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Von Heinrich von Grünigen um 22:31 |
Es ist mittlerweile bekannt: Übergewicht ist primär genetisch begründet. In einem grossen Anteil der Bevölkerung schlummert eine genetische Veranlagung, die es uns ermöglicht, Fettreserven für Notzeiten anzulegen, solange es uns gut geht. Von dieser Veranlagung konnten die meisten während Jahrhunderten und Jahrtausenden kaum jemals richtig Gebrauch machen, denn die Verhältnisse waren nicht so, dass für das Volk ein Überfluss herrschte an Nahrung und dass sie sich ein gemütliches Leben ohne körperliche Anstgrengung hätten leisten können.
Eine interessante Studie in Amerika hat hierzu ein Resultat gebracht, das gewisse Annahmen klar bestätigt. Untersucht wurden Leute, die der Religionsgemeinschaft der Amish People angehören. Diese Gemeinschaft hat sich einen Lebensstil verordnet, der freiwillig auf viele Errungenschaften der gegenwärtigen Zivilisation verzichtet. Die Menschen leben und ernähren sich wie vor hundert Jahren, vereinfacht gesagt. Und was zeigt die Studie?
Auch unter den Amish People gibt es Leute, die in sich das Adipositas-Gen FTO tragen, auch unter den Amisch-Leuten gibt es Adipöse… aber nachdem man eine Reihe von Probanden mit einem Gerät ausgestattet hatte, das die Intensität der körperlichen Bewegung gemessen hat, zeigte sich, dass jene Personen, die sich ausreichend und regelmässig bewegten, trotz Vorhandensein der Übergewichts-Veranlagung NICHT adipös geworden waren.
Das lässt den Schluss zu, dass die Genetik allein nicht zwangsläufig zu Adipositas führen muss, dass diese aber auftritt, wenn das zivilisatorische Umfeld so ist, dass man sich nicht nur zu wenig bewegt, sondern dass man auch regelmässig mehr Nahrung zu sich nimmt, als der Körper im Alltag verbraucht. Demnäch wäre Adiposits kein Erb-Fluch „an sich“… aber die zivilisatorischen Verhältnisse machen es den Gen-Trägern schwerer als den andern.
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Von Heinrich von Grünigen um 16:20 |
Soll man das nun als bequeme Ausrede für Denkfaule brauchen? – Zu einem überraschenden Ergebnis ist eine aktuelle Studie gelangt: Intellektuelle Anstrengung führt zu erhöhter Kalorien-Aufnahme. – Wer intensiv mit dem Hirn arbeitet (und da gibt es ja die landläufige Auffassung, dass das Gehirn beim Denken besonders viel Energie „verbrauche“), neigt dazu, beim Essen im Übermass den Verbrauch zu kompensieren. Dies könnte – so meinen die Forscher – ein weiterer Grund für die Übergewichts-Epidemie sein: wer vor allem intellektuell tätig ist, der bewegt sich automtisch weniger körperlich, was den Effekt noch verstärkt.
Drei Gruppen von Studenten mussten 45 Minuten lang unterschiedliche Aufgaben lösen: die eine Gruppe hatte nur sitzend auszuruhen… die zweite musste einen Text lesen und zusammenfassen, die dritte hatte am PC interaktive Denksport-Aufgaben zu lösen. Am Schluss durften die Leute von einem Büffet so viel essen, wie sie mochten. – Als erstes widerlegte der Versuch die Annahme, dass „Denken“ extra viel Kalorien verbrauche: die beiden „Denk“-Gruppen verbrannten lediglich 3 Kalorien mehr als die Ruhe-Gruppe, aber beim Essen konsumierten die „Zusmmenfasser“ 203 Kalorien mehr und die „Denksportler“ gar 253 Kalorien mehr als die Leute aus der Ruhe-Gruppe.
Blutproben, die während der Übung entnommen wurden, zeigten, dass bei den beiden „Denk“-Gruppen starke Schwankungen im Blutzucker- und Insulinspiegel auftraten, was möglicherweise mit einem leistungsbedingten Stressfaktor zu tun hat, der bei der Ruhe-Gruppe nicht eintrat. – Soll also, wer abnehmen will, aufs Denken verzichten? Das wird wohl nicht so ohne weiteres zu machen sein. Gefordert ist eine andere Art des Denkens, ein Bewusstsein der Gefahren und der Versuchung, dann wäre ein Teil des Risikos schon gebannt.
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Von Heinrich von Grünigen um 16:07 |
Es ist ein etwas abgedroschener Scherz, wenn jemand annimmt, er könnte bei der Firma Red Bull einen Steinway mieten. – Aber ein bisschen flatterig ist es mir schon geworden im Magen, als ich in der aktuellen Ausgabe von saldo den vergleichenden Test über 15 verschiedene Energy-Drinks gelesen habe.
Vor dem inneren Auge sehe ich die gewaltigen Stapel der grünen Büchslein, die z.B. in den Migros-Märkten gestapelt sind (der jährliche Umsatz aller 15 in der Schweiz erhältlichen Marken wird auf 20 Millionen Liter geschätzt!), und in der inneren Nase verspüre ich den süsslich-schweren Geruch, der am Morgen im Bahnhof über die Perrons hängt, wenn die jungen Menschen, um sich für den Tag fit zu machen, einen Drink einschütten, an Stelle des Frühstücks.
Die Analyse der Dosen-Inhalte zeigt: die Energie kommt vor allem vom Zucker. Sechs bis zehn Stück Würfelzucker sind in einer Büchse gelöst (und perverserweise schreibt das Lebensmittelgesetz einen Energiewert von „mindestens 45 Kalorien pro Deziliter“ vor, damit der Begriff „Energy“-Drink gerechtfertigt sei…). Künstliche Farbstoffe, soviel hat die Untersuchung gezeigt, werden bis auf eine Ausnahme nicht verwendet. Als Muntermacher werden Koffein und Taurin beigegeben. Taurin ist ein Stoff, der ursprünglich aus der Galle von Stieren gewonnen wurde (pikanterweise will die Legende, der Stoff stamme aus den Hoden von Stieren, was ihm eine testosteronverdächtige Verruchtheit andichtet, aber offenbar falsch ist); heute werden die benötigten Mengen synthetisch hergestellt. 4000 Milligramm davon sind pro Liter zugelassen, die meisten Produkte gehen bis hart an diese Toleranzgrenze.
Zudem sind alle Produkte mit Warnhinweisen versehen, dass man nicht zuviel davon konsumieren solle und dass sie nicht mit Alkohol gemischt werden dürften… Aber was tut der so gern für mündig und selbstverantwortlich erklärte Konsument: er macht es trotzdem. Das kann fürs Herz und für die Nieren gefährlich sein. Auch Leute mit Bluthochdruck, Schwangere, Kinder und sportlich Aktive sollten die Drinks nicht konsumieren, empfiehlt das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung. – Preisfrage: wer hat denn im letzten Jahr die 80 Millionen Dosen gekippt? Und wohin sind die 2 Millionen Kilo Zucker gewandert? Wenn die Drink-Trinker Pech gehabt haben, dann haben sie sich in 1,2 Millionen Kilo Fett verwandelt, oder 1’200 Tonnen, die an Bäuchen und auf Hüften lagern.
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Von Heinrich von Grünigen um 16:17 |
In England macht man sich Gedanken über allzu brutale, ev. gewalttätige Kinderspiele… Aber nicht, wie man diese unterbinden könnte, sondern, ob man sie wieder erlauben solle. Eine fast etwas verkehrte Welt, über die der Telegraph berichtet.
Aus Sorge um das Wohlergehen des Nachwuchses und vor allem, um mögliche Schadenersatz-Klagen zu vermeiden, waren in den letzten Jahren auf den englischen Spiel- und Schulhausplätzen so manche Aktivitäten verboten worden, bei denen sich die Kinder ausgiebig bewegt hatten. Sie seien zu gefährlich, man könnte sich verletzen, man könnte zum Beispiel stürzen bei einem Hüpfspiel… und Schutzbrillen musste man anziehen für das traditionelle Conkers-Spiel mit Kastanien! Ebenfalls verboten war das Gemeinschaftsspiel British Bulldog, eine Art „Fangis“ mit einem gewissen Gewalt-Potenzial. – Wer kommt denn für den Schaden auf? Die Schule, wenn sich der Verursacher nicht mehr eruieren lässt?
Nun besinnen sich die Schulvorstände wieder auf die guten alten Zeiten, wo sich die Kinder noch frei(er) bewegten, herumtobten und -tollten, ab und zu eine Schramme und einen blauen Fleck abkriegten, dabei aber fit und beweglich blieben. Die rigiden Schutzbestimmungen sollen gelockert werden, mehr Risk und mehr Fun, mehr Gewalt wohl auch, aber auf eine positive Art, die Saft generiert und Kraft verbraucht. – Eine interessante Massnahme, die wenig kostet und rasch beschlossen ist. Wie steht es bei uns mit den Verboten auf Spielwiesen? Diejenigen, die ich kenne, haben weniger das Wohl der Kids im Auge, als das Ruhebedürfnis der Anwohner. Darüber müsste man reden können.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:37 |
Alle, die während ihrer Abnehm-Karriere schon einmal eine gewisse Zeit lang ein Ess-Tagebuch geführt haben (und die eBalance-Gemeinde kennt ja die elektronische Version davon), wissen es: wenn man seinen täglichen Verzehr erfassen und aufschreiben muss, wird einem bewusst, wieviel und was man gegessen hat und das erleichtert die Kontrolle und unterstützt das Abnehmen.
Nun gibt es aber auch hier Gewohnheits- und Abnutzungserscheinungen. Routine schleicht sich ein, man protokolliert erst später, wenn man sich nicht mehr so genau an alle Details erinnert, notiert gewohnheitsmässige Standards, obwohl man in Wirklichkeit klar mehr gegessen hat als eigentlich vorgesehen… Es müsste irgendwie eine genauere Erfassungsmöglichkeit geben, die sich nicht austricksen lässt. Und da es vorderhand noch nicht möglich ist, irgendwo im Hals einen Chip zu implantieren, der alles analysiert und registriert, was man im Lauf des Tages so schluckt, haben Wissenschafter an der Universität von Wisconsin-Madison (USA) einen ganz simplen Versuch gemacht.
Sie haben für ihre Studie insgesamt 43 Leute aufgefordert, ihr Essen, bevor sie es zu sich nahmen, zu fotografieren und gleichzeitig auch schriftlich festzuhalten, was sie gegessen hatten. – Nun zeigte sich, dass diese Übung mit dem vorgängigen fotografieren der Mahlzeit eine extrem regulierende Wirkung hatte. Die Leute wurden sich viel bewusster, was und wie sie assen, wenn sie vorher die Speisen für ein Photo arrangieren mussten. Und im Rückblick war es anhand der Bilder auch viel einfacher, gewisse Verhaltensmuster oder Präferenzen von bestimmten Lebensmitteln zu bestimmen.
Für eine solche Aktion braucht es kein Fotostudio, da reicht das ganz gewöhnliche Handy, das ja heute in aller Regel auch fotografieren kann; nach einer bestimmten Zeit werden die Bilder auf den PC übertragen, wo man sie verwalten und auswerten kann. Durch diese Methode, sagen die Wissenschafter Lydia Zabeda und David Deal, könne man wohl auch viel besser die Grösse der Portionen abschätzen, denn diese würde von den meisten, die eigentlich bewusst essen möchten, völlig falsch beurteilt. (Noch wirkungsvoller könnte allenfalls eine „versteckte“ Kamera sein, die wirklich alles registriert, was ins Blickfeld des Mundwerks kommt, und die man nicht noch extra zücken und bedienen muss…)
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Von Heinrich von Grünigen um 22:57 |
Eigentlich habe ich den Film ja schon oft gesehen, in den über vierzig Jahren, die seit seinem Entstehen vergangen sind. Und doch packt es mich auf eine unwiderstehliche Weise immer wieder, wenn sie am Fernsehen kommen, diese alten „Schweizer Filme“, aus denen die helvetische Rechtschaffenheit wie zähe Melasse herausfliesst, träge und viel zu süss. Polizist Wäckerli in Gefahr.
Und wenn man sich die breitbeinige Behäbigkeit so ansieht, mit der unser Held und Dorfpolizist durch sein ländliches Leben stapft, rechthaberisch und polternd und dennoch mit einem verborgenen Kern von Güte, tief innen, dann versteht man rückwirkend, weshalb im Jahr darauf in Paris die 68er-Unruhen ausgebrochen sind, obwohl wir uns doch damals für ungemein zeitgeistig, clever und aufgeschlossen hielten.
Auch mit dem Körpergewicht hatte man damals noch kaum Probleme. Wurde man älter, so gehörte es dazu, dass man „zwäägete“, das heisst, in die Breite ging. Und dass es nicht zum Exzess kam, darüber wachte die brave Mutter Wäckerli, indem sie ihre Familie zur Ordnung rief, wenn jemand zu viel Butter aufs Brot schmierte. Sonst wirst du zu dick! warnte sie mahnend ihre Schwiegertochter, und kaufte beim nächsten Gang zur Molkerei nur noch ein halbes Mödeli.
Und doch waren dies in meinem richtigen Leben genau die Jahre, in denen meine Adipositas-Karriere begonnen hat. Rauchstopp und 30 Kilo plus, weniger Sport, mit Essen kompensieren und eine verrückte Diät nach der anderen, mit verheerendem Jojo-Erfolg. Wie schön wäre es gewesen, man hätte damals als Ernährungspolizisten einen knurrigen Wäckerli zur Seite gehabt, der einen gütig aber streng zur Vernunft gemahnt und auf den rechten Pfad der Tugend gewiesen hätte…
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Von Heinrich von Grünigen um 23:40 |
Das ist ein Schlüsselsatz aus unserer jüngeren Zeit: Das Hündchen hat es besser als wir! – Der Satz ist ein Zitat aus einem Märchenspiel. Wenn ich mich richtig erinnere, ging es um Brüderchen und Schwesterchen, die beiden wurden von ihrer Stiefmutter böse gemobbt. Es ging ihnen so schlecht, dass es sogar dem Hündchen besser ging… bis die beiden dvonliefen, wobei das Brüderchen dann im Wald aus einem verbotenen Brunnen trank und in ein Reh verwandelt wurde, oder so.
Dass es das Hündchen besser hat als wir, ist leider eine Tatsache, die immer wahrer wird. Während wir uns schwer tun (und dabei schwerer werden), uns richtig und gesund zu ernähren, wird dem Hündchen das gesunde Essen über Herrchen und Frauchen geradezu untergeschoben. Dass die Haferflocken einer bestimmten Marke besonders gut sein sollen für Welpen, das haben wir schon lange gelernt… aber jetzt kommt ein Produkt auf den Markt, das dem Hündchen den gesunden Rest geben wird: gefrorenes organisches Hundejorhurt. Das Ding stammt aus England, hört auf den phantasievollen Namen Yöghund und wird in zwei Geschmacksrichtungen hergestellt: Banane/Erdnussbutter und Heidelbeer/Vanille. Ein Becher Hunde-Joghrt-Glace hat gerade mal 93 Kalorien, wenig Fett und Faserstoffe.
Mit der Zunge wird das Eis aus dem Becher geschlabbert. Gesundheit und Genuss gehen Hand in Hand… fast wie bei „Vitamine und naschen“… nur dass Hunde wohl nicht so dumm sind und auf einen so blöden Werbespruch auch noch hereinfallen. – Wirklich besser geht es ihnen wohl langfristig doch nicht, denn immer mehr Hunde leiden an Diabetes und anderen Krankheiten, die mit Übergewicht einhergehen, und seit 2007 wissen wir, dass Pfizer für Hunde extra eine Schlankheitspille entwickelt hat. Vielleicht verwandelt sie sie in ein Reh.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:30 |
Während ich diese Zeilen schreibe, läuft in meinem Hotelzimmer in Lausanne die Politkontroverse ARENA auf dem Bildschirm. Das neue Modell lässt die beiden Kontrahenten Girod und Giezendanner frontal aufeinander prallen, um das Thema aufzureissen. Aber ich weiss nicht, wie lange ich mir das antun werde, denn erstens habe ich keinen Offroader und keine grosse Limousine, und zweitens nervt mich das Powergeschwafel des Fuhrhalters, der auf Blocher zu machen versucht und ohne Atempause Unterstellungen und Behauptungen absondert, in der Hoffnung, dass immer etwas hängen bleibt, wenn man die Gülle nur breit genug ausbringt und an möglichst primitive Reflexe appelliert.
Aber unter dem Strich geht es letztlich um Energie, die von bestimmten Autos umweltschädlich verbrannt wird… und im Clash zwischen den beiden Kulturen der Grünen und ihrer Anhänger und der Autolobbyisten klaffen Welten. – Ich stelle mir vor, wie eine vergleichbare Diskussion verlaufen würde, wenn es um Nahrungsmittel ginge: den Experten für gesunde Ernährung stünde die kraftvoll organisierte Lobby der Produzenten gegenüber und das, was ein Dialog sein sollte, würde wohl recht ähnlich klingen… Der wichtigste Unterschied ist allerdings der, dass es (noch) keine Unterschriftensammlung gibt und keine 150’000 Menschen den Wunsch formuliert haben, dass gewisse Nahrungsmittel, die erwiesenermassen der Gesundheit abträglich sind, nicht mehr in den Verkauf gelangen.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:46 |
Es ist ein besonderes Gefühl, sich mit den Stöcken nun im Alltag fortzubewegen. Drei Monate solle man sie verwenden, lautet die Empfehlung, und ich habe jetzt mal zwei Wochen geübt, „draussen“. Der politisch korrekte Ausdruck, um nicht „Krücken“ zu sagen, ist wohl „Gehhilfen“. Und man kommt sich mit diesen Dingern irgendwie unbeholfen vor. Will man eine Türe öffnen, muss man eine Hand wenigstens halb frei haben. Drückt man die Türfalle nach unten und hat den Griff der Gehhilfe noch in den Fingern, so blockiert das den Türgriff… stellt man beim Kiosk die Stöcke an, um die Zeitung zu bezahlen, so rutschen sie bestimmt zur Seite weg und scheppern über den Boden…
Interessant ist das Verhalten der Mitpassagiere beim Zugfahren. Das fängt beim Warten auf dem Perron an. Du denkst, wer an Stöcken geht und ein etwas leidvolles Gesicht macht dabei, dem müsste doch jedermann auf der Sitzbank einen Platz anbieten. Aber weit gefehlt. Da hocken die Kids breitbeinig und schlürfen ihr Red Bull, Männer lesen Zeitung und am besten sind die Frauen, die ihre Einkaufstaschen auf der Bank deponieren und davor stehen bleiben, wobei sie emsig ein SMS in ihr Handy tippen. Da kannst du lange daneben stehen, zuerst diskret ein wenig seufzen, einige Schritte hin und her trippeln, dich auf deine Stücke stützen… erst wenn du höflich fragst, ob es den Damen vielleicht etwas ausmachen würde, da sie ja selber nicht absässen… erst dann nicken sie, packen ihre Taschen, entschuldigen sich sogar, und gehen einige Meter zur Seite, weiter SMS-end.
Nun habe ich auch die Behindertensitze im unteren Stock der Intercity-Züge schätzen gelernt: ein Abteil ist mit blauem Kleber besonders gekennzeichnet. Ein Mànnlein mit einem Blindenstock und eines mit einer Gehhilfe, beide in Weiss, und dazu die Aufforderung, man solle diese Plätze bitte freigeben, wenn Behinderte sie benötigen. Ist das Abteil noch leer, setze ich mich gemütlich hin, lege die Stöcke ins Gepäcknetz und bin froh, dass ich einen Platz gefunden habe. Ist das Abteil aber schon belegt und ich stehe wartend davor, dann ist es spannend zu sehen, ob jemand – und wenn, wer – Anstalten macht, für sich einen neuen Sitzplatz zu suchen. Da wird intensiv in der Zeitung gelesen, mit der Nase tief im Papier, als wären sie plötzlich kurzsichtig geworden… Hier sind es meist die jungen Frauen, die ihr Buch zuklappen und fragen, ob man sitzen möchte.
Wie auch immer, der öffentliche Verkehr hat plötzlich eine ganz neue Dimension erhalten. Kommt kein Niederflurtram, so warte ich bis zum nächsten, denn die Tritte sind noch viel zu hoch (vor allem in Bern, wo man bei den alten Trams noch zynisch-neckisch über die Stufen geschrieben hat: „Dies ist ein Trittbrett, kein Stolperbrett!“). Alles dauert mindestens doppelt so lang, treppauf und treppab, der Weg von einer Strassenseite zur andern… die Grün-Phasen an den Ampeln sind kurz geworden und die lieben Autos brausen davon und knapp hinter dir durch, sobald sie wieder dürfen… du verstehst plötzlich den Frust der alten Leute, die sich wie Freiwild vorkommen, wenn sie eine Verkehrsader überqueren müssen… und dabei habe ich jetzt gar nichts über die Offrroader gesagt.
Man erlebt das Verkehrsgeschehen von einer ganz anderen Seite und es hilft emotional nichts, dass man mit dem Verstand genau erfassen kann, was warum passiert… es ist ärgerlich genug, DASS es passiert.
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Von Heinrich von Grünigen um 19:30 |
Begegnung à distance, quasi unter KollegInnen: auch das habe ich gestern bei meinem Gespräch mit den Ärzten aus der Romandie erfahren: es gibt einem Magen-Bypass-Blog in der Online-Ausgabe der Zeitung Le Matin, der verfasst wird von Marie-Ange Brélaz, der Gattin des Stadtpräsidenten von Lausanne (und Grünen-Natinalrats) Daniel B. Auch er ein wahres Schwergewicht als homo politicus und im richtigen Leben.
Auch hier ein ähnliches Phänomen, wie ich es vor anderthalb Jahren mit meinem Herzinfarkt erlebt habe: Madame Brélaz, erfolgreiche Magen-Bypass-Patientin, hat in ihrem Blog regelmässig über den Verlauf ihrer Adipositas berichtet… bis sie vor einigen Tagen notfallmässig zur Nachbehandlung ins Spital musste. Der Blog fiel kommentarlos aus, was natürlich besorgte Nachfragen auslöste, so dass die Zeitung mit einem aktuellen Krankenbericht nachlegen musste.
Öffentliche Berichte über medizinische Therapien, mit Erfolgen und Rückschlägen, können viel beitragen zur Transparenz, zur Motivation und zum Verständnis der komplexen Problematik.
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