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Von Heinrich von Grünigen um 22:37 |
Eigentlich müsste es ja selbstverständlich sein. So selbstverständlich, dass man gar nicht auf den Gedanken kommt, es könnte anders sein. Und doch braucht es einen besonderen Effort: im amerikanischen Ottawa sind die neun grössten Spitäler und Kliniken überein gekommen, dass sie das Food-Angebot in ihren Küchen, Kantinen und Kiosken radikal umgestalten wollen.
Wer, wenn nicht die Gesundheits-Tempel, soll denn sonst mit dem guten Beispiel vorangehen, was die vernünftige, „richtige“ Verköstigung betrifft? Angesichts der grossen Zahl an PatientInnen und an BesucherInnen, die jahrein jahraus durch die Spitäler pilgern, könnte ein sehr breites Publikum erreicht und auch motiviert werden. Deshalb werden die aktuellen Angebote kritisch unter die Lupe genommen. Abgesehen von der Patienten-Verpflegung, die auf das aktuelle Krankheitsbild abgestimmt bleiben muss, geht es einerseits um die Menü-Gestaltung in der öffentlich zugänglichen Spital-Gastronomie, die noch immer von Junk-Food dominiert wird, aber auch um die Auslagen im Spital-Kiosk, wo Süssgetränke, Schokolade und Zuckerkram das Angebot bestimmen.
Das alles soll nicht von heute auf morgen geschehen, sondern in einem strukturierten Prozess über die nächsten zwei, drei Jahre. Man verspricht sich davon eine Signalwirkung, die auch im häuslichen Alltag seine Nachahmer finden soll. Der Versuch verdient es, beobachtet zu werden.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:30 |
Heute war ein superschöner Frühlingstag. So richtig ideales Wetter, um mit der kleinen Enkelin nach draussen zu gehen, in ein lauschiges Restaurant am Waldesrand mit grossem Spielplatz: Kletterturm, Riesenrutsche, Sandkasten, alle Arten von Schaukeln, Tische, Bänke… ein Paradies für kleine Leute voll Bewegungsdrang und Lebensfreude!
Einmal pro Woche ist Enkelin-Tag. Julie ist inzwischen dreieinhalb Jahre alt, eine Mischung aus Wildfang und Prinzessin, ein Quecksilberkind und dauernd in Bewegung oder dann in ein intensives Spiel vertieft, bei dem sie die Welt um sich vergisst. Beim Essen hat sie ihren eigenen Willen. Sie ist wählerisch und ihre Präferenzen folgen der Tagesform. Gemessen an der Energie, die sie täglich umsetzt, isst sie eigentlich wenig, jedenfalls wenn die Grosseltern dabei sind.
So auch heute Mittag. Ein paar Pommes, die sie der Oma vom Teller stibitzt, das Pouletfleisch vom Opa hat keine Chance, auch das Apfelmus passt ihr nicht. Dafür dann aber das Kinder-Eis, aus einem Plastik-Donald-Duck-Kopf gelöffelt, da ist sie voll dabei. Und das freut die Grosseltern, wenn die Enkelin geniesst und schmaust.
Aber halt! – Da lese ich nun von einer Kampagne, die in Irland geplant wird. Dort hat man in einer Langzeitstudie herausgefunden, dass Kinder, die regelmässig von ihren Grosseltern betreut werden, ein grösseres Risiko haben, später übergewichtig zu werden. Die Kontrolle hat gezeigt, dass Opa und Oma eher dazu neigen, die Kleinen mit Süssigkeiten zu verwöhnen und so den Grundstein legen für ein späteres Essverhalten, das überschüssige Pfunde produziert.
Den Granny Factor nennen das die irischen Forscher und sie sind dabei, eine TV-Kampagne auszutüfteln. Mit ihr sollen die Grosseltern aufgeklärt werden, welche Verantwortung sie für das richtige Essverhalten ihrer Enkelkinder tragen, und die Eltern sollen ermutigt werden, mit ihren Eltern ein ernsthaftes Wort zu reden, wenn sie ihnen die Kleinen in Obhut geben. Denn, so das Fazit, der Granny Factor sei ein wesentlicher Baustein für das Fundament des kindlichen Übergewichts. – Sofern die Kinder sich nicht ausreichend bewegen.
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Von Heinrich von Grünigen um 17:13 |
Das Auge isst mit. Ein alter Spruch, banal, aber wirksam: eine perfekt angerichtete und hübsch präsentierte Mahlzeit schmeckt gleich viel besser. Und denken wir nur an die vielen leuchtend bunten Früchte auf allen Arten von Verpackungen, in denen dann vielleicht in Wirklichkeit 1,5 Prozent eines künstlich erzeugten Fruchtfleisch-Ersatzes zu finden sind.
Dass zu einem guten Essen auch ein ansprechender, appetiterweckender Duft beitragen kann, ist ebenso bekannt wie die Tatsache, dass es dann auf den Geschmack ankommt, ob wir an einer Speise Gefallen finden oder gar süchtig werden danach und sie immer wieder aus dem Regal greifen.
Aber das sind nur drei der fünf Sinne, welche die Wahrnehmung des Menschen prägen und beeinflussen. In letzter Zeit hat die Konsumwirtschaft weltweit die Bedeutung des multisensualen Marketings erkannt… denken wir etwa an die Automobilindustrie, die neben aller technologischen Innovation auch immer darauf achtet, dass es im Fahrzeug „nach Leder“ riecht, dass der Motor den gerade richtigen Sound erzeugt, der sportliche FahrerInnen anspricht und dass das Armaturenbrett eine reine Freude zum Anfassen ist.
Nun komme diese „multisensuale“ Erlebniswelt mit aller Macht per Marketing auch auf unseren Umgang mit Lebensmitteln zu. Das jedenfalls war die Botschaft von Professor Charles Spence anlässlich einer Tagung in Cannes vom 2. April: Noch in diesem Jahr werden zahlreiche Produkte auf den Food-Markt kommen, die über Präsentation und Inhalt sämtliche Sinne der Konsumenten ansprechen und berühren wollen. Optisch lockt die Verpackung noch stärker als bisher, betörende Gerüche sollen beim Öffnen der Umhüllung verströmen, durch intensive Geschmackserlebnisse – immer raffiniertere Aroma-Kombinationen – soll der Gaumen gekitzelt werden, durch bestimmte Klang-Bilder soll ein bleibender Eindruck von Frische entstehen (etwa das durch Zusatzstoffe forcierte Knistern der Frühstücke-Cerealien, oder mittels besonderer Apps, die während des Essens eine verführerische, appetitliche Hintergrundmusik liefern), und schliesslich soll der Tastsinn durch die Beschaffenheit der Nahrungsmittel extra intensiv mobilisiert werden…
Ob uns etwas „gut“ dünkt oder nicht, das liegt nicht mehr in unserem ganz persönlichen Ermessen, das wird uns minuziös durch die Produzeten eingeträufelt, in der genau richtigen Dosierung, dass wir die Wirkung verspüren, nicht aber die Absicht.
Denn die ist ja nicht darauf ausgerichtet, uns zu motivieren, dass wir uns ausgewogen, gesund und vernünftig ernähren… sondern die hat einzig und allein den Zweck, sich im Konkurrenzkampf der Anbieter das grössere Stück vom Kuchen abzuschneiden – auch wenn dieser einen etwas bitteren Nachgeschmack hat.
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Von Heinrich von Grünigen um 17:15 |
Das haben wir in der Schule gelernt. In der griechischen Mythologie gab es einen Riesen, einen grauslichen Wegelagerer, der den Wanderern am Abend ein Nachtlager bot. Willigten sie ein – und das mussten sie wohl oder übel – steckte er sie in ein besonderes Bett, nach ihm benannt, das Prokrustes-Bett. Waren die Gäste zu lang für das Bett, hackte er ihnen kurzerhand die Füsse ab, bis sie passten. Und waren sie zu klein, so soll er sie auf einem Amboss in die Länge gehämmert haben, bis sie das Bett ausfüllten.
An diese unerfreuliche Geschichte, die noch heute als Symbol gilt für eine ausweglose Situation, in der man nur verlieren kann, oder für den Versuch, gewaltsam alle und jeden über den gleichen Kamm zu scheren – an diese Geschichte musste ich denken, als ich die Sache mit Dame Sally Davies las. Frau Davies ist Professorin und seit 2010 in England als Chief Medical Officer tätig, das ist die oberste Beraterfunktion der Regierung in Gesundheitsfragen. Sie ist verantwortlich für Planung und Umsetzung aller Präventionsstrategien und Massnahmen zur Gesundherhaltung der Bevölkerung.
Und nun lese ich einen reichlich bizarren Bericht aus dem Guardian. Demnach soll sich Frau Davies darüber geärgert haben, dass übergewichtige Menschen in den englichen Medien zunehmend „akzeptiert“ würden, anstatt dass man ihnen permanent klar machte, dass sie abnehmen sollten. Es sei unverantwortlich, dass ein grosser Teil der Bevölkerung heute der Meinung sei, es sei duchaus ok, übergewichtig und adipös zu sein… Diese Haltung werde noch dadurch gefördert, dass man auf die Bedürfnisse der Dicken eingehe, dass in der Mode auch fülligere Models zum Zug kämen, dass es ein immer grösseres Angebot an Kleidung in Übergrössen gebe, anstatt dass man die Dicken quasi zwinge, abzunehmen, weil sie sonst keine Kleider finden…
Das ist nun wohl der Gipfel an Zynismus und Menschenverachtung: da kämpfen weltweit engagierte Gruppen für „mehr Akzeptanz“, gegen Diskriminierung und Benachteiligung, setzen sich dafür ein, dass Menschen mit Übergewicht nicht ausgegrenzt werden… Und dann kommt die englische Ober-Staats-Ärztin und verlangt, dass sich die Menschen gefälligst nach der verfügbaren Kleidergrösse zu richten haben und nicht umgekehrt, dass man auf die immer grössere Anzahl Übergewichtiger nicht mehr mit angepassten Angeboten reagiere, um ihnen das Leben zu erleichtern, sondern dass man sie offiziell in ihrem Alltag schikanieren solle, so dass sie physisch gezwungen würden, sich gesünder zu ernähren und auf den Konsum von Zucker und von gesüssten Getränken zu verzichten.
So sinnvoll letzters auch sein mag: es geht nicht an, alle Bürger über den gleichen Leisten zu schlagen und sie in genormte Kleidung zu pressen. Vor allem, solange die vielschichtigen Ursachen der Adipositas – von Kindsbeinen an – nicht besser abgeklärt sind und solange nicht stringente Massnahmen getroffen wurden, um die Gefahren aus der Umwelt zu beseitigen. – Freundlicherweise hatte Frau Davies auch verlauten lassen, es sei unsinnig, zur Arbeit zu Fuss oder mit dem Fahrrad zu gehen, denn das Unfallrisiko sei bei diesen Fortbewegungsarten wesentlich grösser als wenn man im Auto unterwegs sei.
Wenn das wirklich die offizielle Meinung der obersten Gesundheitsverantwortlichen der Regierung sein sollte, dann hat England ein medizynisches Problem.
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Von Heinrich von Grünigen um 14:19 |
Das mit den Antibiotika war dann doch härter als angenommen. Zwei Tabletten pro Tag senkten zwar innerhalb einer knappen Woche die kritischen Infektionswerte auf 10 Prozent ihres ursprünglichen Ausmasses und leiteten damit einen Heilungsprozess ein, aber die schlappe Antriebslosigkeit, die mich tagsüber befiel und in eine Art Halbschlaf versetzte, liess erahnen, welche Auseinandersetzung da in meinem Inneren zwischen „Gut“ und „Böse“ toben musste.
Zum Glück trafen all die Prophezeiungen aus dem Beipackzettel nicht wörtlich ein, ich müsste sonst bereits auf dem Friedhof liegen – dabei hatte ich etwa in der Hälfte mit Lesen aufgehört! Aber daran, dass ich in diesen Tagen sogar keinen Appetit hatte, erkannte ich, dass da wirklich etwas passiert sein musste. Das schlug sich natürlich auf der Waage positiv nieder.
Kurz, ich verbrachte praktisch 10 Tage im Bett, eine grosse Wasserflasche griffbereit, aus der ich immer trinken konnte, wenn mir der bittere Geschmack im Mund zu lästig wurde. Das war offenbar eine der Nebenwirkungen, die sich bemerkbar machten: herrlich süss und erfrischend perlte dann der Hahnenburger durch meine Gurgel und erfüllte nebenbei den vom Arzt verordneten Zweck, ausgiebig Flüssigkeit zu mir zu nehmen, um die Abfallprodukte des Bakteriengetümmels zügig auszuwaschen.
Morgen geht es wieder zurück an die Arbeit. Am Mittwoch können die Pillen abgesetzt werden. Es war eine eindrückliche Erfahrung, auch wenn sie mich praktisch anderthalb Wochen gekostet hat, in denen ich wichtigen Sitzungen und Treffen fernbleiben musste und in denen dringende Arbeiten unerledigt blieben. Aber auch das gehört zu den Lehren des Lebens, dass niemand unersetzlich ist.
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Von Heinrich von Grünigen um 17:59 |
Also das mit der Erkältung war nicht so harmlos, wie es sich anfangs anfühle. Nachdem ich einen Tag im Bett verbracht hatte, kam ein schon von langer Hand geplanter Arzttermin, eigentlich nur eine Routine-Kontrolle der Übergewichts-Faktoren. Aber als ich ihm von meiner „Erkältung“ erzählte, liess er eine Blutanalyse machen.
Am Montag hätte ich eigentlich einen wichtigen Termin in Bern gehabt, aber beim aufstehen war mir schwindlig und ich hätte mich so nicht unter die Leute getraut. Ich blieb zuhause. Das war ein richtiger Entscheid, denn am Vormittag kam der Bericht aus der Arztpraxis: die Blut-Probe hätte weit überdurchschnittliche Werte für eine Entzündung ausgewiesen und ich müsse unverzüglich ein Antibiotikum einnehmen und am folgenden Tag wieder zur Untersuchung kommen.
Am Dienstag gab es erneute eine Analyse. Der Arzt war zufrieden – und auch nicht. Die Werte hatten sich offenbar verbessert, lagen aber immer noch weit über normal. Eine simple Erkältung mit Schluckbeschwerden konnte nicht die Ursache sein. Wir rätselten gemeinsam. Vor einigen Wochen hatte ich diesen Unfall mit dem Velo. Dabei hatte ich mein Knie angeschlagen und aufgeschürft, was in der Folge zu einem massiven Bluterguss im Unterschenkel führte. Diesen wiederum schrieb ich den Blutverdünnungs-Medikamenten zu.
Es dauerte einige Zeit, bis sich dieser Erguss einigermassen normalisierte und das Bein war lange schmerzempfindlich… – Aha, meinte der Arzt, damit sei nicht zu spassen, denn an diesem Knie habe ich eine Gelenk-Prothese und Prothesen hätten es so an sich, dass sie Entzündungsbakterien anzögen, die dort ganze Kolonien bildeten und ev. sogar die Prothese beschädigen konnten… – Blöd nur, dass mir das seinerzeit nach der Knie-OP niemand gesagt hatte!
Ich muss nun bis Ende Woche streng meine Antibiotika schlucken, dann wird nochmals analysiert, in der Hoffnung, dass sich die Werte bis dann normalisiert haben. Dazu strikte Bettruhe, was mir nicht schwer fällt, bewirken die Tabletten doch, dass ich mich am >Morgen im Bett fühle, als wäre ich zwischen zwei Bleiplatten eingeklemmt und als gelte es, mir noch vor dem Frühstück den letzten Tropfen Lebenssaft auszupressen… Noch hat es etwas Reserve.
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