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Von Heinrich von Grünigen um 19:22 |
Die Operation ging elegant über die Runden, 24 Stunden verbrachte ich auf der Intensivstation, eine etwas unruhige Nacht, da die Überwachungsgeräte mit geräuschvoller Emsigkeit ihres Amtes walteten… Entschädigt wurde ich heute früh durch die muntere Pflegefachfrau, die mich bei der Morgenwäsche einem speziellen Ritual unterzog. Sie hatte von allen Tüchlein und Waschlappen zwei Exemplare dabei. Auf meine Frage, wozu das gut sei, meinte sie: Für das zweite Gesicht,
Nachdem ich erfolglos vesucht hatte, eine Brücke zur Esoterik zu schlagen, stellte sich bald die triviale Realität heraus. Die Dame meinte mit dieser po-etischen Umschreibung nicht mehr und ncht weniger als den Allerwertesten, auch Hinterteil genannt.
Dreimal bin ich schon gestanden, unter Anleitung der Physiotherapeutin. Es grenzt an ein Wunder, was die Ärzte heute schaffen!
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Von Heinrich von Grünigen um 20:07 |
Tröstliche und ermutigende Kunde kommt aus Amerika: im Land der individuellen Freiheit sind die Fast-Food-Lokale in New York ab sofort verpflichtet, direkt nebem dem Preis ihrer Produkte in der Auslage die exakte Kalorienzahl anzuschreiben. Wird geschummelt oder nicht deklariert, drohen saftige Bussen. Das ist eine einfache Regelung, die es dem mündigen Bürger erlaubt, in Kenntnis des tatsächlichen Sachvehaltes seinen Kaufentscheid frei zu treffen. Eine Strassenumfrage der Tagesschau hat gezeigt, dass kaum einer der Passanten wirklich wusste, welcher Nährwert in den verkauften Speisen steckt. Aber die Wirkung sei sofort eingetreten, die KäuferInnen hätten bewusster die Angebote gewählt. Und die Kamera zeigte die Preis-Schilder bei Starbucks, Burger King und MacDo, wo die Zahlen friedlich nebeneinander standen, als hätten sie das schon immer getan, so selbstverständlich. Kaum zu glauben, dass sich die Anbieter so lange und so hartnäckig gegen diese Massnahmen gesträubt hatten. Eine Verordnung genügt. Das braucht nur den Mut einer Politikerin (in diesem Fall die New Yorker Gesundheitsdirektorin) und kein Institut und nichts… Nachahmenswert!
Und dann bin ich pünktlich im Spital eingetroffen, habe mein Zimmer bezogen, wurde ärztlich erfasst, aufgeklärt, vorbereitet… Man fühlt sich in der Klinik gut aufgehoben, freundlich und kompetent umsorgt, das ist wichtig, geht es doch um einen Eingriff, der zwar weltweit Routine ist, der aber doch seine Risiken birgt, gerade für unsereins auf der schwereren Seite des Lebens.
Da ich morgen nach dem Eingriff wohl kaum schon wieder bloggen kann, melde ich mich vorsorglich mal ab. Auf Wiederlesen, wenn es so weit ist.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:05 |
Das Gute am Herzinfarkt – sofern man so etwas überhaupt sagen darf – war, dass er ohne Vorwarnung einfach eintrat. Zack! Und am andern Morgen erwacht man im Spital, weg, nur mit dem Nötigsten ausgerüstet, als wäre man bei einem Erdbeben auf die Strasse gerannt, in der Unterhose.
Ein von langer Hand angesagter Spitalaufenthalt löst Dinge aus, die man zunächst so gar nicht machen möchte. Aber plötzlich fängst du im Büro an, die Papierberge zu sortieren. Du stellst Dossiers zusammen, wirfst Dokumente fort, das schon verjährt sind, antwortest auf verschollen geglaubte Mails, findest ungeöffnete Briefe und gibst Anleitungen, wie in deiner Abwesenheit zu handeln sei. Alle Eventualitäten planst du ein, machst Aktennotizen, gehst Termine durch, fütterst den Abwesenheitsassistenten und überprüfst die Liste mit den Telefonnummern. Du zermarterst dir das Gehirn auf der Suche nach Dingen, die du vergessen haben könntest, und dass sie dir nicht einfallen wollen, das zeigt dir, dass deine Besorgnis berechtigt ist. Du machst dir Gedanken, wie es die vier Wochen ohne dich gehen solle… und dabei weisst du genau, dass deine Leute ganz gut zurecht kommen werden.
Das Positive an diesem Vorgang ist freilich, dass auf dem Schreibtisch vorübergehend wieder so etwas wie Ordnung herrscht. Die Stapel sind säuberlich ausgerichtet, es erscheint dazwischen sogar wieder ein wenig Tischfläche, das für kreativ gehaltene Chaos hat sich gelichtet, und wenn etwas zu suchen wäre, könnte man es finden. Aber da es Sommer ist und der Geschäftsgang so gut wie auf standby geschaltet bleibt, dürfte dies eher die Ausnahme sein.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:36 |
Lange habe ich die Realität von mir fern gehalten. Die bevorstehende Operation am Knie war zwar eine medizinisch angezeigte Intervention, um mir wieder ein schmerzfreies Gehen zu ermöglichen und gleichzeitig einem inzwischen auf das Minimum reduzierten Bewegungsprogramm wieder zum Durchbruch zu verhelfen… Die Schmerzen bei jedem Schritt waren eine sehr praktische Begründung, um keine ausgedehnten Wanderungen zu machen, ja sogar um das Fahrradfahren auf das Notwendigste zu beschränken, weil auch das inzwischen unangenehm geworden war.
Unvermeidlich, dass sich bei diesem Bewegungsmangel erneut Gewicht aufstockte. Dieses Problem umschiffte ich, indem ich es geflissentlich vermied, in die Nähe einer Waage zu kommen. Das hinderte allerdings meine Hosen nicht daran, selbst mit dem elastischen Bund immer etwas weiter in den weichen Bauch einzuschneiden. Und auch das Lenkrad im Auto entwickelte in letzter Zeit eine fatale Neigung, sich nicht mehr so frei drehen zu lassen wie früher, weil es in meiner Leibesmitte eingeklemmt wurde…
Aber die Operation, die mir meine Bewegungsfreiheit wenigstens teilweise wiedergeben sollte, war in weiter Ferne angesiedelt, irgendwo gegen Ende Juli, im Sommer einmal, wenn andere Ferien machen, wenn ich mich also gut einige Wochen aus den täglichen Verpflichtungen ausklinken konnte… In zwei Monaten – das ist eine beruhigende Perspektive. In einem Monat – das rückt schon näher… dann waren die Wochen zu zählen… und jetzt sind es Tage geworden. Drei, um genau zu sein. Am Montag noch die letzten Verrichtungen, Absprachen und Aufträge, am Dienstag dann ins Spital, zum Angewöhnen… und am Mittwoch ist der OP-Termin unaufschiebbar da.
Kein Kneifen und kein Verdrängen mehr möglich, auch das definitive Gewicht wird bis dann abzulesen sein, da führt kein Weg mehr an der Waage vorbei… zehn Tage im Spital, dann einige Zeit in der Rehabilitation. Ich werde natürlich das Mausen auch mit eingesetzter Knie-Prothese nicht ganz lassen können und mich blogmässig aus dem Spital melden, sobald mit der Zugriff auf den PC wieder möglich ist. In diesem Sinne habe ich das Ticken der Countdown-Uhr akzeptiert. Kniearthrose ist eine logische Folge von Adipositas. Hätte ich früher etwas unternommen… aber solche Einsichten kommen immer zu spät.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:12 |
Lange war es nicht einfach, sich ansprechend zu kleiden, wenn man happig zu schwer war. Es war nicht bloss die Tatsache, dass es viel mehr Stoff braucht, um einen übergrossen Körper zu verhüllen. Das hätte man etwa verstehen können bei den zeltartigen Umhängen für starke Damen, die früher von Ulla Popken oder – künstlerisch wertvoll in Schwarz – von Christa de Carouge vertrieben wurden. Die Dinger waren auch für Männer in der Regel teuer. Deshalb war es eines der ersten Anliegen der Schweizerischen Adipositas-Stiftung SAPS, sich einen Überblick zu verschaffen, auch über preiswertere Angebote und diese den eingetragenen Mitgliedern wenn möglich mit Rabatt zu vermitteln. So erstellten wir eine Übersicht als Linkliste mit jenen Modegeschäften für ihn und für sie, die beim Vorweisen unserer Mitgliederkarte eine Vergünstigung gewähren.
Ab und zu, wenn wir in der entsprechenden Region sind, tätigen wir einen Testkauf, verschaffen uns einen Eindruck vom Angebot und von der Bedienung und freuen uns, wenn unser Anliegen bekannt ist, den übergewichtige Menschen haben es so schon schwer genug im Lebden, da sind sie froh, wenn sie beim Kleiderkauf auf verständnisvolle Leute treffen, die auch aus eigener Erfahrung wissen, worauf es ankommt.
So haben wir heute in St. Gallen das Geschäft Mr. XXL besucht, da ich meine Garderobe im Blick auf einen bevorstehendn Spitalaufenthalt komplettieren musste. Es gab eine gute Auswahl in grossen Grössen (und ich musste nicht die grösste nehmen), attraktive Modelle und vernünftige Preise – und vor allem eine sehr angenehme, hilfsbereite und tolerante Bedienung. – Rabatt in eigentlichen Sinne gab es beim Erst-Einkauf nicht. Dafür einen Gutschein über 15% Ermässigung beim folgenden Kauf. Das ist mehr, als die meisten Häuser bieten und lohnt den zweiten Einkauf, der, da bin ich sicher, nicht so lange auf sich warten lassen wird wie der erste. Der Abstecher nach St. Gallen lohnt sich, wenn man in der Gegend ist, es hat firmeneigene Parkplätze und als „Mr Big“ fühlt man sich wirklicnh gross.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:11 |
Es ist verrückt: Dutti ist gross geworden, indem er klein angefangen hat. Mit seinen klapprigen Saurer-Lastern ist er durch Städte und Dörfer getuckert und hat den Menschen günstige Lebensmittel bis vor die Haustür gebracht. Mit der Zeit hat sich das Konzept überlebt und die Leute fahren nun mit ihren eigenen Autos in die grossen Supermärkte. – Als ich vor 35 Jahren in Basel wohnte, kam der Gemüsemann aus dem Elsass mit seinem offenen Handkarren, den er durch die Strassen schob, er läutete eine Handglocke und aus den Häusern strömten die kauflustigen Hausfrauen und die wenigen Hausmänner, und man deckte sich mit frischem Obst und Gemüse ein, direkt vom Bauernhof, oder fast.
Das alles ist Vergangenheit. Zwar gibt es da und dort noch einen Marinello-Stand, und natürlich: es gibt zweimal in der Woche den Markt mit seinem Überangebot an Saisongemüse aus aller Welt, denn irgendwo ist immer Saison… Wir sind durchaus verwöhnt, was die Möglichkeiten betrifft, fünfmal am Tag Gemüse oder Früchte essen zu können.
Und nun liest man mit Staunen, dass unsere guten alten mobilen Verkaufwagen in New York als die grosse Innovation gepriesen werden, welche gesunde Nahrung auf einfache und für jedermann zugängliche Weise wieder in jene Gebiete bringen, aus denen die Supermärkte geflohen sind… Die Geschichte hat es so an sich, dass sie sich wiederholt. Es ist verrückt. Und tröstlich zugleich.
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Von Heinrich von Grünigen um 17:15 |
Das hat uns noch gefehlt. Nicht, dass es schon schwierig genug ist, das „Richtige“ zu essen, jetzt erhält die Frage der korrekten Verpflegung noch eine zusätzliche, quasi dritte Dimension: die der Geschlechter. Natürlich wissen wir, dass jemand, der in der Nacht plötzlich Heisshunger auf Essiggurken mit Erdbeerkonfitüre hat, mehrheitlich weiblich und schwanger sein muss… aber das ist überlieferter Volksglaube und hat nichts mit exakter Wissenschaft und Forschung zu tun. Diese kommt zu folgendem Befund:
Frauen und Männer brauchen nicht die gleiche Nahrung. Das hat ein Forscher-Team in Australien herausgefunden. Man weiss, dass die Ernährung sehr entscheidned sein kann für Wohlbefinden und Gesundheit, für die Lebensdauer und auch für die Reproduktionsfähigkeit, aber es zeigt sich jetzt, dass Männer und Frauen eine unterschiedliche Art von Ernährung benötigen, damit es ihnen wirklich gut geht.
Herausgefunden hat man das bei einer Studie an Schwarzen Feld-Grillen, wobei sich zeigte, dass Grillen-Weibchen und Grillen-Männchen die Zusammensetzung ihres Futters aus den Bestandteilen Kohlenhydrate und Eiweiss ganz unterschiedlich wählten um so das Optimum für ihre Entwicklung und ihre Lebenszeitspanne zu erreichen. – Was für die Grillen gilt, müsse – mutandis mutatis – auch für die Menschen gelten, meinen die Forscher. Obwohl die kulinarischen Vorlieben bei beiden Geschlechtern weitgehend übereinstimmten, gebe es doch je nach Lebensabschnitt deutlich unterschiedliche Bedürfnisse, die sich vor allem in der Zeit vor und nach der Geburt eines Kindes bei den Frauen klar abzeichne, da in dieser Phase mehr Energie und und Protein benötigt würden. Vielleicht, so vermuten die Forscher, seien die Nahrungsbedürfnisse zwischen Frauen und Männern viel unterschiedlicher, als man das bisher angenommen habe… und vielleicht hätte sich im Lauf de Zeit eine Art Kompromiss eingestellt, nur weil man in der Regel gemeinsam aus der selben Pfanne isst… Auch bei den Grillen war eine ähnliche Tendenz der Angleichung im Essverhalten beobachtet worden.
Wenn dem so ist, dann können wir wohl damit rechnen, dass die Lebensmittelindustrie über kurz oder lang interessante neue, gender-spezifische Produkte in die Regale stellt: Nur-für-Frauen und Nur-für-Männer… Coca-Cola hat ja schon den Anfang gemacht mit der geschlechter-gerechten Werbung für Coca-Cola Light und Coca-Cola Zero. Und in der Kosmetik-Branche funktioniert die Geschlechter-Trennung schon lange. Fragt sich bloss: was essen dann die Nicht-Heteros?
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Von Heinrich von Grünigen um 18:52 |
Wieder einmal beweist eine wissenschaftliche Studie etwas, was wir schon lange geahnt, vermutet oder befürchtet hatten: wenn wir ein Abnehm-Programm verfolgen, haben wir meist anfänglich Erfolg, doch nach einer gewissen Zeit stagniert der Gewichtsverlust, es kommt zu einer Verzögerung, die Kurve flacht ab, schliesslich Stillstand.
Was ist Schuld daran? Das Wochenende! – Das hat ein einjähriger Versuch mit 48 Erwachsenen zwischen 50 und 60 Jahren gezeigt, normal- oder leicht übergewichtig, nicht adipös. Ein Teil davon wurde angehalten, den Kalorienkonsum um rund 20% zu reduzieren, die andern sollten ihr Bewegungsverhalten um 20% erhöhen. Ein Jahr lang führten sie ein Ess- bzw. Bewegungstagebuch und kontrollierten täglich ihr Gewicht. Und siehe da: unter der Woche nahmen sie ab – am Wochenende stockte der Prozess…
Eine Analyse des Lebensverhaltens gab Aufschluss: im Unterschied zu Versuchs-Ratten, die nicht zwischen Werk- und Feiertagen unterscheiden, führen die Menschen ein klar differenziertes Leben. Unter der Woche ist der Tagesablauf meist strukturiert und planbar, am Wochenende schleicht sich der Schlendrian ein, ausgiebig wird gefrühstückt, man gönnt sich etwas Besseres, schläft länger aus, bewegt sich weniger (sofern man nicht regelmässig Bergwanderungen oder Radausflüge einplant), man verabredet sich zu Parties, erhält Besuch oder besucht Verwandte, hält sich an Sportanlässen auf, wo es Verpflegungsstände hat… kurz, man kommt am Wochenende kaum darum herum, mehr zu essen als unter der Woche. Und weil viele Programme ja „ab und zu“ einen Genuss und eine Sünde zulassen, summiert sich das 50 mal im Jahr. – Wissen ist Macht. Sich daran zu halten braucht Kraft.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:23 |
Die Ferienzeit steht bevor und viele zieht es in den Süden. Sind die Alpen erst überwunden, eröffnen sich die Segnungen des Mittelmeerraums. Diese sind nicht nur meteorologischer Natur, sie sollen vor allem auch das Kulinarische betreffen. Mediterrane Ernährung ist für manche Leute ein verheissungsvolles Zauberwort. Freund Rolf zum Beispiel wird nicht müde, herauszufinden, welche Elemente in seinem Menü wohl „mediterran“ sein könnten, um sich dann in gesundheitlicher Sicherheit zu wiegen. So ist er überzeugt, dass eine kräftige Spaghettata mit verschiedenen Saucen, von Bolognese bis zu Carbonara, weil mediterran, absolut schlankmachend sei, nach Omas bewährtem Prinzip: „Viel hilft viel.“ – Möglichst viel Olivenöl an den Salat – und schon ist er mediterran, und demzufolge gesund. Oder das würzige Ciabatta-Olivenbrot: was könnte mediterraner sein als das? Also beherzt zugegriffen! Oder eine Fischpfanne mit sämiger Sauce… direkt aus dem Mittelmeer!
Auch positive Vorurteile können täuschen. Die „wahre“ mediterrane Kost ist durchaus frugal im ursprünglichen Sinn des Wortes, mit viel Früchten und Gemüsen, etwas Olivenöl, wenig Wein und Fleisch in wohldosierter Menge. Naturbelassene Lebensmittel, frisch zubereitet, wenig Fett und wenig Süsses… es ist „Slow Food“ im eigentlichen Sinn, selber mit Bedacht zubereitet und genussvoll verspeist, in gemütlichem Beisammensein, ohne Stress… Mediterrane Kost ist eine Lebenshaltung, nicht bloss ein Speisezettel. Daher wohl besonders gut für Ferien geeignet, jetzt, wo es Sommer ist.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:24 |
Das war so ein Fernsehabend nach dem alten volkspädagogischen Gusto: TV als Besserungsanstalt der Nation, damit wir alle unser Leben ändern… Angefangen hat es auf RTL 2 (einem Privatsender!) mit einer ganz besonderen Show des Koch-Genies Jamie Oliver: seinem Abstecher in die Hühnerhölle. Eine Dokumentation über Missbräuche in der Massen-Hühnerhaltung, wie sie engagierte Tierschützer nicht kompromissloser hätten drehen können. Nur eben verkauft mit der leicht rotzigen Schnoddrigkeit des jungen Starkochs, einem handverlesenen Gala-Publikum, das nicht fliehen konnte, weil es an seinen Lippen hing. Die Veranstaltung mündete in den Appell zu verändertem Konsum- und Einkaufsverhalten, dass man sich die zwar etwas teureren aber eben gesünderen und umweltfreundlicheren Lebensmittel leisten solle. Und die Teilnehmenden versprachen es tapfer – jedenfalls solange die TV-Kameras noch in Sichtweite waren.
Dann ging es mit Welt der Wunder gerade noch einmal zur Sache: eine pfiffige, gut animierte Darstellung des Stoffwechsel-Dilemmas, das sich in unserem Organismus täglich abspielt, im Widerstreit zwischen dem Instinkt des Körpers, der sich durch grosszügige Nahrungsaufnahme am Leben erhalten und vor Hungersnot bewahren will, und dem Intellekt, der zwar weiss, was er sollte und was nicht… der aber letztlich keine Chance hat gegenüber den unbewussten Zwängen und Reflexen unserer animalischen Natur. Ein weiteres Kapitel galt der „guten“ Nahrung. Eindrücklich wurde aufgezeigt, dass es in Deutschland (und wohl auch bei uns) klare Richtlinien gibt über die bekömmliche Reinheit von Babynahung, wo die zugelassene Schadstoffmenge auf ein absolutes Minimum beschränkt ist, was auch peinlich genau kontrolliert wird… während bei Lebensmitteln für Erwachsene ein Vielfaches der problematischen Substanzen als Grenzwert zulassen sind, was damit zusammenhängt, dass so der Produktionsprozess verbilligt und die Rendite erhöht werden können. Und dass vernünftigerweise die Verbraucher alles daran setzen müssten, der gesunden Bio-Produktion zum Durchbruch zu verhelfen, die langfristig auch das Überleben der Produktionsmittel garantiert.
In die gleiche Richtung zielte denn auch noch der letzte Beitrag, der aufzeigte, welch fatale Auswirkungen die EU-Landwirtschaftspolitik auf die Gesundheit der Bevölkerung bzw. deren Ernährung hat: dass die Unterstützung der Mammutbetriebe, die Subventionierung des Exports, die europaweiten Transporte und der massive Preisdruck letztlich zu einer Verschlechterung der Qualität führen, die der Konsument nur dadurch bekämpfen könnte, dass er die lokalen Produzenten berücksichtigt und sich für Produkte entscheidet, die in der Region hergestellt werden… – Medienberichte verpuffen wie Tropfen auf dem heissen Stein. Aber steter Tropfen hat es an sich.
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