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Von Heinrich von Grünigen um 16:33 |
Nach dem Hunger kommt das Fett. Adipositas als nächste grosse Herausforderung für Afrika? Und was ist mit all den ausgemergelten, hungernden Kindchen, die von fast allen Hilfswerken in ihren Kampagnen vor den Spendenkarren gespannt werden? Was nach einem krassen Widerspruch klingt, ist es nicht. Jedenfalls nicht nach einem Bericht der FAO, der UNO-Division „Food and Agrticulture Organisation“. Deren Direktorin für Ernährung, Anna Lartey, kommt zum Schluss, dass eine Neu-Orientierung angezeigt ist: „Wenn wir an die Sub-Sahara-Länder in Afrika denken, dann fällt uns zuerst das Problem der Unter- und der Mangelernährung ein, aber in verschiedenen Ländern wie Südafrika, Kenya, Ägypten oder Ghana sind Übergewicht und Adipositas auf dem Vormarsch.“
Beides steht in fataler Nähe zu einander: Hungersnot und falsche, übermässige Ernährung nach „westlichem“ Vorbild. Aber das Problem ist als solches von den verantwortlichen Regierungen noch nicht erkannt. Übergewicht mit all seinen gesundheitlichen Risiken ist in aller Regel eine direkte Folge der erfolgreich bekämpten Hungersnot…
Für die Weltbevölkerung legt die Weltgesundheits-Organisation WHO integrale Zahlen vor: im Jahr 2014 waren 39% der erwachsenen Bevölkerung weltweit von Übergewicht betroffen, 13% im Adipositas-Bereich, das sind 600 Millionen! Die Adipositas-Epidemie ist global geworden, der neue Begrioff, der dafür geprägt wurde, heisst Globesity.
Die Suche nach den Ursachen geht weiter. Auch in den betroffenen Schwellenländern setzt sich die Erkenntnis durch, dass ein wesentlicher Faktor dafür die gezuckerten Getränke sind: Kinder in Südafrika nehmen pro Tag ganze 75 Gramm Zucker zu sich, das ist dreimal die empfohlene Maximal-Menge, und ein grosser Teil davon in flüssiger Form. Müsste man da nicht – nach dem Vorbild anderer Länder – eine Zucker-Steuer einführen? FAO-Direktorin Lartey ist skeptisch. Dies würde zur teilweise helfen, denn die reicheren Bevölkerungsschichten könnten sich den Zucker weiterhin leisten. Hilfreicher wäre, meint sie, eine konsequente und leicht verständliche Etikettierung, die es dem Konsumenten erlaubt, seine Entscheidung im Sinne der Gesundheit zu treffen.
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Von Heinrich von Grünigen um 15:30 |
Die Argumente sind wohl immer die gleichen. Beim Stöbern im Internet bin ich auf einen „alten“ Zeitungsartikel aus dem Jahre 2014 getossen, in dem es um die damals aktuell erhobenen bzw. publizierten Werte der Gesundheitsbefragung zum Thema Übergewicht und Adipositas ging. Die grafische Darstellung der statistischen Werte zeigte auf, wie stark die Bevölkerung der einzelnen Kantone betroffen ist, wo es die meisten und wo die wenigsten Dicken gibt. Dazu Erklärungsversuche von Fachleuten, warum es sich so und nicht anders verhält…
Die Fakten sind korrekt und bekannt. Bemerkenswert sind die Kommentierungen durch die Leserschaft, die im Anhang zum Artikel erfasst und zugänglich sind. Vorherrschend durch alle Facetten der insgesamt 77 Kommentare scheint die Meinung zu sein, dass die Gewichtszunahme der Schweizer Bevölkerung vornehmlich ein Problem der fehlenden Willenskraft bei den Dicken sei, sich beim Essen zu mässigen bzw. zu beherrschen…
Diese Erkenntnis ist ebenso erschütternd wie befremdlich: warum ist es uns in all den Jahren nicht gelungen, eine weitere Öffentlichkeit mit sachlicher Information davon zu überzeugen, dass die Adipositas-Problematik extrem vielschichtig und komplex ist? Dass das individuelle Verhalten und der persönliche Lebensstil zwar eine wichtige Rolle spielen, dass aber eine Reihe von fatalen Faktoren die Entstehung von Übergewicht begünstigen, die sich vom Einzelnen nicht oder kaum beeinflussen lassen? Dass es bei gegebener Veranlagung in vielen Fällen unmöglich ist, sich dem „Überlebenswillen“ seines eigenen Organismus‘ zu widersetzen?
Ich bin immer wieder erstaunt, wie leichtfertig und unbedacht der Begriff der „Selbstverantwortung“ ins Feld geführt wird, wenn es darum geht, von einer kollektiven Verantwortlichkeit abzulenken, die wir gemeinsam für unsere westliche Wohlstands-Zivilisation tragen. Die Aufklärungs-Arbeit geht uns noch lange nicht aus.
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Von Heinrich von Grünigen um 16:28 |
Beweislage einmal umgekehrt. Dass Übergewicht und Adipositas weltweit ein Unterschicht-Phänomen und deshalb in einer ärmeren Bevölkerung weiter verbreitet sind, ist hinlänglich bekannt. Nun hat eine spanische Forschergruppe nachgewiesen, dass ein Zusammenhang besteht zwischen den tatsächlichen Kosten für den Lebensmittel-Einkauf und der Qualität der erstandenen Nahrung.
Die Studie umfasste 2’000 Probanden, deren Lebens- und Essgewohnheiten im Jahr 2000 erfasst und anlysiert wurden. Neun Jahre später wurde die gleiche Gruppe nochmals „vermessen“, um das Resultat des registrierten Verhaltens zu überprüfen. Dabei zeigte sich, dass jene, welche in den neun Jahren mehr für ihr Essen ausgegeben hatten, insgesamt „gesünder“ gelebt hatten und dabei Gewicht verloren hatten, während jene, die am Essen sparten und für Lebensmittel weniger ausgaben, auch weniger gesunde Nahrung zu sich genommen und an Gewicht zugelegt hatten.
Die Analyse der Märkte zeigte zugleich, dass in dieser Periode zwischen 2000 und 2009 die Preise für Früchte und Gemüse angestiegen waren, während die Kosten für Junkfood und kaloriendichte, stark fetthaltige Produkte gesunken waren.
Diese empirische Erforschung des Kauf- und Essverhaltens unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen (in Spanien) bestätigte den Zusammenhang zwischen Budget und gesunder Ernährung. Welche Auswirkungen diese Erkenntnis auf die künftige Gestaltung der Agrarpolitik haben wird, muss Sache der politischen Willensbildung sein. Hierzulande ist es jedenfalls ein Faktum, dass der Bund die Vermarktung von Fleisch mit massiv höheren Mitteln unterstützt als den Absatz von Früchten und Gemüsen. Wer daran etwas ändern möchte, stösst sich den Kopf am Lobby-Beton wund.
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Von Heinrich von Grünigen um 18:04 |
Eigentlich sollte ich ja gefeit sein. Seit einem guten halben Jahr beschützt mich die wöchentliche Akupunktur-Session vor jeder Art von unbotmässigem Hungergefühl, kulinarischen Gelüsten zur Unzeit und allem, was mich vom korrekten Pfad der Ernährungs-Tugend abbringen könnte. Aber heute sah ich mich ernsthafter Gefährdung ausgesetzt – und bin erlegen.
Das kam so: am Morgen fuhr ich per Bahn nach Bern. Dort fand eine Film-Matinee statt, zum Gedenken an die Gründung eines „Filmclubs“, die vor fast 50 Jahren stattgefunden hatte und die von einer Gruppe junger, aufmüpfiger Filmjournalisten initiiert wurde. Ich war einer davon. Praktisch die ganze Gründercrew hatte sich zur Visionierung eines Films von früher eingefunden und wir haben in Erinnerungen geschwelgt an eine Zeit, in der Manches noch einfacher und trotzdem aufregend war…
Auf dem Heimweg im Bistro eine kleine Zwischenverpflegung, diätkonform, Fleisch und Salat, sonst nichts. Ich entschied mich für ein Stück Lamm-Entrecôte, klein aber fein. Bis ich sah, was am Nachbarstisch aufgetragen wurde: eine zierliche Dame erhielt eine mächtige Portion Spare Ribs vorgesetzt, von der sie gerade mal 4 Knöchlein abnagen mochte, um gute zwei Drittel der prachtvoll saftigen Fleischpakete wieder zurückgehen zu lassen! Ich verwünschte meinen Entscheid zu Gunstes des Lamms und ärgerte mich, dass ich die Rippchen auf der Speisekarte nicht gesehen hatte…
Auf der ganzen Heimfahrt im Zug verfolgte mich dieses Bild der ungenutzten Fleischmenge, die da wieder in die Küche getragen wurde und ich malte mir aus, wie ich den Schmaus genossen hätte, wäre er für mich bestimmt gewesen. So deutlich hatte ich die Erinnerung an den Anblick vor Augen, dass ich auch den Geruch und den Geschmack wahrzunehmen vermeinte, und als ich im Bahnhof Zürich an einem Hotdog-Stand vorbei kam, konnte ich nicht anders: Ich erkundigte mich, ob man auch eine Wurst ohne das Brötchen kaufen könnte, solo, nature, gewissermassen… Ja, meinte der Verkaufer, aber er müsse mir trotzdem den vollen Preis berechnen. Das bewahrte mich zum Glück vor dem Fehltritt.
Als dann allerdings die Strassenbahn an der heimischen Endstation direkt vor dem neu eröffneten Hähnchen-TakeAway anhielt, was es definitiv um mich geschehen. Die Versuchung hatte den Nadel-Effekt nieder gerungen! Mein Essens-Sensorium ist noch nicht abgestorben. Aber es darf auf keinen Fall zur Gewohnheit werden.
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Von Heinrich von Grünigen um 15:20 |
Der morgendliche Schritt auf die Waage ist immer mit Spannung verbunden. Wie schlägt mein Verhalten von gestern zu Buche? Rächt es sich, dass ich mich nicht strikt an die Regeln gehalten habe? Oder zahlt es sich aus, dass ich „brav“ gewesen bin? War die „Sünde“ lässlich oder erweist sie sich als fatal? Und dann die befriedigende Erleichterung, wenn die Zahl im Display wieder etwas kleiner geworden ist. Flink wird sie in die Tabelle eingetragen, die mit Klebestreifen innen am Kleiderschrank befestigt ist. Und der Blick geht befriedigt zurück zu früheren Daten.
Darüber, wie oft man sich wägen soll, gehen die Meinungen ja auseinander. Einmal pro Woche sei ausreichend, so die vorherrschende Meinung in Abnehm-Ratgebern. Ich erinnere mich aber auch an eine Studie, die ergeben hat, dass Personen, die täglich auf die Waage steigen, erfolgreicher sind bei der Gewichtskontrolle, weil sie dann eben eine Abweichung sofort zu Gesicht bekommen und rasch reagieren können.
Heute Morgen habe ich – Traraaaaa! – erstmals seit Jahren (wenn nicht Jahrzehnten) die 130-er Marke nach unten durchbrochen und den 50-Kilo-Jackpot geknackt. Ich habe damit meinen BMI von ursprünglich 53,4 auf 38,5 reduziert. Das ist zwar adipositasmässig immer noch sehr viel, aber immerhin habe ich 15 BMI-Punkte nach unten geschafft!
Ich versuche mir die „verlorenen“ 50 Kilo als materiellen Gegenwert bildlich vorzustellen. Das wäre eine Beige von 500 Buttermödeli à 100 Gramm. Oder zwei Säcke Regenerationssalz à 25 Kilo, die ich nur mit grösster Mühe ins Auto hieven kann, wenn der Wasserenthärter im Ferienhaus wieder mal aufgefüllt werden muss. Unvorstellbar, das ich diese Last all die Jahre mit mir herumgeschleppt habe, von früh bis spät, treppauf und -ab… kein Wunder, war ich damals schon in der Frühe schlapp und am Abend halbtot.
Eine markante Gewichtsgrenze ist geknackt, durchbrochen. Jetzt muss es mit voller Energie weiter gehen. Die Skala auf der Waage hat nach unten noch Raum. Das motiviert.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:02 |
Es ist bekannt, dass gewisse Krebsarten durch Adipositas begünstigt werden können. Nun hat die internationale Organisation zur Krebsforschung ein Online-Tool publiziert, das Aufschluss gibt über weltweite Fakten zum Zusammenhang zwischen Körperfett und Krebs.
Unter anderem wird dargelegt, wie viele Todesfälle infolge von Krebs sich im Jahr 2012 hätten vermeiden lassen, wenn die Verbreitung von Adipositas auf dem Stand von 1982 fixiert geblieben wäre. Es sined -zig Tausende.
Interessant ist eine Weltkarte mit der Auflistung der prozentualen Anteile der Krebserkrankungen, die durch Adipositas beeinflusst waren. Für die Schweiz beträgt dieser Wert 4,4 Prozent, sie liegt damit im europäischen Schnitt.
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Von Heinrich von Grünigen um 18:01 |
Die Welt wolle betrogen sein, sagt man. Das ist vielleicht einer der Gründe, weshalb man in unseren Breitengraden bisher – mit sehr geringem Erfolg – versucht hat, das nahrhafte, günstige und nachhaltige Protein von Insekten nur in abgewandelter, quasi veredelter und verarbeiteter Form unter die Leute und in die Mäuler zu bringen. Tests mit Insektenkost, meist per Grusel-Effekt medial ausgewertet, stiessen noch kaum je auf grossen Widerhall. Experimentelle Show-Verkostungen erregten vielleicht Aufsehen, blieben aber ohne grosse Auswirkungen auf den Speiseplan.
Das Jungunternehmen Entoma in Frankreich hat letztes Jahr einen anderen Weg beschritten. Es besann sich auf glasklare Transparenz und Produkte-Ehrlichkeit: wo Heuschrecken drin sind, sollen auch Heuischrecken draufstehen. So wurden die ganzen Grashüpfer als solche zu einem knusprigen, aromatisierten Apéro-Snack frittiert, in natürlichen und gängigen Aromen wie Curry, getrocknete Tomaten, Pfeffer, Sesam, Kümmel und Knoblauch. Die wohlschmeckenden, exotischen Knabbereien stiessen auf Interesse und Nachfrage. Sie wurden von Gourmet-Bloggern gepriesen und fanden Eingang in Szenelokale und angesagte Shops. Der Erfolg übertraf alle Erwartungen, wie die Ernährungsplattform Food Navigator berichtet. Das Produkt wurde zur jahresbesten Innovation im Foodbereich gekürt.
Die positive Resonanz ermutigte die Hersteller, neue Angebote zu entwickeln. Auf der Basis ihrer erfolgreichen Technologie, aber noch im Stil der bisherigen „kaschierten“ Nährstoffe wurde ein Eiweiss-Riegel aus Heuschreckenmehl ausgetüftelt. Zu dessen Herstellung werden allerdings neue Produktionsanlagen benötigt, für die zuerst das erforderliche Geld aufgetrieben werden musste. Die Geldsuche verlief über Erwarten positiv, so dass in diesem Jahr die Herstellung eines Power-Riegels für Sportler in Angriff genommen werden kann, unter Verwendung von Insekten-Eiweiss.
Keine Frage: auf der Basis der Cuisine Française haben die Krabbeltiere eine gute Chance, unseren Menüplan zu erobern. Die Gourmet-Verführung wirkt offenbar besser als der rationale Appell an unser Umwelt- und Nachhaltigkeits-Bewusstsein.
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Von Heinrich von Grünigen um 16:13 |
Zugegeben, es ist ein etwas grenzwertiges Thema. Da berichtet heute die Gratiszeitung, die am Morgen in den Boxen liegt, auf Seite 9 über eine Sexologin, die der Männerwelt den Rat erteilt, man solle „im Stehen pinkeln“, weil es die Männlichkeit und das Selbstwertgefühl stärke, wenn der Pinkler sein Glied mit der Hand ergreifen und den Strahl dirigieren könne…
Eine kleine Recherche zeigt, dass diese Empfehlung ursprünglich aus einem ganz anderen Zusammenhang kommt, aus dem sie – reichlich fahrlässig – herausgelöst worden ist: Quelle für diese Aussage ist ein längerer Beitrag in der Zeitschrift „Wir Eltern“ mit dem Titel „Das Kind – ein sexuelles Wesen“, im welchem gezielte Antworten auf Fragen gegeben werden, die sich Eltern stellen, wenn sie das Verhalten ihrer Kinder in verschiedenen Phasen des Heranwachsens beobachten.
Eine der Fragen geht dahin, ob man kleinen Buben, die gerade lernen, auf die Toilette zu gehen, von Anfang an beibringen solle, ihr kleines Geschäft im Sitzen zu verrichten – oder im Stehen. Darauf sagte die Expertin unter anderem das, was das Gratisblatt herausgepickt hat. In diesem Zusammenhang macht es natürlich Sinn, über das sensuale Erfahren und Erlernen bestimmter Körperfunktionen nachzudenken. Aber nach der ersten Zeitungslektüre habe ich für mich ziemlich hinterhältige Gedanken angestellt:
Wenn es tatsächlich für das Erleben wahrer, echter Männlichkeit von so grosser Bedeutung ist, dass man sein Wasser im Stehen abschlägt, dann sind die Adipositas-Betroffenen einmal mehr die Gelackmeierten und die von der tiefen Selbstfindung Ausgeschlossenen! Wenn die Fettschürze bei 150 Kilo und mehr so weit nach unten hängt, dass man sein Zipfelchen nicht nur kaum mehr ergreifen kann, sondern dass es sich auch nicht mehr durch den Hosenschlitz ziehen lässt, dann bleibt nur noch das im korrekten Leben generell empfohlene Sitzen auf der Toilette! Da ist es auch aus mit dem „visuellen Kontakt“, den die Expertin preist.
Mutter (oder Vater) sollen dem kleinen Buben überdies zeigen, wie man einen verspritzten Toiletten-Ring reinigt, empfiehlt die Sexpertin, weil Frauen und Mädchen gerne auf einen sauberen Ring sitzen würden. Das ist ein gut gemeinter Rat. Besser wäre allerdings, man würde den Mini-Pinklern beibringen, wie man den Ring hochklappt, wenn schon.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:16 |
Es ist nur ein kleines Requiem. Schliesslich ist es auch nur ein kleiner Wagen: ein Wägelchen. Was haben wir in den Zügen darauf gewartet, dass „es“ vorbei kommt, von weitem schon mit einladendem Zuruf, wenn die automatische Wagentür aufgeht: „Kafimineraalsändwich!!!“ Und wenn man Glück hatte, kam es noch bevor der Intercity in Bern über die Brücke einfuhr, sofern man von Zürich her kam.
Die rollende Zugsverpflegung hat im Lauf der Jahrzehnte mehrere Wandlungen durchgemacht. Ich weiss noch, dass wir als junge Menschen sogar mit dem Gedanken gespielt haben, selber mal als Wägelischieber tätig zu werden, um in den Ferien das Sackgeld aufzubessern… aber die Firma hatte einen schlechten Ruf. Auf der Seite trugen die mobilen Verkaufstresen damals die Aufschrift „ENK“… was spöttisch ins Gegenteil interpretiert wurde: „Ein Netter Kerl“…
Der Adipositas-Spezialist Dr. Horber sagte mir einmal, wenn man in den SBB-Wägeli nur noch Sandwiches mit fettrerduziertem Streichbelag verkaufen würde, könnte man einen wesentlichen Beitrag gegen die Übergewichtsepidemie leisten. Ich kannte zu dieser Zeit den Chef des Unternehmens aus dem Militärdienst und leitete das Anliegen weiter…
Die Revolution fand statt, als die Wägelchen umgerüstet wurden zu High-Tech-Transportern, die sich mit Laserlicht ihren Weg durch die engen Passagen zwischen den Sitzen bahnten und die vor allem über Kaffeekapsel-Maschinen verfügten, so dass die elende Filter-Plörre einem guten Espresso Platz machen konnte…
Und nun soll es also fertig sein mit dem Wägeli-Service in den Intercity-Zügen. Kein Wunder, wurden doch in den letzten Jahren die Bahnhöfe rgelrecht überschwemmt und zugebaut mit Take-Aways, Futterständen, Wurstbuden, Kaffee-Buchten, Donut-Läden, Brezelkönig-Shops und amerikanisch angehauchten Futter-Verkäufern ohne Zahl.
Der flächendeckende Ausbau der Verpflegungsmöglichkeiten in unseren grossen Bahnhöfen ist für mich das erschlagende Symbol für die hemmungslose Verführung zu immer mehr Kalorien-Konsum „on the road“ und letztlich das Abbild einer verfetteten Reisegemeinschaft. – Kein Wunder, sind da die kleinen, bescheidenen Wägelchen buchstäblich auf der Strecke geblieben.
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Von Heinrich von Grünigen um 16:46 |
Gestern wurden in USA die „Dietary Guidelines 2015-2020“ publiziert. Also die nationale Ernährungspolitik mit Empfehlungen zum Essverhalten der Amerikaner. Die neuen Richtlinien waren von interessierten Kreisen mit Spannung erwartet worden. Sie sind – das war nicht anders zu erwarten – im Endeffekt das Produkt von zahlreichen Kompromissen im Widerstreit der Interessen zwischen einer gesundheitsbewussten staatlichen Autorität und einer auf Profit ausgerichteten Lebensmittelindustrie und mächtiger Lobbyorganisationen.
Entsprechend kritisch wird das Resultat beurteilt. Erstmals wird zwar in den neuen Richtlinien explizit empfohlen, die KonsumentInnen sollten ihren Verzehr an „zugefügtem Zucker“, an Transfetten, an Salz einschränken und sich generell ausgewogener verpflegen… Aber das geht besorgten Ernährungswissenschaftlern wie etwa Marion Nestle zu wenig weit bzw. ist zu unpräzise und zu verallgemeinernd, wenn nicht gar zu schönfärberisch.
Statt Ross und Reiter zu benennen würden die verschiedenen Faktoren, welche die Gesundheit beeinträchtigen und namentlich zur Adipositas-Epidemie beitragen, nur indirekt angesprochen. Mit „zugefügtem Zucker“ wären eigentlich die Süssgetränke gemeint, deren Konsum massiv eingeschränkt werden müsste, hinter den „Transfetten“ würde sich vor allem das Fleisch verbergen, von dem deutlich weniger konsumiert werden sollte, und beim Hinweis auf den zu hohen Salzverbrauch gehe es vor allem um die weit verbreitete Fast-Food-Kultur… – Insgesamt – so Nestle – zeigten die neuen Richtlinien, dass sich die Food-Lobby gegenüber dem Gesetzgeber erfolgreich durchgesetzt habe.
Für die Obesity Action Coalition OAC – das US-Pendant zu unserer Stiftung – ist es wenigstens ein Schritt in die richtige Richtung, wie sie, unter Verweis auf einen Hintergrunds-Bericht der New York Times, feststellt. Wer pragmatisch denkt, kann sich dieser Betrachtungsweise anschliessen. Eine vertiefte Analyse der Vorgaben lohnt sich.
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