6/1  Haut haut hin

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:36

Der Anfang dieses Jahres und die Unterschrift von BR Didier Burkhalter unter einer Neuregelung für die Kostenübernahme bei bariatrischen Operationen sind ein Lichtblick in der Therapie schwerst übergewichtiger Menschen in der Schweiz.

Auf den 1. Januar wurden die Richtlinien des Bundesamtes für Gesundheit an den internationalen Standard angepasst, was die BMI-Schwelle betrifft (Magen-Operation möglich bei BMI über 35). Zudem wurde eine Alterslimite – nach oben wie nach unten – fallen gelassen. Dies ist ein markanter Schritt in Richtung „Ent-Diskriminierung“ schwer adipöser PatientInnen. Fallen gelassen wurde auch die Auflage, dass die Zustimmung der Kasse zur Operation von einem Gutachten des Vertrauensarztes abhängig gemacht wird.

Geblieben ist die Bedingung, dass jemand vor einem opeerativen Eingriff zwei Jahre lang erfolglos versucht haben muss, auf „konventionelle“ Weise, mit Umstellung der Ernährung und mit mehr Bewegung sein Gewicht zu reduzieren und unter Kontrolle zu behalten. Obwohl satistisch welthweit erwiesen ist, dass bei dieser Therapie die Rückfallquote nach 5 Jahren bei über 80 Prozent liegt, wird dieser Passus beibehalten.

Eine wichtige Auflage ist weiter die, dass die Operation in einem speziell dafür zertifizierten Spital ausgeführt werden muss, damit die Erfordernisse einer interdisziplinären, umfassenden Beratung und Betreuung gewährleistet sind. – Die Zertifizierung erfolgt durch die Standesorganistion SMOB (Swiss Study Group for Morbid Obesity), die entsprechende Richtlinien ausgearbeitet hat.

In der neuen Regelung nicht angesprochen und als brennendes Problem noch nicht gelöst ist eine Frage, die im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut geht: wenn nach erfolgreicher und massiver Gewichtsabnahme die Haut sich nicht zurück bildet und in überschüssigen Lappen am Körper herunter hängt, wer kommt dann für die chirurgischen Massnahmen auf, die nötig sind, um den Körper einigermassen wieder herzustellen? Kosmetische Schönheitsoperationen sind es im eigentlichen Sinne nicht, denn es geht hier tatsächlich um die Wiederherstellung eines ursprünglichen Zustandes (wie nach einem Unfalll mit entstellenden Folgen). Nach einem nach wie vor wegweisenden Entscheid des Eidgenössischen Versicherungsgerichts aus dem Jahre 2006 sind die Kassen nicht verpflichtet, solche Operationenzu bezahlen.

Wenn – was anzunehmen ist – die Anzahl der chirurgischen Eingriffe zunimmt, dann wird auch die Anzahl der Folgeprobleme mit überschüssiger Haut zunehmen (eine Chance besteht darin, dass mit der Senkung der Schwelle auf BMI 35 mehr jüngere PatientInnen operiert werden, bei denen die Aussicht auf eine Rückbildung der Haut in der Regel besser ist). So oder so besteht hier noch Handlungsbedarf.


Ein Kommentar zu “Haut haut hin”

  1. Renward Hauser sagt:

    Die SMOB, die nun Swiss Society for the Study of Morbid Obesity and Metabolic Disorders heisst, ist sher dankbar und erfreut, dass nach über 7-jährigem Kampf, die Schweiz zurückgefunden hat in die internationale Gemeinschaft und die rückschrittliche Fehlentscheidung von 2000 endlich korrigiert hat. Unser nächstes Ziel ist es, die Finanzierung wiederherstellungschirurgischer Massnahmen, die ohnehin nur bei 20-30% operierter Übergewichtiger gewünscht und notwendig werden, als Element einer ganzheitlichen bariatrischen Betreuung auf eine solide Rechtsbasis zu stellen. Die (meist aus einem Bauchgefühl der Aversion gegen die Dicken enstpringenden) Widerstände sind in Gesellschaft und Gesundheitspolitik aber enorm hoch. Es wird wieder einmal mehr Zeit brauchen.

Comments are closed.