10/5  Egotrip

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:27

Für eine Buchbesprechung in der nächsten Ausgabe unseres SAPS-Magazins habe ich eine Lektüre begonnen, die mich von der ersten Seite weg fasziniert und fesselt. Das ist ja bei Sachbüchern nicht immer der Fall. Das Buch heisst Das egoistische Gehirn und wurde verfasst vom international renommierten Hirnforscher und Diabetologen Prof. Dr. med. Achim Peters.

Peters schildert darin den Verlauf seiner Studien auf der Suche nach einem Mechanismus, der die Energieversorgung in unserem Körper regelt und präsentiert seine Erkenntnisse. Bei den Schlussfolgerungen und Lehren bin ich noch nicht angekommen, aber schon die Ausgangslage ist faszinierend.

Der grösste „Energiefresser“ in unsrem Organismus ist unser hochkomplexes Gehirn, das uns in seiner Funktionsweise auch am nachhaltigsten von anderen Lebewesen unterscheidet. Da ein pannenfreies Wirken dieses Organs, das alle unsere Reaktionen steuert, für unser Überleben entscheidend ist, hat die Natur es so eingerichtet, dass das Gehirn in jeder Lebenslage und unter allen Umständen ausreichend mit Energie versorgt wird, um richtig funktionieren zu können.

Damit diese Versorgung garantiert bleibt, hat das Gehirn unter allen Organen eine exklusive Vorzugsstellung, indem es seinen eigenen Bedürfnissen alles andere unterordnen kann. – Wenn es einen Eneregiebedarf hat, dann setzt es dessen Befriedigung durch, ungeachtet, ob „sein“ Mensch gerade auf die Linie achten möchte… Braucht es Nahrung, dann lässt es essen, und setzt dabei alle anderen Vorsätze oder Pläne ausser Kraft.

Diesem egoistischen Trip des Gehirns ist es also zu verdanken, dass wir immer wieder rückfällig werden, dass wir von vertrauten Esgewohnheiten nicht wegkommen, dass wir nach kurzer Zeit unsere sorgfältig geplante Ernährungs-Umstellung wieder abbrechen… – Dies sei kein „Versagen“, teilt uns Peters mit, wir könnten nichts dafür, seien unserem Gehirn wie einem Tyrannen ausgeliefert. Wer ihn ausschalten oder im Zaum halten möchte, der müsse mit konsequenter Einflussnahme schon beim Kleinkind beginnen. Aber so weit bin ich noch nicht mit Lesen. – Ich bin gespannt.




9/5  Familientisch

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:55

Essen als besonderes Ritual. Als Kind verbrachte ich meine Ferien oft bei einer Tante. Diese hätte gerne selber einen Jungen gehabt, der ihr aber versagt blieb. So setzte sie nach dem Tode meines Vaters alles daran, der Welt zu beweisen, dass meine Mutter nicht imstande war, ihrem kleinen Sohn Manieren beizubringen. Kaum war ich mit meinem Köfferchen und in langen Strümpfen angekommen, hiess es zu Tisch sitzen.

Ich war knapp zehn Jahre alt. Als erstes galt es die Suppe kunstgerecht zu löffeln bzw. quer vom Löffel zu schlürfen, statt diesen grad in den Mund zu stecken. Dann hiess es mit dem Fischmesser eine Forelle korrekt zu zerlegen, ohne mit den Fingern die spitzen Gräten wieder aus dem Mund zu klauben. Und den Abschluss bildete die Übung, mit Dessertmesser und -Gabel eine Banane zu schälen, ohne diese mit den Händen zu berühren. Dies alles unter den strengen Blicken der Tante, die ihre Missbilligung in lauten Seufzern kundtat. Ich schwitzte innerlich Blut und war jeweils heilfroh, die Tortur hinter mir zu haben.

Andere Essens-Situationen melden sich in der Erinnerung: auf dem Bauernhof bei Onkel Otto. Eine grosse Tafel, mindestens sechzehn Personen müssen es gewesen sein, man ass schweigend wie in einem Kloster, während aus dem Radio die Nachrichten kamen, jeder stopfte sein Essen in sich hinein und fiel einmal ein unbedachtes Wort, so traf ein scharfer Blick hervor unter den buschigen Brauen des Onkels den Frevler.

Es sind nicht bis heitersten Erinnerungen, die sich mit meinen kindlichen Mahlzeiten im Familienkreis verbinden, und doch soll gerade diese Form der Speisung nachweislich für die Kids von Vorteil sein. – Eine Meta-Analyse der Universität Illionois USA wertete die Resultate von 17 vorgängigen Studien aus. Darin wurden Beobchtungen an insgesamt 182’000 Kindern erfasst. Und das Resultat ist eindeutig: Kinder, die mindestens dreimal pro Woche am Familientisch mit ihren Leuten gemeinsam essen, sind später weniger anfällig für Essstörungen-

Sie werden später weniger Übergewicht haben, eher gesunde Nahrung zu sich nehmen, weniger Junkfood konsumieren… Es wäre ein einfaches Rezept. Wenn es angewendet würde.




8/5  Kinder hungern

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:33

Alarmierender Bericht erreicht uns von Down Under. Dort gibt es immer mehr Kinder und Jugendliche, die an Essstörungen leiden, und sie sind immer jünger.

Die Jugendlichen seien einem enormen Druck ausgesetzt, dünn zu sein. Normalerweise hätten sich Kinder erst um ihr Gewicht zu kümmern begonnen, wenn sie in der Schule ihre Körperform mit andern verglichen oder nachdem im Unterricht die korrekte Ernährung thematisiert worden sei.

Hauptgründe für die Tatsache, dass schon vierjährige Knirpse sich um ihre Linie sorgen und Diät halten würden seien einerseits die häufigen Medienberichte, in denen erfolgreiche junge Menschen schön und dünn sind, aber auch die geballte Ladung an Werbebotschaften für Schlankheitsprodukte. Dadurch scheine es völlig normal und alltäglich zu sein, abzunehmen bzw. eine Diät zu machen. Insbesondere betroffen sind die Kinder von übergewichtigen Eltern: sie wollen auf keinen Fall so werden wie diese…

Häufig angewendete Praxis ist das Auslassen von Mahlzeiten (28%) sowie das Erbrechen nach dem Essen (7%)… 54% der befragten Mädchen haben angegeben, schon eine Schlankheitsdiät gemacht zu haben, und 11% haben dies sogar schon mehrmals getan. – Wir leben in  einer perversen Welt, in der anderswo täglich 30’000 Kinder an Hunger sterben!




7/5  Gesetz gebodigt

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:39

Ein neues Lehrbeispiel aus USA: in Kalifornien gab es eine Gesetzesvorlage, nach welcher gesüsste Getränke mit einer Sondersteuer belegt werden sollten. Die so erhobenen Gelder wären eingesetzt worden für Ernährungs-Aufklärung in den Schulen und zur Prävention.

Eine Steuer auf „leeren“ Flüssig-Kalorien, die keinen spezifischen Nährwert haben, die aber viel zum jugendlichen Übergewicht beitragen, wurde von den Befürwortern verglichen mit der schon eingeführten und bewährten Tabaksteuer. – Ein Aufschrei ging durchs Gewerbe (das kennt man auch hierzulande) und die Gaststätten, der Ruf nach Freiheit erschallte, der Appell an die Eigenverantwortung der Eltern… mit der abstrusen Begründung, wenn die es nicht schafften, ihre Kinder vom übermässigen Genuss gesüsster Getränke abzuhalten, dann seien sie eben selber schuld, wenn die Kids dick würden…

Die Vorlage schafft es nicht mal bis in die Parlamente, sie wurde bereits in den vorberatenden Kommissionen nach den Anhörungen abgewürgt. Im Lichte dieser Vorgänge (und angesichts der Verbreitung der Adipositas in USA) kommt einem der Entscheid unseres Ständerates (siehe den Blog von gestern) geradezu visionär und von zukunftweisend vor.




6/5  Im Ständerat

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:01

Die „kleine Kammer“ unseres Parlamentes ist in letzter Zeit ins Gerede gekommen, seit die volkstümliche Massenpartei – wie weiland die Trompeter vor Jericho – zum Sturmangriff bläst. Man müsste meinen, es handle sich bei diesem Gremium um eine wilde Horde vaterlandsloser GesellInnen, die nur darauf aus sind, unsere Heimat möglichst billig zu verscherbeln und überhaupt nicht mehr ans Gemeinwohl denken…

Dabei ist der Ständerat ein besonnenes, kritisches, staatserhaltendes Organ, das seine Position zum Wohle des Volkes bedächtig abwägt. Dies hat man jetzt wieder gesehen anlässlich der Vorberatung in der zuständigen Kommission (SGK – für soziale Sicherheit und Gesundheit) zur Vorlage für ein Präventionsgesetz. Der Entscheid fiel sehr knapp aus: mit 7 JA zu 6 NEIN beschloss die Kommission Eintreten.

Blickt man auf die Zusammensetzung der 13-köpfigen Gruppe, so findet man 4 Freisinnige, 4 CVP-Leute, 3 SozialdemokratInnen und 2 SVP-Vertreter. Dass Felix Gutzwiller die Vorlage befürworten würde, ist zweifelsfrei anzunehmen… dass die beiden SP-Damen Fetz und Maury Pasquier dafür sind, dürfte auch klar sein. Die 6 Gegenstimmen sind demnach bei SVP, CVP und FDP zu orten.

Wenn man bedenkt, mit welch unsäglicher Weltuntergangs-Rhetorik (Stichwort: Gesundheits-Taliban) die Gegenseite ins Feld gezogen ist, dann bleibt uns noch einiges an Lobby-Arbeit bis zur definitiven Verabschiedung des Gesetzes.




5/5  Pfundig!

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:39

Es gab schon viele Versuche, einen Gewichtsverlust in Geld aufzuwiegen und so Anreize zu schaffen, abzunehmen. Ein neues Experiment wurde in England wissenschaftlich ausgewertet und als Erfolg publiziert. Pounds for pounds lautete der Slogan, also englische Pfund gegen Fett-Pfunde. Ein lohnenswerter Tausch?

Etwas über 400 Leute hatten mitgemacht, im Schnitt knapp über 100 Kilo schwer, zur Hälfte Frauen und ein grosser Teil Angestellte des Gesundheitswesens, die also wissen mussten, worum es ging. Wer erfolgreich abnahm, dem wurde eine finanzielle Belohnung in Aussicht gestellt. Und es klappte. Die durchschnittliche Gewichtsreduktion betrug vier Kilo aufs Jahr; das sieht in den Augen Vieler nicht nach viel aus, ist aber doch ein respektabler Wert, wenn er denn auf Dauer gehalten werden kann.

Die Projektleitung war befriedigt, dass es offenbar machbar sei… nichts wird darüber gesagt, wie hoch die Rückfallquote war, und noch keine Erkenntnis haben wir, wie das in fünf Jahren aussehen wird. – Kollege Yves Schutz von der Uni Lausanne, dem ich die Meldung zugeschickt habe, mailte die interessante Frage zurück: Kann ein solches System nur in einer kapitalistischen Gesellschaft funktionieren? Und müsste man nicht einen Vertrag auf Gegenseitigkeit abschliessen, indem der Abnehmende sich verpflichtet, sein Geld wieder zurück zu zahlen, sobald er erneut zunimmt? Sonst wäre ja der inkonsequente Jojo-Spieler im finanziellen Vorteil: er nimmt ab und kassiert, dann nimmt er wieder zu, um beim erneuten Abnehmen nochmals zu kassieren. Dass er dabei seine Gesundheit ruiniert, ist eine andere Geschichte.

Wir hatten von der Schweizerischen Adipositas-Stiftung SAPS aus mal ein ähnliches Modell auf der Basis einer „Abnehm-Wette“ in Planung, dieses dann aber wieder aufgegeben, nicht zuletzt aufgrund von Überlegungen in dieser Richtung. – Vielleicht graben wir die Idee wieder aus und setzen sie – mutandis mutatis – doch noch um?




4/5  Let’s Move

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:40

Aus aktuellem Anlass könnte man fast meinen, es handle sich hir um einen Freudenzanz: die Präsidentengattin, First Lady Obama, hüpft beschwingt mit einer Gruppe junger Leute herum… aber es hat nichts zu tun mit Terroristenjagd, es geht um kindliches Übergewicht. Let’s Move heisst die Kampagne, für sie sich Michelle O. einsetzt, und die soll Kids und Jugendliche motivieren, sich mit Freuden wieder mehr zu bewegen.

Im zweiten Teil des Videos sieht man dann noch Beyonce (deren Song nicht nur die rhythmische Grundlage für die Kampagne liefert, sondern der ihr auch den Namen gab). Bei genauer Betrachtung fällt allerdings auf, dass die Sängerin zwar zackig und in voller Fitness mittanzt, dass sie dafür aber kaum das geeignete Schuhwerk trägt, mit ihren bleistiftabsätzigen High Heels… Oder soll der Lerneffekt am Ende der sein, dass man sich in jedweder Bekleidung und welchen Tretern auch immer problemlos „mehr bewegen“ kann? – Der Bewegungstanz ist jedenfalls den beiden Ladies gelungen. – Wer könnte bei uns eine ähnliche Vorbildfunktion übernehmen? An Gristaaa wage ich gar nicht zu denken, die würde das sofort machen. Aber irgend eine Ex-Vize-Hilfs-Miss aus Tüpflikon würde ja wohl aufzutreiben sein…




3/5  Yo-Yo-Planung

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:15

Über 40 PolitikerInnen, Leute aus der Medizin und der Forschung, Sponsoren und Vertretungen von Patienten-Organisationen aus aller (europäischen) Herren Länder sind zusammengekommen. Treffpunkt war das kühne Altiero Spinelli-Gebäude, direkt neben dem Brüsseler Bahnhof Gare du Luxembourg. Nach einem Security-Check wie am Flughafen ging der Fussmarsch los durch unendliche Hallen, Rolltreppen hinab, über Teppiche und Marmor-Fliesen, bis wir in einem Bereich waren, wo sich Konferenzraum an Konferenzraum reihte, im Innern schon die Tische gedeckt, denn es war ein Working Lunch.

Freudiges Wiedersehen mit den Leuten, die schon vor einem Jahr in Strassburg dabei waren. Sofort wurden alte Kontakte aufgefrischt, neue geknüpft. Dann die politischen und die medizinischen Referate rund um das Ziel der diesjährigen Aktion, dem Jojo-Effekt den Kampf anzuagen. Völlig neue Rezepte gab es nicht. Aber tröstlich die Gewissheit, dass wir überall mit den gleichen Problemen konfrontiert sind.

Wir sind der Absicht, einen europäischen Verband der Adipositas-Paienten-Organiationen ins Leben zu rufen, einen grossen Schritt näher gekommen. Auf politischer Ebene ist der Wille da, der Adipositas-Problematik die nötige Beachtung zu schenken, aber der Weg ist noch weit. Der 21. Mai wird ein nächster Meilenstein sein. Wesentliche Forderungen kamen auf den Tisch. Unter anderem die, europäische Richtlinien einzuführen, um den Handel mit dubiosen, wirkungslosen oder gar schädlichen Abnehmmitteln zu unterbinden. Das wäre immerhin etwas.




2/5  Brüsseler Spitzen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:34

Nach einer guten Sitzung am Vormittag in Bern (im Kreise von Ernährungsfachfrauen im Dienste der öffentlichen Gesundheit) bin ich per Zug nach Brüssel gefahren. Siebeneinhalb Stunden sind lang, hatten aber den Vorteil, dass ich sitzen bleiben konnte. Dann der Hotelbezug. Ein Unternehmen mit Hindernissen. Der Taxifahrer, dem ich mich am Bahnhof anvertrauen wollte, meinte, die Unterkunft sei ganz nur ein paar hundert Meter, da solle ich laufen. Der Eingang, vor den ich kam, war um 22 Uhr schon abgeschlossen… Am Eingang um die Ecke prangte der gleiche Name, aber dort wollte man von einer Reservierung nichts wissen… bis ein anderer Gast meinte, ich sei im falschen Haus, mein Etablissement sei zwei Gebäude weiter die Strasse hoch.

Dort war ich zwar richtig, aber mein Zimmer befand sich wiederum in einem anderen Gebäude… so dass ich nach der langen Bahnfart doch noch ordentlich laufen konnte. Die Zimmer sehr vieux style, mit schweren Gardinen und Polstermöbeln, eine ganze Suite für 240 Euro… im Badezimmer blättert die Farbe vom Corpus und um in die Badewanne zu klettern, muss man höhentauglich sein… aber man soll ja nicht heikel tun.

Hauptsache, ich komme morgen rechtzeitig ins Europa-Parlament, wo wir ein Meeting durchführen zum European Obesity Day, der am 21. Mai über die Bühne gehen soll. Also vorschlafen, damit ich fit bin für den nächsten Parcours durch die Hotel-Gebäude…




1/5  Natur-Wunder

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:36

Kürzlich habe ich in einem lokalen Dorfladen einen Liter Milchdrink gekauft. Ablaufdatum: 29.04.2011, also gestern. Heute, die Flasche war noch mehr als halb voll, wollte ich etwas davon in meinen Frühstückskaffee giessen. Aber o Schreck: da plumpste ein träges Stück gestockter Milch heraus in die Tasse.. Reflexartig schnupperte ich am Flaschenhals und bereitete meine Geruchsnerven schon vor auf diesen fauligen Gestank, den Pastmilchdrink nach dem Verfalldatum zu verströmen pflegt.

Aber weit gefehlt: aus der Flasche kam mir ein süssslich angenehmer Duft entgegen, wie von frischer Milch. Mit dem Löffel entnahm ich der Flasche eine Probe und die schmeckte genau so, wie früher unser Joghurt geschmeckt hatte, das wir in Litergläsern selber mit einer Impfung und der richtigen Temperatur ansetzten… Und schlagartig stiegen in mir die anderen Jugenderinnerungen auf, die sich mit Milch verbanden. Wie wir sie beim Bauern kuhwarm abholten. Wie wir sie in grossen Schalen aufstellten, nach einer Nacht dann mit einem flachen Löffel die dicke, faltenwerfende Rahmschicht abhoben, daraus in einem viereckigen Glas mit eingebautem Rühr-Mechanismus Butter machten… und wie die Milch gelegentlich, wenn wir sie zu lange nicht gebraucht hatten, beim Erhitzen sich teilte, in weisse Klümpchen und gelblich-durchsichtige Molkenflüssigkeit, die wir durch ein Sieb abgossen, es gab dafür sogar ein ganz besonderes Sieb aus verzinntem Metall, unten spitz zulaufend, mit ganz feinen Löchern in der Seitenwand, so dass sich aus dem Milchklümpchen ein kegelföriger kleiner Zigerstock bildete, Frischkäse vom feinsten, mit winzigen Noppen vom Sieb, selbstgemacht, süsslich-sanft, eine längst vergessene Leckerei…

All das stieg heute Morgen in meiner Erinnerung auf beim Geschmack der gestockten Milch, und ich hatte im Handumdrehen mit Pfännchen und Kaffeesieb ein kleines Zigerstöckchen hergestellt. – Die Milch stammte aus einer lokalen Käserei in einem Thurgauer Ort, an der Käsereistrasse 1 domiziliert. Die Aufschrift auf der Etikette war kein Konsumentenbetrug: Frischer Milchdrink. – Was zum Teufel, geht mir seitdem durch den Kopf, panschen wohl die grossen Milchbarone à la Emmi und ELSA und wie sie alle heissen, in ihre Massenmilch, dass die so kotzübel schlecht stinkt und einen ekelerregend fauligen Geschmack annimmt, wenn sie über das Verbrauchsdatum hinaus stehen bleibt? Ich möcte es gar nicht wissen! Seit einiger Zeit gibt es ja Milch, die sich im Laden länger auf dem Regal hält… zum  Vorteil des Handels ist dies gewiss. Ich muss aber annehmen, dass diese Milch vorher biologisch abgetötet wird. Was so nach Verwesung stinkt, mussLeichengeruch sein. Da lobe ich mir die Frische aus der Natur.