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Von Heinrich von Grünigen um 16:07 |
Es ist ein etwas abgedroschener Scherz, wenn jemand annimmt, er könnte bei der Firma Red Bull einen Steinway mieten. – Aber ein bisschen flatterig ist es mir schon geworden im Magen, als ich in der aktuellen Ausgabe von saldo den vergleichenden Test über 15 verschiedene Energy-Drinks gelesen habe.
Vor dem inneren Auge sehe ich die gewaltigen Stapel der grünen Büchslein, die z.B. in den Migros-Märkten gestapelt sind (der jährliche Umsatz aller 15 in der Schweiz erhältlichen Marken wird auf 20 Millionen Liter geschätzt!), und in der inneren Nase verspüre ich den süsslich-schweren Geruch, der am Morgen im Bahnhof über die Perrons hängt, wenn die jungen Menschen, um sich für den Tag fit zu machen, einen Drink einschütten, an Stelle des Frühstücks.
Die Analyse der Dosen-Inhalte zeigt: die Energie kommt vor allem vom Zucker. Sechs bis zehn Stück Würfelzucker sind in einer Büchse gelöst (und perverserweise schreibt das Lebensmittelgesetz einen Energiewert von „mindestens 45 Kalorien pro Deziliter“ vor, damit der Begriff „Energy“-Drink gerechtfertigt sei…). Künstliche Farbstoffe, soviel hat die Untersuchung gezeigt, werden bis auf eine Ausnahme nicht verwendet. Als Muntermacher werden Koffein und Taurin beigegeben. Taurin ist ein Stoff, der ursprünglich aus der Galle von Stieren gewonnen wurde (pikanterweise will die Legende, der Stoff stamme aus den Hoden von Stieren, was ihm eine testosteronverdächtige Verruchtheit andichtet, aber offenbar falsch ist); heute werden die benötigten Mengen synthetisch hergestellt. 4000 Milligramm davon sind pro Liter zugelassen, die meisten Produkte gehen bis hart an diese Toleranzgrenze.
Zudem sind alle Produkte mit Warnhinweisen versehen, dass man nicht zuviel davon konsumieren solle und dass sie nicht mit Alkohol gemischt werden dürften… Aber was tut der so gern für mündig und selbstverantwortlich erklärte Konsument: er macht es trotzdem. Das kann fürs Herz und für die Nieren gefährlich sein. Auch Leute mit Bluthochdruck, Schwangere, Kinder und sportlich Aktive sollten die Drinks nicht konsumieren, empfiehlt das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung. – Preisfrage: wer hat denn im letzten Jahr die 80 Millionen Dosen gekippt? Und wohin sind die 2 Millionen Kilo Zucker gewandert? Wenn die Drink-Trinker Pech gehabt haben, dann haben sie sich in 1,2 Millionen Kilo Fett verwandelt, oder 1’200 Tonnen, die an Bäuchen und auf Hüften lagern.
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Von Heinrich von Grünigen um 16:17 |
In England macht man sich Gedanken über allzu brutale, ev. gewalttätige Kinderspiele… Aber nicht, wie man diese unterbinden könnte, sondern, ob man sie wieder erlauben solle. Eine fast etwas verkehrte Welt, über die der Telegraph berichtet.
Aus Sorge um das Wohlergehen des Nachwuchses und vor allem, um mögliche Schadenersatz-Klagen zu vermeiden, waren in den letzten Jahren auf den englischen Spiel- und Schulhausplätzen so manche Aktivitäten verboten worden, bei denen sich die Kinder ausgiebig bewegt hatten. Sie seien zu gefährlich, man könnte sich verletzen, man könnte zum Beispiel stürzen bei einem Hüpfspiel… und Schutzbrillen musste man anziehen für das traditionelle Conkers-Spiel mit Kastanien! Ebenfalls verboten war das Gemeinschaftsspiel British Bulldog, eine Art „Fangis“ mit einem gewissen Gewalt-Potenzial. – Wer kommt denn für den Schaden auf? Die Schule, wenn sich der Verursacher nicht mehr eruieren lässt?
Nun besinnen sich die Schulvorstände wieder auf die guten alten Zeiten, wo sich die Kinder noch frei(er) bewegten, herumtobten und -tollten, ab und zu eine Schramme und einen blauen Fleck abkriegten, dabei aber fit und beweglich blieben. Die rigiden Schutzbestimmungen sollen gelockert werden, mehr Risk und mehr Fun, mehr Gewalt wohl auch, aber auf eine positive Art, die Saft generiert und Kraft verbraucht. – Eine interessante Massnahme, die wenig kostet und rasch beschlossen ist. Wie steht es bei uns mit den Verboten auf Spielwiesen? Diejenigen, die ich kenne, haben weniger das Wohl der Kids im Auge, als das Ruhebedürfnis der Anwohner. Darüber müsste man reden können.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:37 |
Alle, die während ihrer Abnehm-Karriere schon einmal eine gewisse Zeit lang ein Ess-Tagebuch geführt haben (und die eBalance-Gemeinde kennt ja die elektronische Version davon), wissen es: wenn man seinen täglichen Verzehr erfassen und aufschreiben muss, wird einem bewusst, wieviel und was man gegessen hat und das erleichtert die Kontrolle und unterstützt das Abnehmen.
Nun gibt es aber auch hier Gewohnheits- und Abnutzungserscheinungen. Routine schleicht sich ein, man protokolliert erst später, wenn man sich nicht mehr so genau an alle Details erinnert, notiert gewohnheitsmässige Standards, obwohl man in Wirklichkeit klar mehr gegessen hat als eigentlich vorgesehen… Es müsste irgendwie eine genauere Erfassungsmöglichkeit geben, die sich nicht austricksen lässt. Und da es vorderhand noch nicht möglich ist, irgendwo im Hals einen Chip zu implantieren, der alles analysiert und registriert, was man im Lauf des Tages so schluckt, haben Wissenschafter an der Universität von Wisconsin-Madison (USA) einen ganz simplen Versuch gemacht.
Sie haben für ihre Studie insgesamt 43 Leute aufgefordert, ihr Essen, bevor sie es zu sich nahmen, zu fotografieren und gleichzeitig auch schriftlich festzuhalten, was sie gegessen hatten. – Nun zeigte sich, dass diese Übung mit dem vorgängigen fotografieren der Mahlzeit eine extrem regulierende Wirkung hatte. Die Leute wurden sich viel bewusster, was und wie sie assen, wenn sie vorher die Speisen für ein Photo arrangieren mussten. Und im Rückblick war es anhand der Bilder auch viel einfacher, gewisse Verhaltensmuster oder Präferenzen von bestimmten Lebensmitteln zu bestimmen.
Für eine solche Aktion braucht es kein Fotostudio, da reicht das ganz gewöhnliche Handy, das ja heute in aller Regel auch fotografieren kann; nach einer bestimmten Zeit werden die Bilder auf den PC übertragen, wo man sie verwalten und auswerten kann. Durch diese Methode, sagen die Wissenschafter Lydia Zabeda und David Deal, könne man wohl auch viel besser die Grösse der Portionen abschätzen, denn diese würde von den meisten, die eigentlich bewusst essen möchten, völlig falsch beurteilt. (Noch wirkungsvoller könnte allenfalls eine „versteckte“ Kamera sein, die wirklich alles registriert, was ins Blickfeld des Mundwerks kommt, und die man nicht noch extra zücken und bedienen muss…)
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Von Heinrich von Grünigen um 22:57 |
Eigentlich habe ich den Film ja schon oft gesehen, in den über vierzig Jahren, die seit seinem Entstehen vergangen sind. Und doch packt es mich auf eine unwiderstehliche Weise immer wieder, wenn sie am Fernsehen kommen, diese alten „Schweizer Filme“, aus denen die helvetische Rechtschaffenheit wie zähe Melasse herausfliesst, träge und viel zu süss. Polizist Wäckerli in Gefahr.
Und wenn man sich die breitbeinige Behäbigkeit so ansieht, mit der unser Held und Dorfpolizist durch sein ländliches Leben stapft, rechthaberisch und polternd und dennoch mit einem verborgenen Kern von Güte, tief innen, dann versteht man rückwirkend, weshalb im Jahr darauf in Paris die 68er-Unruhen ausgebrochen sind, obwohl wir uns doch damals für ungemein zeitgeistig, clever und aufgeschlossen hielten.
Auch mit dem Körpergewicht hatte man damals noch kaum Probleme. Wurde man älter, so gehörte es dazu, dass man „zwäägete“, das heisst, in die Breite ging. Und dass es nicht zum Exzess kam, darüber wachte die brave Mutter Wäckerli, indem sie ihre Familie zur Ordnung rief, wenn jemand zu viel Butter aufs Brot schmierte. Sonst wirst du zu dick! warnte sie mahnend ihre Schwiegertochter, und kaufte beim nächsten Gang zur Molkerei nur noch ein halbes Mödeli.
Und doch waren dies in meinem richtigen Leben genau die Jahre, in denen meine Adipositas-Karriere begonnen hat. Rauchstopp und 30 Kilo plus, weniger Sport, mit Essen kompensieren und eine verrückte Diät nach der anderen, mit verheerendem Jojo-Erfolg. Wie schön wäre es gewesen, man hätte damals als Ernährungspolizisten einen knurrigen Wäckerli zur Seite gehabt, der einen gütig aber streng zur Vernunft gemahnt und auf den rechten Pfad der Tugend gewiesen hätte…
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Von Heinrich von Grünigen um 23:40 |
Das ist ein Schlüsselsatz aus unserer jüngeren Zeit: Das Hündchen hat es besser als wir! – Der Satz ist ein Zitat aus einem Märchenspiel. Wenn ich mich richtig erinnere, ging es um Brüderchen und Schwesterchen, die beiden wurden von ihrer Stiefmutter böse gemobbt. Es ging ihnen so schlecht, dass es sogar dem Hündchen besser ging… bis die beiden dvonliefen, wobei das Brüderchen dann im Wald aus einem verbotenen Brunnen trank und in ein Reh verwandelt wurde, oder so.
Dass es das Hündchen besser hat als wir, ist leider eine Tatsache, die immer wahrer wird. Während wir uns schwer tun (und dabei schwerer werden), uns richtig und gesund zu ernähren, wird dem Hündchen das gesunde Essen über Herrchen und Frauchen geradezu untergeschoben. Dass die Haferflocken einer bestimmten Marke besonders gut sein sollen für Welpen, das haben wir schon lange gelernt… aber jetzt kommt ein Produkt auf den Markt, das dem Hündchen den gesunden Rest geben wird: gefrorenes organisches Hundejorhurt. Das Ding stammt aus England, hört auf den phantasievollen Namen Yöghund und wird in zwei Geschmacksrichtungen hergestellt: Banane/Erdnussbutter und Heidelbeer/Vanille. Ein Becher Hunde-Joghrt-Glace hat gerade mal 93 Kalorien, wenig Fett und Faserstoffe.
Mit der Zunge wird das Eis aus dem Becher geschlabbert. Gesundheit und Genuss gehen Hand in Hand… fast wie bei „Vitamine und naschen“… nur dass Hunde wohl nicht so dumm sind und auf einen so blöden Werbespruch auch noch hereinfallen. – Wirklich besser geht es ihnen wohl langfristig doch nicht, denn immer mehr Hunde leiden an Diabetes und anderen Krankheiten, die mit Übergewicht einhergehen, und seit 2007 wissen wir, dass Pfizer für Hunde extra eine Schlankheitspille entwickelt hat. Vielleicht verwandelt sie sie in ein Reh.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:30 |
Während ich diese Zeilen schreibe, läuft in meinem Hotelzimmer in Lausanne die Politkontroverse ARENA auf dem Bildschirm. Das neue Modell lässt die beiden Kontrahenten Girod und Giezendanner frontal aufeinander prallen, um das Thema aufzureissen. Aber ich weiss nicht, wie lange ich mir das antun werde, denn erstens habe ich keinen Offroader und keine grosse Limousine, und zweitens nervt mich das Powergeschwafel des Fuhrhalters, der auf Blocher zu machen versucht und ohne Atempause Unterstellungen und Behauptungen absondert, in der Hoffnung, dass immer etwas hängen bleibt, wenn man die Gülle nur breit genug ausbringt und an möglichst primitive Reflexe appelliert.
Aber unter dem Strich geht es letztlich um Energie, die von bestimmten Autos umweltschädlich verbrannt wird… und im Clash zwischen den beiden Kulturen der Grünen und ihrer Anhänger und der Autolobbyisten klaffen Welten. – Ich stelle mir vor, wie eine vergleichbare Diskussion verlaufen würde, wenn es um Nahrungsmittel ginge: den Experten für gesunde Ernährung stünde die kraftvoll organisierte Lobby der Produzenten gegenüber und das, was ein Dialog sein sollte, würde wohl recht ähnlich klingen… Der wichtigste Unterschied ist allerdings der, dass es (noch) keine Unterschriftensammlung gibt und keine 150’000 Menschen den Wunsch formuliert haben, dass gewisse Nahrungsmittel, die erwiesenermassen der Gesundheit abträglich sind, nicht mehr in den Verkauf gelangen.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:46 |
Es ist ein besonderes Gefühl, sich mit den Stöcken nun im Alltag fortzubewegen. Drei Monate solle man sie verwenden, lautet die Empfehlung, und ich habe jetzt mal zwei Wochen geübt, „draussen“. Der politisch korrekte Ausdruck, um nicht „Krücken“ zu sagen, ist wohl „Gehhilfen“. Und man kommt sich mit diesen Dingern irgendwie unbeholfen vor. Will man eine Türe öffnen, muss man eine Hand wenigstens halb frei haben. Drückt man die Türfalle nach unten und hat den Griff der Gehhilfe noch in den Fingern, so blockiert das den Türgriff… stellt man beim Kiosk die Stöcke an, um die Zeitung zu bezahlen, so rutschen sie bestimmt zur Seite weg und scheppern über den Boden…
Interessant ist das Verhalten der Mitpassagiere beim Zugfahren. Das fängt beim Warten auf dem Perron an. Du denkst, wer an Stöcken geht und ein etwas leidvolles Gesicht macht dabei, dem müsste doch jedermann auf der Sitzbank einen Platz anbieten. Aber weit gefehlt. Da hocken die Kids breitbeinig und schlürfen ihr Red Bull, Männer lesen Zeitung und am besten sind die Frauen, die ihre Einkaufstaschen auf der Bank deponieren und davor stehen bleiben, wobei sie emsig ein SMS in ihr Handy tippen. Da kannst du lange daneben stehen, zuerst diskret ein wenig seufzen, einige Schritte hin und her trippeln, dich auf deine Stücke stützen… erst wenn du höflich fragst, ob es den Damen vielleicht etwas ausmachen würde, da sie ja selber nicht absässen… erst dann nicken sie, packen ihre Taschen, entschuldigen sich sogar, und gehen einige Meter zur Seite, weiter SMS-end.
Nun habe ich auch die Behindertensitze im unteren Stock der Intercity-Züge schätzen gelernt: ein Abteil ist mit blauem Kleber besonders gekennzeichnet. Ein Mànnlein mit einem Blindenstock und eines mit einer Gehhilfe, beide in Weiss, und dazu die Aufforderung, man solle diese Plätze bitte freigeben, wenn Behinderte sie benötigen. Ist das Abteil noch leer, setze ich mich gemütlich hin, lege die Stöcke ins Gepäcknetz und bin froh, dass ich einen Platz gefunden habe. Ist das Abteil aber schon belegt und ich stehe wartend davor, dann ist es spannend zu sehen, ob jemand – und wenn, wer – Anstalten macht, für sich einen neuen Sitzplatz zu suchen. Da wird intensiv in der Zeitung gelesen, mit der Nase tief im Papier, als wären sie plötzlich kurzsichtig geworden… Hier sind es meist die jungen Frauen, die ihr Buch zuklappen und fragen, ob man sitzen möchte.
Wie auch immer, der öffentliche Verkehr hat plötzlich eine ganz neue Dimension erhalten. Kommt kein Niederflurtram, so warte ich bis zum nächsten, denn die Tritte sind noch viel zu hoch (vor allem in Bern, wo man bei den alten Trams noch zynisch-neckisch über die Stufen geschrieben hat: „Dies ist ein Trittbrett, kein Stolperbrett!“). Alles dauert mindestens doppelt so lang, treppauf und treppab, der Weg von einer Strassenseite zur andern… die Grün-Phasen an den Ampeln sind kurz geworden und die lieben Autos brausen davon und knapp hinter dir durch, sobald sie wieder dürfen… du verstehst plötzlich den Frust der alten Leute, die sich wie Freiwild vorkommen, wenn sie eine Verkehrsader überqueren müssen… und dabei habe ich jetzt gar nichts über die Offrroader gesagt.
Man erlebt das Verkehrsgeschehen von einer ganz anderen Seite und es hilft emotional nichts, dass man mit dem Verstand genau erfassen kann, was warum passiert… es ist ärgerlich genug, DASS es passiert.
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Von Heinrich von Grünigen um 19:30 |
Begegnung à distance, quasi unter KollegInnen: auch das habe ich gestern bei meinem Gespräch mit den Ärzten aus der Romandie erfahren: es gibt einem Magen-Bypass-Blog in der Online-Ausgabe der Zeitung Le Matin, der verfasst wird von Marie-Ange Brélaz, der Gattin des Stadtpräsidenten von Lausanne (und Grünen-Natinalrats) Daniel B. Auch er ein wahres Schwergewicht als homo politicus und im richtigen Leben.
Auch hier ein ähnliches Phänomen, wie ich es vor anderthalb Jahren mit meinem Herzinfarkt erlebt habe: Madame Brélaz, erfolgreiche Magen-Bypass-Patientin, hat in ihrem Blog regelmässig über den Verlauf ihrer Adipositas berichtet… bis sie vor einigen Tagen notfallmässig zur Nachbehandlung ins Spital musste. Der Blog fiel kommentarlos aus, was natürlich besorgte Nachfragen auslöste, so dass die Zeitung mit einem aktuellen Krankenbericht nachlegen musste.
Öffentliche Berichte über medizinische Therapien, mit Erfolgen und Rückschlägen, können viel beitragen zur Transparenz, zur Motivation und zum Verständnis der komplexen Problematik.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:23 |
Ein beeindruckender und bereichernder Abend. Eingeladen nach Bern hat unser Sponsor Johnson+Johnson und auf der Traktandenliste hiess es nur: Austausch von Ideen. Mit eingeladen waren zwei Ärzte aus der Suisse Romande, Dr. Huber aus Genf und Dr. Calmes aus Lausanne. Beides engagierte Adipositas-Spezialisten, Chirurgen am jeweiligen Unispital, die ihren Dienst an den am schwersten Betroffenen verrichten und ihnen ein neues Leben geben können.
Wir diskutieren über den Stand der Wahrnehmung der Problematik in den Regionen, über die interdisziplinäre Zusammenarbeit, über die Bedürfnisse der Patienten und über Hilfen zur Motivation, denn ohne die aktive Mitwirkung des adipösen Patienten selber ist auch bei chirurgischen Eingriffen langfristig kein Erfolg möglich. Es kommen spannende Thesen zur Sprache, über die ich mir so noch nie Gedanken gemacht habe. Zum Beispiel zur Frage der Anspruchsgesellschaft. Auf der einen Seite wird der adipöse Patient in der Öffentlichkeit nach wie vor nicht als ernsthaft erkrankter und hilfsbedürftiger Mensch wahrgenommen. Während für die Bekämpfung der Folgekrankheiten, von Diabetes bis zu Krebs, eine Fülle von Mitteln und Spendengeldern zur Verfügung stehen, muss Adipositas, die „Ursache“ dieser Krankheiten, nach wie vor um Akzeptanz und Beachtung kämpfen.
Und auf der andern Seite haben offenbar manche schwer adipöse Patienten eine stille Attitüde entwickelt, die davon ausgeht, dass ihnen eine umfassende und heilbringende Therapie „zustehe“, dass der Staat verpflichtet sei, sich rundum um sie zu kümmern, ohne eigene Dazutun… das ist eine neue Facette in der Diskussion über gerechte oder ungerechte Kassenprämien. Und ich lerne nebenbei dass es von den schwerst- bzw. extremst-adipösen Menschen (mit BMI über 60) in der Schweiz 0,04 Prozent der Bdevölkerung gebe. Das sind 2’000 Individuen, die in einer verzweifelten Situation leben und denen mit den üblichen Therapien nicht geholfen werden kann… sie brauchten eine ganz spezielle, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Sonder-Pflege und -Behandlung. Die Gesundheitsdefinitionen besagen, dass es sich bei Krankheiten, die bei weniger als 0,05% der Bevölkerung vorkommen, um „seltene“ Krankheiten handelt, die „von Amtes wegen“ besonders zu berücksichtigen und zu behandeln wären. Aber nichts geschieht, vielfach werden diese Menschen von ihrem sozialen Umfeld ausgestossen und fallen durch die Maschen der medizinischen Hilfe, weil niemand für sie zahlen mag, nachdem sie alles verloren haben.
Wir haben noch viele Themen angeschnitten, bis es die letzten Züge zu erreichen galt. Wir werden das Gespräch über die Sprachgrenze fortsetzen, es ist in jeder Hinsicht bereichernd.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:19 |
Joe muss ein kleiner Junge sein. Er hat eine blaue Hose, ein rot-weiss gestreiftes Hemd und eine lustige Haartolle. Wenn er steht, hält er in der Hand ein Cornet mit Eiscrem, an dem er emsig leckt. Und man kann ihm zusehen, wie er dick und dicker wird. Wenn Joe sich bewegt, wenn er herumläuft, kann er nicht Glace schlecken und er nimmt ab. Es ist ein einfaches Beispiel für einfache Zusammenhänge. Er ist virtuell.
Joe ist die neuste Identifikationsfigur von Gesundheitsförderung Schweiz. Ein interaktives Maskottchen auf der Website. Man kann ihn mit dem Cursor zum Laufen bringen und so Zeuge werden, wie es wirkt… Kreiert hat ihn die Werbeagentur Jung von Matt/Limmat, wie der Branchendienst persönlich zu berichten weiss. Und wenn man den kleinen Joe anklickt, dann wird man zu Joes Corner geleitet und hat die Möglichkeit, in einem kleinen Spiel in verschiedenen Situationen zu bestimmen, wie Joe sich verhalten soll, wenn er gesund leben will.
Zugegeben, die meisten Optionen sind einfach und klar, quasi auf der Hand liegend… Aber wenn ich in den letzten Jahren, da ich mich mit der Adipositas-Thematik befasse, eines gelernt habe, dann ist es die Erkenntnis, dass man gewisse Botschaften nicht simpel genug formulieren kann, um sie verständlich zu halten, wenn man sie unter die Leute bringen will. Der kleine Joe ist ein perfekter Einstieg in einen nützlichen Dialog. Man wird noch von ihm zu hören bekommen.
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