23/10 Fettschürze? – Prozessieren!
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 14:39 |
Sagt der Kassensturz. In einem Beitrag in der Sendung vom 21. Oktober ging es um die Frage der Wiederherstellungschirurgie nach massivem Gewichtsverlust. Geschildert wurde der Fall einer 31-jährigen Patientin, die nach einer Magen-OP 80 Kilo abgenommen hatte und nun unter den Folgen ihrer Fettschürze zu leiden hat. Nicht nur behindern sie die Hautlappen bei jeder Bewegung, es bilden sich überdies üble Gerüche und Entzündungen, die an heissen Tagen eine stündliche Pflege benötigen und ein soziales Leben ebenso unmöglich machen wie eine berufliche Aktivität, ganz abgesehen von der seelischen Belastung, die aus dieser Situation entsteht.
Die behandelnde Klinik hatte dreimal um eine Kostengutsprache für die Hautstraffung ersucht, diese war jedoch von der Krankenkasse Concordia immer wieder abgelehnt worden. Im Beitrag begründete der Kassen-Vertreter die Ablehnung mit der „strengen Rechtssprechung“ durch „sehr strenge Bundesgerichtsurteile“, welche es den Kassen verböten, „einfach so“ zu bezahlen.
Bei dieser zynisch-verlogenen Argumentation kommt einem die Galle hoch! Richtig ist, dass „kosmetische Schönheitsoperationen“ nicht zu den Pflichtleistungen der Kassen gehören. Und richtig ist, dass ein fatales Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 2006 zu ungunsten eines Patienten ausgefallen ist. Seitdem berufen sich zahlungsunwillige Kassen auf dieses Urteil. Wird jedoch bei einer Eingabe der „Krankheitswert“ durch die Kassenwarte als gegeben erachtet, können die Kosten für die Rekonstruktion übernommen werden. Dies ist immer wieder der Fall.
Es ist also nicht so, dass solche Eingriffe generell nicht bezahlt werden dürften. Vielmehr herrscht hier ein weites Feld der Willkür, dabei spielt unter anderem auch das Verhältnis zwischen dem Vertrauensarzt der Kasse und dem zuweisenden Mediziner eine Rolle. Und es ist auch nicht so, dass diese doch sehr gravierenden und grossflächigen Eingriffe „einfach so“ beantragt würden. Die Ausreden der ablehnenden Kassen sind schlicht skandalös.
Vor den Scheinwerfern und der Kassensturz-Kamera signalisierte der Concordia-Mann (wen wundert das?) Verständnis für den geschilderten Fall und anerbot sich, ein „unabhängiges Gutachten“ (was soll denn das sein? wer kann einen Fall besser beurteilen als der behandelnde Adipositas-Spezialist?) zu prüfen. Und schliesslich willigte man ein, 90% der Kosten für diesen Eingriff zu übernehmen… aber nicht etwa im Rahmen einer Kassenleistung, sondern zulasten der hauseigenen „Stiftung für Härtefälle“. Verlogener geht es nun wirklich nicht.
Ein Versicherungsexperte führte abschliessend aus, was vielen Betroffenen so nicht bewusst ist: gegen eine Kassen-Verfügung kann Einsprache erhoben werden. Bleibt dies ohne Wirkung, kann man den Gang an die Gerichte ins Auge fassen. Und dieser ist, entgegen einer weit verbreiteten Annahme, GRATIS und ohne weitere Kostenfolgen. Wer sich mit seinem Anliegen an das kantonale Versicherungsgericht wendet, bekommt in Härtefällen sogar einen unentgeltlichen Rechtsbeistand. Dies ist auch in einer Publikation (Download unten an der Website) des Bundesamtes für Gesundheit ausführlich dargelegt, in der auf alle Fragen zur obligatorischen Krankenversicherung eingegangen wird.
Wir von der SAPS prüfen nun die Möglichkeit, einen Formelbrief für solche Eingaben anzubieten. Wir bleiben dran.