14/5  Der dünne Schein trügt

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:43

Das ist mal wieder eine interessante Nachricht für uns Rundliche. Da haben Forscher in England seit über zehn Jahren an die 800 Menschen dreidimensional gescannt, mit MRI-Tomografen vermessen und so richtige Landkarten der Innereien angelegt. Und letzte Woche erschien ihr Bericht:

Die Auswertung zeigt klar, dass wer von aussen schlank erscheint, noch lange nicht gesund ist und ohne Risiko lebt. Bei vielen „dünnen“ Menschen hat man festgestellt, dass sich um ihre inneren Organe wie Herz, Milz, Leber, Bauchspeicheldrüse regelrechte Fettpolster gelagert haben, die zwar nicht sichtbar dick machen, aber die doch alle negativen Nebenwirkungen produzieren, die vom sogenannten „inneren“ Viszeral-Fett ausgehen.

Und was hier als Problem noch dazukommt: weil diese Leute glauben, dass sie gesund sind, da sie ja nicht dick sind, lehnen sie sich beruhigt zurück, verzichten auf sportliche Betätigung, halten sich nicht fit, faulenzen herum… und erhöhen so die negative Wirkung des verborgenen Fettes.

Da seien die noch besser dran, die zwar einige Pfunde für jeden sichtbar direkt unter der Haut tragen, die aber deswegen besorgt sind, sich „richtig“ zu ernähren versuchen und die sich regelmässig bewegen. Sie verhalten sich gesünder als die vermeintlichen Dünnen, die sich schon am sicheren Ufer wähnen und sich deshalb nicht selten eine einseitige Verwöhnung gönnen. – Natürlich ist alles eine Frage des Masses und allzuviel von allem ist ungesund… aber die Lehre aus dieser Erkenntnis ist doch, dass der Schein auch hier trügen kann und die BMI-Angabe an sich noch kein Garant ist für Wohlbefinden. – Ich habe allerdings keinen Hinweis darauf gefunden, ob diese Studie von einer Firma in Auftrag gegeben worden sei, die Fettmess-Waagen verkauft…




13/5  Durst stillen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:07

Drei Stunden auf der Autobahn – und die Schlossromantik auf der Kapfenburg ist Vergangenheit, wenn auch nicht vergessen. Ein herzlicher Abschied von früheren Kolleginnen und Kollegen, von Freunden und Bekannten… und die frische Erinnerung an den gestrigen Theater-Abend: die Frage, wie denn unser Schweizer Kandidat, Simon Enzler, ankommen werde, ist im Rückblick einfach zu beantworten. Er kam super an. Kaum auf der Bühne, nahm er – gemeinsam mit seinem musikalischen Begleiter Daniel Ziegler an der Gitarre – das Publikum gefangen. Es erlag schlicht seinem verschmitzten „appezölle“ Charme, seiner redlichen Direktheit, seinen überraschenden Einsichten und den Figuren, die er aus dem alltäglichen Leben so treffsicher zeichnete, dass sie auch in schwäbischen Landen ohne Umschweife zu Herzen gingen.

Es war überhaupt ein eindrücklicher Abend von hoher Qualität, was den durch die Salzburger Preisvergabe ausgezeichneten Kabarett-Nachwuchs betraf. Klaus Eckel aus Wien entpuppte sich als wahrer Poet des Alltäglichen, indem er Gegenständen des häuslichen Gebrauchs ein Eigenleben einhauchte und dieses in witzigen Liedchen besang, so etwa „Werner, den Kirschkern-Entferner“… oder jene Schraube, die sich über die Verbindung mit ihrer Mutter freut, obwohl diese alleinerziehend ist und der Vater unbekennt… oder dann die Geschwindigkeits-Tafel am Strassenrand, die sich grämt, weil niemand sie beachtet… und die gerade deshalb im Team mit dem Radarkasten eine wichtige Aufgabe erfüllt… – Für Deutchland traten drei junge Männer auf, die von ihrer gemeinsamen Agentin sanft gedrängt wurden, ihre bisherigen Solokarrieren zu beenden und gemeinsam aufzutreten, wodurch Matthias Tretter, Claus von Wagner und Philipp Weber zum Ersten Deutschen Zwangsensemble wurden… eine aberwitzige Polit-Truppe mit schnellen und bösen Pointen aus dem bürgerlichen Alltag der Republik.

Viel Lob, viel Zustimmung gabs. Die lokalen Honoratioren waren vor Ort, spendeten nicht nur Beifall, sondern als Sponsoren weit mehr, abgesehen von den Laudationes, die sie im Gegenzug halten durften… kurz, es bestätigte sich die bekannte Tatsache: kulturelle Veranstaltungen finden „auf dem Lande“ ein weit engagierteres und dankbareres Publikum als in den grossen Metropolen, wo sich die Events gegenseitig die Butter vom Brot kratzen. Ein schöner und gelungener Anlass, der in guter Erinnerung bleiben wird.

Die leckere schwäbische Kost, vor der es natürlich bei Empfängen und auf Einladungen kein Entrinnen gab, hat sich in den drei Tagen bloss mit anderthalb Kilo angelagert… die sind bald wieder weg, kein Problem, das gehört dazu. Und am Rande der Abschlussfeier konnte ich noch ein kleines Interview mit meinem alten Salzburger-Stier-Weggefährten Ottfried Fischer führen über seinen Umgang mit seinem Gewicht… das wird dann in der Juli-Ausgabe unseres SAPS-Magazins nachzulesen sein. – Ja, und kaum zu Hause, holt uns das alte Thema wieder ganz ein: die NZZ am Sonntag berichtet über die Problematik der „flüssigen Kalorien“, die deer Mensch mit Süssgetränken im Übermass zu sich nimmt, wenn er nicht darauf achtet. So hat man errechnet, dass in der Schweiz im Durchschnitt pro Person jährlich 89,3 Liter Süssgetränke konsumiert werden, und die enthalten 9 Kilo Zucker, insgesamt. Und da ich zum Beispiel konsequent keine solchen Getränke zu mir nehme, muss es Leute geben, die wesentlich mehr davon schlucken.




12/5  Stier-Getier

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:44

Das ist Pech. – Unter obigem Titel habe ich am Nachmittag einen ausführlichen Bericht verfasst über die gestrige Gala-Soirée, die vom SWR-Fernsehen aufgezeichnet wurde und am 28. Mai gesendet wird… verbunden mit den versprochenen weiteren Informationen zu Schloss Kapfenburg und einer Vorschau auf die Verleihung des Salzburger Stiers von heute Abend… garniert mit hilfreichen Link zu allen Akteuren und Schauplätzen… und just als ich den Beitrag online in den eBalance-Blog überspielen wollte, fiel das Moden, das mir vom Schloss vermietet wordne ist, wieder mal aus. Und der ganze Text ist verschwunden, im elektronischen Nirwana des welweiten wundersamen Webgewirkes… – Sorry, Leute. – Vorsichtshalber speichere ich mal diese Entschuldigung ab und sehe dann, wie weit ich als ergänzenden Nachtrag im Korrekturmodus noch liefern kann, was sich rekonstruieren lässt, bis das Abendprogramm beginnt.

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Also nochmal von vorn: das gesgtrige Gala-Programm, das vom SWR-Fernsehen am Pfingstmontag, 28. Mai 2007, um 21.50 Uhr gesendet wird, hatte Tout Aalen in die Stadthalle gelockt. Durch den Abend führte mit rasanter Stahlschnauze Ottfried Fischer, der die Künstler nach ihrem Auftritt jeweils an seinem Stammtisch in einen Diskurs über alle Aspekte des Begriffs Heimat verwickelte. Es waren dies – in der Reihenfolge ihres Erscheinens – der unverwüstliche Konstantin Wecker, die Kabarettisten Werner Koczwara und Horst Schroth, die österreichische Kultband Global Kryner und die Chansonneuse Annette Postel mit dem Salonorchester Schwanen.

Dann noch zu Schloss Kapfenburg: der imposante, rosarote Gebäudekomplex steht weithin sichtbar auf einer Anhöhe, und das entspricht seinem Namen, sei der Begriff „Kapfen“ doch verwandt mit dem Wort „Gaffen“ und bedeute so viel wie, von hier aus habe man den besten Rund- und Kontrollblick in die Gegend. (Das kennen wir ja auch aus der Schweiz, wo Anwesen und alte Ritterburgen an erhöhtem Standort nicht selten die Bezeichnung „Luegisland“ tragen.) Heute ist hier eine internationale Musikschulakademie für junge Menschen aus ganz Europa untergebracht, an der gelernt und gelehrt und geforscht wird, verbunden mit einem Kulturzentrum, das Konzerte und Festivals organisiert.

In diesem Schloss werden heute Abend die Salzburger-Stier-Trophäen überreicht an die Preisträger ans Deutschland, Österreich und der Schweiz. Für uns tritt der Appenzeller Simon Enzler an. Er hat seinen Beitrag eigens aus der Appenzeller Mundart ins Hauchdeutsche übersetzt, wie dies die Schweizer Kabarettisten am Salzburger Stier gerne tun, tun müssen, wenn sie wollen, dass ihre Sprachgenossen in den grösseren Ländern ihnen folgen können. Seit Emil Steinberger geniessen die Schweizer Künstler in deutschen Landen ja einen gewissen Sympathie-Bonus. Auf den wollte Enzler aber nicht setzen, er vergleicht seine sprachliche Performance eher mit dem Bundeshausdeutsch des Ständeherrn Carlo Schmid… ob das auf seine political correctness abfärbt? In zwei Stunden werden wir es wissen.




11/5  Am Limes

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:45

Das war ein ereignisreicher Tag heute. Nach einem gediegenen Schlossfrühstück ging es per Car durch das leicht hügelige Hochplateau der Schwäbischen Ostalb auf eine Kulturreise der eindrücklichen Art. Erste Station war das Limes-Museum in Aalen. In der Schule haben wir ja davon gehört, dass sich die Römer, als sie in Germanien ihr Weltreich absicherten, mit einem Schutzwall gegen die Barbaren abgrenzten. Aber wie das genau funktioniert hat, das weiss ich erst seit heute.

Eine imposante Sache aus alter Zeit, in einem Museum didaktisch eindrücklich aufgearbeitet, mit Fundstücken aus der Gegend und einem 1:1 rekonstruierten Gebäudeteil einer Reiter-Unterkunft. In Aalen stand eine der grössten Garnisonen am Limes, und plötzlich erhält man ein Gefühl für die Leute aus dem Alten Rom, die hier draussen in der Wildnis Posten standen, fern der Heimat, und kann sich eine kleine Vorstellung von der einstigen Grösse und Vermessenheit des damaligen Machtanspruchs machen, die ganze bekannte Welt beherrschen zu wollen. Und dabei – das wurde in der Gegend enbenfalls eindrücklich klar – waren vor den Römern schon längst die Kelten da und besiedelten die karge Gegend mit ihrer eigenen Kultur.

Zu Mittag eine kulinarische Besonderheit: alles aus Spargel, von der Suppe über die Beilage zum Fisch bis zum Parfait – Spargelgefrorenes… das brachte selbst die abgebrühten Medienleute ins Staunen. Ich fands erfrischend. Andere fanden es zumindest gewöhnungsbedürftig. Aber von ganz herausragender Qualität, wie das ganze Programm, das hier den Tagungsbesuchern geboten wurde. Nach zwei weiteren, eindrücklichen Besuchen in einer früheren Synagoge, die nun als Gedenkstätte für die Geschichte der jüdischen Population in der Region dient, und einer wunderschönen Benediktiner-Abtei aus dem Barock gings wieder zurück aufs Schloss, wo am Abend eine grosse Live-Gala mit Künstlern wie Ottfried Fischer, Konstantin Wecker und andern steigt. Die Zunft hat uns wieder.




10/5  Schloss Kapfenburg

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:23

Es ist zu berichten von einer ganz besonderen Institution. Heute begann eine dreitägige Veranstaltung, an der ich als Gast teilnehmen kann. Rund 25 Jahre lang war ich Vorsitzender der Radio-Organisation AUDS, die unter anderem jährlich den Kabarett-Preis Salzburger Stier vergibt. Nun bin ich altershalber als Ehrengast zur diesjährigen Preisverleihung eingeladen. Ort des Geschehens ist Schloss Kapfenburg. Ein bauliches Monument in der Nähe von Aalen, rund 30 Kilometer nördlich von Ulm.

Wir sind gegen Abend eingetroffen und wurden von einer wundersamen Gastfreundschaft empfangen, die eine Herzlichkeit verstrahlte, die man andernorts lange suchen kann. Es gab eine Schlossführung, ein herrliches, leichtes Nachtessen und nun die Ruhe nach einem strengen Tag mit vier Stunden Autofahrt, nach einer Pressekonfernz am Vormittag. Ich werde Morgen auf das Schloss zurückkommen. Hier ist gut sein.

 




9/5  Offline

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:14

Wir sind Gefangene der Technik. Geiseln. Hilflos und aufgeschmissen, wenns mal nicht läuft. Heute Morgen im Büro, beim Aufstarten des PC, die lapidare Meldung: Die Website konnte nicht gefunden werden. – Und in der Mailboox die alten E-Mails von gestern, dabei hätten über Nacht eine ganze Reihe von Dokumenten herein kommn müssen, Antworten auf Anfragen, Texte, auf die jemand wartete, weil sie in eine Pressemappe sollten, Terminbdstätigungen, Protokolle zum gegenlesen, die Einladung für ein treffen am Nachmittag…

Und da swar einfach tote Hose. Fehler bei der Übertragung. Kein Download möglich. Und man fragt sich: welche Arbeiten kannst du ausführen mkit dem Bleistift und einem Stück Papier? Und dann ist die Hoffnung, dass es schon wieder kommt, stärker, und du holst dir zuersgt eine Tasse Kaffee und blätterst in der Zeitung. Das wird wieder, ihr werdet sehen.

Aber es wird nicht. Die andern Webseiten funktionieren, über Bluewin kann man noch Mails verschicken, nur die eigene Seite und die eigene Mailbox sind tot. Mause. gegen Mittag dann endlich rafft man sich auf und ruft beim Provider an, mit schlechtem Gewissen, denn dort ist sicher die Hölle los und man arbeitet daran, den Schaden zu beheben. Schliesslich kommt man durch, aber die Nachricht, die man jetzt erfährt, kurz vor zwölf, ist nicht ermutigend: ein Hauptkabel ist unterbrochen, der Schaden liebgt bei der Telefonfirma, welche die Leitungn zur Verfügung stellt, und man weiss nicht, wie lange die Reparatur dajuern kann.

Das ist das Signal für eine ausgedehnte Mittagspause in einer Gourmet-Stube am See, Trost und Zeitvertrieb gleichermassen, verbunden mit der leisen Erwartung, wenn man zurück im Büro ist, läuft alles wieder normal. – Welch ein Irrtum. – Es ist gegen halb fünf, als plötzlich das Post-Signal ertönt: you got e-Mail. Und dann tröpfeln sie einzeln herein, in Minuten-Abständen, die Mitteilungen von gestern Abend, dann die von heute, und jetzt heisst es, die wichtigsten rasch beantworten, solange das System noch funktionert, wer weiss. Aber ich bin mit der Arbeit des ganzen Tages in Verzug geraten, habe nichts von dem erledigt, was ich mir vorgenommen hatte, und Morgen ist eine Medienkonferenz, das neue Adipositas-Medikament Acomplia (Rimonabant) wird vorgestellt, und ich soll mich dazu äussern, aus Patientensicht und überhaupt… Und Morgen Nachmittag geht es für drei Tage nach Deutschland… der ungünstigste Moment, um in einen elektronischen Hinterhalt zu geraten!




8/5  Mitmach-Theater

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:34

Vor zehn Monaten habe ich hier über ein Theaterprojekt berichtet, dessen Initianten auf der Suche nach Geld waren, um das Stück überhaupt realisieren zu können. Offenbar haben sie etwas gefunden, denn heute war Première.

voll fett – Ein Forumtheater zum Reinbeissen nennt sich die Produktion und sie fand vor einem vollbesetztem Saal im Zürcher Theater Rigliblick statt. Ein Spiel in zwei Teilen für vier Personen. Der erste Teil spielt im Büro. Es geht um Stress und Mobbing und darum, welches Verhältnis die Figuren zum Essen und zu ihrem Körper haben. Exemplarische Szenen werden kurz angespielt und sollen zum Nachdenken anregen. – Im zweiten Teil geht es um eine Familie. Die Mutter kämpft mit ihrem Gewicht, der Junge ist zu dick und sehnt sich nach einer Freundin. Das Mädchen wird vom Vater auf Music-Star getrimmt und findet, es entspreche nicht dem gängigen Schönheitsideal… eine absolut alltägliche Ausgangslage, wie man sie in vielen Haushalten antreffen könnte.

Nach dem Spiel – und das ist das Besondere am Konzept Forumtheater – wird das Publikum eingeladen, das Stück zu kommentieren. Ein Animator leitet die Diskussion und wer will, kann einzelne Szenen nochmals spielen lassen, um – was im richtigen Leben ja nicht geht – durch andere Argumente, eine andere Wortwahl, ein anderes Verhalten der Geschichte vielleicht eine andere Wendung zu geben. Spannend, aufschlussreich, anregend und unterhaltend, wie sich hier plötzlich kleine Improvisationstalente outen. Erfrischend, wie die vier SchauspielrerInnen auf die neue Situation, die ungewohnten Texte spontan reagieren und doch ihren Figuren treu bleiben.

Hier hat die Truppe eine Form entwickelt, welche das Publikum hineinnimmt und mitmachen lässt und zur Projektion der eigenen Erwartungen, Ängste und Hoffnungen einlädt. – Es ist zu hoffen, dass möglichst viele Interessenten eine Aufführung „kaufen“ und in Schulen, Betrieben, Organisationen zu solchen Gesprächsrunden einladen.




7/5  Verführerisch

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:46

Es sei die legitime Aufgabe der Werbung, hat am letzten Freitag, im Rahmen einer Tagung der Werbeleute, die Patronin der freien Marktwirtschaft, Bunderätin Doris Leuthard, sinngemäss gesagt, es sei die legitime Aufgabe der Werbung, ihr Publikum zu verführen.

Wie erfolgreich ihr dies zumindest bei Kindern gelingt, das hat eine Studie der Universität von Liverpool gezeigt, die dieser Tage an einem Adipositas-Kongress in Budapest präsentiert worden ist. – Einer Gruppe von 60 Kindern, im Alter zwischen neun und elf, wurden vor einem Zeichenrickfilm am Fernsehen entweder Werbespots für Nahrungsmittel oder für Spielzeug gezeigt. Dann wurde das Essverhalten der Kinder überprüft, nachdem sie den Film gesehen hatten.

In der Auswertung konnte festgestellt werden, dass jene Kinder, welche die Lebensmittel-Werbung gesehen hatten, deutlich mehr assen als jene, welche die Spielzeug-Werbung gesehen hatten. Dazu kam dann noch, dass übergewichtige Kinder bei freier Speisen-Auswahl viel lieber die Esswaren mit viel Zucker und viel Fett nahmen… (Nun muss ich hier anmerken, dass mir diese letzte Feststellung ein wenig wie die Geschichte vom Huhn und vom Ei vorkommt: sind diese Kinder übergewichtig, weil sie einfach die fetten und süsses Speisen lieber haben, und zwar in grossen Mengen? – Alles kann man wohl der Werbung nicht in die Schuhe schieben…)

Trotzdem ist der Test aufschlussreich. „Gute“ Werbung macht gluschtig… löst reflexartig eine Nachfrage aus… das liegt in ihrem Wesen, sonst hätte sie versagt. In England hat man im Januar 2007 Nahrungsmittelwerbung im Umfeld von Kinderprogrammen verboten. Aber es zeigt sich, dass auch die Abendprogramme für Erwachsene überdurchschnittlich von Kindern geschaut werden. Und das ist nicht nur in England so, wie man auch aus Untersuchungen in der Schweiz weiss.

Wäre das Problem gelöst, wenn Werbung einfach verboten würde? – Da darf man getrost skeptisch sein, wie der Psychologe Jörg Diehl an einer Tagung des Fachvereins Adipositas im Kindes- und Jugendalter akj ausgeführt hat: in Kanada und Schweden, wo solche Werbung schon länger auf dem Index steht, sind die Kids immer noch zu dick.




6/5  Anti-Diät-SBB

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 13:50

Was soll diese eher bizarre Wort-Kombination im Titel? – Als ich heute die SonntagsZeitung durchgeblättert habe, stiess ich auf Seite 112 auf ein rot-blaues Inserat, das die Leserschaft auffordert, die Schweiz zu entdecken. Per Bahn, versteht sich, und finanziell vergünstigt durch Zuhilfenahme von SBB-Gutscheinen im Wert von je 10 Franken. Einen solchen Gutschein bekommt man, wenn man die Strichcodes von vier Süssigkeiten aus der Packung schneidet und einschickt: Bounty, Mars, Snickers, Twix oder MilkyWay.

Das ist, mit Verlaub, die absolut birnenweichste und hirnverbrannteste Marketing-Aktion, die mir seit langem unter die Augen gekommen ist. Da tut sich ein staatliches Transportunternehmen, das einen hervorragenden Ruf geniesst, zusammen mit dem Food-Konzern Masterfoods/Mars, der sich noch vor kurzem damit gebrüstet hat, dass er freiwillig und verantwortungsbewusst die Werbung für seine Produkte nicht mehr an Jugendliche richten wolle… Und nun wird man seitens einer öffentlichen Institution ermuntert, sich solche Produkte, die hochkalorig sind und mit äusserster Vorsicht konsumiert werden sollten, in Mengen hereinzuziehen, damit man möglichst günstig mit der Bahn die Schweiz entdecken kann. (Natürlich, im Kleingedruckten steht dann noch, dass die Aktion nur „solange Vorrat“ läuft und dass es pro Haushalt nicht mehr als 3 Gutscheine zu beziehen gibt…)

Zuerst wollte ich mich ärgern. Dann habe ich aber realisiert, dass die Welt am 6. Mai den Internationalen Anti-Diät-Tag begeht, der 1992 ins Leben gerufen worden war, um ein Zeichen gegen den grassierenden Schlankheitswahn zu setzen… und realisiert, dass die amerikansiche Organisation für mehr Selbstbewusstsein der übergewichtigen Menschen (NAAFA) diesen Tag euphorisch feiert… da dachte ich mir dann, so schlimm kanns nicht sein. Sie SBB meint es nur gut mit uns. Sie zelebriert auf ihre Weise den Anti-Diät-Tag, indem sie das Inserat publiziert und uns von einem allfälligen Schlankheitswahn abhält. Service public, sozusagen. Voll fett.

PS: Am 6. Mai wird übrigens noch ein anderer Welt-Tag begangen. Der Welt-Lach-Tag. Siehste.




5/5  Deutschland gibt Gas

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:40

Als vor einigen Tagen bekannt wurde, dass Deutschland laut einer internationalen Studie im europäischen Vergleich punkto Übergewicht den ersten Platz belegt, brach eine gewisse Hektik aus. Ich habe hier schon kurz darauf hingewiesen.

Nun veröffentlicht der Stern erste Auszüge aus dem noch geheimen Regierungspapier, das bereits den Übernamen Seehofers Fettschmelze trägt. Am zehnten Mai soll die Vorlage von der Regierung verabschiedet und dann der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Die Ziele und Massnahmen, die darin skizziert werden, entsprechen dem generellen Stand des Wissens um das, was man tun sollte und tun könnte. Interessant ist, dass – laut Stern – in diesem Aktionsplan keine Hinweise auf geplante Gesetzesvorschläge oder gar Verbote enthalten seien. Deutschland appelliert und setzt auf Selbstverantwortung. Die Aufgabe, das Notwendige und Richtige zu tun, wird von der Regierung an die Zivilgesellschaft delegiert, an Unternehmen, Organisationen, Vereine, die Schule, das Elternhaus.

Um den nationalen Aktionsplan mit seinen Ideen und Anregungen auf allen Ebenen umzusetzen, sollen stufenübergreifende Arbeitsgruppen gebildet werden, in denen die Aktivitäten zu koordinieren sind. Daneben gibt es Impulse aus der europäischen Verwaltung und internationale Empfehlungen, an denen sich die Umsetzung orientieren kann. Es wird spannend sein, zu sehen, was in Deutschland abgeht. Bei uns ist ein Bericht an den Bundesrat in Arbeit. Eigentlich sollte er noch letztes Jahr erstellt werden und in die Vernehmlassung gehen. Das Geschäft hat sich jedoch verzögert. Anfänglich war von einem „Massnahmenpaket“ die Rede, das tönte nach etwas Handfestem… Dann hiess das Ganze plötzlich „Projekt“… später wurde eine „Strategie“ daraus, und es zirkulieren in der Verwaltung unterschiedliche Auffassungen darüber, welchen Stellenwert denn das Papier, das von Experten mit internationaler Erfahrung erarbeitet wird, letztlich haben soll… – Deutschland gibt Gas – in der Schweiz wird diskutiert. Dafür haben wir die Demokratie erfunden.