4/6 Lockerungen, und dann?
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 15:11 |
Es ist eine Zeit der Ungewissheit. Daniel Koch ist im Ruhestand, zwar reichlich aktiv noch immer auf allerlei Bühnen, aber irgendwie „fehlt“ er uns als offizieller Kompass, an dem wir unser tägliches Verhalten ausrichten können.
Schrittweise werden die rigideren Empfehlungen, an die wir uns brav gehalten haben, wieder gelockert. Enkel herzen, Verwandte besuchen, sich in der Öffentlichkeit versammeln, sich von der Coiffeuse eine Friction verpassen lassen… Und Einiges hat sich inzwischen eingespielt, ist zu quasi „normalem“ Verhalten geworden, wie etwa die Rituale im Supermarkt, vom gesitteten Anstehen über die Hände-Desinfektion bis zum richtigen Abstandhalten aufgrund der am Boden aufgeklebten Markierungen.
Wie viel davon später in unserem Alltag beibehalten werden muss, das ist noch nicht abzusehen. Realistische Prognosen gibt es etwa bereits für das Gastgewerbe, wo man Abschied nimmt vom Selbstbedienungs-Büffet und vom Ménage auf den Tischen… aber in meiner Akupunktur-Praxis wurde das vor drei Wochen verhängte Masken-Obligatorium schon wieder aufgehoben, im Umgang mit der sozialen Distanz werden wir innerlich flexibler und denken, „nicht ganz zwei Meter“ wären für das böse Virus wohl immer noch eine klare Schranke.
Solange die Infektionsrate auf dem aktuell tiefen Niveau bleibt, fassen wir zunehmend Mut, an gewisse Limits zu gehen, auszuloten, was drin liegt und was nicht. Das Problem ist nur, dass bei einer Grenzverletzung nicht sofort ein hartes Schicksal zuschlägt und uns bestraft, etwa mit einem bösen Ekzem oder einer Blauverfärbung der Haut… Diese Situation erinnert mich an die Tage während der Tschernobyl-Katastrophe. Ich habe damals eine kleine Informations-Einheit von Radio-JournalistInnen geleitet, die aus dem strahlensicheren Bunker der Nationalen Alarmzentrale heraus für die rasche und sachgerechte Information der Bevölkerung zuständig war. Auf dem Weg vom Parkplatz zum Eingang ins Gebäude war man bei schönstem Wetter den Gedanken ausgesetzt, wo und wie sich allenfalls die unsichtbare und unfühlbare atomare Strahlung auf uns auswirken könnte…
So bleibt uns im Moment nur, nicht allzu sorglos zu werden, in der Hoffnung, dass sich die Seuchenlage auf einem Risiko-Level stabilisiert, das nicht höher ist als die tägliche Gefährdung, der wir uns aussetzen, sobald wir am Morgen das Bett verlassen.