20/4  Zwang zum Schämen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 14:01

Obs etwas bringen würde? – In einem alten Blog lese ich eine Betrachtung des Englischen Comedy-Stars Ricky Gervais, der mit der Tatsache hadert, dass es ihm nicht gelingt, sein Gewicht im Griff und unter Kontrolle zu halten: Alle paar Monate müsse er neue Klamotten kaufen, da ihm die alten zu eng würden.

In masochistischer Absicht propagiert er eine Methode, sich selber unter Druck setzen zu lassen: Übergewicht sollte viel mehr stigmatisiert werden, verlangte er gemäss Telegraph Ende 2008. Man gehe mit dicken Menschen viel zu pfleglich um, sagte er. Und: Er wünschte sich, dass ihm die Leute, denen er auf der Strasse begegne, zurufen würden DICKSACK! So dass er sich richtig schämen müsste und sich nicht mehr nach draussen getraute, bis er abgenommen habe. So sollte durch Diskriminierung eine permanente Pression erzeugt werden, welche für die Motivation zum Abnehmen dienlich sein könnte…

Diese Äusserungen wurden damals heftig kritisiert, man zweifelte an Rickys Geisteszustand und war nicht sicher, ob er das ernst gemeint habe oder nicht… In einem aktuellen Web-Chat outete er sich nun dahingehend, dass er selber den definitiven Kick zum Abnehmen erhalten habe, nachdem er in einem Fress-Anfall 11 Würste hintereinander verschlungen hatte… Das unerträgliche Völlegefühl danach habe ihn dazu gebracht, mit zusätzlichem Fitnesstraining pro Tag 500 Kalorien zu verbrennen.

Schön für ihn. Wie lange er es durchhält wird sich weisen müssen. Besser als der fremde Schämen-Zwang dürfte die eigene Selbst-Motivation aber allemal sein.




19/4  Hypnoperation

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:34

Der menschlichen Vorstellung sind keine Grenzen gesetzt. Das zeigt die Geschichte von Kay Lindley aus England. Sie war 59 Jahre alt und wog um die 150 Kilo. Wenn sie nicht abnahm, würde sie ihre Stelle als Lehrerin verlieren. Der einzige Ausweg war in dieser Situation eine Operation, ein Magenbypass.

So reiste sie nach Spanien in eine besondere Klinik in Marbella. Dort wurde sie sorgfältig vorbereitet auf die Zeit nach der Operation, lernte wie man mit dem verkleinerten Magen noch essen konnte, trainierte die reduzierte Nahrungsaufnahme. Als sie für die Operation bereit war ging es in den Operationssaal. Sie hörte die Ärzte und Schwestern, wie sie den Eingriff vorbereiteten und wartete auf die Narkose… aber da war sie schon weg – hypnotisiert von einem Spezialisten.

Als sie wieder zu sich kam und das Spital verlassen konnte, da hatte sie keine einzige Narbe. Es hatte auch keinen Eingriff gegeben. Dank der Hypnose war ihr Körper überzeugt, dass die Operation stattgefunden habe und dass sie mit den kleinen Magen keine grossen Portionen mehr essen konnte. Sie nahm in einem halben Jahr 30 Kilo ab und war überglücklich. Sie hatte wieder Vertrauen gewonnen, dass sie tatsächlich ihr Gewicht unter Kontrolle halten. Die Scheinoperation hatte sie 1’800 Franken gekostet, aber das war es ihr Wert.

In der spanischen Elite-Klinik habe man bisher 470 solcher Operations-Hypnosen durchgeführt und in 70% der Fällen seien sie „erfolgreich“ gewesen. Die neue Operations-„Technik“ ist nun unterwegs nach Amerika… von dort wird sie wohl auch zu uns kommen. Da dies alles eine sehr junge Sache ist, gibt es noch keinerlei Langzeit-Erfahrungen. Die Risiken, mit denen eine „richtige“ Operation verbunden ist, entfallen. Völlig abwegig ist die Angelegenheit nicht, hat man doch in ausgedehnten Versuchen mit Medikamenten zum Abnehmen festgestellt, dass in vielen Fällen eine Kontrollgruppe, der man anstelle des Medikamentes eine Placebo-Tablette ohne Wirkstoff gegeben hatte, nicht viel weniger erfolgreich abgenmmen hatte. Wo ein Glaube ist ist auch ein Weg…




18/4  Explosiv

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:49

In einem Sketch in einer der zahllosen Comedy-Wiederholungen auf dem deutschen Privat-TV am Sonntagnachmittag liegt ein extrem dicker Mann auf dem Behandlungstisch in einem Tätowierungsstudio. Der Mensch, der ihn behandelt, gibt sich besorgt. Sind Sie sicher, fragt er, dass Sie das Bauchnabel-Piercing wirklich wollen? – Ja, sagt der sehr dicke Mann mit bestimmter, schon etwas ungeduldig-gereizter Stimme. – Also gut, sagt der Salonbetreiber, auf Ihre Verantwortung. – Und er nimmt ein Werkzeug in die Hand, nähert sich dem hoch gewölbten Bauch des sehr dicken Mannes, setzt das Tool in desen Leibesmitte an… Und mit einem explosionsartigen Knall versinkt das ganze Studio in rotgelber Farbe. Als sich die bunten Schwaden verzogen haben, sieht man auf der Liege eine leere, flache Hülle, es sind die Kleider des Mannes, und oben, verschrumpelt, erkennt man noch sein Gesicht.

Manchmal gibt es Momente, da wünscht man sich fast, diese Art von Therapie wäre von der Schulmedizin anerkannt.




17/4  Fleischlos

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:44

Eine der markantesten „Errungenschaften“ unserer Esskultur ist wohl die Tatsache, dass wir heute täglich, sogar meistens zweimal Fleisch essen. Es sei denn, wir seien bekennende Vegetarier oder Veganer.

Gemüse wäre zwar gesund, aber unsere Fleischwirtschaft wird massiv vom Staat unterstützt – alles andere ist Beilage. Wenn da nicht noch der Umstand wäre, das Fleisch, bzw. dessen Herstellung die Umwelt um ein Vielfaches stärker belastet als die Produktion von Grünzeug mit vergleichbarem Nährwert.

Dies hat die Stadtväter von San Francisco dazu gebracht, dass sie Ende März den Montag zum fleischlosen Tag erklärt haben: Kantinen und Speiselokale dürfen kein Fleisch auf die Menükarte setzen und die Privathaushalte sind aufgerufen, diese Regel freiwillig einzuhalten.

Die Reaktionen der Bevölkerung sind verhalten positiv, man nimmt die Essensvorschrift zur Kenntnis, wie konsequent sie hinter der Wohnungstür umgesetzt wird, ist eine andere Frage. In einer Abstimmung in einem Ernährungsblog waren 60 Prozent dafür und 40 Prozent dagegen… aber wahrscheinlich nicht alle aus San Francicso.




16/4  „polit. korr.“

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:00

Vorübergehend ist es etwas ruhiger geworden in der Debatte um die Suche nach Formulierungen, die einen Sachverhalt umschreiben, ohne Betroffene zu verletzen. Political Correctness hiess die Zauberformel, nach welcher man nicht mehr von „Dicken“ reden sollte, sondern von Menschen, die „horizontal herausgefordert“ sind. Ein Spleen, der in den 90er-Jahren aus Amerika kam und der rasch Verbreitung fand, der aber auch zu scherzhaften Auswüchsen führte, bis zu „extrem pigmentiert“ statt „schwarz“, wenn es um Menschen aus Afrika ging… Vielleicht haben wir die politische Korrektheit schon so weit internalisiert, dass sie uns im Alltag gar nicht mehr auffällt.

Bezüglich der horizontalen Herausforderung zeigt sich nun aber ein neuer, aktueller Aspekt: im englischen Liverpool haben Schulverantwortliche bei der Stadtverwaltung vorgeschlagen, man möge doch in Zukunft im Zusammenhang mit übergewichtigen Kindern und Jugendlichen nicht mehr von „Obesity“ (Adipositas) sprechen, sondern nur noch von „ungesundem Gewicht“. Denn der Begriff „Obesity“ sei negativ besetzt und könnte die Kids verletzen und demotivieren.

Der Vorschlag werde geprüft, lässt die Verwaltung verlauten, aber Adipositasspezialisten sind skeptisch. Sie fürchten, durch eine solch „beschönigende“ Formulierung könnte die Tragweite des Befundes verharmlost, ja verniedlicht werden. Wenn ein Problem bestehe, müsse man es auch als solches benennen, und „adipös“ sein nun einmal „adipös“, da gebe es nichts zu kaschieren. – Allerdings sieht es so aus, als würde die Stadtverwaltung der Idee positiv gegenüberstehen und im kommenden Monat entsprechend entscheiden. Gleichzeitig sei geplant, Sport-Stars als „food heroes“ einzusetzen, um in den Schulen eine gesunde Ernährung zu propagieren. Der alt-sozialistische „Held der Arbeit“ hat es wahrlich weit gebracht…




15/4  Gesunder Stern

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:56

Für einmal sei hier ein Printprodukt gelobt, deas es wirklich in sich hat. Am Kiosk erhältlich für CHF 11.50, 122 Seiten stark, das ist die aktuelle Ausgabe des Stern-Sonderheftes Gesund leben. Es gilt dem Thema Übergewicht, enthält Erfahrungsberichte und vor allem 100 Antworten auf häufig gestellte Fragen rund um Ernährung und ums Abnehmen… da wird nichts ausgelassen, in einfachen Worten wird erklärt, humorvoll und immer wissenschaftlich belegt.

Aufschlussreich die Schilderung der Entstehung und des Funktionierens von Fettzellen, anschaulich illustriert und beschrieben. Berührend die Geschichten rund um die Selbstwahrnehmung des eigenen Körpers, informativ ein historischer Rückblick auf Schönheitsideale im Lauf der Menschheitsgeschichte. Und auch das Thema Bewegung kommt nicht zu kurz. – Natürlich weiss „man“ Vieles von dem, was beschrieben ist, aber als Nachschlagewerk und als Ratgeber ist das Heft allemal empfehlenswert.




14/4  Gepolstert

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:46

Mit dem Namen von Frau Bölsterli verbinden wir Erinnerungen an alte Dialekthörspiele aus dem Studio Zürich: Wo sonst im realen Leben kommen Leute vor, die so heissen?

Und nun taucht ihr Pendant plötzlich auf der Titelseite des Gratis-Abendblattes auf: Eine ansehnliche junge Frau von 22 Jahren, die eben zur Miss Ostschweiz gekürt wurde und der die Redaktion den Ehrentitel verpasst hat: Miss Pölsterchen. – Warum das? Weil sie nicht so ausgemergelt untergewichtig aussieht wie die meisten Dämchen, die sich ums Krönlein bewerben. Sie stammt aus dem ländlichen Amriswil TG und weist zwar nicht üppige aber doch sichtbare Rundungen auf, dort wo sie sein sollen.

Sie ist nicht dick, allenfalls „chäch“ und es ist erfreulich, dass die meisten Feedbacks auf diesen Zustand positiv ausfallen. Sie selber erklärt sich zwar bereit, einige Kilos abzuspecken, wenn es denn sein müsse, aber sie würde nie unter ihr Wohlfühlgewicht gehen, das dann doch nicht.

Und das ist eine positive Botschaft, dass sich jemand gegen einen allmächtigen Trend zur Wehr setzt, sich und seine Weiblichkeit akzeptiert, gegen den fatalen Schlankheitswahn hält und so zum Vorbild werden könnte für junge Menschen, die nur zu leicht einem Gruppendruck erliegen und zu Opfern werden. Danke, Michelle Schefer.




13/4  Schlafessen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:36

Unter den allgemein bekannten Ess-Typen ist der Nightly Eater – der nächtliche Esser – der geheimnisvollste. Wir haben ihn in unserer Informationsbroschüre eher anekdotisch beschrieben als jemanden, der in der nacht plötzlich beim offenen Kühlschrank erwacht und eine Cervelat in der Hand hält… Nun ist in einem Bericht der New York Times zu lesen, dass dieses Phänomen zwar nicht häufig auftritt, aber extreme Auswirkungen haben kann.

Etwa zehn Prozent der Erwachsenen, heisst es, litten an irgendwelchen Schlafstörungen, von Nachtwandeln bis zu Alpträumen. Höchstens ein Prozent davon leide unter nächtlichen Ess-Attacken, ohne dies bei Bewusstsein zu erleben, vor allem Frauen. Zitiert wird eine 54-jährige Patientin, die schildert, wie sie alle Oster-Süssigkeiten, die sie für die Familie eingekauft hatte, in der Nacht aufass. Dbei hatte sie ihren Mann noch gebeten, die Schokolade gut zu verstecken… aber offenbar hatte sie sie gefunden und am Morgen war das Geschenkpapier zerknüllt im Kehrichteimer… sie konnte sich an nichts erinnern.

Es gebe, sagt der Schlafspezialist Dr. John W. Winkelman, Leute, die bis zu fünfmal pro Nacht an den Kühlschrank gehen, mit einer Vorliebe für süsse, fettige und stark kalorienhaltige Speisen, oft in merkwürdigen Kombinationen. Auch komme es vor, dass Nagellack getrunken werde oder dass sich jemand die Zähne ausbeisse an Tiefkühlkost… In manchen Fällen werde es den Betroffenen erst am Morgen bewusst, wenn sie Speisereste in ihrem Bett finden. Dann sei die Beschämung gross und lange werde gezögert, deswegen medizinische Hilfe zu suchen. Man nehme an, dies sein ein sehr persönlicher Tatbestand und man sei selber Schuld daran… deshalb scheue man vor dem Arztbesuch zurück und rede mit niemandem.

Dabei seien solche Fälle heilbar, wenn man sie gezielt angehe. – Es sei, schreiben Leserinnen in den entsprechenden Foren, tatsächlich ungerecht und empörend: da schlage man sich den Bauch voll mit leckerem, wenn auch verbotenem Junkfood… und habe nicht mal etwas davon, kein Bewusstsein und keinen Genuss… Wenn schon gegen alle Regeln und die guten Vorsätze verstossen werde, dann sollte das doch wenigstens mit möglichst viel Lust geschehen können! – Das hat was für sich.




12/4  Bewegen – aber wie?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:25

Es ist eine Binsenwahrheit: Wer sich nicht bewegt wird schwer – und wer zu schwer ist bewegt sich nicht mehr (gern). Ein Teufelskreis. Und wenn noch gesundheitliche Handicaps dazu kommen, Atemnot, schmerzende Gelenke, überhaupt die Kraftanstrengung, quasi Tag und Nacht eine Packung von 80 Kilos oder mehr mit sich herumzuschleppen… welcher normalgewichgtige Mensch bei klarem Verstand würde sich dies freiwillig antun? Wir Dicken tun es, unfreiwillig zwar, schleppen unser Gewicht die Treppen rauf und runter, stemmen uns vom Wirtshaustisch oder vom Bettrand hoch, wuchten uns unter die Dusche… eigentlich sind wir die Schwerathleten des Alltags und müssten eine Medaille kriegen für besondere sportliche Verdienste. Aber da wir es keinesfalls mehr schaffen, täglich 10’000 Schritte zu gehen, haben wir das Loser-Etikett um den Hals.

Und nun lese ich in einer Wellness-Plattform, es sei allein nur eine Frage der richtigen Motivation, und die Ausreden, die man gemeinhin ins Feld führe, um sich nicht gesundheditsförderlich bewegen zu müssen, seien allesamt ebenso faul wie diejenigen, die sie bringen. – Schauen wir uns diese fünf „faulsten“ Ausreden einmal näher an:

1. Ich fühle mich nicht wohl. – Wenn man nicht gerade mit einer schweren Krankheit im Bett liege, sollte ein Unwohlsein uns nicht davon abhalten, ins Schwitzen zu geraten, denn dabei werden oft auch Schadstoffe ausgeschieden, so dass wir uns nachher besser fühlen…

2. Ich bin zu müde. – Diese Ausrede ist häufig nach einem Arbeitstag… aber Fakt sei – sagt die Fitnesstrainerin – dass gerade die sportliche Betätigung die beste Medizin sei gegen Müdigkeit und Schlappheit.

3. Es ist zu früh oder es ist zu spät. – Nein, sagt die Expertin, es ist nie zu früh und nie zu spät, aber besser ist es, frühmorgens seine Portion Fitness zu holen, damit man erfrischt ist für den ganzen Tag. Ist man jedoch ein Nachtmensch, kann man es auch abends machen… aber dann sollte man genug Zeit verstreichen lassen bis zum Zubettgehen, damit der Körper wieder seine Ruhe findet.

4. Ich bin auf Reisen. – Auch das sei nur eine Willenssache. Wer in Hotels absteigt, soll solche Wählen, die einen Fitnessraum haben; sonst soll man einige DVDs mit Fitness-Übungen einpacken und im Zimmer turnen…

5. Ich habe keine Zeit. – Dies sei die falulste aller Ausreden, wird gesagt, denn Zeit habe man so viel, wie man sich nehme. Aber wenn man nicht trainieren wolle, werde man auch nie Zeit dafür finden. Wenn man sich einmal daran gewöhnt habe, Zeit frei zu schaufeln, dann werde die entsprechende Planung zur Gewohnheit, denn es sei so oder so ein Gewinn, „Zeit für sich selber“ zu haben.

All diese Begründungen und Argumente sind klug und einleuchtend. Aber sie gelten leider nur für die, die noch einigermassen svelt und beweglich sind, schmerzfrei und nicht allzu schwer. Gewissermassen im Sinne der Prävention. Für uns Dicke mit den Standschäden braucht es andere Übungen und andere Lösungen. – Die Schweizerische Adipositas-Stiftung SAPS ist dabei, eine entsprechende Publikation zu erarbeiten, mit konkreten Anleitungen und Tipps… bin selber gespannt, was daraus wird.




11/4  Von Klodeckeln

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 19:59

Er war ein Mann der direkten Rede, damals, unser Sportlehrer am Gymnasium. Die Legende ging, dass er einst auf Radio Beromünster eine Frühturn-Rubrik betreut habe, live, weil man noch keine Sendungen aufzeichnen konnte, so dass direkt auf den helvetischen Aether und in die geschockten Ohren gegangen sei, wie er seinem Publikum frohgemut zugerufen haben soll: Lüpfet öier Füdle! Worauf er seines Radiojobs verlustig ging.

In jenen Zeiten legte man noch Wert auf einen gepflegten Wortschatz. In Schule und Kindergarten war es verpönt, die Kleinen zum abhocken aufzufordern, gesessen musste werden, auch wenn der Volksmund als solcher weit authentischer sprach. Und dieser Lehrer war es auch, der beim Handball jeweils ins Schwärmen geriet, wenn einer unser Mitschüler, grossgewachsen und stark, den Ball von weit weg aufs gegnerische Tor schleuderte: Dr Blaser, sagte „Schöre“ Mischon anerkennend, Dr Blaser het Häng wie Schiissitechle! Warum preichsch de gopfertami nid!?

An den Vergleich der Handgrösse mit WC-Deckeln muss ich jedesmal denken, wenn ich – so wie heute wieder – mit einem solchen in physischen Konflikt gerate. Leider ist es eines der Probleme, mit denen zu kämpfen hat, wer nicht nur zu schwer ist, sondern wer deswegen in seiner rückwärtigen Partie auch etwas ausladender geraten ist. Jemand, dessen Hinterbacken sich nach allen Seiten raumverdrängend auswuchten, sobald man irgendwo absitzt.

Zur Seite hin geht es ja noch. Aber nach hinten trifft das geschwungene Heck auf den Widerstand des hochgeklappten Deckels. Nun waren diese Deckel vormals aus hartem Holz und mit eisernen Scharnieren im Porzellanrand der Kloschüssel verankert, so dass man es sich getrost bequem machen konnte. Aber heutzutage bestehen die Dinger in der Regel aus Plastic, und der gewichtige Sitzer hört, noch bevor er sein ganzes Gewicht auf der Brille ruhen lässt, einen verräterischen Knacks.

Zwei unterschiedliche Laute lassen erahnen, um welchen Klodeckel-Typ es sich handelt: Da ist das weiche Blobb, mit dem sich der Deckel von einer Nute löst, auf die er mit zwei offenen Klammern aufgesteckt war. Dies ist das angenehme System, das man hinterher mit einem gleichen Laut sanft wieder andrücken kann, so dass keiner was merkt. – Das zweite System ist tückischer. Hier ist der Deckel mit zwei Plastik-Dornen seitlich in eine Achse eingefügt, die unter dem Druck entweder mit trockenem Knack abbrechen oder sich so verbiegen, dass sie beim Versuch, sie wieder einzuklicken, definitiv zu Bruch gehen.

Dies sind die Lokalitäten, aus denen ich mich diskret davonstehle, den Kollateralschaden meiner Erleichterung dadurch vertuschend, dass ich den Deckel passgenau auf die Brille lege und hoffe, der nächste Kunde warte, bis ich das Haus verlassen habe.

Einmal (bis jetzt) hat mich das Malheur im SBB-Zug ereilt. Dort sind die Kabäuschen und die WC-Trichterlein ohnehin so weit miniaturisiert, dass man sie als sanitäre Prototypen für eine Weltraumstation halten könnte.. mit lautem Knall zerbarst hinter mir der untere Deckelrand aus hartem Kunststoff, und ich war heilfroh, dass ich mir keine Verletzung zugezogen hatte. Zu meiner Beruhigung redete ich mir ein, das Ding sei bereits gesprungen gewesen, denn so etwas war mir auf meinen vielen Zugsreisen vorher noch nie passiert, nicht einmal im Flugzeug.