18/10  Bullshit-Journalismus

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:31

Sorry, ich gebe es zu. Das ist ein etwas harter Titel zu einem Text einer Journalistin, deren Arbeiten ich sonst eigentlich schätze. Aber heute Morgen hat es mir direkt die Sprache verschlagen, als ich im Tages-Anzeiger gelesen habe, was Claudia Blumer auf Seite 9 unter dem Rubriktitel „Analyse“ geschrieben hatte. Wenn es sich um eine subjektive Meinung gehandelt hätte, dann hätte sie diese meinetwegen haben können, aber so etwas als Analyse zu veröffentlichen, das ist schon ein hartes Stück.

Es ging bei dem Artikel um eine pauschale Abrechnung mit den Präventions-Kampagnen des Bundesamtes für Gesundheit BAG. Aufhänger war der seit einem Monat bekannte Plan, eine seriöse Studie zum Ernährungsverhalten der Schweizer Bevölkerung in Auftrag zu geben, aber das ist eigentlich ein älterer Hut.

Der Artikel kommt mit Behauptungen, wie man sie sonst nur vom Stammtisch und aus der Küche des Gewerbeverbandes kennt: Das BAG lege es darauf an, die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen, um dann mit viel Aufwand seine Kampagnen durchziehen zu können und sich deren Notwendigkeit durch unnötige Studien selber zu beweisen. Deshalb würden zum Beispiel die gesundheitsrelevanten Grenzwerte willkürlich so tief angelegt, dass möglichst viele Leute als „krank“ erschienen.

Das ist eine blanke Unwahrheit wider besseres Wissen: das BG hat bezüglich der Grenzwerte für Übergewicht keinen Spielraum, es hält sich an die internationalen Normwerte der Weltgesundheits-Organisation WHO. Dass die entsprechenden Daten in der Schweiz nie korrekt erhoben (also gemessen) wurden, sondern nur telefonisch abgefragt, war jahrelang eine Schwäche unserer Statistiken. Es ist höchste Zeit, dass diese Fakten zuverlässig erfasst werden, eben gerade um die notwendigen Empfehlungen und Massnahmen so zu dosieren, wie sie effektiv von  Nutzen sein können.

Vergleicht man das, was in der Schweiz in Sachen Prävention geschieht, mit den Programmen und Aktivitäten in vielen Ländern weltweit, so haben wir einen grossen Aufholbedarf. Die Autorin widerspricht sich im Prinzip selber: sie verhöhnt die Massnahmen des BAG, gibt aber gleichzeitig zu, dass das Ergebnis der Studie „aller Voraussicht nach genügend dramatisch ausfallen“ würde… – Ja was denn nun? Wenn die Fakten so sind, dass die Studien dies evidenzbasiert belegen, dann haben wir es mit den entsprechenden Krankheitsfällen zu tun. Davon können unsere Patienten-Organisationen glaubwürdig berichten. Gäbe es die von den Krankheiten effektiv Betroffenen nicht, brauchte es auch keine Kampagnen…

Wer das populistische Geschwätz nachbetet, die BAG-Kampagnen würden soviel Stress verursachen, dass die Leute darob krank würden (als Beda Stadler das zum ersten Mal sagte, war es noch lustig), redet die wahren Probleme klein und lenkt Wasser auf die Mühlen jener, die sich jeder gesundheitspolitischen Regulierung widersetzen, weil diese den eigenen Gewinn einschränken könnte. Mit Gesundheit und Verantwortung hat das nichts zu tun.


Ein Kommentar zu “Bullshit-Journalismus”

  1. Annette Matzke sagt:

    Danke, Heinrich, für deinen schriftlichen, bissigen Kommentar dieses völlig unnötigen Artikels.

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