28/3  Ein Bier-Traum

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:29

Freund Rolf, mit dem ich nach der Aquafit-Lektion noch in der Quartierwirtschaft bei einer Flasche Mineral (er ohne, ich mit) sitze, wäre eigentlich ein grosser Biertrinker vor dem Herrn. Aber sein Arzt hat ihm, wegen Adipositas in Verbindung mit Diabetes und Herzproblemen, dringend geraten, den Bierkonsum einzuschränken. Was Freund Rolf auch brav befolgt, jedenfalls wenn ich dabei bin.

Aber irgend eine suchtbildende Substanz muss in dem Gesöff drin sein, denn der Verzicht führt offenbar zu Entzugserscheinungen, die mit Wahnvorstellungen und Visionen verbunden sind. Heute jedenfalls hat Rolf sich plötzlich zurückgelehnt (nachdem er bis ins kleinste geschmackliche Detail alles wissen wollte über das samstägliche Geburtstagsmenü, an dem er zu seinem Leidwesen infolge Terminkollision nicht hatte dabei sein können), hat in die Weite der Gaststube geblickt, tief geseufzt und gesagt:

Du müsstest einmal beschreiben, wie das ist, wenn einer auf das Biertrinken verzichten muss. Das geht eine Weile lang gut. Aber dann staut es sich tief in ihm drin auf, das Verlangen nach Bier. Es wächst und wächst und dehnt sich aus, wird immer grösser, bis es ihn „verjagt“, richtiggehend „vertätscht“, bis er nicht mehr anders kann und einen grossen Humpen frischen, kalten Biers bestellt, mit einer richtig dicken Schaumhaube obendrauf. Dann nimmt er diesen Humpen in beide Hände, führt ihn sorgsam wie einen heiligen Kelch an die ausgetrockneten Lippen, die er in den Schaum eintaucht, bis sie die gelbe Flüssigkeit finden. Er nimmt einen langen, tiefen Zug und fühlt die kühle Flüssigkeit in sich hineingleiten mit einer anschmiegsamen Frische, die seine ganze Kehle erfüllt. Dann setzt er das Glas ab und fährt sich, schwer durchatmend, mit dem Handrücken über die Lippen, wischt die letzten Schaumfetzchen ab und schlenkert sie symbolisch aus, dann schnaubt er hart und befriedigt durch den Mund aus und weiss: es ist noch da, das Bier, es hat mich nicht im Stich gelassen, es nimmt mir nicht übel, dass ich es so lange verschmäht, gemieden habe. Mein Bier!

Ich höre Rolf mit einer gewissen Andacht zu. Seine Geschichte hat kein Happy End. Er weiss, dass er am Montag wieder zum Arzt muss. Bis dann wird aus seinem Bier-Traum sicher nichts. Aber es war doch schön, ihn sich ausgemalt zu haben.


2 Kommentare zu “Ein Bier-Traum”

  1. dpeppino sagt:

    kann jhren freund gut verstehen ,so gehts mir mit schoggi!!!!!!!!!!!mmmmmmmmmbis jetzt hatte ich zwar keinen >anfall< mehr weil ich jeden tag etwas süsses einbaue….es ist glaub einfach in unserm gehirn eingebrannt,kann mir nicht vorstellen wieso uns die gelüste einfach so in den fängen halt..es verschwindet ja nichts von den sachen von dieser welt…….

  2. Bud sagt:

    Kompliment, der Bericht ist super geschrieben, der arme Kollege! Hoffentlich darf er mal wieder ein Bierchen trinken…

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