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Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 14:09 |
Der eBalance-Blog fällt wegen Abwesenheit von Heinrich von Grünigen vorübergehend aus.
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28/5 Kuhsaft light
Milch macht nicht nur müde Männer munter und manches wieder gut, sie soll auch sonst ein ganz patentes Nahrungsmittel sein. Babies, die lange gestillt werden, neigen nachweislich weniger dazu, später übergewichtgig zu sein. Und Milch ist die modische Trägersubstanz all dieser heilvollen Drinks und Joghurt-Mixturen, mit denen uns die Molkereindustrie derzeit überzieht. „Fette“ Milch, rahmig voll, galt einst als ideale Kinderkraftnarhung, vom kränkelnden Bübchen in Gotthelfs Anne-Bäbi Jowäger bis zu Klara im Rollstuhl, als sie Heidi hoch auf der Alp besuchte. Aber inzwischen ist Vollmilch auf den Ernährungsindex gekommen. Wer sein Gewicht im Griff behalten will, gönnt sich allenfalls den teilentrahmten Milch-Drink. Eine ganz neue, natürlich fettreduzierte Milch wurde jetzt in Neuseeland entwickelt: nicht etwa im Labor und durch chemisch-mechanische Eingriffe, auch nicht durch Genmanipulation, sondern durch ganz kommune, traditionelle Züchtung von Kühen, welche eine besondere genetische Eigenschaft haben, indem sie Milch geben, die keine gesättigten (als ungesunden) Fette enthält. Ein solches Prachtsexemplar einer neuen Milchkuh namens Marge wurde bereits identifiziert und die Forscher gehen davon aus, dass bis in fünf Jahren ganze Herden solcher Kühe herangewachsen sein werden für die kommerzielle Produktion der fettmässig korrekten Milch. Dies würde, so ist man jedenfalls auch in England überzeugt, den ganzen Markt der Milchprodukte von Grund auf revolutionieren. Eine Perspektive, die uns hier in der Schweiz nicht ganz unberührt lassen kann, wo wir doch neben der Erfindung von Ricola auch diejenige des Emmentalers und des Racclette gepachtet haben. Ein weiterer Nebeneffekt sei der, dass Butter, die aus dem Rahm dieser besonderen Milch gemacht wird, streichfähig und geschmeidig bleibt, auch wenn sie direkt aus dem Kühlschrank kommt. Ich weiss nicht so recht, ob ich deswegen unsere ganze Milchwirtschaft umorganisieren würde, aber das mit dem Fett hat mich wirklich neugierig gemacht. 27/5 Auf Leben und Tod
Das hat mich heute extrem betroffen gemacht, als ich den SonntagsBlick gesehen habe. Dass 30 Mord-Drohungen gegen Frau Humbel ausgesprochen worden seien, im Zusammenhang mit ihren Aussagen zum Krankenkassen-Selbstbehalt. Egal wie fragwürdig oder unhaltbar ihre Forderung ist: ein solches Verhalten ist unentschuldbar und darf nicht toleriert werden. Wohl wahr, ich habe von Betroffenen vor einer Woche schon den Satz gehört: „Der könnte ich den Hals umdrehen…“ Aber es ist nicht das gleiche, die Person oder Angehörige ihrer Familie direkt und frontal anzugehen, wenn es dann noch telefonisch oder anonym erfolgt. Das dürfen wir nicht hinnehmen, was immer auch am Anfang gesagt worden ist. Und doch hat meine Betroffenheit noch eine zweite Ebene. Ich will damit die Drohungen weder banalisieren noch verharmlosen. Aber sie sind für mich – bei aller Unentschuldbarkeit – auch ein Signal für die grosse Verzweiflung und die tiefe Verletzung von Menschen, die ihr Leben lang, seit frühester Kindheit wegen ihres Übergewichts verlacht, ausgegrenzt und gedemütigt worden sind, die Spott und Häme einstecken mussten und immer wieder gegen sich selber angekämpft haben, allenfalls von wohlmeinenden Ratschlägen begleitet, aber letztlich doch ohne Erfolg. Sich nach einer solchen Leidensgeschichte vorhalten lassen zu müssen, man habe seine Situation mutwillig selber verschuldet und solle dafür zur Kasse gebeten werden, das schmezt und löst Wut aus, die sich nur schwer kontrollieren lässt. Ich bedauere, dass es zu Drohungen gekommen ist, aber ich kann die Emotionen nachvollziehen, die dahinter stehen. Angesichts dieser lebensbedrohenden Auseinandersetzung kam es mir dann wie der blankste Zynismus vor, als ich am späten Abend auf dem TV-Sender Kabel 1 die Dokumentation vom „grossen Fressen“ gesehen habe: ein Lokal, das darauf spezialisiert ist, bis zu zwei Kilo schwere Wiener Schnitzel zu braten, anderthalb Kilo schwere Steaks, ein Kilo schwere Hamburger… und wo bis zu tausend Gäste täglich diese Riesenportionen in sich hineinstopfen, bis ihnen schlecht wird. Hier müsste ein alttestamentarischer Racheengel – meinetwegen im Ruth Humbel-Kostüm – mit dem flammenden Schwert einfahren und die sich der Völlerei dergestalt Hingebenden zur Räson bringen… aber der TV-Blick auf die Szene zeigt: es sind nicht die Dicken, die hier so speisen, sondern zu allermeist Leute, die aussehen, als wären sie normalgewichtig… einstweilen noch. 26/5 Scheinadipös?
Da ich am Dienstagabend in der Regel mit Freund Rolf in der Wassergymnastik und anschliessend beim Bierchen bin, habe ich unter der Woche kaum eine Chance, mir den Kassensturz zu Gemüte zu führen. So habe ich denn heute erst in der Wiederholung gesehen, wie Frau Humbel ihre unsägliche Forderung nach höherem Selbstbehalt für Adipöse unbeirrt weiter verteidigt hat. Zum Schluss der Sendung wurde das Resultat der TED-Umfrage mitgeteilt. Gerade schlappe 24 Prozent teilten ihre Auffassung, zwei Drittel aller Abstimmenden lehnten eine Diskriminierung der Übergewichtigen klar ab. Ein erfreuliches Resultat, das uns hoffen lässt. Liebe PolitikerInnen, vergesst die Fakten nicht: wenn die Dicken eine politische Partei wären, dann hätten wir – vom Wähleranteil her – Anrecht auf zwei Bundesratssitze. (Es ist zudem interessant, die Feedbacks zu lesen, die im Kassentsurz-Forum zum Thema eingegangen sind; bis jetzt sind es 134.) Aber vielleicht ist dieser ganze Auftritt nichts anderes als Vorwahlgeplänkel, um ein wenig in die Medien zu kommen. Was dem einen sein Kuhdreck, sind der andern die Fetten. Funktioniert hat es jedenfalls. Am Ende kommt uns eine der Parteien noch mit den Scheinadipösen, wenn ihnen sonst nichts mehr einfällt. Dann gut Nacht. 25/5 Eglisau (7/12) und ich…
Zugegeben, über sich selber zu schreiben ist nicht jedermanns Sache. Früher galt bei altgedienten Journallisten noch der Brauch, von sich selber als „der Schreibende“ zu schreiben, um das identitätsstiftende Fürwort „Ich“ zu vermeiden. Man wolle sich nicht wichtig machen, sagte man, und flüchtete sich in eine Floskel, die zunehmend verstaubt und antiquiert wirkte. Dies gilt allerdings nicht für all jene, die schon zu Lebzeiten ihre Autobiografie schreiben oder schreiben lassen. So quasi eine vorgezogene Baschisierung des banalen Daseins, für das allerdings die kleinen Baschis oder Paris Hiltons weit weniger Verantwortung tragen als jene Treuhänder der Information, die sich der Berichterstattung schuldig machen. Gut, aber jetzt zurück nach Eglisau. Das Interessante an dieser einen Ausgabe Nummer 7 ist oder war, dass ich, weil ich zwei Tage lang dabei war, Dinge weiss und kenne, die in der Sendung gar nicht vorkommen. Oder von denen nur ein kleiner, redaktionall gestalteter Ausschnitt zu sehen ist. Ein Müsterchen quasi aus einem viel grösseren Volumen, Rosinen gewissermassen, herausgepickt aus dem Kuchenteig. Und das hat mich fasziniert. Insgesamt haben wir wohl fünf Stunden Material aufgenommen, in der Migros-Filiale vor den Regalen mit dem grössten Versuchungspotenzial, hoch über dem Städtchen in den Reben, im gemütlichen Café neben der Konditorei und zuletzt im Kreise sitzend in einem Freizeit- und Partyraum. Und die Redaktion hat es verstanden, aus dieser schier unübersichtlichen Fülle von Aussagen, Fragen, Antworten und vor allem Bildern eine Auswahl zu treffen, die in sich stimmig ist und eine wahrhaftige Wiedergabe der Inhalte vermittelt, die wir „produziert“ haben. Dafür möchte ich der Crew hier ein Kompliment machen, denn auch sie steht unter dem enormen Erfolgsdruck, dass sie Woche für Woche eine Sendung abliefern muss, die interessiert, die den Erwartungen des Publikums gerecht wird die auch die Menschen in Eglisau ins rechte Licht rückt. Dass dies wöchentlich gelingt, das ist nicht selbstverständlich und darf auch mal anerkannt werden. 24/5 Kommentare
Sorry, liebe Blog-Fans! – Als liberaler Mensch habe ich heute lange gezögert, ehe ich mich zu einer einschränkenden Massnahme entschlossen habe. Ein Blog ist ja – habe ich inzwischen gemerkt – eigentlich keine Einbahnstrasse. Der Blogger spielt mit einem Thema und einer Meinung einen Ball in die Runde und lässt dann die Meinungen und Ansichten der Leserinnen und Leser zurückkommen. Auf die Beiträge des magistralen Bundes-Bloggers Moritz L. sind anfänglich Hunderte von Reaktionen eingegangen. Und die Einträge zum Blog der TA-Sektenspezialisten Hugo Stamm gehen inzwischen gesamthaft in die Tausende. Mein eBalance-Blog war bisher einer der eher stilleren Sorte. Zwar hat und hatte er über 30’000 Einschaltungen pro Monat, aber die aktiven Feedbacks hielten sich in Grenzen. Daraus schliesse ich, dass sie zwar wahrscheinlichb nicht ungern gelesen werden, aber nicht immer vehement zum Widerspruch auffordern. Gelegentlich wird Zustimmung laut, danke vielmals, und zuweilen auch eigener persönlicher Beitrag. In den letzten Tagen hat sich nun aber jemand in die eBalance-Community eingeschaltet, der – und das war mir dann heute zuviel – im Zehnminutentakt mit immer neuen, in der Regel sinnlosen Wort- und Satzfetzen sich in den Blog eingetragen hat… zuweilen fast nach Dada-Manier, vom Rand des Absurden her, dann wieder völlig wirr, als wäre der Mensch in einem schweren Delirium der böseren Sorte. Als es mir langsam zu viel wurde, immer wieder diese sinnlosen Eintragungen zu löschen, habe ich schliesslich den Rat der eBalance-Redaktion befolgt und den Zugang für die Kommentare auf „Moderation“ geschaltet. Das heisst: wer einen neuen Kommentar abschickt, der „sieht“ ihn nicht sogleich im Blog, sondern der Beitrag landet zuerst bei mir in der E-Mail-Post. Ich kann ihn mir ansehen und ihn dann mit einem einfachen Klick „freigeben“, so dass er auf eBalance erscheint. Kommt er von einem bloggerischen Störenfried, wird er ebenso einfach gelöscht, ohne dass ihn jemand zu Gesicht bekommt.. Ich bitte also all jene um Verständnis (und Entschuldigung), die einen ernsthaften Beitrag verfassen wollen: das System ist nicht defekt, wenn ihr euren Eintrag nicht sofort sieht. Ihr müsst leider warten, bis ich den Eingang „kontrolliert“ und freigegeben habe. Mir tuts leid, dass – wie dummeweise oft im richtigen Leben – eine freiheitliche Institution eingeschränkt werden muss, weil einzelne Spinner oder Wichtigtuer sie missbrauchen. Sorry. 23/5 Kinderleicht
Eigentlich müsste dieser Titel korrekterweise so geschrieben sein: Kinderleicht. – Die Kinder sind fett und leicht ist dünn. Denn so lautet der Titel eines neuen Arbeitsbuches, das von Suisse Balance, der Ernährungsbewegung vom Bundesamt für Gesundheit und von Gesundheitsförderung Schweiz herausgegeben wird. Erschienen ist die Publikation im Schulverlag Bern. Es ist ein handliches, 64 Seiten starkes Heft im A4-Format und enthält eine Fülle von interessanten und wissenswerten Angaben und Informationen darüber, wie man Kinder und Jugendliche auf kreative Weise erutigen und begeistern kann, sich „richtig“ zu ernähren und Freude an körperlicher Bewegung zu bekommen. Das Buch ist eine wahre Fundgrube für Tipps, Empfehlungen, Hintergrundinformationen, Links zu weiterführenden Webseiten, anderen Publikationen und Hilfsmitteln. Lehrkräfte und Eltern werden angeleitet, wie sie Bewegungs- und Ernährungs-Events organisieren können, wie sie vernünftige Ziele definieren und auch prüfen können, ob und wie diese erreicht werden. Auf bereits bestehende Programme und Konzepte wird hingewiesen, damit diese sinngemäss übernommen werden können. Denn angesichts der überwältigenden Problematik des kindlichen Übergewichts ist rasches und beherztes Handeln angesagt. Es ist zwar wichtig, dass auf Bundesebene eine Politik und eine Strategie erarbeitet werden, damit die Thematik einen politischen Stellenwert erhält. Aber nichts ersetzt die konkrete Arbeit, die im Alltag geleistet werden muss, „an der Front“ gewissermassen, mit den Kindern und ihren Eltern. Das Buch ist reich bebildert und lädt auf eine sympathische Weise, ohne erhobenen Moralfinger, zum gesundheitsfördernden Tun ein, sei dies in der Schule, in der Spielgruppe, in der Freizeit oder im Familienverband. Es ist im Buchhandel erhältlich und wird durch eine CD-ROM sinnvoll und anschaulich ergänzt. Bestellen kann man es online bei der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE. – Zur Benutzung empfohlen! 22/5 Empowerment
Ein Fachausdruck, der in der Gesundheitsdebatte immer mehr Eingang findet. Was genau verbirgt sich dahinter? – Das Lexikon meint sinngemäss: Mit Empowerment bezeichnet man Strategien und Maßnahmen, die geeignet sind, das Maß an Selbstbestimmung und Autonomie im Leben der Menschen zu erhöhen und sie in die Lage zu versetzen, ihre Belange (wieder) eigenmächtig, selbstverantwortlich und selbstbestimmt zu vertreten und zu gestalten. Diesem Thema galt eine Tagung, die heute in Bern vom Ernährungsnetzwerk nutrinet veranstaltet wurde. Dabei ging es gezielt um chronische Krankheiten, die mit Ernährung verbunden sind, aber für einmal nicht um Übergewicht und Adipositas, die ohnehin schon die gesundheitspolitische Agenda besetzen. Es ging also darum, anhand von praktischen Beispielen aus dem konkreten Alltag zu erfahren, wie Kinder und Jugendliche durch geeignete Anleitung und Motivation so weit gefördert werden können, dass sie mit ihrer Krankheit, die ihnen zum Teil einschneidende Veränderungen in ihren Lebensgewohnheiten abverlangt, bewusst und richtig umgehen können. Es waren eindrückliche Berichte aus Ferienlagern, in denen Kids mit seltenen Nahrungs-Unverträglichkeiten für einmal unter sich ihr „Besonders-Sein“ vergessen und sich gegenseitig mit Tipps und Tricks aushelfen können; es war die überzeugende Präsentation eines Projektes, das Immigrationskindern mit Problem-Hintergrund durch die simple Faszination des Fussballspiels wieder Selbstvertrauen und Einordnung in ein soziales Gefüge gibt; und schliesslich wurden Techniken vermittelt, wie man ein leider wieder mehr verbreitetes Krankheitsbild, die Karies, wirksam bekämpft, indem man die Kinder dazu bringt, sich selber davon befreien zu wollen… Wertvolle Impulse, die auch in die ganze Adipositas-Prophylaxe Eingang finden können. Zu diesem Thema dann aber noch eine interessante Information aus der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL: Eine internationale Forschergruppe hat sich an die Arbeit gemacht, um die Tausenden und Abertausenden von Bakterienkulturen, welche dem Menschlichen Körper „besiedeln“ und die insgesamt über ein weitaus vielfältigeres Spektrum an genetischen Ausprägungen verfügen als der Mensch selber, zu enträtseln, aufzuspüren, zu analysieren und zu erforschen. – Erste Zwischen-Erkenntnisse hätten u.a. ergeben, dass gewisse Bakterienkulturen im Darm von adipösen Menschen dabei mitwirken, Kohlenhydrate zu verdauen (und in Energie bzw. Speicher-Fett umzuwandeln), die bei deren Fehlen unverdaut geblieben wären… Noch weiss man wenig über diesen neuen Mikrokosmos im Menschen drin und was er allenfalls bewirken kann, im positiven wie im negativen Sinn. Aber es ist ein neues Indiz dafür, dass man die Dicken nicht zu eigenverantwortlichen Tätern stigmatisieren darf, sondern die Ursachen sorgfältig erforschen und aufhellen muss. 21/5 Humbel, Forts.
eBalance-Mitstreiter Magerbaum hat in seinem Kommentar zu meinem gestrigen Eintrag gefordert, NR Ruth Humbel Naef solle so rasch wie möglich den kompletten Wortlaut ihres Diskussionsbeitrags zum Thema Adipositas-Prophylaxe öffentlich zugänglich machen. Das hat sie getan: auf ihrer Website ist der integrale Wortlaut aufgeschaltet, unter der Überschrift Was ich zu Übergewicht wirklich gesagt habe. Das ist gut so, denn nun kann man sie formell beim Wort nehmen und auch einzelne Argumente und Formulierungen kritisch hinterfragen. Wobei – das soll gleich zu Beginn gesagt sein – es mir nicht um die Ausweitung der Kampfzone geht, sondern um einen möglichst konstruktiven Dialog, so er denn zustande kommen möchte. – Aber es juckt mich doch, ein paar Zitate hier aufzuführen und – vorsichtig – zu kommentieren. Vielleicht liegt das Problem am Ende auch bei meinem Ex-Kollegen Urs P. Gasche, der das Interview geführt und geschrieben hat… Also: Die vielen Diabetiker können viele Medikamente absetzen, wenn sie sich mehr bewegen und mehr Salate statt Pommes Frites essen. – Das ist jetzt wirklich ein schlimmer Satz, denn er wirft „die vielen Diabetiker“ (also alle, ohne Ausnahme) in einen gemeinsamen Topf und unterstellt ihnen pauschal, sie würden alle täglich statt Salat nur Pommes hinunterschlingen… haben Sie das wirklich so gemeint, Frau Humbel? Aber die Menschen kommen nicht als Süchtige zur Welt, sondern werden erst nach einer längeren Phase süchtig… – Irrtum, Frau Humbel. Infolge fehlender Aufklärung kommen heute viele Kinder mit einer bereits angeborenen Essstörung zur Welt, weil sich ihre Mütter während der Schwangerschaft falsch ernährt haben… Sollen diese Kinder später bestraft werden, weil sie dick sind? Es wäre mindestens so gerecht, als Kriterium auch den Body-Mass-Index zu benutzen. – Hier geht es um die Ausrichrtung der Prämien bei der Zusatzvesicherung nach dem Risiko-Potenzial. Aber Frau Humbel ist im Irrtum: wir sind weit entfernt von ihrer „Gerechtigkeit“, denn wer einen BMI von über 30 aufweist, hat heute praktisch keine Chance, in eine Zusatzversicherung aufgenommen zu werden. Eine krasse Diskriminierung, die bereits besteht. Vor allem Hausärzte müssten übergewichtigen Eltern und ihren Kindern die Folgen drastisch schildern und sie zu einer Veränderung ihres Verhaltens motivieren. Doch sind die Ärzte für solche Gespräche kaum bezahlt. – Super, Frau Humbel, messerschaft erkannt. Aber wer hat bei der neuen Tarif-Verordnung darauf hingewirkt, dass der Arzt präventive Beratung ohne therapeutische Handlung kaum verrechnen kann? Hatten die Krankenkassen damit nichts zu tun? Im englischen Gesundheitsministerium erfuhr ich von einem Projekt, sehr zuckerhaltige Produkte sowie Lebensmittel mit schlechten Fetten mit einem roten Punkt zu versehen… – Bravo, das ist weltoffen gedacht, aber dazu hätte man nicht nach England gehen müssen, die Ampel-Deklaration wird auch hierzulande in Fachkreisen diskutiert, aber es ist der Lebensmittelindustrie bisher stets gelungen, diese Regulierung von sich fernzuhalten… hier braucht es politische Arbeit, nicht auf dem Buckel der Dicken. Ja. Und auch im Umkreis von Schulen bin ich gegen solche Werbung. – Hier ging es bei der Frage um Einschränkungen der TV-Werbung im Umfeld von Kindersendungen… und wo war die Gesundheitspolitikerin, als der Bundesdrat einen entsprechenden Vorstoss aus dem NR-Kollegium abgebügelt hat mit dem Hinweis, man würde in Kindersendungen keine sog. „Split-Screen-Werbung“ zulassen… etwas, das in der Praxis gar nicht stattfindet? Ich stehe voll hinter diesem Vorschlag, auch wenn es betrüblich ist, dass man Eltern zu einem solchen Verhalten zwingen muss. – Hier ging es um den Vorschlag des Luzerner Erziehungsdirektors Markus Dürr, dass Kinder nicht mehr mit dem Auto in die Schule gebracht werden dürfen. Das ist an sich eine tapfere Aussage, die ich begrüsse… aber wer so etwas postuliert, der muss sich auch tatkräftig dafür einsetzen, dass die Schulwege verkehrstechnisch sicher werden. Für Massnahmen in Schulen und Restaurants müssten zunächst einmal die Kantone handeln. – Hier wird unser föderalistisches System als Verhinderungsgrund für beherztes Handeln vorgeschoben… Der Schwarze Peter lässt grüssen. Ich bin überzeugt: wenn ein gemeinsamer politischer Wille vorhanden ist, Zeichen zu setzen und über parteipolitische Schranken hinweg zu tun, was nötig ist und Erfolg auch in kleinen Schritten vespricht, dann muss sich etwas bewegen. Zu verändern sind die Verhältnisse. Dann erst hat das Verhalten des einzelnen Betroffenen eine Chance, sich erfolgreich anzupassen. Jemand muss den Anfang machen. Dafür haben wir unsere VertreterInnen ins Parlament gewählt. Und nicht dafür, dass sie uns ausgrenzen und abqualifizieren. 20/5 Kassenwahn
Aufwühlende Schlagzeile heute im SonntagsBlick. Dicke sollen mehr bezahlen! Zitiert wird aus einem noch nicht veröffentlichten Text, einem Interview, das die CVP-Nationalrätin Ruth Humbel, beruflich als Direktionsmitglied im Krankenkassenverband santésuisse tätig, für das Magazin der Krankenkasse CSS gegeben hat. Da verwundert es auf den ersten Blick nicht, dass weniger die Sorge um die von der chronischen Krankheit Adipositas betroffenen Menschen durchschimmert, als die Interessenwahrung der Krankenkassen… Ruth Humbel tritt – unter anderm – dafür ein, dass Übergewichtige, die sich in ärztliche Behandlung begeben müssen, einen höheren Selbstbehalt zahlen sollten. Sie fordert dies indirekt auch für andere „Risiko-Patienten“, vorausgesetzt, diese setzen sich frei- bzw. mutwillig einer höheren Gefährdung aus. Das ist eine heikle Sache. Und es ist zumindest tröstlich, dass alle Promis und Spezialisten, die vom SonntagsBlick „zur Sache“ befragt wurden, einhellig protestieren und sich gegen eine diskriminierende Behandlung übergewichtiger Kassenpatienten wehren. Daneben vertritt Humbel auch eine Reihe von Positionen, die duchaus auf der Linie der Anti-Adipositas-Strategien liegen, wie sie in den letzten Monaten von der Weltgesundheitsorganisation WHO und der EU erarbeitet worden sind: Regulierung der Werbung für Schleckwaren, die sich an Kinder reichtet, Ampelsytem für eine eindeutige Lebensmittel-Deklaration, Verbesserung der Aufklärung und des Unterrichts in den Schulen, Förderung von Bewegungsangeboten, etc. – Dumm ist nur, dass diese Punkte im Artikel quasi beiläufig mitgenommen werden und vordergründig der Eindruck haften bleibt, die Politikerin vertrete allen Ernstes immer noch die Position aus dem letzten Jahrundert, dass die „Dicken“ an ihrem Dicksein vorwiegend selber Schuld seien. Umgehend hat sich bei mit TeleZüri gemeldet mit der Bitte um ein Statement, und ich habe es eingeleitet mit dem Vorbehalt, falls Frau Humbel das, was von ihr zitiert wurde, wirklich so gesagt hat, denn die Boulevardpresse lebt ja nun einmal davon, dass sie Aussagen und Sachverhalte zuspitzen muss. – Frau Humbel ist offenbar selbst erschrocken, als sie die Zeitung zu Gesicht bekommen hat, denn sie liess umgehend den kompletten Text ihres Interviews verbreiten und hat auch mir ein Exemplar davon an die SAPS geschickt. – Darin zeigt sich, dass die zitierten Passagen sehr wohl „stimmen“, dass aber anderes, was sie auch gesagt hatte, weggelassen wurde, was natürlich die Gewichtung verändert hat. Zudem wird durch die Fragestellungen des Interviewers eine aggressive Grundstimmung geschürt, die sich gegen die Adipösen wendet… Alles also nur halb so wild? – Jein. Erschreckend ist für mich, wie wenig die Politikerin sich in dieser gesundheitsplotischen Kernfrage auskennt, wie viele Fakten ihr nicht bekannt sind: dass zum Beispiel Menschen mit einem BMI von 30 und mehr bei den meisten Kassen gar nicht mehr in eine Zusatzversicherung aufgenommen werden! Das ist ein echter Skandal und eine gravierende Diskriminierung! Und dass in der Schweiz für die Übernahme der Kosten bei chirurgischen Eingriffen (Magenband und -Bypass) europaweit die restriktivsten, schikanösesten Auflagen bestehen. – Offen wird zugegeben, dass sich die Gesundheitskommission des Nationalrates mit diesen Fragen bisher noch gar nie richtig beschäftigt hat. Hier liegt das Problem und hier haben wir einen riesigen Nachholfbedarf. Frau Nationalrätin, suchen Sie das Gespräch mit uns! Machen Sie sich kundig und vertreten Sie Positionen, die nicht diskriminieren, sondern die der Prävention dienen und echte Anreize zu gesundheitsbewusstem Verhalten schaffen. – Irgendwo im Interview steht der Satz: Man muss nur aufpassen, dass es keine Unschuldigen trifft, zum Beispiel krankhaft Übergewichtige mit einer besonderen genetischen Veranlagung. Danke, das ist gut gesagt und gut gemeint… aber extrem schwierig im Vollzug, denn die Grenzen sind fliessend, die genetische Veranlagung kann viele Formen haben und erst zum Ausbruch kommen, wenn die Umwelt-Einflüsse und die Lebensbedingungen ungünstig sind. Und vieles von dem, was heute ansteht, ist die Folge von mangelhafter oder fehlender Aufklärung und Information. – Wir haben noch viel zu diskutieren. Ich bin gerne dabei. |