29/9  Marketing-Terror

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:24

Wenn es um die Eindämmung der weltweiten Adipositas-Epidemie geht, so kommt die Rede früher oder später auf die Werbung für „ungesunde“ Nahrungsmittel, für JunkFood. Darunter versteht man landläufig Nahrung mit einer hohen Kaloriendichte, viel Fett, Zucker und Salz. Kurz alles, was dick macht. Und alles, was in der Regel jene Leckerein kennzeichnet, welche man an Kinder verkaufen möchte.

Deshalb steht auch oben auf der Massnahmen-Liste fast aller Länder das Verbot (oder die Einschränkung) von derartiger TV-Werbung, die sich an Kinder unter 12 Jahren richtet. Dabei, soviel hat man inzwischen doch realisiert, geht es nucht „nur“ um die TV-Spots an sich, sondern Anpreisung und Verkauf dieser Lebensmittel sind Bestandteil eines ausgeklügelten und kohärenten Marken-Marketings. Und dieses ist unter die Lupe zu nehmen.

Beispielhaft hat dies letzten Sonntag-Nachmittag eine Radio-Sendung der BBC gemacht. In der Reihe The Food Programme (mit regelmässigen Beiträgen rund ums Essen und um Eernährung) hat Sheila Dillon diesen Komplex durchleuchtet und vermittelt dabei Fakten, die sinngemäss auch auf unsere Situation übertragen werden können.

Kinder – das wird statistisch festgestellt – verbringen so viel Zeit vor dem Fernseher, dass die speziellen Kindersendungen bloss einen kleinen Teil davon ausmachen. Werbung im Umfeld dieser Kinderprogramme zu verbieten, bringt denn auch kaum viel, da  dort, wo es solche Verbote gibt (in England und in Skandinavien etwa) die Werbung für entsprechende Produkte massiv ins Erwachsenenprogramm verlagert wurde. Und da die Kids mehrheitlich auch die Programme und Serien für die Erwachsenen konsumieren, können sie dort bequem abgeholt werden. In Gesprächen mit Kindern zwischen 8 und 10 Jahren wird spürbar, wie intensiv diese die Werbebotschaften erleben und wie stark ihr Verlangen nach bestimmten Produkten und die Identifikation mit den Markenzeichen ist.

Interessant auch die Frage, was wohl passieren könnte, wenn all die Energie und Kreativität, die in die Vermarktung von „ungesunder“ Nahrung investiert wird, in ein Schulungs- und Motivationsprogramm für vernünftiges und „gesundes“ Essen fliessen würde? – Ganz unverblümt antorten die Kids: Verlockende Werbung für einen Apfel oder einen Pfirsich würde sie kaum interessieren…

Dabei stellt sich auch heraus, dass das Fernsehen als Vektor für Nahrungswerbung bei den Kindern nur eine untergeordnete Rolle spielt. Viel bedeutsamer ist der ganze Online-Bereich im PC und auf den Handys, wo die Kids „coole“ Infos untereinander austauschen und weitergeben.

Seit diesem Frühjahr gibt es weltweite Empfehlungen der WHO, aber die sind in der Praxis der grenzüberschreitenden Medien schwer umzusetzen. Internationale Konzerne haben gegenüber der BBC die Auskunft in dieser Sache verweigert und darauf hingewiesen, dass sie sich durch entsprechende Committments eine freiwillige Selbstbeschränkung auferlegt hätten… aber davon ist in der Praxis wenig zu merken, denn wer würde in einem freien Markt von sich aus auf eine Gewinnmaximierung verzichten?!

Weshalb – so lautet das Fazit der BBC-Sendung – ist es gelungen, weltweit die Tabak-Werbung und das Marketing fürs Zigaretten-Rauchen zu ächten, nicht aber das Marketing für Junk Food?

Wohl, wage ich zu vermuten, weil die Zeit dafür noch nicht reif ist. In England ist jedes dritte Kind zu dick. Bei uns erst jedes fünfte.


Ein Kommentar zu “Marketing-Terror”

  1. Maria Elisabeth sagt:

    Aber fangen wir mal bei unsern Geschäften an, bevor wir über Fernsehwerbung sprechen, in jedem sind auf Augenhöhe der Kinder bei der Kasse sämtliche Süssigkeiten ausgestellt die man sich denken kann. Eine Frau mit Kindern hat keine Chance daran vorbei zu kommen ohne dass die Kinder verführt werden.
    Wenn möglich fangen sie an zu quängeln und die Mutter wird fast gezwungen etwas zu kaufen wenn sie die Ruhe der umstehenden Leute nicht stören, oder sogar als Rabenmutter dastehen möchte.

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