinflussen (z.B. Zucker) und wir bewegen uns nicht mehr ausreichend.

Falsche Schönheitsideale verleiten uns zu fatalem Essverhalten, Fast-Food und von der Industrie aufgepeppte Fertiggerichte enthalten Stoffe, deren Langzeitwirkung erst langsam erkannt wird: sie beeinflussen unser Sättigungsgefühl und damit auch unser Essverhalten, das sich einer Kontrolle durch den Willen entziehen kann, wenn erst einmal das gesunde Mass an Körperfett überschritten ist. Stress und Schlafmangel begünstigen eine Gewichtszunahme.

Übergewicht hat verschiedene Ursachen: zum Teil ist es genetisch bedingt, durch unsere Umwelt und unsere Lebensweise (Lifestyle) wird es begünstigt, wenn die entsprechende Veranlagung vorhanden ist. Auch psychosoziale Faktoren spielen eine Rolle, dies vor allem bei Kindern und Jugendlichen, die deswegen gemobbt und ausgegrenzt werden und Trost wiederum nur beim Essen finden.

Adipositas ist eine chronische Erkrankung mit fatalen Begleiterscheinungen wie hoher Blutdruck (der die Nieren schädigt), Diabetes Typ 2, verschiedene Krebs-Varianten, Gelenk-Schäden, Schlaf-Apnoe, etc. Chronisch heisst: Adipositas ist grundsätzlich nicht heilbar. Man kann zwar sein Gewicht reduzieren, aber die Voraussetzungen bleiben, dass die Pfunde über kurz oder lang wieder zurückkehren, denn nach dem Abnehmen ist man nicht «geheilt», im Gegenteil: bei jeder Diät stellt sich der Organismus auf eine reduzierte Energiezufuhr ein und drosselt den Verbrauch, so dass der berüchtigte Jojo-Effekt eintritt, sobald man sich wieder «normal» ernährt. Die «Wunderpille» gegen Übergewicht wurde noch immer nicht erfunden.

Das heute am besten erprobte Mittel zur dauerhaften Gewichtsreduktion ist der operative Eingriff am Magen-Darm-Trakt (Magen-Bypass, Schlauchmagen), aber auch die bariatrische Chirurgie (so der Fachbegriff) bringt keine Heilung, sie stellt lediglich eine Krücke dar, die es den Betroffenen erleichtert, mit ihrer Krankheit umzugehen. Aber sie bedingt eine lebenslange, konsequente Umstellung des Essverhaltens und eine lückenlose Einhaltung der ärztlichen Auflagen, zu der sich die PatientInnen verpflichten müssen.

Deshalb ist Prävention das Gebot der Stunde: Information und Aufklärung, aber auch gezielte Massnahmen (wie z.B. eine Zuckersteuer oder die Lebensmittel-Ampel), um zu verhindern, dass sich bei Menschen mit entsprechender Veranlagung überhaupt erst Übergewicht und Adipositas herausbilden können. Wer betroffen ist (BMI grösser als 30) soll sich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen (weitere Informationen: www.saps.ch ). Der simple Spruch von «weniger essen und mehr bewegen» greift zu kurz. Und die Diffamierung und Diskriminierung der Betroffenen kommt leider immer noch viel zu häufig vor.

Heinrich von Grünigen, Dr. med. h.c.
Präsident der Schweizerischen Adipositas-Stiftung SAPS
www.saps.ch