1/2  Ein Lehrstück zum Abnehmen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:02

Vor einigen Jahren war er DIE Abnehm-Legende: der Radprofi Jean Nuttli aus Kriens. Er hatte sein eigenes Körpergewicht um die Hälte reduziert, von 120 zurück auf 60, mit intensivstem körperlichem Einsatz auf dem Velo-Trainer und mit einer radikalen Ernährungsumstellung. Ich bin ihm einmal in einer TV-Sendung begegnet und war zutiefst beeindruckt vom zähen Willen und von der extremen Beharrlichkeit, mit der er gegen seine Veranlagung vorgegangen war, Fett zu speichern und Gewicht zuzulegen.

Nun habe ich ihn wieder gesehen, in der SF 1-Sendung „Reporter“, die ihn porträtierte in seinem Kampf um jedes Kilo. Und da wurde mir erst so richtig bewusst, in welch schwierige Lage Nuttli sich durch den jahrelangen „Missbrauch“ seines Körpers und dessen Versorgungssysteme gebracht hatte.

Bis zu sechs Stunden am Tag hatte er seinen Körper – drahtig und ausgemergelt – mit Liegestützen, Rumpfbeugen und Velofahren gefordert, dazu eine absolut einseitige Diät zu sich genommen, gar keine Kohlenhydrate, Früchte, viel Vitamine und Ersatzpulver aller Art… in ständiger, panischer Angst, durch einen unbedachten Bissen, eine „normale“ Mahlzeit oder ein Bier sofort wieder zuzunehmen, kiloweise und unkontrolliert.

Endlich dann der Gang zum Spezialisten, der eine präzise Analyse vornehmen liess, wie Nuttlis Stoffwechsel überhaupt „funktioniert“, wie sein Körper die verschiedenen „Betriebsstoffe“ verbrennt, welche Prozesse ablaufen und wo ein Mangel besteht. Und siehe da: Durch das Leben „wie ein Neandertaler“ (ständig in Bewegung und nur ein Minimum an substanzieller Nahrung pro Tag) hatte sich der Körper in ein System verändert, das begierig jede Kalorie aufnahm und sofort zu speichern trachtete… Durch den Mangel an Eiweiss waren Defizite entstanden, möglicherweise bereits eine Schädigung der Leber eingetreten, war nicht mehr genügend Blut vorhanden, um den Körper voll leistungsfähig zu halten.

Ein erschütternder Befund für einen, der bisher als „Weltmeister im Abnehmen“ gefeiert wurde und der nun feststellen musste, dass die Rosskur, die er sich selber ohne jede ärztliche Kontrolle verordnet hatte, ihn gesundheitlich zu ruinieren drohte. – Einfühlsam hat Stoffwechsel-Experte Fritz Horber den Athleten mit diesen unbequemen Wahrheiten konfrontiert und ihm den Weg gezeigt, wie mit gezielten Massnahmen und „unter Aufsicht“ eine Rückkehr zu einem lebenswerten Ernährungs- und Bewegungsverhalten gefunden werden könnte.

Die Reportage endet hoffnungsvoll: Nuttli hat wieder ein Engagement als Sportler und ist motiviert. Und dank der ärztlichen Begleitung wird er nicht mehr in Versuchung kommen, sich selber Schaden zuzufügen.




31/1  Virenalarm!

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:27

Da haben wir die Bescherung: Dick werden sei ansteckend, vermeldet der „Blick“ in seiner heutigen Ausgabe, übertragen durch ein Virus namens Adenovirus-37, oder kurz: Ad-37.

Allerdings, zeigt die genauere Lektüre – und die Überprüfung der Quellen bei Google bestätigt den Sachverhalt – ist dieser Effekt beim Menschen noch nicht bewiesen, und die Meldung über Resultate einer US-Studie stammt aus dem Jahre 2002! – Unsere „stärkste Zeitung“ hat da also eine schon reichlich abgehangene Ente aus dem Archiv gezogen. Dort ist dann auch die Präzisierung zu lesen, dass Hühner, die mit diesem Virus infiziert wurden, durchschnittlich 4 (!) Gramm mehr Fett zugelegt hätten als ihre unbehandelten Artgenossen im gleichen Zeitraum… Da bricht eine goldene Ära an für Fabrikanten und Verkäufer von Präzisionswaagen.

Stellen Sie sich vor, was wir hätten lesen können, wenn es gegen dieses Virus, das bisher in Versuchen erst am Federvieh zu wirken scheint, schon ein Gegenmittel gäbe. Die Schlagzeilen sind nicht auszudenken. Man hätte den Bundesrat im Kollektiv zum Rücktritt aufgefordert und die Frage gestellt, weshalb denn der Impfstoff erst für einzelne Risikogruppen bereitgestellt und noch nicht an die ganze Bevölkerung abgegeben sei… und in der ARENA würden die Gegensätze aufeinander prallen und die Fetzen fliegen… und nach einer Woche wäre der Spuk wieder vorbei. Bis eine andere fette Sau durch das mediale Dorf getrieben werden kann.




30/1  Kulturaustausch

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:02

Vor einer Woche habe ich darüber berichtet, wie man mir die Chinesische Küche als eine ideale Option vorgestellt hat, um bei Übergewicht den Weg zu einer bewussten Ernährung zu finden, die den Stoffwechsel positiv beeinflusst und das Normalgewicht wieder herzustellen hilft.

Barbara Temelie gilt als die Päpstin dieser Bewegung und ihr „Fünf Elemente Kochbuch“ ist zum Standardwerk geworden. Es kam Anfang dieses Jahres in einer Neuauflage heraus und ist eine spannende Bereicherung des Speiseplans. Und vielleicht können wir Westler von den uralten Erkenntnissen der Asiaten doch noch etwas profitieren?

Da höre und sehe ich in „10vor10“, dass unsere Hausmannskost-Ikone, die virtuelle Küchenfee Betty Bossi, zu ihrem 50. Geburtstag den grossen Sprung nach Fernost wagt, indem sie eine Zeitschrift (Startauflage vorerst 200’000 Exemplare) auf Chinesisch herausgibt und so – sagt der Geschäftsführer – unter anderem auch westlichen Food-Produzenten den chinesischen Massenmarkt öffnen soll.

Davon, dass diese Initiative allenfalls den verfetteten Chinesen eine kalorienbewusste Alternative zur Peking-Ende bieten sollte, war nicht die Rede.




29/1  Gegen Diskriminierung

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:41

Am Rande der Gesundheitsförderungs-Konferenz habe ich mich letzte Woche auch kurz mit einer Vertreterin einer Krankenkasse unterhalten. Mir ging es darum, auf die „Ungerechtigkeit“ hinzuweisen, die in der Tatsache besteht, dass die Kostegutsprache der Kassen für chirurgische Eingriffe bei starkem Übergewicht einer extrem harten gesetzlichen Regulierung unterliegen.

Die Kosten werden von der Kasse nur übernommen, wenn der Patient noch nicht 60 Jahre alt ist (was angesichts der ständig steigenden Lebenserwartung ja schon bald kein „Alter“ mehr ist), wenn der BMI mindestens 40 beträgt und wenn vorgängig während mindestens zwei Jahren alle Versuche, auf „konventionelle“ Weise mit Ernährungsumstellung und Bewegung abzunehmen, ohne Erfolg geblieben sind.

Bei keinem anderer medizinischen Befund wird die lebensrettende Therapie durch solche Auflagen bestimmt: Vom Raucher mit Lungenkrebs verlangt man nicht, dass er zuerst zwei Jahre nicht mehr raucht, ehe man ihn operiert; dem Aids-Kranken wird nicht vorgehalten, er sei an seinem Zustand selber schuld und hätte ihn vermeiden können, wenn er nur gewollt hätte; das Unfallopfer, das angetrunken am Steuer sass, wird in der Intensivstation aufgenommen und gepflegt ohne langwierige Antragsstellung und Begutachtung durch den Vertrauensarzt der Kasse…

Aber der Adipöse, der ein Leben lang verzweifelt mit seinem Gewicht gekämpft hat, dessen Lebenserwartung durch Folgekrankheiten verkürzt ist und der mit schweren sozialen Beeinträchtigungen leben muss, der soll – wie es der Sprecher von Santésuisse einmal formuliert hat – davor bewahrt werden, dass er sich leichtfertig unters Messer legt… – Viel zynischer geht es wohl nicht mehr.

Die bariatrische (oder Adipositas-) Chirurgie hat in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht. Es gibt Langzeit-Auswertungen, die den nachhaltigen Erfolg belegen und die auch zeigen, dass ein operativer Eingriff in bestimmten Fällen gesundheitsökonomisch „günstiger“ ist als eine lange Abfolge anderer Massnahmen mit hoher Rückfallquote.

Das Thema ist noch nicht ausdiskutiert und wir müssen es immer wieder ins Gespräch bringen, denn auch hier bestimmen oft vorgefasste Meinungen das praktische Handeln… Das ist mir durch den Kopf gegangen, als ich heute einen Bericht las, den unsere US-Schwester-Organisation AOA, die Amerikanische Adipositas-Organisation, vor einem guten Jahr an die oberste Gesundheitsbehörde gerichtet hat. Es bleibt noch viel zu tun.




28/1  Milchschnittenwahnsinn

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:57

Es fällt mir kein anderes Wort ein. Da lese ich heute in verschiedenen Zeitungen, dass die Migros nun zum Angriff übergeht und nicht mehr länger auf ein preiswerteres Angebot des Süsswarenfabrikanten Ferrero warten mag.

Deshalb nimmt der Grossverteiler in sein M-Budget-Sortiment ein um 60 Rappen billigeres Eigenfabrikat auf, das den gleichen, urheberrechtlich nicht geschützten Namen trägt: Milchschnitte.

Dass dieses Produkt mit 410 kcal pro 100 Gramm, 36 g Kohlenhydraten und 26,5 g Fett (fast so viel wie eine Bratwurst!) alles andere als ein gesundes Nahrungsmittel ist, sollte mittlerweile bekannt sein. Dass ausgerechnet die Migros, die sich sonst immer gerne auf ihr soziales Gewissen beruft, sich mit diesem völlig sinnlosen, mit verlogener Werbung angepriesenen Snack in den Schnäppchenjäger-Preiskampf stürzt, macht fassungslos.

Letztes Jahr, wird vermeldet, habe die Migros mit diesen Schnitten 20 bis 30 Millionen Umsatz gemacht. Lasst uns nicht ausrechnen, wieviele Kilo Speck dadurch auf Kinderhüften und an -rippen gewachsen sind… macht nichts, man hat bei der Migros ja den wunderbaren „Club Minu“, wo die Kleinen wieder etwas gegen ihr Übergewicht tun können. So züchtet man sich die künftige Kundschaft selber heran und kassiert sie gleich doppelt ab. Dutti würde sich im Grab umdrehen.

Ich denke, wir sollten von der SAPS aus einen „Preis“ vergeben an Unternehmen, die auf besondes perfide Weise die Anstrengungen unterlaufen, den Kindern zu einem gesunden Körpergewicht zu verhelfen. Anregungen nehme ich gerne entgegen!




27/1  Arm und dick

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:19

Kleine Nachlese zum gestrigen – und im Rückblick einzigen *) – Höhepunkt der Nationalen Gesundheitsförderungs-Konferenz. Ein weiteres Referat hat sich am Freitagvormittag mit der Thematik befasst: Gesundes Körpergewicht und soziale Benachteiligung: Neue Ungleichheiten in der Überflussgesellschaft.

Was hier so relativ sachlich-theoretisch klingt, das verschärft und präszisiert, ja lokalisiert eine der Aussagen, die Prof. James gestern schon gemacht hat: Übergewicht ist eine Armeleute-Krankheit. – So paradox es klingen mag, wenn man landläufig die wuchernden Fettpfunde mit „Überfluss“ assoziiert, so spricht die Statistik auch in der Schweiz eine klare Sprache, wie der Zürcher Soziologe Markus Lamprecht einleuchtend darlegte.

Bei Leuten mir geringem Einkommen ist Adipositas auffallend häufiger anzutreffen als bei der Schicht der besser Betuchten… und das ist die pure Umkehrung früherer Verhältnisse. Noch vor hundert Jahren war Dicksein ein Zeichen von Wohlstand, man war „beleibt“, „stattlich“, hatte eine „imposante Postur“, wie sie Würdenträgern, Generälen, Fürsten geziemte.

Heute sind unförmige Körper ein Synonym für Haltlosigkeit, Selbstaufgabe, Genusssucht. Und extrem verkehrt sich der Wahn bei jungen Frauen ins Gegenteil. Die Models, die vom Laufsteg über Frauen- und Modezeitschriften den Trend prägen, weisen im Durchschnitt noch einen BMI von unter 17 auf, sind also nach allen Regeln der medizinischen Kunst magersüchtig… Was auch dazu führt, dass immer mehr Jugendliche mit ihrem Körper unzufrieden sind.

Woher kommt dieses Unterschichten-Phänomen? – „Schlechte“ Fette sind billiger und in grossen Mengen verfügbar; „gute“ Nahrungsmittel, fett- und kalorienbewusst zubereitet, sind teurer, exklusiv. Der schnelle Food aus der Mikrowelle ist günstig und braucht nicht viel Zeit für die Zubereitung; „gesundes“ Kochen mit Frischprodukten ist ein Luxus, den sich immer weniger leisten können. Wer ums Überleben arbeiten muss, hat weder die Musse noch die Zeit, den wohlmeinenden Empfehlungen nachzuleben, die da lauten: Langsam essen, geniessen, die kleinen Bissen bewusst und ausdauernd kauen, bis sie im Mund ihren vollen Geschmack entfalten…

Bisher haben wir oft mitleidig nach USA geblickt und sind uns ja wieder so viel besser vorgekommen. Aber die Statistik lügt nicht. Es hat uns voll erwischt. – Am Ende der Tagung nimmt mich Bertino Somaini, der Direktor der Stiftung „Gesundheitsförderung Schweiz“, zur Seite und sagt zum Abschied: „Sehen Sie, nun sind wir voll bei Ihrem Thema.“ Da hat er Recht, es wurde auch Zeit.

*) PS: Ich tue meinem ehemaligen Radiokollegen, dem Psychologen Peter Schneider, brutal Unrecht: Seine Aufgabe war es, am Ende eines Tagungs-Tages jeweils in satirischer Form eine Bilanz zu ziehen. Und das, das waren dann die anderen, effektiven Höhepunkte, die den Tagungsbesuch zum Erlebnis machten.




26/1  Es fängt erst an

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:21

Grosse nationale Gesundheitsförderungs-Konferenz in Aarau. Über 400 Teilnehmende, Regierungsvertretungen vom Bundesrat bis zum Stadtpräsidenten, und erstrangige internationale Experten.

Prof. W. Philip T. James ist Chairman der internationalen „Obesity Task Force“ mit Sitz in Londen. Er kennt die Welt des Übergwichts wie seine Hosentasche, hat in allen Herren Ländern mit Regierungen, Wirtschaftsführern, Wissenschaftern konferiert auf der Suche nach Strategien und Lösungsansätzen im Kampf gegen die Epidemie des 21. Jahrhunderts, die im Begriff ist, eine Pandemie zu werden. Die Zahlen sind ja bekannt: 1,7 Milliarden Menschen sind weltweit übergewichtig und es werden explosionsartig laufend mehr.

Was dagegen zu unternehmen sei? James ist knallhart und desillusioniert. Um die Kinder zu schützen, muss als erstes die TV-Werbung für fette und süsse Nahrungsmittel verboten werden; in den Schulen braucht es eine rigorose Kontrolle des Essverhaltens; in Nähe der Schulen darf es keine Fast-Food-Angebote mehr geben. – Und für die übergewichtige Bevölkerung fordert er: Ampel-Symbole zur Kennzeichnung der „gefährlichen“ Nahrungsmittel, Fettsteuer, Verbilligung von Früchten und Gemüsen, Import-Beschränkungen.

Bundesrat Pascal Couchepin hatte in seinem launigen Begrüssungsvotum einmal mehr das hohe Lied der persönlichen Verantwortung jedes einzelnen gesungen und dargelegt, dass es nicht Sache des Staates sei, sich in die Lebensgewohnheiten seiner Bürger einzumischen. – Das ist, mit Verlaub, Herr Bundesrat, die billigste Formel, sich als Politiker vor der Verantwortung zu drücken, mutige, aber unbequeme Entscheide zu treffen.

Im anschliessenden Kolloquium legt Prof. James dar, was er von derlei „Gesundheitspolitik“ hält: Gar nichts! – Der Appell an die Selbstverantwortung sei angesichts der Übergewichtsproblematik in etwa das Falscheste, was man propagieren könne. Die menschliche Natur sei nun einmal darauf ausgelegt, sich mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Genuss zu verschaffen… da hülfen nur strikte Regelungen, um Betroffene vor sich selbst zu bewahren. Der „freie Markt“ setzt die Konsumenten unter Druck, durch Zugabe von Aromen werden die Leute gezielt konditioniert, so dass sie abhängig werden; als die Ketchup-Firma „Heinz“ den Salzgehalt in ihren Produkten reduzierte, wechselten die Verbraucher zur Konkurrenz, was „Heinz“ dazu bewegte, sich eine verbindliche staatliche Richtlinie für alle zu wünschen…

In Finnalnd waren Regierung und Medizin untätig, bis sich im Volk der Widerstand regte und durchgesetzt wurde, dass bei jedem Lebensmittel-Verkaufspunkt auch Früchte und Gemüse zu erschwinglichen Preisen angeboten werden musste. – In Singapore wurde mit drastisch-diktatorischen Massnamhen (Berufsverbote für Übergewichtige, Ausgrenzung dicker Kinder in der Schule) innerhalb von drei Jahren die Anzahl der Übergewichtigen von 16 auf 10% gesenkt.

Der Erklärung der Süssgetränkehersteller, die gestern in Brüssel publik wurde, sie wollten ihre Werbung einschränken, die sich an Kinder richtet, steht James skeptisch gegenüber: PR-Proklamationen seien das eine, deren Vollzug in der Praxis aber kaum zu kontollieren.

Ein beklemmendes Panoptikum, das uns da geschildert wird… Der Kampf will geführt sein. Die Tagung geht am Freitag weiter, und wenn die Schweiz meint, sie habe die Sache im Griff, dürfte sie sich irren. Es fängt erst an.




25/1  Nanozauber

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:39

Das ist mal ein Knüller, mit dem uns der TagesAnzeiger auf seiner WISSEN-Seite den Mund wässrig macht: Da werde an Nahrungsmitteln geforscht, deren Kalorien – dank Nano-Technologie – gar nicht mehr vom Körper aufgenommen würden…

Wie, was? Gehen da etwa unsere kühnsten Träume in Erfüllung? Schlemmen nach Herzenslust – und es macht nichts aus, weil die winzigwinzigkleinen Helferlein (ein „Nanopartikel“ ist kleiner als 100 Nanometer, also kleiner als 100 Milliardstelmeter…) dafür sorgen, dass die energiehaltigen Nährstoffe gar nicht in die Körperzellen gelangen können und wir uns nur am guten Geschmack laben dürfen?

So etwa könnte man die Sache beim Lesen der Titel und Schlagzeilen interpretieren… aber das ist falsch. Und die Hoffnung verfrüht. Zwar wird emsig an diesem Thema geforscht und in St.Gallen fand offenbar heute ein Seminar zum Thema „Nanotechnologie in Lebensmitteln und Verpackungen“ statt.

Dabei ging es allerdings weniger um den Verzehr und dessen energetische Wirkung (oder eben Wirkungslosigkeit) als vielmehr darum, mit „schlauen Winzpartikelchen“ etwa eine Fleischverpackung dazu zu bringen, ein sichtbres Zeichen zu geben, sobald ihr Inhalt nicht mehr geniessbar ist… oder bestimmte Lebensmittel zu „befähigen“, sich zu verfärben, wenn ihre Haltbarkeit definitiv abgelaufen ist.

Anderseits könnte eine „nano-mässige“ Beschichtung und Verpackung von Farb- oder Aromastoffen dazu beitragen, dass viel weniger davon verwendet werden muss. – Aber das ist im Moment alles noch Gegenstand forscherischer Spekulation, die zwar mit intensiven Versuchen auf dem Weg zum Ziel ist, dieses aber noch in weiter Ferne weiss.

Also können wir ab sofort die Erwartungen wieder kleiner schrauben. Und irgendwie mutet es ja auch paradox an, dass wir einerseits in höchsten Tönen davor gewarnt werden, dass der „Feinstaub“ bis in die Zellen des Körpers vordringen könnte… während auf der andern Seite an noch viel feineren Nano-Stäubchen gebastelt wird, von denen man möchte, dass sie durch unsere Körper gehen. – Muss man ein vorgestriger Fortschrittspessimist sein, um hier den Warnfinger zu heben und die Zauberlehrlinge vor übereilten Freisetzungsversuchen zu warnen?




24/1  Grosse kleine Welt

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:46

Ein Tag auf Reisen in Sachen Kinderhilfswerk „Terre des hommes“: am Morgen nach Lausanne zu einem Meeting mit Burkhard Gnärig, dem CEO der internationalen Allianz „Save the Children“, der auf seinem Weg von London nach Davos zum WEF bei uns einen Zwischenhalt macht für einen Gedanken- und Erfahrungsaustausch über Aspekte der Globalisierung im Zusammenhang mit der Hilfswerktätigkeit.

Am Abend dann ins basellandschaftliche Sissach, wo im privat-familiären Rahmen eine Einladung gegeben wird zu Ehren der Ärztin Dr. Noorkhanum Ahmadzai. Sie ist Leiterin eines beeindruckenden Tdh-Hilfsprojekts in Kabul, der Hauptstadt Afghanistans. Dort sind über dreissig Hebammen im Einsatz, die rund um die Uhr junge Mütter mit Aufklärung und Beratung begleiten und so im eigentlichen Sinne Lebenshilfe leisten; das einzige ausländische Hilfsprojekt, das auch während der Taliban-Zeit im Land geblieben ist und arbeiten konnte.

Dr. Noorkhanum ist eine aufgestellte, lebenslustige Frau, aber sie hat Not und Elend in einem Land erlebt, das während Jahrzehnten unter wechselnden Kriegen zu leiden hatte. Sie kennt bittere Armut, Hunger und Entbehrung. Auch sie wird am Freitag nach Davos reisen, um dort auf einem Panel des „Open Forum“ über Menschen- und Kinderrechte zu diskutieren. Mit am Tisch wird UNICEF-Ambassadorin Angelina Jolie sitzen, dank deren Präsenz die Boulevardmedien aufgeregt auch über ein Thema berichten, das ihnen sonst wohl kaum manche Zeile wert gewesen wäre.

Eine spannungsvolle Kombination: Hier die fleischgewordene Verkörperung der Lara Croft, ein vom Leben verwöhntes Luxusgeschöpf aus der Jetsetteria mit sozialem Engagement… und dort die Medizinerin, die sich unter gesellschaftlich extremsten Bedingungen ihren Platz in einer Männergesellschaft erkämpft hat und täglich ein Pensum absolviert, das schlicht Bewunderung verdient.

Wir sitzen an der Tafel und realisieren, wie gut es uns geht. Vor drei Jahren habe ich Noorkhanum in Kabul besucht, ihre Arbeit kennen gelernt und gespürt, mit welcher Intensität und welchem Überlebenswillen ein Volk darum kämpft, wenigstens wieder eine menschenwürdige Existenz zu finden, und welche Last auf den Schultern der Frauen liegt, die Leben gebären und auch erhalten müssen…

Da werden unsere eigenen „Probleme“ ganz klein und es fällt mir nicht ein, an diesem Abend lange über Übergewichtsprobleme reden zu wollen. Denn schon nur der Gedanke daran, am gleichen Tisch mit jemandem zu sitzen, für den Hunger und Not zur alltäglichen Realität gehören, verbietet es. Wir merken, dass wir hier eigentlich im Paradies leben. Und dass uns dies nur selten bewusst wird, so selbstverständlich ist alles.

Die Zeit ist um, mein Zug zurück nach Zürich fährt ein einer Viertelstunde… Wer hat sein Auto zuvorderst? Es ist der Regierungsrat und Erziehungsdirektor, der dieser Runde die Ehre gegeben hat. Er fährt mich zum Bahnhof. Selbstverständlich. Wir haben es gut.




23/1  Am Ende des Tags

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:57

An sich habe ich das nicht häufig… aber der heutige Montag hat mich geschafft. Samstag/Sonntag waren wir an der Gesundheitsmesse und den ganzen Tag herumstehen oder -sitzen mit Publikumskontakt hat so seine Tücken, bei aller Liebe zur Sache. Dann heute zurück ins Büro.

Zwei unterschiedliche Gespräche mit Leuten, die verschiedene Programme anbieten wollen zur Behandlung von Übergewicht auf der Basis der Erkenntnisse der Traditionellen Chinesischen Medizin TCM. Das sind relativ neue Trends, zu denen es noch keine Erfahrungswerte gibt. Auf der einen Seite sind die jahrtausendealten, als gesichert geltenden Werte einer traditionellen Medizin auf der Basis urtümlicher Naturgesetze und -Wirkungen, auf der andern Seite die Erfordernisse einer aufgeklärten Schulmedizin, die nach „evidenzbaiserten“ Beweisen für die Wirksamkeit einer Therapie verlangt..

Wo soll sich da eine Stiftung positionieren, die seriös und ernsthaft erscheinen will, und die doch den rat- und hilfesuchenden Menschen eine möglichst vielfältige Palette von Möglichkeiten anbieten möchte, mit denen sie eine Lösung für ihr individuelles, persönliches Problem finden können? – Wir wollen offen sein für Neues, sofern es nicht eindeutig auf Abzocke und Irrführung mit falschen Heilsversprechungen angelegt ist… Aber das ist nicht immer einfach.

Dazu hatten wir heute den Versand von ca. 2’000 Exemplaren unseres Mitgliedermagazins „saps.ch“, das auch an zahlreiche Arztpraxen ins Wartezimmer geht, zu Medien, Interessierten, etc., die in Couverts und Kartons verpackt und zur Post geschleppt werden wollten.

Und dann, zum Abschluss des Abends, war endlich noch das Protokoll zu schreiben über eine Konferenz von 15 Hilfswerk-Präsidenten der letzten Woche… Und jetzt, am Schluss, erscheint das Verfassen des Blog-Tagebuchs geradezu als das kleine Sahnehäubchen auf einem starken Kaffee eines erfüllten Montags. Gut Nacht.