7/12  Horror um 4

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:30

Das sind spezielle Nächte: man geht beizeiten ins Bett, möchte noch ein wenig TV gucken, und – schlupp! – wirst du vom Schlaf in ein tiefes schwarzes Loch gesogen, das sich hermetisch gegen die Restwelt verschliesst und dich irgendwann mitten in der Nacht wieder ausspuckt. Du denkst, es sei Morgen, fühlst dich frisch und fit… dabei war es eben erst drei Uhr und die Nacht noch lange nicht vorbei.

Also schaltet man wieder den Fernseher ein. Und da läuft eine Wiederholung der US-Serie Nip/Tuck – Schönheit hat ihren Preis. Es ist die Geschichte einer sogenannten Änderungsfleischerei, wie die Schönheitskliniken im Jargon der Jugend heissen, und handelt normalerweise von oberflächlichem Geplänkel um Eitelkeiten und Eifersucht. Aber diesmal hat mich die Story richtig gepackt, sie war krass, extrem und ebenso berührend wie abstossend…

Es ging um eine dicke Frau, sie muss mindestens 300 Kilo gewogen haben, man nannte sie Momma und sie lag auf einem Sofa, von dem sie sich seit vier Jahren nicht mehr erhoben hatte… Ihre Haut war mit Ekzemen und Wunden bedeckt und der Notarzt hatte den Serienhelden als Hautspezialisten beigezogen.

Der stellte fest, dass der Rücken der Frau eine einzige Wunde war, durchgelegen und von Keimen und Bakterien befallen, so dass ihre Haut mit dem Bezug des Sofas richtiggehend zusammengewachsen war. Man enschied sich, Momma mitsamt ihrem Sofa per Lastwagen ins Spital zu transportieren. Dazu musste erst eine Seitenwand im Zimmer herausgebrochen werden – zum Glück lag die Wohnung im Parterre.

In der Klinik wurde versucht, die bereits verwesende Haut vom Fleisch und vom Sofa abzulösen; eine Narkose kam nicht in Betracht, die lokale Betäubung musste genügen. Dramatische Szenen spielten sich ab, als der Lebensgefährte der Frau sie sehen wollte und vom Arzt mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, dass er sie in ihrem Zustand nicht unterstützt und ihr nicht geholfen habe, wodurch sie in eine lebensbedrohliche Situation geraten sei.

Sie verstarb noch während der Operation. Um sie zu bestatten musste ein Doppelgrab ausgehoben werden. Die schreckliche Geschichte war um vier Uhr vorbei. Ich bin dann doch nochmals eingeschlafen, traumlos, bis der Radiowecker mich in die reale Wirklichkeit holte. Die Bilder von Momma und ihrem Sofa haben mich noch lange begeitet, obwohl es hier bloss Fiktion war: es gibt wahrscheinlich mehr solche Fälle in unserem Adipositas-Alltag, als wir vermuten.




6/12  Drei Wünsche

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:29

Wenn man die Leute fragt, was sie sich wünschen würden, nennen die wenigsten geradeheraus so einleuchtende Dinge wie viel Geld, gutes Essen oder mehr Sex… Die meisten zeigen sich von ihrer philanthropischen Seite und wünschen sich den Weltfrieden für die Menschheit, oder Glück für ihre Kinder. Und wenn es denn unbedingt etwas für sie selber sein muss, dann sagen sie: Gesundheit.

Wenn heute eine Fee käme und uns die Erfüllung von drei Wünschen in Aussicht stellen würde, was wäre dann? – Gut, kann man sagen, die Frage ist müssig, es GIBT gar keine Feen in unserem Alltag, also müssten wir uns die Wünsche ja selber erfüllen, und das ist mühsam. Das Schöne an der Feen-Wunscherfüllung ist doch, dass uns all das Gute und Grossartige, das wir uns ausdenken, geschenkt wird, umsonst, ohne Gegenleistung und eigene Anstrengung!

Aber neuerdings ist es mit den Feen so, dass es sie ein Stück weit doch gibt: jedenfalls gibt es die Gesundheitsfee. Sie erscheint ab und zu am Fernsehen (ich habe sie zwar noch nie zu Gesicht bekommen) und hat lange blonde Haare. Früher war sie eine Wetterfee, aber nun hat sie das Feenfach gewechselt und zaubert uns Lösungen herbei für Gesundheitsprobleme. Sie ist sympathisch und man traut ihr zu, dass sie wirklich wissen könnte, was uns hilft, denn sie zaubert im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit, ist also gewisseermassen eine beamtete Fee, die zudem aus dem Märchenreich der Pharmariesen Unterstützung erhält.

Jedoch: würden drei Wünsche reichen? Zuerst möchte ich nachhaltig abnehmen, dabei aber doch essen können, was und wieviel ich will… dann sollte mein Herz wieder kräftiger pumpen, so dass ich unbeschwert bergauf wandern kann ohne ins Schnaufen zu kommen… und auch meine Knie sollten schmerzfrei sein, so dass ich zügig ausschreiten kann… – Wenn ich es recht bedenke, würde ich mich nach Erfüllung dieser Wünsche schon sehr gut fühlen. Ok, eine Geldbörse, die nie leer wird, wäre auch nicht zu verachten. Aber man will ja nicht unbescheiden sein. Und für alle Anliegen hat Fräulein Sedmak vielleicht doch keine Antwort.




5/12  Santa Memories

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:51

Heute sah man im Abenddunkel schon die ersten vermummten Gestalten um die Häuser ziehn. Die grössere in einem roten Gewand, die kleinere braun oder schwarz verhüllt, mit Kapuzen bedeckt, darunter leuchtend weisses Bartgewucher oder schmutzverschmierte Gesichter, obwohl es ja noch einen Tag zu früh war.

Der heilige Nikolaus hat mich in allen Phasen meines Lebens begleitet. Bedrohlich in meiner frühen Kindheit, und immer just in einem Moment, in dem der Vater nicht mit seiner schützenden Gegenwart im Zimmer war und dem Polterer hätte Paroli bieten können! Irritierend auch, dass meinen älteren Bruder immer eine Art heimlicher Komplizenschaft mit dem seltsamen Heiligen aus dem Tannenwald verbunden hatte, obwohl: der Wald war doch ziemlich weit weg, von dort, wo wir wohnten, denn aus dem Steinhölzli-Wäldchen konnte er nicht stammen, das kannten wir, dort gab es kein Dickicht, in dem er sich das Jahr über hätte verbergen können…

An den Moment, da ich realisierte, dass es ihn nicht wirklich gab, kann ich mich nicht erinnern… aber das, was er uns gebracht hatte, die Mandarinen und die Erdnüsschen, blieben ein ersehntes Geschenk in der Adventszeit, so schlicht das Angebot aus heutiger Sicht auch war. – In meiner Studentenzeit habe ich selber oft und gern den Nikolaus gemacht für Kindergärten oder befreundete Familien, und habe meine verkappten Schauspiel-Ambitionen (mit Betonungen wie auf der Heinrich-George-Sprechplatte) in vollen Zügen hinter dem Rauschebart ausgelebt, dass die kleinen Knirpse ordentlich das Fürchten lernten!

Für die eigenen Kinder hatten wir Dritt-Kläuse verpflichtet, gerade um kein väterliches Vakuum entstehen zu lassen, und das Spiel dauerte noch an, als sie schon längst wussten, dass es ihn eigentlich nicht gab. Inzwischen hatte ja auch eine Getränkefirma den Esel und das Rentiergespann durch grosse rote Sattelschlepper ersetzt, die als lämpchenbesetzter Konvoi durch die TV-Landschaft kurvten. Fort ist der heimliche Zauber des allwissenden Rollenspiels mit dem goldenen Buch, die lauernde Gefahr, doch vielleicht in einen Sack gesteckt zu werden oder zumindest die Rute spüren zu müssen…

Nikolaus ist Kommerz geworden und die Menschheit knuspert sich durch Nussgebirge, auch ohne ein Verslein aufzusagen. Die Mandarinen haben keine Kernen mehr und die Mär hält sich hartnäckig, dass die Schokoladen-Kläuse in kurzer Zeit als Osterhasen wiedergeboren würden – allen industriellen Dementis zum Trotz.




4/12  Lebe länger

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:41

Menschen mit Übergewicht hätten eine kürzere Lebenserwartung. Wer gerne länger leben möchte, sollte also schauen, dass er sein Gewicht reduzieren kann. Längeres Leben geht einher mit leichterem Sein, zumindest was die Schwere des Körpers betrifft.

Da gibt es nun natürlich auch noch andere Formen der Leichtigkeit, im übertragenen Sinn. Zu denken etwa an Unterhaltungsprogramme oder an komödiantische Filme. Und schon sind wir beim Thema: wenn ein anerkannter und beliebter Kabarettist einen lustigen Film macht, dann wetzen die Kritiker die Messer. Sie legen die Latte hoch an und nehmen Mass bei Woody Allen oder Ernst Lubitsch… und giessen dann ihren Hohn, gepaart mit der ganzen Filmwissenschaft, über den Künstler aus.

So derzeit geschehen mit dem neuen Film von Lorenz Keiser Länger Leben, einer turbulenten Komödie um die Verlängerung des Lebens – nicht durch Abnehmen, sondern durch Organverpflanzung. Ich habe mich redlich amüsiert und hatte dabei die Qualifikationen von Szenekennern und Filmschaffenden im Ohr, die sich abschätzig und vernichtend äusserten, als müsste man sich wieder mal für den Schweizer Film schämen…

Es ist ein amüsantes Filmchen, mit kleinem Budget, ohne allzu grosse Ambitionen, aber mit vielen Überraschungen und soliden Schauspielern, gelegentlichen Längen zwar, aber eigentlich doch ein gutes Amüsement. Und ich bin froh, dass die Publikumsbewertungen klar positiver ausgefallen sind, nicht nur jene der Keiser-Fans. Ich wünsche dem Film ein zahlreiches und fröhliches Publikum, das sein längeres Leben auf Humor gründet.




3/12  Dick und lustig

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:48

Es ist ein relativ seltenes Phänomen, dass man über einen extrem dicken Menschen von Herzen lachen kann, ohne bitteres Gefühl in der Magengrube. Einer macht es möglich, anzutreffen ist er im diesjährigen Programm des Circus Conelli: der Clown Bello Nock.

Bello ist einer der weltbesten Akrobatik-Clowns aus USA, war mit den grössten Circus-Sshows auf Tournee und gastiert nun im Conelli-Programm auch in der Schweiz. Sein Auftritt setzt schon das Zeichen. In die Arena kullert und hüpft ein grosser Würfel. Diesem Würfel entsteigt ein Clown mit besenmässig aufwärts gekämmtem, steifem Haarschopf. Und wie er herasuskommt, bläst er sich selber auf, bis er zu einem kugelförmig aufgedunsenen Monstrum angeschwollen ist. Er sieht aus, als wöge er drei Tonnen… und doch hüpft er mit elastischer Behendigkeit durch den Raum, schlägt Purzelbäume, steht Kopf und straft seine vermeintliche Schwere Lügen… Er tut, was ihm keiner zutraut, in der Überraschung liegt die Komik der Situation, die jeden Vorwurf neutralisiert, man könnte über einen „Dicken“ lachen.

Als er sich später dann in ener ebenfalls überraschenden Nummer, in normal sportlicher Athleten-Postur vom Trapez stürzt, wobei sich der vermeintlich freie Fall als hinreissende Bungee-Jumping-Nummer erweist, ist er voll der sportlich aktive Artist, dem man mit offenem Mnd zusieht und der jedes irdische Gewicht abgelegt hat, so wie er durch die Luft fliegt. Ein Spektakel unter anderen, eine hinreissende Nummer, die den Zirkusbesuch lohnt.




2/12  Anreizend

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:37

Das neue Zauberwort heisst Nudge. Das ist Englisch und bedeutet so viel wie Stupsen, jemanden vorsichtig anstossen. Es wird neuerdings gerne verwendet im Zusammenhang mit Verhaltensänderungen: nicht durch Einschüchterung, Drohung oder moralinsaure Predigten sollen die Leute dazu gebracht werden, ein bestimmtes Verhalten aufzugeben und etwas anderes, allenfalls „Gesünderes“ zu tun, sondern durch ein diskretes Anstossen, einen kaum merklichen Impuls, der eine Aktion auslösen kann.

Ich stelle mir dabei eine feuchte Hundeschnauze vor, die an meine Hand anstösst, immer wieder, weil Bello Gassi gehen möchte bzw. muss. Oft bringt das dressierte Tierchen schon die Leine mit im Maul. – Anstupsen also als neue Maxime für Präventionsprogramme, die der Staat unter sein Volk bringen will, dabei an die Eigenverantwortung appellierend: man kann den Stupser aufnehmen und handeln – aber man muss nicht.

Diese Überlegung liegt auch einer Aktion zugrunde, die derzeit in England erprobt wird: Kinder und Jugendliche sollen motiviert werden, zu Fuss zur Schule zu gehen. Um ihnen diese körperliche Aktivität schmackhaft zu machen, werden Anreize geschaffen, in Form von Gutscheinen, sei es für Kinotickets oder für stylisches PC-Zubehör. Jeder zu Fuss zurückgelegte Schulweg bringt Punkte ein. Diese Punkte können gesammelt und dann gegen einen Gutschein getauscht werden. Damit will das neue konservative Regime in England deutlich machen, dass es sich abgewendet hat vom früheren „Nanny-State“ der Labour-Regierung, die dem Bürger seine Selbstverantwortung durch strikte Regelungen und Auflagen abgenommen hatte.

Anreize schaffen – an Stelle von Verboten… gut und recht. Was das Nudging in der Praxis bewirkt, muss sich erst noch weisen.




1/12  Google-Slim

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:50

Ein kleiner Artikel mit einer besonderen Gewichtsverlust-Geschichte: Da gabs einen Herrn namens Bob Mewse, 56, der vor einem Jahr sich selber auf Google Street View zu Gesicht bekam, wie er da so am Strassenrand stand. Er fand sich unförmig, plump, abstossend… Und nahm sich heftig vor, abzunehmen.

Mit sofortiger Wirkung verzichtete er auf seine bisherigen Leibspeisen wie Chips, Kuchen, Süssigkeiten und Fastfood, und ernährte sich fortan von Salaten, Gemüse mit Ballaststoffen, Früchten, mehr Eiweiss und weniger Fett… Und nahm innerhalb kurzer Zeit ab, unterstützut durch dreimal Sporttraining pro Woche.

Jetzt gefällt er sich, wenn er in den Spiegel schaut, und ist überzeugt, dass das, was er geschafft habe, jeder schaffen könne, denn er sei nur ein gewöhnlicher Kumpel und bei entprechender Motivation müsste das allen gelingen. Am besten, schlägt er vor, wäre es, ein Bild aus schlanken Zeiten immer bei sich zu haben und sich daraus immer wieder den nötiogen Kick zu holen, um die Umstellung in Ernährung und Bewegung durchzuhalten, wenn sich Versuchung und Schlenderian melden…

Gut für ihn, hat Google sein Bild nicht unkenntlich gemacht!




30/11  Essen verleiden?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 19:51

Heute ruft mich eine Zeitungsredaktion an. Ob ich schon gehört hätte, dass in Zürcher Kindergärten (oder war es die Unterstufen-Schule?) bei Geburtstagsfeiern der Kleinen keine Torten mehr verspeist werden dürften, sondern nur noch gesunde Lebensmittel? Und ob ich wüsste, ab dies auch andernorts so gemacht wird?

Das hatte ich noch nicht gehört, obwohl es mir dunkel ist, ich hätte mal etwas zum Thema gelesen. Was ich davon halte, war die Frage, unter dem Aspekt der Übergewichtsprävention? – Schwer zu sagen. „An sich“, setzte ich an, „an sich“ sei das wohl eine richtige Überlegung, dass die Kids schon früh an vernünftige Ernährung gewöhnt werden… „ABER“, schob ich einen bedeutungsvollen Vorbehalt nach, man müsste sich dabei wohl überlegen, ob nicht die Gefahr bestünde, dass durch eine solch puritanische (um nicht zu sagen zwinglianische) Praxis den Kindern jede Feier-Freude genommen werden könnte, so dass sich schliesslich die Idee vom „gesunden Essen“ in der kindlichen Wahrnehmung zwangsläufig verbinden müsste mit Enttäuschung, Frust und Wut über Lustentzug… Ab und zu etwas quasi Verbotenes geniessen dürfen, das müsste doch drin liegen! Zumindest solange die Klassen noch nicht so gross sind, dass dreimal pro Woche Geburtstag zu feiern ist.

Kaum hatte ich dies der Journalistin gesagt, wurde mir bewusst, dass ich mich auf dünnes Eis begab: Da hatte eine Behörde im Intreresse der Kindergesundheit einen zwar unbeauemen aber bedeutsamen Entscheid getroffen – und schon kommt der Adipositas-Mann, der eigentlich dankbar jubilieren müsste, und hat etwas zu Meckern! Wir versuchten dann gemeinsam, eine nicht allzu verfängliche Formulierung zu finden. Ich bin gespannt, was morgen in der Zeitung steht.

Um den Kids – und den Grossen – die Freude an ungesundem Essen zu vergällen, reicht es absolut aus, wenn man ihnen den kleinen Videofilm zeigt, den das Internet-Portal TODAYhealth gedreht hat über schlimme hygienische Zustände in amerikanischen Schnellimbissbuden.




29/11  Essensbilder

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:14

Das Auge isst mit und es muss eine direkte Verbindung geben zwischen dem Sehnerv und jenen Drüsen, die unseren Speichel reichlich in die Mundhöle fliessen lassen, sobald wir eine leckere Speise erblicken. Das Wasser läuft uns im Mund zusammen, heisst es dann so schön.

Das wissen die Lebensmittelfabrikanten und verwenden viel Energie darauf, per Inserat und Plakat ihre Produkte so lustverheissend wie möglich darzustellen. Dass dann der am Tresen erstandene Happen (ob es sich nun um ein Fastfood-Lokal oder ein angesehenes Personalrestaurant handelt, spielt keine Rolle) meist ziemlich anders aussieht, ist auch eine Erfahrung, die wir regelmässig machen können.

Der Fotograf Jon Feinstein hat einen interessanten Versuch gemacht: er hat verschiedene Speisen, die im Schnellimbiss angeboten und mit hübschen Plakaten beworben werden, quasi wie im Mikroskop zwischen Glasscheiben geklemmt und sie dann 1:1 fotografiert, weder verkleinert noch vergrössert, auch farblich nicht aufgemotzt – einfach so, der ganz alltägliche Food-Realismus. Damit hat er die amerikanischen Nationalgerichte, von verschiedenen Burgern bis zu Chickennugets, aus ihrem Mahlzeiten-Umfeld herausgelöst und bietet sie gewissermassen „nackt“, als Symbole der Ernährung, an, entmystifiziert sie, reduziert sie auf ihre Bestandteile und ihre Struktur… Appetitlich sehen einzelne von ihnen nach wie vor aus, aber die grosse Verführungskraft ist ihnen irgendwie abhanden gekommen. Es fehlt ja auch der Geruch.

Aber dass die Nase mit essen würde, habe ich nich nie gehört.




28/11  Fahrt nach Milano

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:43

Zwei Tage war ich in Mailand an einer internationalen Tagung und da mein Laptop mit Virenbefall das digitale Bett hütet und ich noch kein multifunktionelles Super-Ipod-Handy mit Netzzugang habe, blieb der Beitrag von gestern ungeschrieben.

Es war aber ein anregendes Treffen in einem gediegenen Fin-de-siècle-Hotel mit pronkvoller Ausstattung, Chinz an den Wänden und Marmor im Klo, getauft auf den Namen einen Schiffes, das Mitte der 50er Jahre als Stolz der italienischen Nachkriegsmarine galt und nach einer Kollision im Nebel unterging, wobei glücklicherweise bis auf vereinzelte Tote die über 1’600 Passagiere gerettet werden konnten: Andrea Doria.

Ich musste das zuerst auch in Wikipedia nachschauen und stellte mir während der ganzen Tagung die Frage, ob der Ort möglicherweise etwas Symbolhaftes an sich haben könnte… und wenn man so will, liesse sich durchaus entsprechend argumentieren. Es ging um ein Treffenvon acht verschiedenen nationalen Terre des hommes-Organisationen, Hilfswerke, die auf den gleichen Namen hören und auf den gleichen Gründer zurück gehen, und die schon seit Jahren darum gerungen haben, sich effektiver zu vernetzen, um schlagkräftiger zu werden in einer immer globalisierteren Welt, in der nur noch die Grossen und Starken überleben…

Will die Geschichte von der Andrea Doria uns sagen, dass zuerst das für stolz gehaltene Transportmittel kollidieren und unergehen müsse, damit die Passagiere gerettet werden und in die Geschichte eingehen können? Jedenfalls sind wir voller neuer Ideen für Reformen und Veränderungen wieder in die Neigezüge gestiegen, die uns durch die Kälte und den Gotthard nach Norden geschaukelt haben, feste Schienen unter den Füssen und kein Nebel in Sicht.