20/2  Doppelsitz

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:37

Es war am 20. Dezember 2006. Da verklagte Jean-Jacques Jauffret die Fluglinie Air France. Ein Jahr zuvor hatte der 180 Kilo schwere Autor, Drehbuchschreiber und Filmregisseur in New Delhi ein Flugzeug bestiegen. Er war gezwungen worden, zwei Plätze zu bezahlen, obwohl er kaum sitzen konnte, da sich die Armlehne nicht hochklappen liess…

Ich kenne das Problem. In meiner Zeit mit 165 Kilo war jede Flugreise eine Tortur. Auch wenn man die Armlehne aufklappen konnte, musste ich stets darauf achten, dass neben mir jemand aus der Familie oder aus dem Freundeskreis sass, der oder die dünn genug war, um die Nähe auszuhalten. Die Bitte um eine Gurtverlängerung war zwingend und das Tischlein für die Bordverpflegung (die es damals noch gab) liess sich keinesfalls herunterklappen, es stand fast senkrecht zu meinem Kinn hoch und zwang mich so, die einzelnen Speisen auf der einen Hand zu balancieren, während ich mit der andern fingermässig essen musste, da sich die Betecke – obwohl noch nobel aus Chromstahl – einhändig nicht brauchen liessen. Die Bordtoilette konnte ich glatt vergessen. Vielleicht hätte ich mich hinein zwängen können, aber unter keinen Umständen war danan zu denken, sich umzudrehen oder gar die Hosen herunter zu lassen…

Jean-Jacques Jauffret empfand die Prozedur und die Behandlung, der er sich zu unterziehen hatte, als erniedrigend und verletzend. Er verklagte die Fluggesellschaft auf Schadenersatz. Diese berief sich darauf, dass die doppelte Bezahlung bei Übergrösse gängige Geschäftspraxis sei. Heute fand offenbar in Paris die Gerichtsverhandlung statt. Das Urteil wurde noch nicht bekannt gegeben.

Die Fluggesellschaften stehen vor einem Problem. Auf der einen Seite müssen sie ihre Kapazitäten optimieren, um die Einnahmen anzuheben, das führt zu engeren Sitzen und knapperen Abständen zwischen den Reihen… Auf der andern Seite werden die Passagiere immer fülliger und schwerer. – Wenn wir Diskriminierung der Übergewichtigen ablehnen und bekämpfen, dann muss dies auch bei solchen Praktiken der Airlines ansetzen. Ich trete dafür ein, dass in Flugzeugen ein bestimmtes Kontingent an extrabreiten Plätzen installiert wird, die adipösen Fluggästen unkompliziert und ohne Aufpreis zugewiesen werden. Die Filmwirtschaft hat gezeigt, dass in den Kinos problemlos bequeme Sessel eingebaut werden konnten, die überbreite Kinobesucher nicht mehr so einengen wie früher… – Wir sind gespannt auf das Urteil.


Ein Kommentar zu “Doppelsitz”

  1. Stella sagt:

    und wo bitte gibt es die extrabreiten Sessel im Kino? noch nie gesehen. Kinosessel sind sowieso meist unbequem und wohin man die Beine tun soll, ist mir schon lange ein Rätsel.

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