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Von Heinrich von Grünigen um 23:11 |
Ein Wochenende ohne Internet-Zugang hat Vor- und Nachteile. Einer davon (wovon?) ist, dass man keinen Blog schreiben kann/darf/muss… Am Samstag war ich noch an der Eröffnung eines neuen Schulungszentrums für übergewichtige Kinder, Jugendliche und Erwachsene, das einen Rundumservice bietet mit Fitness-Angeboten, Physiotherapie, Ernährungsberatung, psychologischer und medizinischer Betreuung, wenn vonnöten. Das Zentrum befindet sich im aargauischen Wettingen und ist allein durch seine Existenz eine spezielle Sache, denn lange Zeit stand die Idee für eine solche Institution auf der Kippe, da sich selbst bei grosser Nachfrage seitens interessierter BenutzerInnen nur sehr schwierig Geldgeber und Sponsoren finden liessen für Ausstattung und Betrieb dieser Einrichtung.
Nun konnte am letzten Samstag der Startschuss gegeben werden, es fand eine feierliche Eröffnung der gediegenen Räumlichkeiten statt und es galt einen kleinen Triumph zu feiern, dass sich Beharrlichkeit, Pioiniergeist, Leidenschaft und Charisma lohnen, wenn es um eine gute Sache geht. – Einziger Schwachpunkt ist jetzt noch die Website: die sei zwar bereits neu erstellt, aber bisher einfach noch nicht aufgeschaltet, hiess es, so verkauft sich dieses gute Produkt elektronisch weit unter seinem Wert. Hoffentlich wird das bald geändert.
Sodann habe ich im Briefkasten meines Ferienhauses, weit draussen im Wilden Osten, einen Werbebrief gefunden, mit Einzahlungsschein. Es ist der Newsletter einer Organisation, die offenbar schon seit über einem Jahr besteht, die ich aber bisher nicht bewusst wahrgenommen habe. Sie nennt sich IG Freiheit und kämpft gegen Gesetze und Regelungen, die sie für überflüssig hält. Und es wird sofort klar, dass sie gegen alles kämpfen wird, was mit einer gezielten Prävention zu tun hat. In den Bereichen Alkohol und Nikotin wird schon giftig gekläfft und dem BAG als Bein gepinkelt, und auch der Luzerner Gesundheitsdirektor wird herb angegangen für seinen Vorschlag, dass Eltern ihre Kids nicht mehr mit dem Auto in die Schule fahren sollen. Interessanterweise lehnt man aber höhere Kassenprämien für Übergewichtige als diskriminierend ab…
Es kann also davon ausgegangen werden, dass auch bei kommenden Diskussionen über Regulierungs-Massnahmen aus dieser (rechten) Ecke Zwischenrufe zu vernehmen sind. Dass ein besonnener Realist wie der Industriekapitän Peter Spuhler, der selber mit den Kilos zu kämpfen hat, diesen freiheitsdurstigen Haudegenhaufen anführt, erstaunt ein wenig. Im Blick auf die künftige Präventionsdiskussion haben wir also noch einen reichlichen Lobbybedarf.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:09 |
Vor einer Woche – ich habe darüber geschrieben – hätte der Bundesrat ein Dokument verabschieden sollen, das als Grundlage dienen würde für den Kampf gegen das Übergewicht in der Schweiz. Dazu ist es nicht gekommen, weil die Behandlung dieses Berichts auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wurde.
An der Medienkonferenz vom 28. September hat der Gesundheitsminister diese Verschiebung weder begründet noch kommentiert. In der anschliessenden Fragerunde gab es dann allerdings einige Aussagen, mehr oder weniger indirekt, vielleicht etwas verklausuliert, die Einblick gaben in die Grundhaltung des Innenministers allfälligen Massnahmen gegenüber.
Die Bundeskanzlei hat interessanterweise eine Webseite eingerichtet, auf der man Video-Aufzeichnungen der Medienkonferenzen eins zu eins ansehen kann. Die Präsentation dauert in diesem Fall gute 17 Minuten und es lohnt sich, bis zum Schluss dranzubleiben. Es geht nicht nur um Inhalte und Aussagen von Bundesrat Couchepin des BAG-Direktors, es geht ebenso um Mimik und Gestik und um das Nicht-Gesagte, das trotzdem im Raum schwebt. Ein Stück offene Demokratie und spannende Anhaltspunkte für die weitere Arbeit am Thema.
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Von Heinrich von Grünigen um 21:57 |
Jetzt ist er wieder dick im Radiogeschäft… so lautete die Programmansage auf TeleZüri zum aktuellen Beitrag über den einstigen Pionier und Piraten Roger Schawinski, der sich heute mal schnell einen kleinen Sender gepostet hat, um ihn gross zu machen.
„Dick“, das wissen wir aus der Germanistik-Vorlesung, bedeutet hier so viel wie „sehr“ und hat nichts zu tun mit Übergewicht, obwohl das deutsche Online-Wörterbuch an erster Stelle die Beschreibung eines fetten Menschen nennt. – Dick im Geschäft sein meint eigentlich auch: „gut verdienen“. Damit dürfte es freilich im Moment noch nicht weit her sein, und Neu-Radiomacher Roger ist hier denn auch realistisch: zunächst wird investiert, in einer Grössenordnung von bis zu 10 Millionen. Und das muss alles wieder hereinkommen, bevor Gewinn resultiert.
Der Mini-Sender Radio Tropic ist seit acht Jahren in Zürich on air und hatte bis jetzt eine Publikums-Reichweite von 0,1 Prozent, da lässt sich noch was draus machen. Schawinski peilt ein „älteres“ Publikum an, zwischen 30 und 60, mit Würde und Stil, kein Duzis-Kinderfunk… wohl so irgendwo im Übergang zwischen DRS 1 und Musikwelle, aber mit urbaner Ausrichtung.
Ich finde das spannend. Die Medienwelt ist in ihrer unüberschaubaren Vielfalt allzu beliebig geworden, Ecken und Kanten wurden zur Stromlinienförmigkeit eingeschliffen, damit das Publikum „dranbleiben“ kann, Stimmen sind austauschbar geworden, Playlists haben sich angeglichen, Standards etabliert bis zur Verwechselbarkeit. – Da sind Figuren mit unverwechselbarem Profil und Charisma gefragt, die sich nicht scheuen, den eigenen Weg zu gehen, die überzeugt sind von sich und von ihrer Sache und die – das ist hier entschieden anders – für einmal nicht vor die materielle Überlebensfrage gestellt sind und sich jeden Abend Sorgen machen müssen, ob sie morgen noch senden können.
Freilich, der gleiche Pionier-Piraten-Groove wie vor rund 30 Jahren wird es nicht mehr sein, aber ein vitalisierender Farbton in einem mittlerweile etwas ausgeblassten Bild. Welcome back, Roger, im Geschäft!
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Von Heinrich von Grünigen um 17:58 |
Ausser im Falle einer akuten Hungersnot ist es objektiv von Vorteil, dünn zu sein. Nicht allzu dünn, aber doch so, dass man sich elegant und leicht bewegen kann. Wie zum Beispiel Michael von der Heide auf der Bühne, der noch bis zum 7. Oktober im Zürcher Hechtplatztheater mit seinem Programm „Nachtflug“ gastiert. Ein absolutes Must für Michi-Fans, wie sich an der Première vom Dienstagabend gezeigt hat: ein Feuerwerk von Charme, Parodie, Musikalität, Gesang und Entertainment. Ein tobender Kobold im zweiten Teil, für den der enge Raum zwischen den Instrumenten fast zu knapp war. So wie er sich bis zur Erschöpfung bewegt, hat er kaum eine Chance, Gewicht anzusetzen, selbst wenn es die Natur nicht so gut mit ihm gemeint hätte.
Dünne Menschen haben es ohnehin besser, das hat eine Studie an der Universität Tübingen gezeigt. Ein brutaler Werte-Raster setzt die Akzente schon in der Kindheit, wie ein Experiment mit 450 Kindern und Jugendlichen zwischen 10 und 15 Jahren gezeigt hat. Sechs Fotos wurden den Kids vorgelegt: drei von Knaben und drei von Mädchen; je eines „normalgewichtig“, eines normalgewichtig im Rollstuhl und eines adipös. Diese Bilder galt es zu bewerten und in eine soziale Rangliste einzuordnen, mit Begriffen zu verbinden wie Sympathie, Intelligenz, Faulheit und Attraktivität. Auch sollten die Probanden angeben, wen sie am liebsten als Spielkameraden möchten.
Und wen wunderts, dass sich bei dieser Übungsanlage alle bestehenden und denkbaren Vorurteile gnadenlos bestätigt haben? Am meisten Sympathien fand das „normalgewichtige“ Mädchen. Die behinderten Kinder lagen glaichauf mit dem „normalen“ Jungen. Die dicken Kinder waren abgeschlagen am Ende der Sympathie-Skala, mit ihnen mpochte niemand spielen und sie wurden mehrheitlich als „am dümmsten“ eingeschätzt. 95% der Befragten setzten „dick“ gleich mit „faul“.
Das alles wissen wir eigentlich und es wäre eines der Ziele unserer Arbeit, gegen solche Werturteile Gegensteuer zu geben… und doch ist die Bestätigung des Befundes immer wieder erschreckend und frustrierend. Man müsste meinen, dass sich mit der fotschreitenden Ausbreitung der Gewichtsproblematik zwangsläufig ein Umdenken einstellen sollte… aber das ist offenbar (noch) nicht der Fall. Und dieser Umstand ist eine mächtige Hypothek bei jedem Versuch, über das Thema sachlich korrekt zu informieren. Man denke nur an gewisse Reaktionen auf die Kampagne mit dem breiten Schlitten. Die Arbeit geht uns nicht aus.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:04 |
Es war irgendwie ein spannender Tag, heute. Das Datum war in den Agenden schon seit Wochen eingetragen. Der Bundesrat sollte Beschluss fassen zum Thema der Übergewichts-Prävention. Ein Bericht war erarbeitet worden, der als Grundlage dienen würde für ein Langzeitprogramm. Es war abgemacht, dass Vertreter jener Organisationen, die in der Sache kompetent sind, zur Medienkonferenz eingeladen würden, um ihren Standpunkt auf Anfrage vertreten zu können und eine erste Wertung der Beschlüsse und des geplanten Programms vorzunehmen.
Am Morgen war tatsächlich Gesundheitspolitik auf der bundesrätlichen Traktandenliste. Präventionspolitik, Alkohol und Übergewicht standen zur Debatte, aber dann kam der freundliche Anruf aus Bern: Voraussichtlich werde nur zur Präventionspolitik ein Beschluss gefasst, die beiden andern Themen müssten auf eine spätere Sitzung verschoben werden. Somit entfalle auch die Notwendigkeit, an der Medienkonferenz dabei zu sein.
So gab es unverhofft einen anderweitig nutzbaren Nachmittag. – Aus gut unterrichteter Quelle waren später Vermutungen zu vernehmen über die Gründe des Aufschubs. Sowohl bei der Alkohol- wie bei der Übergewichts-Bekämpfung standen im Prinzip Massnahmen zur Diskussion, die den freien Handel tangieren könnten: Verbote, Auflagen, Regelungen. So etwas ist nicht populär, vor allem dann nicht, wenn der Gesundheitsminister einer Partei angehört, deren zweiter Bundesratssitz sowohl von der christlichen Mitte wie von grünlinksaussen unter Druck kommen könnte. Da zählt jede Stimme. Insbesondere, wenn es um die Popularität des Amtsinhabers nicht absolut zum Besten bestellt ist.
Da werden wir uns wohl noch etwas in politischer Geduld üben müssen. Das Problem läuft uns ja nicht davon, im Gegenteil.
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Von Heinrich von Grünigen um 17:16 |
Volkshelden haben es hierzulande nicht leicht. Adolf Ogi ist einer von ihnen, denn er hat ein ganz besonderes Flair dafür, komplexe Sachverhalte so zu vermitteln, dass unsereiner sie nachvollziehen und verstehen kann. Das war mit dem Eierkochen so und mit vielen zukunftsweisenden Vorlagen, die er durchs Parlament und durch die Abstimmungen gebracht hat. Hut ab.
Aus seinem letzten Jahr als Bundespräsident stammt ein vergnügliches Buch, das zwei seiner Mitarbeiter aus dem damaligen VBS zusammengestellt haben: Dölf hat gesagt… / Dölf a dit… – eine Sammlung von Aussprüchen, die bei verschiedenster politischer Gelegenheit gefallen sind… und irgendwie haben es Bundesräte (jedenfalls die, die man ernst nehmen kann) an sich, dass das, was sie sagen, einen ganz besonders zitierenswerten Stellenwert hat: man nimmt ihre Worte für bare Münze, auf die man später immer wieder zurückgreifen kann.
Nun hat sich Dölf zum Thema Übergewicht geäussert. In einer Kolumne der neuen Gratispostille „punkt ch“ (deren Website offenbar noch nicht funktioniert, daher kein Link), lobt er die Initiative der Nahrungsmittelindustrie einerseits, und andereseite jene bundespolitischen Instanzen, welche Druck auf die Kantone ausüben, damit diese das Sport-Obligatorium in den Schulen nicht aus Spargründen antasten. Das ist eine verdienstvolle Initiative.
Die Schlussfolgerung, zu der Dölf Ogi jedoch kommt, ist – leider – allzu einfach: Wer spart beim Sport, spart am falschen Ort! Wenn alle, Bund, Kantone, Gemeinden und Verbände, das begreifen, erzielen wir mit wenig Aufwand grosse Wirkung. Und wenn 95 Prozent wieder auf Normalgewicht sind, dürfen alle sagen: Freude herrscht! – Hier hat Ogi dem fatalen Slogan der Plakatkampagne von Gesundheitsförderung Schweiz geglaubt, wonach es „wenig“ brauche, um „viel“ zu verändern… Die Rechnung geht nicht auf. Die bald gegen 40 Prozent Übergewichtigen in der erwachsenen Schweizer Bevölkerung werden auch bei striktestem Sport-Obligatorium nicht so viel abnehmen können, dass die 95%-Quote zu erreichen wäre.
Gerne würden wir Dölf Ogi mit seinem Charisma und seiner Überzeugungskraft als Verbündeten für unser Anliegen gewinnen. Aber die Lösungen könten dann nicht so einfach sein.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:19 |
Eigentlich ist dies ja kein politischer Blog, obwohl Politik grundsätzlich in alle Bereiche unseres Lebens hineinspielt und bei uns Gesundheitspolitik im Vordergrund steht, der wir uns explizit nicht verschliessen wollen.
Aber der heutige Tag hat uns einerseits eine neue Sonntagszeitung mit Wurzeln im Aargau beschert, von der ich noch nicht weiss, ob ich sie mir künftig kaufen muss, und anderseits haben wir die Kunde vernommen, dass unser verehrter Justizminister künftig wöchentlich im Internet eine eigene „Sendung“ von knapp einer Viertelstunde haben wird. Das Privatvideo ist über Internet zu sehen und wird auch von einzelnen kleinen Lokal-TV-Stationen übernommen. Besser als Sendepause.
Was mich hier aber sehr verwundert, das ist der Aufschrei in der Polit-Landschaft, der heute schon vorsorglich von allen Fronten zu hören war: schwere Beeinträchtigung der Demokratie! wer bezahlt den Auftritt? amerikansiche Wahlkanmpf-Methoden! Und das Bundesamt für Kommunikation wolle ermitteln… – Geht es noch? Hat jemand auch nur ein kritisches Wort verloren, als der Bundesrats-Kollege vom Verkehrs-, Energie- und Mediendepartement seinen Blog mit regelmässigen persönlichen Einlassungen zu aktuellen Themen eröffnet hat? – Ob mir der Verfasser sympathisch ist oder nicht: der neue direkte Video-Zugang zum Wahlvolk über das Internet ist auf jeden Fall weniger umweltbelastend als die frühere Verteilung seiner Ergüsse in alle Briefkästen, das zu einem wahren Polit-Littering wurde. Und billiger dürfte es allemal sein.
Was es bewirken wird, weiss ich noch nicht. Er scheint ohnehin den schon Bekehrten zu predigen und sein beflissener Stichwortgeber lässt auch keinen Verdacht aufkommen, er würde eine kritische Frage stellen wollen. Auf jeden Fall habe ich als Bürger – wenn ich es will – die Möglichkeit, mir eine zusätzliche Meinung zu bilden. Vielleicht hat die Weltwoche, die bisher als His Master’s Voice sein Lob und seinen Preis trommelte und trompetete, nur einen zu kleinen Kreis der Adepten erreicht und angesprochen. Mit dem Jedermannsmedium WWW ist da die Reichweite schon grösser, auch wenn dieses noch eine Generationenbremse hat. Aber vielleicht lassen sich so die treu ergebenen Buurezmorge-Senioren dazu bewegen, das Internet zu nutzen, was je schliesslich – und da würde sich unser Kreis auf wundersame Weise wider schliessen – auch einem Angebot wie eBalance zugute käme. Oder nicht?
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Von Heinrich von Grünigen um 23:44 |
Wenn alles nicht vor dem Rückfall bewahrt, gibt es jetzt ein ziemlich sicheres Mittel zur Selbstkontrolle. Die Firma Bellyacres bietet online ein ganzes Sortiment von Dingen, Teller, Poster, Magnete für den Kühlschrank, Folien fürs Fenster… Dinge, die man mit Botschaften nach eigener Wahl bedrucken lassen kann. Oder einen Teller, auf dem eine sportgestählte Figur abgebildet ist, auf die man mittels Fotomontge seinen eigenen Kopf setzen lassen kann, so dass man beim Essen dauernd sieht, wie man ausehen könnte bzw. müsste bzw. möchte.
Vielleichts hilfts, wenn sonst nichts hilft. Jedenfalls schadet es sicher nicht.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:48 |
Altenverpflegung in einer Spezialresidenz im Jahr 2047: die PensionärInnen sitzen im Rollstuhl, auf Kommando ihrer Pflegerin, die adrett und freundlich mit den Fingern schnippt, nehmen sie im Takt aus ihrer Effektentasche eine Rolle mit Haushaltkrepp, einen gasmaskenähnlichen Mundschutz mit Einfüllstutzen, dann wird an jeder Maske ein Schlauch angeschlossen, die Pflegerin legt den Hebel an der Zapfsäule um, und durch die Schläuche fliesst das pürierte Menü 1 in die Münder der Alten: Spaghetti Bolognese mit geriebenem Parmesan. Nach zwei Minuten sind die Leute satt und weil man mit der Speisung in Verzug ist, werden Kaffee und Dessert grad im gleichen Gang durchgespült.
Schöne neue Welt? Alptraum? Hort der Glückseligkeit? – Nichts von alledem und alles zugleich. Es ist Karl’s kühne Gassenschau mit SILO 8, dem aktuellen Programm, das so erfolgreich ist, weil es so aberwitzig gut und besonders ist, dass es nächstes Jahr in Olten nochmals aufgenommen wird, der Vorverkauf läuft eben an. – Aber die Sache mit dem durchrationalisierten Essen ist nur ein winziges Element aus einem unglaublichen Spektakel, das nach bester Karl’s kühne-Manier im flammenden Inferno und totalen Desaster endet, nachdem ein Action-Stunt den andern gejagt hat.
Es ist müssig, die Geschichte zu erzählen, sie lebt von verträumter Poesie einerseits, von gnadenloser Satire und praller Fabulierlust auf der andern Seite, und wird getragen von hervorragenden InterpretInnen, die nicht nur ihre hinfälligen Figuren beklemmend lebensecht verkörpern, sondern darüber hinaus ein sattes Mass an akrobatischer Zusatzleistung erbringen. Ein faustisches Menetekel über den Umgang mit dem Alter und der Erinnerung an eine heile Welt, und ein verrückter Reigen von unerwarteten Performances, die zwischen Schock und Traum pendeln und sich am Schluss in ein wohliges Schaudern auflösen, weil wir ja alle noch da sind, älter vielleicht, aber noch nicht so ausgeliefert. Diese Darbietung ist ein Muss. Wer sie noch nicht gesehen hat, darf sie nicht versäumen. 2008 in Olten.
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Von Heinrich von Grünigen um 18:10 |
Das Liedlein kennen wir: Wasser ist zum Waschen da… dann kommt der Titelreim – und so geht es weiter im Refrain: auch zum Zähneputzen, kann man es benutzen; Wasser braucht das liebe Vieh, fallera und falleri, selbst die Feuerwehr, benötigt Wasser sehr.
Am Schluss des Liedleins gibts noch einen Vers, der uns direkt ins Ernährungs-Thema führt: Wasser braucht das liebe Vieh, fallera und falleri – wenn man es nicht hätt, wär´ stets die Milch zu fett. – Und wie wichtig Wasser als Element und als Nahrungsmittel für unsere Gesundheit ist, zeigt ein Buch, das soeben im AT-Verlag erschienen ist: Trink Wasser und bleib gesund. Auf 126 Seiten erläutert der handliche Band den Stellenwert der Universalflüssigkeit für das Wohlbefinden und das Funktionieren unseres Körpers, er stellt die Gefahren von Wassermangel dar, zeigt die Qualitäten der verschiedenen Trinkwässer auf (nebenbei bemerkt: der Begriff „Trinkwasser“ ist wohl nicht von ungefähr akustisch gleichgesetzt mit der knappen Befehlsform „Trink Wasser!“, das wird mir beim Betrachten des Buchtitels bewusst), sodann wird auch erläutert, wie man mit gezielten „Rehydrationskuren“ einen infolge Wassermangels trocken gelegten Körper fachgerecht befeuchten kann…
Man nimmt die farblose Flüssigkeit, die bei uns so selbstverständlich aus den Leitungsrohren und den Armaturen sprudelt, als problemlos und gegeben hin, ein stets verfügbarer Verbrauchsartikel, der uns so manchen nützlichen Dienst erweist, vom Spülen der Wäsche bis zum Reinigen der Kloschüssel… aber dass sauberes, frisches Wasser eigentlich eine Medizin ist, auf die wir besonders angewiesen sind, wenn wir Gewicht abbauen wollen, das haben wir zwar gewusst, aber noch nicht so richtig in seinen Zusammenhängen verstanden. Das Büchlein von Christopher Vasey (im französischen Original heisst es „L’eau: Source vitale de votre santé“ und ist 2002 erstmals erschienen) zeigt uns dies in einfachen und verständlichen Worten auf. Mehr als eine chemische Verbindung aus Wasserstoff und Sauerstoff.
Nachtrag vor Mitternacht: Das trifft sich ja prächtig, dass das Programm im Circus Royal, der ab heute auf der Zürcher Sechseläutewiese gastiert, unter dem Motto steht: Wasserwelt im Circuszelt. Im zweiten Teil des Programms läuft Wasser in ein blaues Plastic-Rund, in dem sich bald Seehunde tummeln und auch kleine Pinguine: putzige Kerlchen, denen man gerne zutraut, dass sie mit verspielter Neugier die übrigen Darbietungen begleiten… so wie wir auf eine magische Weise alle Tiere mögen, die sich ein wenig „menschlich“ zu gebärden scheinen, auch wenn ihnen gar nicht danach zumute ist.
„Circus Royal“ ist ein handlicher Zirkus, überschaubar und gradlinig, er bedient alle Clichés und lässt nichts aus, was zur circensischen Tradition gehört, bis zur „Zuckerwattenfrau“ von Dieter Wiesmann, die vor Programmbeginn aus den Lautsprechern tönt… Er selber, Dieter, ist auch unter dem Publikum, ein geladener Gast, der schon vor Jahren diesen Zirkusgeruch in sein Lied gebannt hat, mit dem ganze Generationen aufgewachsen sind.
Ein etwas fülliger junger Direktor, ein knochendürres Clownfräulein, gut eingespielte Akrobatik-Nummern und eine ganze Parade von exotischen Tieren lassen Kinderherzen mit einem quasi klassischen Programm höher schlagen. Beim britischen Trampolin-Komiker Max Weldy quietschen sie vor Vergnügen und es macht nichts, dass ich diese Nummer schon vor Jahren genau so gesehen habe, denn sie ist zeitlos komisch und für jede Altersklasse wieder neu, wie einst Alfredo mit seinem unverwüstlichen „Granada!“, an dem er auch kein Jota ändern durfte. Fallero.
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