29/1  Voll auf die Dicken?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:55

Die Realität holt uns ein. Der Blick schreibt mit riesigen Lettern DICKEN-ALARM auf sein Titelblatt und berichtet, wie die Spitäler ihre Einrichtungen an das stetig zunehmende Körpergewicht ihrer PatientInnen anpassen müssen. Die Redaktion hat dazu auch den Standpunkt der SAPS eingeholt und das ist verdienstvoll.

Auf der Titelseite steht dann allerdings in kleinerer Schrift noch ein Zusatz: …und die Dünnen zahlen mit. – Das ist ein Satz, der mir nicht gefällt. Er schürt Missgunst und stellt die Übergewichtigen ins Abseits. Freund Rolf hat denn auch sofort entsprechend reagiert: Jetzt geht es los, hat er mir am Telefon aufgebracht gesagt, jetzt werden wir in die Pfanne gehauen, jetzt geht es uns wie den Rauchern, jetzt sind wir auf die Randgruppen-Solidarität angewiesen… – Ich habe ihn beruhigt, noch können wir uns frei bewegen und werden nicht aus den Restaurants gewiesen. Aber die Sache mit dem Bezahlen stimmt nachdenklich: im Online-Bereich des Blick nehmen die zum Teil recht gehässigen Reaktionen schon über 20 Seiten ein und es finden sich sowohl alle krassen Vorurteile wie recht viel Verständnis und Zeichen von Solidarität.

Wie ist es denn mit anderen Gefahren im Krankenhaus? Ich zum Beispiel fahre nicht Ski und auch nicht Snowboard. Aber ich zahle mit meinen Kassen- und Versicherungsprämien die Behandlung der immer schwereren Unfallfolgen der Pistenraser voll mit. Ich trinke nur mässig und fahre nicht im Vollrausch, aber ich hafte indirekt mit für die Unfallfolgen der andern. Ich kiffe nicht und spritze mir keinen Stoff, aber ich finanziere mit meinen Steuern das Auffangnetz der Methadonabgabe, damit soundso viele unserer Landsleute trotz schwerer Abhängigkeit ein einigermassen geordnetes Leben führen können.

Das ist gut und richtig so. Aber dann soll man nicht uns Dicke ausgrenzen und sagen – wie das im Blick-Forum etwa geschrieben wird – , wir seien so, weil wir uns den ganzen Tag mit Esswaren vollstopfen und auf der faulen Haut herumliegen… – Was wir brauchen ist ganz normale Akzeptanz, nicht Spott und Hohn und schon gar nicht die Verachtung, die uns aus vielen Zuschriften entgegenschlägt. Es gibt noch einiges zu tun.


Ein Kommentar zu “Voll auf die Dicken?”

  1. Lukas Boesch sagt:

    Genau Herr von Grünigen, Solidarität ist ein zentraler Pfeiler unserer Gesellschaft und darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Auch ihr Vergleich mit Methadonpatienten trifft genau in die Problematik. Da hat die Medizinaliserung im Rahmen des 4-Säulen-Modells entscheidend zur Verbesserung der Situation beigetragen. Beim Thema Adipositas scheint die Diffamierung und Ausgrenzung hoch im Kurs zu stehen. Sogar die durch KK-Gelder geförderte Kampagne von „Gesundheitsförderung Schweiz“ diskriminiert offen übergewichtige Kinder. Als ob diese Kinder nicht schon genug Probleme hätten.

    Hochachtungsvoll

    Lukas Boesch

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