22/4  Sich verbünden

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 13:47

Wer mit wem? – Letzte Woche sprach kurzfristig die 10vor10-Redaktion bei mir vor und wollte ein Statement zum „neuen“ Adipositas-Medikament Alli, das voraussichtlich 2010 in der Schweiz zugelassen wird, nachdem es seit 2007 in USA und derzeit auch in ersten europäischen Ländern rezeptfrei erhältlich ist. Das Präparat enthält den Wirkstoff Orlistat, den man schon von Xenical her kennt, und tatsächlich handelt es sich einfach um eine neue (schwächere) Dosierung des gleichen Präparates, dessen Patent vor einiger Zeit abgelaufen ist.

Ob ich es nicht als problematisch ansehe, wenn das bisher rezeptpflichtige Mittel plötzlich für jedermann erhältlich sei, wollte die Reporterin wissen. Ich verneinte, wohl wissend, dass die freie Verfügbarkeit am Markt auch Risiken birgt, namentlich für junge Menschen, die sich um jeden Preis schlank hungern wollen, auch wenn sie objektiv gar kein Gewichtsproblem haben. Aber für adipöse Patienten kann Xenical/Alli eine wirkungsvolle Unterstützung sein, wenn es darum geht, den Fettkonsum zu kontrollieren. Da durch den Wirkstoff die Verdauung eines Teils des mit der Nahrung aufgenommenen Fetts verhindert wird, verlässt dieses den Körper hinten in Form eines sehr dünnflüssigen, körperwarmen Oels, das ziemlich streng riecht… Ich habe früher selber eine Zeitlang Xenical genommen, und am Anfang habe ich diese unangenehme Nebenwirkung am eigenen Leib – bzw. ausserhalb desselben, nämlich in der Hose und in einem Mantel – erlebt… aber das ist dann eine so eindrückliche Lehre, dass man alles daran setzt, um deren Wiederholung zu vermeiden. – Ich nehme deshalb bei Diskussionen, wenn die Rede auf die „schlimmen Nebenwirkungen“ der Orlistat-Präparate kommt, das Mittel immer in Schutz: der Verursacher dieser Nebenwirkungen ist nicht das Präparat, sondern der Mensch, der sich um die empfohlene Ernährungsweise foutiert! – So entwickelt das Mittel eine gewisse erzieherische Wirkung, die durchaus heilsam ist.

Allerdings sind auch die Medien mitschuldig an Missverständnissen: auch 10vor10 hat in seiner Schlagzeile das Präparat als „Fett-weg-Pille“ angekündigt: das ist irreführend, denn die Pille beseitigt kein überflüssiges Körperfett, sondern schränkt eine weitere Zunahme von Nahrungsfett (etwas) ein. Die Gewichtsreduktion erfolgt durch die kalorienbewusste Ernährung und durch vermehrte Bewegung. – Beim Nachdenken über diese Zusammenhänge ist mir bewusst geworden, dass der Name, den man dem neuen Mittel in USA gegeben hat, etwas mit dieser unterstützenden Wirkung zu tun haben könnte: „Alli“ wird als „älläi“ ausgesprochen, das klingt wie „verbündet“ (allied) auf Englisch. Das Mittel ist kein Gegner, kein Feind: es kann zum Verbündeten werden, wenn es darum geht, den reduzierten Fettkonsum bewusst unter Kontrolle zu halten. Und das ist doch nicht schlecht.




21/4  Döner essen verboten!

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 19:41

Es geht nicht um Gesundheit. Nicht um Übergewicht. Auch nicht um rassistisch unterlegte Aversionen gegen ein bestimmtes Lebensmittel. Es sei – lassen die Basler Verkehrsbetriebe verlauten – einzig und allein eine Frage der Hygiene bzw. der Reinlichkeit. Ab sofort ist es in den Basler Trams („Trämli“) verboten, Fast Food à la Döner, Hamburger, Hotdog, Pommes oder Wurst zu essen oder etwa Bier und Süssgetränke zu schlürfen, wie Blick am Abend und Basler Zeitung zu berichten wissen.

Wer sich nicht an die Auflage hält, wird stante pede zur Kasse gebeten: 20 Franken sofort, oder 40 Franken später. Eine happige Fast Food-Steuer, wie sie z.B. im Nationalrat keine Chance hätte. Dabei geht es nicht nur um die „greifbare“ Hygiene, um die Fett- oder Ketchup-Flecke, in die man sich nicht setzen möchte, oder die Limo-Pfützen, die alles verkleben… es geht vielmehr auch um die olfaktorische Belästigung der Nahverkehrs-Reisenden: wenn sich der beissende Döner-Hauch von Zwieben und „mit alles“ mit dem süsslich-schweren Dunst von Red Bull zu einer Nasenfolter mischt, die von der CIA ausgetüftelt sein könnte…

Ob die lokale Prohibition im rheinstädtischen Rollmaterial wesentlich zur Stabilisierung der Volksgesundheit beträgt, wird sich weisen müssen. Einstweilen noch erlaubt seien: Mineralwasser, Kaugummi, Bébé-Schoppen und Zuckerzeltli… Ganz verhungern wird niemand müssen, und entlang der Tramgeleise stehen genug Kioske und Kebab-Buden.




20/4  Walo-Buffet

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:31

Es waren dann über 1’500 Leute, die sich in Interlaken im Kursaal zusammenfanden, um ein Programm zu verfolgen, das mit berührenden Momenten Erinnerungen aufleben liess und vor allem vielen Nachwuchskünstlern eine Chance gab, sich und ihr Können vorzustellen.

Eine Art Landsgemeinde der unterhaltenden Art, von privten TV-Leuten eingefangen und in die Stuben jener gebeamt, die das Geschehen am Bildschirm verfolgten. Wiedersehen mit alten Bekannten, Tratsch über vergangene Zeiten und Erkundigungen nach der aktuellen Befindlichkeit. Zum 35. Mal wurde der Anlass durchgeführt und ist habe bei der Lektüre des Programms realisiert, dass ich vom vierten Mal an berifsbedingt mit von der Partie gewesen bin, also meinerseits 31 Jahre diese Szene verfolgt habe, und dabei auch mitbekommen, wie sich die Preisvergabe von einem bescheidenen Anlass im alten (oder war es schon das neue?) Bernhard-Theater über funktionale Mehrzweckräume im Opfiker TMC, dann in die Maag Music-Hall und bis ins Kursaal Interlaken entwickelt hat. Interessant auch die Erinnerung an die mediale Achterbahn, von der Radio-aufzeichnung über die TV-Livesendung von SF DRS bis zur „exklusiven“ Ausstrahlung auf Star TV

Und dann gab es kurz vor Mitternacht ein Büffet für die Leute: Fleisch-Gemüse-Spiesschen, gebratene Lachstranchen und Risotto, als Vorspeise Gazpacho, Fetasalat und kleine Cristini, und zum Dessert Panna Cotta und Eiscrème. – Was sich noch recht gut anhört wurde in der Praxis zu einer Geduldsprobe mit Schlangenstehen und fliegendem Telleressen, da für die vielen Partygäste nicht genug Stehtischlein verfügbar waren… kurz, der gesundheitsförderliche Nebeneffekt war, dass sich wohl niemand am Walo-Büffet überessen hat und dass zugleich das Herumstehen einen Beitrag an die körperliche Ertüchtigung bedeutete. In diesem Sinne dürfen wir uns aufs nächste Jahr freuen. Es kann besser werden.




19/4  Zwischenhalt

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:17

Wir fahren von Zürich nach Interlaken. Unsere Lotsen-Susi führt uns mit sanfter aber strenger Stimme über Luzern und den Brünig. Am Lungernsee machen wir einen Halt, die Sonne scheint noch auf die Veranda, wo sich verpackte Töfffahrer mit Kommunions-Familien mischen, deren weissgekleidete Kinder ihr Kreuz mit einer Verbindung aus Stolz und anempfohlener Demut um den Hals tragen.

Über der Szenerie liegt eine dichte Geruchsglocke der Sorte überhitztes Frittieröl, vermengt mit Sonntags-Schmorbraten, so dass man eigentlich gar nichts essen müsste, wenn dann noch der sättigende Anblick der gewaltigen Pommes-Portionen dazu kommt, die zur Freude der Kids ausgetragen werden. Aber die Tomatencrème-Suppe ist lecker, das frische Brot dazu so knusprig, wie man es im Flachland in keinem Grossverteiler findet, und auch der Wurstsalat lohnt die Andacht des Essers.

Gut genährt ziehen wir weiter, es wartet auf uns das jährliche Klassentreffen der kleineren Showbiz-Prominenz, die Verleihung des Prix Walo, gefolgt von einem Gala-Buffet vor Mitternacht.. wir halten durch bis zum Show-Biss.




18/4  Flugpreise

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:33

Wie ein Karusselpferd kommt das Thema von den Flugtickets für Dicke immer mal wieder in den Medien vorbei gerattert, in den letzten Tagen gleich geballt. – Zuerst wars in einer Reportage zur Diskussionssendung von Sandra Maischberger, wo Passanten gefragt wurden, ob sie dafür wären, dass Übergewichtige beim Fliegen mehr bezahlen sollten. Die Antworten fielen etwa fifty-fifty aus; interessant war eine Aussage, dass es dann ja nur gerecht wäre, wenn Dünne ihrerseits weniger zu zahlen hätten.

Vorgestern kam dann die Meldung, dass bei einer Umfrage des Billigstfliegers Ryanair unter den Passagieren – es ging um die Evaluation von Möglichkeiten zur Kostensenkung bzw. zur Generierung von extra Einnahmen – eine Mehrheit sich für teurere Plätze für Dicke geäussert hatte, dass aber die Fluggesellschaft eine solche Lösung (noch) grundsätzlich ablehnte.

Heute schliesslich die Information aus USA, dass United Arilines – wie andere Fluggesellschafen auch schon – stark übergewichtigen Fluggästen einen zweiten Sitz berechnen und diese bei ausgebuchter Maschine warten lassen, bis auf einem anderen Flug genügend Plätze frei sind. Diese Regelung gelte für die Economy-Class; in der Business oder First sind die Sitzgelegenheiten geräumig genug. Man kann sich fragen, ob Business nicht unter Umständen günstiger käme als zwei Economy-Plätze… das wäre abzuklären.

Angesichts der Tatsache, dass in USA über zwei Drittel der Bevölkerung übergewichtig sind, muten solche Praktiken recht weltfremd an. Vernünftiger wäre es, die Breite der Sitze an die realen Grössen der Reisenden anzupassen, das aber würde die Tickets insgesamt wohl deutlich verteuern und brächte Wettbewerbs-Nachteile.




17/4  Braunes Fett

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 11:27

Es geht hier nicht um altes Frittier-Öl, das entsorgt werden müsste, sondern um einen neuen Hoffnungsschimmer am Adipositas-Horizont. – Schon seit Jahren ist die Theorie vom „braunen Körperfett“ bekannt: Menschen, die über diese spezielle Art von Fettgewebe verfügen, haben die Fähigkeit, überschüssige Energie in Wärme umzuwandeln. Kleinkinder haben dieses Fett noch, doch bei den meisten Menschen (man geht von etwa zwei Dritteln aus) verliert es sich, wandelt sich zu „weissem“ Körperfett, das nicht mehr Wärme produziert, sondern Reservenpolster bildet.

Lange Zeit war es schwierig, dieses besondere, mit Mitochondrien (das sind die „Kraftwerke“ der Zellen) angereicherte Fettgewebe am Menschen zu erforschen. Nun ergeben sich hier offenbar für die Wissenschaft neue Möglichkeiten, mehr über diesen Mechanismus zu erfahren, wie einem Bericht im New England Journal of Medecine zu entnehmen sei, schreibt der Branchendienst Diet-Blog.

Vom 6. bis zum 9. Mai findet in Amsterdam der diesjährige Europäische Adipositas-Kongress statt. Ich werde dort sein und bin gespannt, ob dieses Thema auf der Tagesordnung steht. Wie genau sich die neuen Erkenntnismöglichkeiten auf die Gewichtsreduktion auswirken können, ist noch nicht bekannt. Lassen wir uns überraschen.




16/4  Mehr Qualität!

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:49

Dass kritische Aufmerksamkeit vor Täuschungen bewahren kann, darauf hat wieder einmal die unabhängige Verbraucher-Organisation foodwatch e.V. hingewiesen mit einem Vergleich von Werbeauftritt mit Lebensmittel-Realität. Es geht um eine auch bei Kindern beliebte Schleckerei aus dem Hause Ferrero, die Yogurette-Schokoriegel, verpackt in eine hellrosa Umhüllung, mit schmucker Illustration und flotten Sprüchen, mit denen dem Konsumenten vorgegaukelt wird, das Produkt „schmecke Joghurt-leicht“, enthalte die wertvollen Nährstoffe frischer Erdbeeren und werde vom Sportartikel-Hersteller Adidas empfohlen…

Ein geballtes Lügenpaket, wie die Analyse der Inhalte zeigt: von „leicht“ keine Spur, Fett- und Zuckergehalt entsprechend dem einer Vollmilchschokolade, die Aromen sind synthetisch, das „Erdbeergranulat“ hat mit der natürlichen Frucht alenfalls die Bezeichnung gemeinsam… – Muss man sich nun durch solch marktkritische Besserwisserei jeden Genuss vermiesen lassen? – Natürlich nicht. Selbstverständlich gehört es zu einem guten Lebensgefühl, sich ab und zu eine geschmackliche Verwöhnung zu gönnen. Aber hier gilt eine Wahrheit, die unser Stiftungsrats-Kollege und Spezialist für Kinder-Adipositas, Dr. Andreas Bächlin, in seinen Vorträgen verkündet: Wenn man sich schon Schokolade gönnt, dann soll es nur solche von bester Qualität sein. Und dann verbietet sich der „Genuss“ der kritisierten Yogurette ganz von allein, denn sie schmeckt trocken, „künstlich“, man spürt die Chemie förmlich auf der Zunge, da mag sie noch so „gluschtig“ verpackt sein und noch so irreführend angepriesen werden. – Bloss: beim spontanen Kauf entscheidet das Auge mit. Und das lässt sich oft blenden von verlockenden Abbildungen und beschönigend-verlogenen Slogans. Nehmt lieber ein Sprüngli-Praliné! Auch Ragusa ist nicht zu verachten. Und die gute alte Toblerone ist auch ein konstanter Wert.




15/4  Am Pranger?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 14:58

Das war eine brisante Mischung, die sich am Dienstagabend bei der ARD (DasErste) in der Sendung Menschen bei Maischberger eingefunden hatte. Das Thema war aktuell und zugespitzt formuliert: Dicke am Pranger: Faul, gierig, undiszipliniert?

Da war ein magenoperiertes Paar, beide nach massivem Gewichtsverlust sehr zufrieden mit ihrem Erfolg; da war Star- und TV-Koch Johann Lafer, der mit einem eigenen Ernährungskonzept („Lafer nimmt ab“) in einem Jahr 15 Kilo abgespeckt hat und dabei (nach eigenem Bekunden) schlemmt wie Gott in Frankreich; da war Margit Schönenberger, die nach einem Diät- und Jojo-Marathon beschlossen hatte, lustvoll dick zu bleiben und darüber das „Diätenhasser-Buch“ schrieb; und da war die Ärztin Dr. med. Annette Heller, die behauptet, jeder könne abnehmen, wenn er/sie nur richtig wolle, denn die meisten dicken seien an ihrem Übergewicht selber schuld… und schliesslich als medizinischen Konterpart Dr. med. Gunter Frank, dessen provokative These lautet: „Politik und Gesellschaft betreiben eine Hexenjagd gegen Dicke“, Übergewicht sei vor allem genetisch bedingt und jede Kampagne zu dessen Bekämpfung sei zum Scheitern verurteilt und deshalb unverzüglich einzustellen… sein Buch trägt den Titel „Lizenz zum Essen“.

Die Moderatorin versuchte gar nicht erst, unter diesen divergierenden Positionen einen gemeinsamen Nenner oder Konsens zu finden. Sie war gut dokumentiert, untermalte ihre Fragestellungen mit dem Resultat von Publikumsumfragen und Reportagen, aber letztlich blieb jeder der Teilnehmenden bei seiner/ihrer Ansicht und Meinung. Die Erkenntnis am Schluss war so simpel wie allgemein: es gibt kein Patentrezept, was für den einen funktioniert, muss nicht auch bei der andern taugen, jeder Fall von Übergewicht ist unterschiedlich definiert und muss individuell angegangen werden.

Interessant bleibt in der Erinnerung doch die Auffassung des Mediziners Frank, dass es den wissenschaftlichen Nachweis gar nicht gebe, dass Übergewicht mit einem erhöhten Krankheitsrisiko einhergehe, ja im Gegenteil: „mollige“ Menschen würden in jeder Gesundheits-Befragung deutlich besser abschneiden als die mageren und Diät-Geschädigten… und überhaupt: man solle die Dicken dick sein lassen, sie befreien von Schuldgefühlen und sie vom Druck der Gesellschaft entlasten, denn die wesentlichste Ursache für Übergewicht sei der Stress, den man den Molligen von Kind auf mache, indem man sie zu „gesundem“ Essen und zum Abnehmen zwingen wolle. – Dass es sich allerdings mit der „morbiden Adipositas“ anders verhalte, das räumte er am Schluss doch noch ein…

Es bleibt eine Botschaft, die in Fachkreisen noch Stoff für viele Diskussionen bieten dürfte.




14/4  Analog-Käse

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:47

Eine meiner intensivsten kulinarischen Erfahrungen habe ich vor Jahren im Militär gemacht. Es war in einem Kaderkurs im kleinsten Rahmen, zehn Leute waren wir, unterwegs im Wallis, und an einem der Abende machten wir Zwischenhalt in einem Lokal, das für seine Raclette bekannt war. Das Besondere daran: es wurden portionenweise unterschiedliche Käsesorten gereicht aus den verschiedenen Seitentälern des Wallis, aus dem Val d’Entremont, dem Val d’Anniviers, dem Turtmanntal, dem Matter- und dem Saastal, dem Lötschental und auch aus dem Goms… mehr als ein halbes Dutzend sind es gewesen. Und jede dieser Käsesorten hatte ihren ganz spezifischen Geschmack und eine eigene Konsistenz und Farbe, wenn sie geschmolzen auf dem Teller lag. Das komme von den unterschiedlichen Kräutern, die die Kühe fressen, und auch von der individuellen Art, wie die Käser auf der Alp die runden Laibe zubereiten, lagern und pflegen. Im Lauf des Abends lernten wir die einzelnen Sorten daran zu erkennen, wie sie im Munde zergingen, wie sie sich mit der Gabel teilen und wie sie sich beissen liessen. Es war ein – man sieht es! – unvergessliches Erlebnis der Sinne und des Geschmacks, zumal noch zu jeder Käsesorte der passende Wein gereicht wurde.

Ich singe dieses Lob des handgemachten Naturkäses, dessen Spur sich vom Grasbord am Berghang bis in den Raclette-Ofen und auf den Teller lückenlos rekonstruieren lässt, vor dem Hintergrund einer grauslich anmutenden Käsegeschichte, über die das ZDF letzte Woche in seiner Verbrauchersendung Frontal21 berichtet hat. Es geht um sogenannten Analog-Käse, auch Kunst-Käse genannt. Ein synthetisch hergestelltes Produkt, das aussieht wie Käse, schmeckt wie Käse, riecht wie Käse – aber sonst mit dem Milchprodukt nichts zu tun hat. Es besteht aus Eiweisspulver, Wasser, Pflanzenfett und Geschmacksverstärkern und Aromen und ist innerhalb von 20 Minuten verzehrfertig produziert, hat nie einen Grashalm, keine Kuh und schon gar keinen Käser gesehen… ist günstig in der Herstellung, haltbar, lässt sich auf 400 Grad erhitzen, ohhe zu verbrennen, was bei der industriellen Fertigung von Tiefkühlpizzas und für den Export von grossem technischem Vorteil ist.

Das Produkt ist von der Lebensmittel-Gesetztgebung durchaus zugelassen, es darf sich nur nicht „Käse“ nennen bzw. sollte entsprechend deklariert sein, was es – laut dem ZDF-Bericht – in vielen Fällen allerdings nicht ist: Kontrollen hatten ergeben, dass ein Drittel von untersuchten Käsebrötchen solchen Kunst-Käse enthielten, ohne dass dies bei der Inhaltsangabe vermerkt war… – Schätzungsweise 100’000 Tonnen dieses künstlichen Billig-Käses würden in Deutschland pro Jahr produziert. Ob und wie viel davon auch zu uns in die Schweiz gelangt, wissen wir nicht. Es dürfte sich lohnen, Fertigprodukte kritisch unter die Lupe zu nehmen.




13/4  Zappelphilipp

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:19

Früher war man einfach so – und damit basta. Heute hat man für alles einen Namen und wenns gut geht auch grad eine Medizin dagegen. Konnte früher ein Kind seine Füsse nicht stillhalten, sagte man, es sei eben ein Zappelphilipp, und so schlimm wie im Struwwelpeter kam es ja in der Regel auch nicht.

Heute weiss man, dass Menschen, die ihre Beine und Füsse nicht ruhig halten können, ein Restless Leg Syndrom haben, kurz RLS genannt. Und seit neuestem ist bekannt, dass es offenbar einen Zusammenhang gibt zwischen Adipositas und RLS: eine Studie an über 88’000 Erwachsenen in USA hat gezeigt, dass bei adipösen Menschen die Wahrscheinlichkeit, an RLS zu leiden, um 42 Prozent grösser ist als bei Normalgewichtigen. Vor allem Leute mit viel Bauchfett hatten ein grösseres Risiko, bis zu 60% betrug es bei denen mit dem grössten Bauchumfang, im Vergleich mit den schlanksten Probanden.

Wie genau sich dieser statistisch festgestellte Zusammenhang begründet, ist noch nicht klar. Die Forscher schliessen allerdings aus, dass Adipositas die direkte Ursache für RLS sei. Man vermutet, dass die entsprechenden Störungen in Nervensystem ausgelöst werden durch den Botenstoff Dopamin bzw. dessen Fehlen bei Übergewichtigen. Dennoch nimmt man an, dass eine Vielzahl von Faktoren gemeinsam den fatalen Zusammenhang auslösen würden…

Und ich habe in meiner schlichten Einfalt bisher gemeint, es sei einfach mein Körper, der sich noch etwas Bewegung verschaffen wolle, um den Energieverbrauch ein wenig anzukurbeln, wenn ich mich vor dem Einschlafen im Bett wälze und Mühe habe, für meine Beine eine bequeme Position zu finden…