25/1  Hochaltrigkeit

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 13:49

Ein Begriff, der stutzig macht. Wir haben uns daran gewöhnt, „alt“ zu sein und damit der anerkannten Risikogruppe anzugehören, die als „vulnerabel“ gilt, also „verletzlich“ ist, wenn es zu einer Ansteckung käme. Aber nun taucht in der öffentlichen Diskussion dieser Begriff auf, der dazu dient, verschiedene Altersklassen zu definieren und zu unterscheiden.

Man hat gelernt, dass Adipositas in fortgeschrittenem Stadium nicht nur verschiedene Begleiterkrankungen begünstigen, sondern zudem die Lebenszeit um Jahre abkürzen kann. Dazu hatte ich vor einiger Zeit eine ganz spezielle Erfahrung gemacht. Im Rahmen eines Meetings unserer Selbsthilfegruppe hatten wir einen Vortrag eines Adipositas-Chirurgen, der eindrücklich die lebensverkürzende Wirkung von Adipositas per magna schilderte. In der Fragerunde wies jemand darauf hin, dass ich als Stiftungspräsident ja nun auch nicht mehr der Jüngste sei… Worauf der Experte sec konterte: „Den Herrn von Grünigen müsst ihr nicht beachten, der sollte statistisch schon lange tot sein.“

Von da an genoss ich jeden neuen Tag mit frischer Lebensfreude als Geschenk eines Schicksals, das es gut mit mir meinte und mich länger am Leben liess, als mir offenbar fachmedizinisch zustand. Das war vor knapp zehn Jahren. Inzwischen kommt am Horizont die Zahl 80 herauf, die mich in zwei Monaten erreichen wird. Damit bin ich dann nicht bloss „alt“, sondern ich überschreite die Schwelle zur Hochaltrigkeit.

Da hilft dann keine beschönigende Sprachregelung mehr wie „Golden Agers“ oder „Silberrücken“ (zumal die Haare schon längst weg sind). Auch die Bezeichnung „vierter Lebensabschnitt“ verschleiert das, was die Natur für uns alte Knacker bereithält, wenn man beim Aufstehen zuerst die verschiedenen Zipperlein in die Schranken weisen muss, ehe man den Tag beginnen kann. Man darf sich nicht wundern, man ist „ziemlich alt“ geworden. Und manches, das früher als Belastung empfunden worden wäre, gehört nun zum Alltag: man lebt damit wie mit einem Paar alter, ausgelatschter Schuhe, die faltig geworden sind, aber sich dem Fuss angepasst haben, so dass sie unvergleichlich bequem geworden sind.

Ich habe beschlossen, solche Begrifflichkeiten zu ignorieren und jeden Tag zu nehmen, wie er kommt. Trotz Corona.




20/1  Rettung naht

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:27

Seit heute Morgen bin ich geimpft. Als mehrfach betroffener Risikogruppen-Angehöriger (zu alt, zu dick, mit Herzinfarkt) habe ich mich heute Vormittag bei meiner Hausärztin unter die Nadel gelegt. Es war ein kurzer, schmerzloser Pieks, keine Minute insgesamt, mit ein paar klärenden Informationen, nachdem ich das Formular unterzeichnet hatte, dass man mich aufgeklärt habe.

In genau vier Wochen kommt die zweite Spritze. Aber schon nach 10 Tagen, sagte sie mir, sei ich zu fast 50 Prozent geschützt. Das ist ein gutes Gefühl, darf uns aber nicht zu Leichtsinn im Umgang mit den Hygiene-Vorschriften verführen, denn noch weiss man zu wenig über die Art und Weise, wie sich die Virus-Mutanten verbreiten und was diese auslösen können.

Ich habe das Gefühl, als wäre ich einer bedrohlichen Umgebung entflohen und hätte mich an einem geschützten Ort in Sicherheit gebracht. Es ist wie Auf- und Ausatmen nach einer Art Verfolgungsjagd. Noch ist es nicht ausgestanden, aber die Gefahr scheint zu bändigen zu sein. Und dann höre ich am point de presse mit dem Bundespräsidenten meine lieben Kollegen von der Medienzunft, wie sie mit empörtem, vorwurfsvollen Ton wissen wollen, wie denn der Bundesrat dazu komme, sich selber impfen zu lassen, wo er doch keiner Risikogruppe angehöre, und dies erst noch in aller Heimlichkeit getan habe, als wolle er mit schlechtem Gewissen eine Schandtat verbergen..!?

Geht es noch? Haben wir keine brennenderen Fragen? Jedes Staatsoberhaupt der Welt hat sich öffentlichkeitswirksam gegen Corona impfen lassen. Zum einen mit Vorbild-Effekt, um den allenfalls noch zögerlichen Bürgern zu zeigen, dass keine gravierenden Nebenwirkungen zu befürchten sind, und zum andern, um selber so rasch wie möglich geschützt zu sein, weil die Funktion, die man innehat, für das ganze Land von Bedeutung ist und nicht mutwillig in Gefahr gebracht werden soll.

Was, wenn die Bundesrät*innen sich NICHT hätten impfen lassen? Die gleiche Presse hätte aufgeheult und dies als Beweis dafür angesehen, dass dem Impfstoff doch nicht zu trauen sei, dass die feigen Beamten zuerst das einfache Volk als Kanonenfutter ins Impf-Experiment schickten, um abzuwarten, ob die Sache wirklich so harmlos sei, wie die Hersteller und die Experten behaupten…

Als Adipositas-Betroffene sind wir quasi ex officio in der Risikogruppe. Wir tun gut daran, uns so rasch wie möglich in Sicherheit zu bringen, wenn nötig mit einem ärztlichen Attest.




11/1  Armes Velo

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 14:07

Das ist mir schon länger nicht mehr passiert. Als ich heute Vormittag auf dem Weg ins Büro beim kleinen Trafik meinen Lesestoff besorgt hatte, wieder auf die Strasse trat und mich daran machte, aufs Fahrrad zu steigen, kam mir ein dürres Männchen entgegen, das mit seinen Armen gestikulierte und dazu rief: „Armes Velo..!“

Was er damit meine, fragte ich ihn. Er guckte mich über den Rand seiner Covid-Maske hinweg an und machte mit beiden Händen eine ausladende Bewegung. Mit leicht südländischem Akzent sagte er: „Du so gross und schwer…“ – Da wusste ich, was sein Problem war. Du hast gut reden, sagte ich, du schmaler Wurf. Schau zu, dass du nicht verhungerst! Mit meinem Fahrrad hatte ich kein Mitleid. Es ist ein Flyer mit extrastarker Rahmenkonstruktion, den ich vor zehn Jahren erstanden hatte, als ich noch 180 Kilo wog.

Wie sind solche Feedbacks zu bewerten? Ist es Dicken-Diskrimination? Oder einfach eine spontane, leicht naive Bekundung eines Eindrucks? Ich konnte es dem Männchen nicht übelnehmen. Es trifft zu, dass ich in der letzten Zeit über die Feiertage wieder etwas zugelegt habe… aber ein wesentlicher Anteil meiner offenbar opulenten Erscheinung war meines Erachtens der dicken Vermummung geschuldet, in die ich mich auf Empfehlung unserer Medien gehüllt hatte, um mich gegen die Kälte zu wappnen, die akut über uns hereingebrochen ist.

Ich schwang mich auf den Sattel und rollte davon, nicht ohne dem mageren Warner nochmals zuzuwinken. Nebenwirkungen des übergewichtigen Alltags? Man muss damit leben. Sich ärgern bringt nichts.




4/1  Ein Übergang

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:00

Zwangsläufig innehalten: Rückblick und Ausblick. Die Betriebsferien, kombiniert mit der privaten Kontakt-Restriktion, haben zu einem Zustand des gepflegten Verfaulens geführt. Vom Bett ins Bad, vom Bad in die Küche, von der Küche zurück ins Bett, wo Lektüre wartet oder der Fernseher läuft: das ist die schlimmstmögliche Karikatur eines unstrukturierten Rentnerdaseins, zu dem du verurteilt bist durch landesweit verhängtes Dekret. Und daneben stellt Essen und Snacken die einzige effektive Abwechslung dar…

Für Viele war es ein hartes Jahr, mit existenzieller Bedrohung in einem Ausmass, das man sich vor Jahresfrist noch nicht hätte vorstellen können, trotz aller Hilfsprogramme, bei denen wohl die Bedürftigsten leer ausgegangen sind. Wenn ich auf dem Weg zum Büro die langen Schlangen derer gesehen habe, die für einen Sack Gratis-Lebensmittel angestanden sind, habe ich mich weit weg in einem Schwellenland gewähnt. Und nur ein paar Schlauen ist es gelungen, als der Krise Kapital zu schlagen.

Auf dem Bett liegend hast du die Zukunft reflektiert: da sind zwangsläufig neue Wellen der Pandemie angesagt, heftiger und tödlicher als die vorangegangenen, mit mutierten Erregern, einer gefährlicher als der andere… Gleichzeitig kramen die Historiker in der Seuchen-Geschichte und erklären uns, dass in früheren Zeiten jeweils fast die Hälfte der damaligen Weltbevölkerung von Pest und Cholera dahingerafft worden seien… was ist da schon das mickrige knappe Prozent, das heute zur Diskussion steht?!

Wir haben Respekt vor der Gefahr und halten die Vorschriften ein, bleiben im Zweifelsfall zuhause, schränken unsere Kontakte ein: wir wollen 2021 überleben, auch oder gerade weil es mit der Impferei bis heute noch nicht so richtig klappen will und keiner weiss, was die nächste Zukunft bringen wird.