8/2  beobachtet

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:16

Ein Beobachter-Artikel wühlt die Adipositas-Szene auf. Jedenfalls jene, die sich einem chirurgischen Eingriff unterzogen haben. Die Operation – sei es Magenband oder -Bypass – ist ein massiver Eingriff, zu dem sich kaum jemand leichtfertig entschliesst. Oft ist es die letzte Zuflucht, an die man sich klammert, nach einem qualvollen Leben des Auf und Ab am Gewichts-JoJo, wenn der Körper so schwer geworden ist, dass das Übergewicht lebensbedrohliche Formen angenommen hat.

Seriöse Kliniken bereiten PatientInnen lange auf den Eingriff vor, wenn er denn als einzige Möglichkeit erkannt wird. Und nach der Operation muss das Verhalten – vor allem beim Essen – der neuen Situation sorgfältig angepasst werden. Das macht eine enge Belgeitung und regelmässige Kontrolle nötig, wenn sich nicht Komplikationen einstellen sollen. Wer meint, nach einer Operation sei er seine Übergewichts-Sorgen einfach los, der täuscht sich und dürfte nicht operiert werden.

Aufgrund der eindrücklichen Schilderung von Eingriffen mit nachfolgenden Komplikationen entsteht beim Lesen des Artikels der Eindruck, es handle sich hier um eine Therapie, die noch unausgereift sei und von skrupellosen Geschäftemachern ihrer Klientel aufgeschwatzt werde… Das ist eine fatale Verzerrung der bestehenden und in der Praxis dokumentierten Wirklichkeit.

Unbestritten: es gibt Komplikationen (eine Studie in der Westschweiz, über die ich hier früher schon berichtet habe, spricht von ca. 30 %), wie es sie bei jeder vergleichbaren operativen Behandlung gibt, denn durch den Eingriff kann eine neue, labile Situation entstehen, in er man Erfolg oder Misserfolg durch das eigene Verhalten mit beeinflussen kann. Und nicht jeder Organismus reagiert in gleicher Weise auf die vorgenommene Veränderung.

Da sind auf der einen Seite jene Patienten und Patientinnen, denen der Eingriff ein neues Leben geschenkt hat, die gewisse Beeinträchtigungen gerne in Kauf nehmen, weil ihr neues, „schlankes“ Dasein für sie ein enormer Gewinn ist. Da gibt es aber auch Leute, die selber an den negativen Folgen eines solchen Eingriffs leiden, sich zurückgezogen haben, und die sich nun durch den Artikel endlich bestätigt sehen, dass sie nicht allein sind, dass es andern auch so ergangen ist. Und schliesslich sind da die Mediziner, die ihren Job ernst nehmen und alles zum Patienten-Wohl vorkehren… und die sich duch den Artikel nun in ihrer beruflichen Ehre verunglimpft sehen, weil sie pauschal in eine Pfuscher-Ecke gestellt werden, vor allem durch ein mehr als unbedarftes Statement von Erika Ziltener, Präsidentin des Dachverbandes Schweizerischer Patientenstellen.

Adipositas-Chirurgie ist von allen Therapien die einzige, die bisher international eine nachhaltige Erfolgsbilanz aufzuweisen hat. Misserfolge gibt es und sie dürfen nicht kleingeredet werden. Aber sie stehen in keinem Verhältnis zu den 85 Prozent Misserfolg bei der sogenannt „konventionellen“ Therapie mit Ernährungsumstellung, Bewegung und Medikamenten. In Adipositas-Kompetenzzentren wird sie verantwortungsvoll und umsichtig angewendet. Das publizistische Hochspielen und Verallgemeinern von Misserfolgen bringt vor allem denen nichts, die als letzte lebensrettende Hoffnung auf einen Eingriff angewiesen sind.




7/2  Essen mit Gefühl

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:03

Einst, als man uns das Leben leben lernte, hat man uns beigebracht, dass rare Leckerbissen „mit Verstand“ zu essen seien. Was dies genau heissen mochte, hat sich der kindlichen Wahrnehmung nicht immer erschlossen. Von einem Zeitgenossen weiss ist, dass er lange Jahre der Meinung war, dies würde bedeuten, dass man zum Beispiel eine köstliche Praline im Mund mit der Zunge ganz hoch an den Gaumen drücken müsse, damit sie dem Gehirn – also dem Sitz des Verstandes – so nah wie möglich sei…

Die Aufforderung, etwas „mit Verstand “ zu essen, wollte dazu ermuntern, sich beim Genuss doch bitte zu vergegenwärtigen, dass es eine solche Leckerei nicht häufig und nur in kleiner Menge gebe, so dass sie voll und ganz auszukosten sei.

Was nun aber das Essen „mit Gefühl“ betrifft, so hat wohl jeder und jede in unterschiedlichen Lebenssituationen ganz persönliche Erfahrungen gemacht. Dass allerdings bei Glück und Trauer generelle und überprüfbare Verhaltensmuster gelten, das hat ein kleines Experiment in Amerika gezeigt:

38 junge Menschen wurden in unterschiedliche Filme gesetzt. Die einen guckten einen fröhlichen, lustigen Film („Sweet Home Alabama“), und die andern einen traurigen Depressionsklassiker („Love Story“). Während die Filme liefen, standen den Probanden Popcorn und andere Knabbereien zur freien Verfügung. – Das Resultat: das Publikum des Trauer-Streifens vertilgte im Schnitt 36% mehr Popcorn als die Fun-Fraktion.

Nachdem man alle über Nährwert nd Fettgehalt der verarbreichten Zwischenverpflegung aufgeklärt hatte, stabilisierte sich der Konsum bei beiden Gruppen auf der selben Höhe. – Diese Erkenntnisse sind vielleicht nicht spektakulär, aber sie belegen – einmal mehr – dass unser Essverhalten von unseren Gefühlen beinflusst wird… und dass es grundsätzlich möglich ist, mit richtiger Information und mit Aufklärung dieses Verhalten zu beeinflussen. – Ist doch ein Lichtschimmer.




6/2  Kein Entrinnen?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:36

Das ist die gute Nachricht: letzte Woche hat das europäische Parlament einen Bericht verabschiedet, wie der Adipositas zu begegnen sei. Dieser folgt in vielen Punkten den Empfehlungen, die von der Gesundheitsministerkonferenz der WHO in Istanbul im vergangenen November beschlossen worden sind.

Damit kann die Schweiz jetzt endlich handeln. Die zuständigen Instanzen haben in letzter Zeit immer wieder durchblicken lassen, dass es kaum lohne, aus eigener Initiative zu viel zu unternehmen, wenn ja dann doch konkrete Massnahmen auf europäischer Ebene vorgeschlagen würden. Das wird nun im Detail zu betrachten sein.

Wesentliche Inhalte sind:
– dass Adipositas endlich überall offiziell als Krankheit anerkannt wird
– dass die Nahrungsindustrie dazu angehalten werden soll, freiwillig auf Werbung für bestimmte Produkte zu verzichten, die sich an Kinder richtet (der entsprechende „Entscheid“ von Masterfoods, von dem gestern hier die Rede war, ist also nicht ganz ohne Anlass erfolgt…)
– wenn dies nicht geschehen sollte, müssten Richtlinien erlassen werden
– Verbraucher-Aufklärung wird gefordert
– ebenso eine Motivation zu mehr Spiel und Bewegung für Kinder
– und ernährungsbewusste Angebote in der Schul-Verpflegung

Wird jetzt alles gut? Läuft jetzt die Anti-Adipositas-Maschinerie mit europäischer Präzision ab und sorgt für klare Verhältnisse und eine Trendumkehr? – Wenn es denn nur so einfach wäre! Im Alltag umzingeln uns weiterhin Fallstricke, die Konsequenz und individuelle Reaktion erfordern. Und das läuft ganz still und leise ab:

Quasi über Nacht ist im Bahnhof Oerlikon, den ich täglich zweimal passiere, am Eck in der Unterführung ein neuer Stand der Firma Brezelkönig installiert worden. Und da liegen sie nun in der Auslage, die dunkelbraunen, frisch ausgebackenen Laugenbrezeln, mit allerlei Zutaten bestreut, gefüllt mit Käse, Salami, Schinken, gebuttert… Ihr verführerischer Duft durchströmt den ganzen Bahnhof und weht bis auf die Strasse (wo noch der mobile Schoko-Gipfel- und Latte-Macchiato-Stand steht). Neben den Brezeln liegen die Laugensandwiches und steht die Hot-Dog-Maschine… und die Passanten bilden eine Traube, auf ihrem Weg zum und vom Zug, und ich frage mich: haben die daheim kein Frühstück gehabt? und kriegen sie kein Abendbrot?

Oder ist diese fliegende Verpflegung im Bahnhofs-Durchgang nur ein weiterer zusätzlicher Snack, um die Zeit bis zur nächsten Hambugerbude (McDonald’s und Burger King sind in wenigen Schritten zu erreichen) zu überbrücken? Dass Laugenprodukte punkto Nährwert-Gehalt unter den Backwaren nicht den besten Platz belegen, ist bekannt… Dass ihr Inhalt bei Manchen relativ rasch auf der Hüfte landen wird, dürfte Tatsache werden.




5/2  Werbeverzicht

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 21:14

Da kam heute die Meldung durch, dass einer der international grössten Foodproduzenten im Süsswarenbereich, Masterfoods, der u.a. Mars sowie m&m’s, Milky Way, Twix und Snickers herstellt, aus freien Stücken darauf verzichtet, die Werbung für seine Produkte an Kinder unter 12 Jahren zu richten.

Damit vollzieht der Konzern eine Massnahme, die ganz oben auf der Wunschliste in der europäischen WHO-Charta zur Bekämpfung der Adipositas steht. Und er tut dies, ohne dass zuvor eine Regierung eine entsprechende Regulierung beschlossen hätte. Das ist praktisch und gibt ein gutes Image. Und vielleicht inspiriert es andere zum Nachahmen.

Allerdings: es ist nur eine Massnahme von vielen, die nötig sind, um unsere Umwelt – und die unserer Kinder – so zu verändern, dass das Risiko kleiner wird, an Übergewicht zu erkranken. Ein lobenswerter Anfang… vielleicht. Skeptiker mögen einwenden, dass der Markt und seine Mechanismen sich nicht so ohne weiteres überlisten lassen. Dass es in der Natur der Werbung liegt, dass über kurz oder lang ganz neue Strategien zum Einsatz kommen werden. Dass sich die Werbung gar nicht mehr direkt an Kinder richten muss, sondern dass man mehr erreicht, wenn man die Eltern davon überzeugen kann, dass sie ihren Kleinen einen Gefallen tun, indem sie ihnen bestimmte Produkte kaufen und verabreichen…

Solche Umweg-Werbung haben wir doch schon gesehen, z.B. für Fruchtzwerge, Toffi-Fee oder Kinder-Überraschung… wo plötzlich die Muttis angesprochen und werbemässig in die Pflicht genommen werden. Der Blick auf den Bildschirm wird es weisen, ob die Firma ihren eigenen Claim von der „totalen Verantwortung“ auch wirklich ernst meint.

Sofern dieser Claim Nummer 2 (in Grün) nicht mit Claim Nummer 5 (in Blau) kollidiert, der da besagt: We need freedom to shape our future; we need profit to remain free. (Zu Deutsch: Wir brauchen Freiheit, um unsere Zukunft zu gestalten; wir brauchen Profit, um frei zu sein.) Eine mehr als deutliche Botschaft, die manches erklärt und allzu grosse Hoffnungen dämpft.




4/2  Eine Kasse

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:29

Merkwürdig: das Abstimmungsdatum rückt näher… und es ist noch reichlich still im Blätterwald. Ein kurzes Rauschen hat die Information verursacht, wonach es Krankenkassen gibt, die Prämeingelder in Abstimmungspropaganda investiert haben sollen…

Ich habe mir meine Meinung noch nicht so richtig bilden können. Vielleicht bin ich zu konservativ: ich halte nichts vom alljährlichen Kassen-Hopping, wo man – wie einst die Kopflaus in der Schule – um einiger Batzen willen zum „billigeren“ Versicherer abspringt, worauf dieser dann im kommenden Jahr mit Sicherheit die Prämien erhöht… so dass man flugs weiterhüpft zum nächstbilligeren Anbieter.

Das verursacht sinnlose Verswaltungsakte und Administrationskosten, die wir letztlich wieder entweder über die Prämien oder über eingeschränkte Leistungen selber berappen. Ich bin „meiner“ Kasse durch all die Entwicklungen hindurch treu geblieben, obwohl sie, die einst zu den besten und günstigsten zählte, sich inzwischen preislich im Mittelfeld befindet.

Aber wenn ich mir so vorstelle, wie viele verschiedene Kassen es in der Schweiz gibt, grosse, mittlere und kleine, von denen jede in einem schönen Prunkbau residieren will, jede ihre eigenen Druck- und Werbesachen auf den Markt wirft, jede ihrem CEO einen meist mehr als anständigen Lohn zahlt… dann habe ich das Gefühl, dass wir da hoffnungslos überorganisiert sind. Alle müssen in der Grundleistung das Gleiche bieten, so will es das Gesetz. Wie kommt es dann, dass ihre Tarife so unterschiedlich sind?

Ich habe mich, wie gesagt, noch nicht genügend mit der Materie, den Pros und Contras, befasst, um mir schon eine Meinung gebildet zu haben, die ich auf einen Stimmzettel schreiben könnte. Offenbar gibt es in der Bevölkerung noch mehr von meiner Sorte. Vielleicht hat jemand gute, einleuchtende Argumente dafür oder dagegen, die er hier im Kommentar anfügen könnte?




3/2  Kleopatra von innen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:51

Man sollte die Leute wieder vermehrt dazu bringen, naturbelassene Lebensmittel zu verarbeiten und zu konsumieren. Industriell gefertigte und jederzeit verfügbare, auf Haltbarkeit ausgelegte Nahrungsmittel könnten negative Auswirkungen auf unser ganzes Stoffwechselsystem haben und somit in der Übergewichtsproblematik eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen.

Frisch vom Bauern kaufen, lautet die Devise, oder vom Marktstand, wo es noch Krumen an den Karotten hat und Sand im Salat. Denn das sei – so habe ich es heute in einem TV-Wissensmagazin gesehen – für die Stärkung des Immunsystems von entscheidender Bedeutung.

Aber dann lesen wir, dass der französische Nahrungsmulti Danone noch in diesem Monat ein neues Produkt in die Làden bringen will (vorerst im Frankreich und Spanien, im März dann in Italien und Belgien). Das Produkt heisst Essensis, und wenn man den Namen zum ersten Mal hört, denkt man wohl eher an ein Kräuterschampoo, an ein Parfüm oder einen Lufterfrischer… Aber es ist ein Yoghurt-Drink, der schön machen soll.

Ein Milchprodukt, dessen Konsumation – einen Monat lang muss man es schon nehmen, wenn es wirken soll – den KonsumentInnen Schönheit verleiht! Schönheit, die aus dem Innern des Körpers kommt, da der Drink mit besonderen Wirkstoffen die Zellen der Oberhautschicht ernährt…

Ich bin ja nur ein Laie, und ich habe mir bis jetzt immer eingebildet, der beste Weg, um meine Haut zu ernähren und schön zu halten, sei es, eine gute Creme aufzutrgen und einzureiben, von der langerprobten in der blauen Dose bis zu der Salbe, die auch norwegische Seeleute verwenden… ganz abgesehen von den wunderbaren Pasten, denen man im TV-Spot direkt zuschauen kann, wie sie schrumpeliges Altweiberleder in Sekundenschnelle in eine Teenie-Pfirsichbacke verwandeln.

Wenn ich mir jetzt vorzustellen versuche, dass die gleichen – oder doch ähnliche – Wirkstoffe, die die Haut glätten, in einem Yoghurt-Drink in den Magen gelangen, von dort durch den Darm in den Körper, dass sie dann Adern und Kapillaren durchwandern müssen, bis sie an ihrem Bestimmungsort, der Haut, angelangt sind… dass sie vorher noch die Leber durchquerten, in der Lunge mit dem Sauerstoff zu tun hatten, die Nieren passieren mussten… (und dabei vielleicht auch noch die Haut der inneren Organe polierten, was weiss man schon?)… dann kommt mir dieses Projekt reichlich absurd vor und ich wäre froh, wenn mir ein gelernter Stoffwechsespezialist in einfachen Worten erklären könnte, dass ich das falsch sehe.

Danone jedenfalls verspricht sich von diesem Produkt, das in drei Aromen erhältlich sein wird, einen Umsatz von 100 Millionen Euro, zunächst. – Kleopatra, so viel man weiss, hat in Eselsmilch gebadet. Die hat von aussen gewirkt. Nun soll die Milch also von innen wirken. Fragt sich nur: Wo bleiben die Esel?




2/2  Blinde Eltern

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 21:59

Wir sassen heute Nachmittag im kleinen Fernsehstudio von Ringier-TV für die Aufzeichnung der Diskussionsrunde Standpunkte von Samstag und Sonntag. Eine runde Stunde hatten wir Zeit, ausgehend von der aktuellen Kampagne von Gesundheitsförderung Schweiz die ganze komplexe Thematik der Übergewichts-Epidemie zu diskutieren.

Wir, das waren Dr. med. Bettina Isenschmid, Dr. med. Josef Laimbacher, Dr. med. Bertino Somaini (Direktor Gesundheitsförderung Schweiz) und ich, sozusagen als unmedizinisches Weltkind in der Mitten… Nein, in der Mitte sass Hannes Britschgi und moderierte. Und wir waren uns nach einem ausgiebigen Tour d’horizon einig: die Umkehr muss in der Familie beginnen. Wenn Kinder nicht zu dick und später adipös werden sollen, müssen sie früh lernen, sich richtig zu ernähren und sich ausreichend zu bewegen. Vorbild ist die Familie. Oder sollte sie sein. Josef Laimbacher hat im Raum Ostschweiz ein wegweisendes Modell entwickelt, Kinder im Gleichgewicht, das für kommende Lösungen schweizweit ein Muster sein könnte.

Aber es braucht noch viel, um dieses Ziel zu erreichen. Denn der Teufel steckt im Detail. Und das beginnt zum Beispiel damit, dass vielen Eltern das Sensorium fehlt für die Probleme ihrer Kinder. Das ist menschlich und verständlich. Eine aktuelle Studie aus Australien hat das erneut gezeigt:

1’200 Familien in Melbourne wurden befragt, wie sie denn das Gewicht ihrer Kinder einschätzten. Eltern von 5-6jährigen haben dabei zu 90% gesagt, ihr Kind sei normalgewichtig, obwohl es deutlich Übergewicht hatte oder gar adipös war. 63% der Eltern von 10-12jährigen erlagen dem gleichen Irrtum.

Viele Eltern werden sich des Problems erst bewusst, wenn ihr Kind in der Schule gehänselt wird – dann ist es aber oft schon zu spät. Und ähnlich verhält es sich mit der Meinung der Eltern, sie sorgten in der Familie für gesunde Ernährung und genügend Bewegung… auch hier zeigt sich, dass die Selbsteinschätzung und die gelebte Praxis zum Teil weit auseinander klaffen. – Wenn also Eltern, die im Kampf für ein gesundes Kindergewicht eine zentrale Rolle spielen, diese Rolle verantwortungsbewusst übernehmen sollen, müssen sie umfassend informiert und dauerhaft motiviert werden. Hier sind wir alle in mehrfacher Hinsicht gefordert.




1/2  Die Mandel

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:27

Wir trafen uns in Bern, in der Lobby des Hotels Bellevue-Palace, neben der Bar, in der während den Sessionen schon so viele Politkomplotte geschmiedet worden sind. Es ging darum, mit einem Pharma-Anbieter die Möglichkeiten für eine Sponsoring-Partnerschaft auszuloten.

Wir bestellten Mineralwasser. Und die Bedienung brachte dazu ein Schälchen mit Salzmandeln. Von der besonderen Sorte, knusprig geröstet, in strahlendem Weiss, mit den kleinen Kristallen bestreut. Es ist die Art von Apéro-Versuchung, der ich zu vorgerückter Stunde in einem Lokal einfach nicht widerstehen kann. Es ist verhext, aber die Barkeeper stellen die Dinger immer direkt vor meine Nase, als spürten sie instinktiv, dass bei mir ein markantes Verführungspotenzial vorhanden ist.

Und wenn ich einmal begonnen habe, gibt es kein Halten mehr. Völlig selbständig und ohne Willens-Steuerung wandert meine Hand zu den weissglänzenden Dingen, die Finger picken sich eines heraus und schieben es möglichst unauffällig zwischen die Lippen, wo es knackend zwischen den Zähnen verschwindet, zerrieben und zermalmt wird, wieder und immer wieder… und ich bewundere die Menschen, die ungerührt und emotionslos einen ganzen Abend lang vor einer solchen Quelle der Knabberlust verharren können, ohne auch nur ein einziges Mal zuzulangen.

Heute Nachmittag habe ich während des einstündigen Gespräches zwar oft auf die Mandeln geblickt, aber ich konnte mich beherrschen. Stolz erfüllte mich und mischte sich auf angenehme Weise mit einem guten Gefühl, das mich beschlich, während ich meinen Gesprächspartnern schilderte, was unsere Stiftung so leistet, mit wenig Personal und viel Goodwill und grossem Engagement…

Erst ganz am Schluss, wir waren eben dabei, uns für einen nächsten Termin zu verabreden, in einem unbewachten Augenblick, quasi, schon im informellen Ausklang des Treffens, schnellte die rechte Hand elegant über das runde Tischchen, griff sich schwupps einen einzigen Kern und liess ihn in den Mund gleiten… Einen einzigen. Ich schaffte es, mich aus dem Bannkreis der Mandeln zu lösen, zuckte entschuldigend die Schultern, stand auf und verabschiedete mich.

Ich hatte über den Instinkt des Kellners und über meine eigene Verführbarkeit gesiegt. Und ich kaute auf dem Weg zum Bahnhof noch lange auf der einen Mandel herum, sie und ihren salzigen Nachgeschmack so richtig breit auskostend… und es wurde mir erst später, beim Lesen der neuen Blog-Einträge, bewusst, dass ich damit die Antwort an meine Schmauen-Protagonisten schon vorweg genommen hatte.