6/4 Wachstum
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 23:40 |
Übers Wochenende war der Migros-Boss Herbert Bolliger in verschiedenen Medien. Er zeigte sich kampfeslustig und optimistisch und versprach für das laufende Geschäftsjahr guten Gewinn und deutliches Wachstum. Wo immer die Billig-Konkurrenz aus Deutschland, die noch im Anmarsch ist (also Lidl) eine „Blechkiste“ auf die grüne Wiese stellen werde (und die Migros-Scouts habe bis jetzt etwa 50 Standorte ausgemacht, an denen die Vorarbeiten laufen), werde die Migros auch einen ähnlichen Antrag stellen… denn bis jetzt habe man sich am Wohl der Gemeinschaft orientiert und Standorte an zentraler Lage bevorzugt, damit der Detailhandel „bei den Leuten“ bleibt und leicht erreichbar ist.
Mit der direkten Konkurrenzierung auf weiter Heide wird eine neue Strategie getestet, die zumindest in der Aufbauphase günstiger ist, denn die Infrastrukturkosten sind bei einem funktionalen Neubau draussen tiefer als in der Ortsmitte. – Aber welches können allenfalls die gesundheitspolitischen Auswirkungen eines solchen Strategiewechsels sein? Es sind die bekannten, trivialen Trends: man geht so oder so mit dem Auto einkaufen (weil man muss), man kauft in grösseren Mengen ein (weil man nicht so häufig hinfährt), man wählt die grösseren, günstigeren Packungen – und man konsumiert wacker.
Bei Vorträgen zur strukturellen Adipositas-Problematik vertrete ich jeweils die These, dass die Lebensmittel-Anbieter eine beträchtliche Verantwortung trügen, weil sich deren Wachstum, im täglichen Preiskampf, quasi auf den Hüften der übergewichtigen Käuferinnen und Käufer niederschlagen müsse, denn jeder Mehrkonsum muss zu höheren Verzehrmengen führen, wenn gleichzeitig die Preise gedrückt werden… – Nun hat Bolliger hier eine klare Gegenposition bezogen: der Detailhandels-„Kuchen“ wachse nicht mehr, die Konkurrenten könnten sich nur noch gegenseitig Marktanteile abjagen, von einem Wachstum der ganzen Branche könne nicht die Rede sein.
Das ist ein spannender Aspekt, der allenfalls etwas Tröstliches haben könnte. Aber ich traue ihm noch nicht, bis ich den Sachverhalt von einem unabhängigen Experten bestätigt bekomme. Ich kann mir schlicht nicht vorstellen, dass all die Anbieter, von Migros (mit Denner) über coop (mit Carrefour) und Aldi bis zu Spar und zu den schon geplanten 50 Verkaufsstellen von Lidl mit Stolz ihre positiven Bilanzen und ihr prognostiziertes Wachstum verkünden… ohne dass das Fressvolk nicht happig zugelangt und zugelegt hätte. Ich muss mir einen Wirtschaftsexperten suchen. Liest keiner diesen Blog?