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Von Heinrich von Grünigen um 18:39 |
Das Wort „Prävention“ ist verpönt und politisch heikel. Das haben wir heute aus bundesrätlichem Mund erfahren. Gesundheitsminister Alain Berset hat auf die betrübliche Tatsache hingewiesen, als er die 4. Nationale Konferenz Gesundheit2020 eröffnete. Über 400 Fachleute aus sämtlichen Bereichen des Gesundheitswesens waren zusammengekommen, um sich aufdatieren zu lassen über das künftige Vorgehen bei der Umsetzung der Nationalen Strategie zur Bekämpfung der nichtansteckenden chronischen Krankheiten (NCD), die in den kommenden Jahren auf allen Ebenen der Gesellschaft und unter aktivem Einbezug der Gesundheitsligen und Nonprofit-Organisationen (wie der SAPS) gemeinsam realisiert werden soll.
2 Millionen Erwachsene in der Schweiz leiden an einer solchen Krankheit, jeder/jede 5. hat sogar mehr als ein NCD-Leiden (das sind vor allem Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Skelett- und Gelenk-Probleme, aber auch Adipositas als eine der gemeinsamen Ursachen bzw. als wesentlicher Risikofaktor. 50% dieser Krankheiten könnten durch einen „gesunden“ Lebensstil vermieden werden… Wenn denn der Mensch, der es ja eigentlich „weiss“, sich danach richten würde.
Bisherige nationale Präventionskampagnen haben sich ausgezahlt: jeder Franken, der gegen den Tabak-Missbrauch investiert wurde, hat zu einer Einsparung bei den Gesundheitskosten von über 40 Franken geführt! Beim Alkohol ist das Verhältnis 1 : 20. Vorbeugen wäre also ein gutes Geschäft. Aber das politische Klima ist heute nicht auf Vorsorge ausgerichtet. Wir erfahren vom Zürcher Regierungsrat Thomas Heiniger, dass im kantonalen Parlament der Antrag einer jungen Politikerin – notabene einer Ärztin! – durchgegangen ist, wonach das Präventionsbudget um 15% zu kürzen sei! Sind denn diese Populisten des Wahnsinns?
Alleine mit einer klugen Prävention gegen Stressbelastung liessen sich 5,7 Milliarden an Gesundheitskosten einsparen, hat die St. Galler Regierungsrätin Heidi Hanselmann, Präsidentin der Stifung Gesundheitsförderung Schweiz, vorgerechnet. Dass auch die Wirtschaft ihren Beitrag leisten kann, das haben Unternehmen wie Victorinox und die Migros demonstriert, mit unterschiedlichen Konzepten. Und drei Kantonsvertreter haben aufgezeigt, wie sie im Rahmen der kantonalen Gesundheitsverantwortung das grosse Thema angehen.
Und nun ist die Reihe an uns, den Patienten- und Gesundheitsorganisationen. Wir sind eingeladen, innovative Projekte zu präsentieren, um aus den wenigen – aber immerhin vorhandenen – Mitteln das Beste zu machen. Beugen wir uns vor.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:26 |
Eine der grossen Annehmlichkeiten beim Gewichtsverlust ist die Tatsache, dass sich das allgemeine Leben normalisiert. Diese Woche werden es 77 Kilo sein, die sich buchstäblich in Luft (bzw. CO2) aufgelöst haben, und der UHU-Club ist schon so gut wie in Sichtweite, wenn es mir gelingt, im Endspurt weiterhin Disziplin zu wahren.
Kürzlich, als mir beim frühmorgendlichen Gang zum Zeitungskasten im Lift die Trainerhose unversehens in die Knie abgerutscht ist, beschloss ich, mir einen neuen Freizeitdress zu kaufen. Ich ging zwei Strassen weiter zum C&A, wo ich mir locker ein XXL-Modell vom Bügel holte, das mir wie angegossen passte und preislich nur noch einen Bruchteil dessen ausmachte, was ich vormals im Spezialgeschäft für meine 8XL-Kleidung hinblättern musste.
An dieser Stelle will ich ein allgemeines Loblied anstimmen auf jene Textil-Verkäufer, die bemüht sind, auch Menschen mit extremer Körperfülle so modisch wie möglich einzukleiden. Ich habe in meiner schwersten Phase die meisten der gängigen Kleidergeschäfte besucht, mich fahckundig bedienen und beraten lassen, mich gefreut am sympathisches Umgang und an der freundlichen Betreuung, aber auch an den jeweils wieder neuen Modellen aus Produktionslinien, die eigens auf die besonderen Bedürfnisse der Menschen mit besonders ausladenden Hüften und Bäuchen zugeschnitten waren. Herzlichen Dank und volle Anerkennung, dort, wo der Service entsprechend war!
Aber jetzt ist diese Phase abgeschlossen und es kommt mir vor, als sei ich von einer langen Reise zurückgekehrt in die Welt der „Normalverbraucher“, wo ich mich unauffällig bewegen kann, untertauchen in der Menge, Schritt halten mit den Menschenströmen unterwegs, ohne eine Extrawurst verlangen zu müssen… und ich verblüffe mich selber täglich wieder (noch bin ich sensibel darauf), dass mir Dinge gelingen, die mir lange, zu lange verwehrt waren, so triviale Geschichten wie etwa die Benützung eines Raststätten-Pissoirs im Stehen… was ich während Jahrzehnten nicht mehr geschafft hatte.
Das gibt mir Mut und Kraft für die letzte Strecke. Packen wirs.
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Von Heinrich von Grünigen um 16:40 |
Ich bin konsterniert. Da war letzte Woche diese Meldung in der Presse über die Empfehlungen einer Fachkommission betreffend die Adipositas-Chirurgie. Heute nun wurde nachgefasst mit einem Bericht über drei Fälle in 20minuten. Die Schilderung dieser Beispiele aus der Praxis hat eine Flut von 226 Kommentaren ausgelöst. In der überwiegenden Mehrzahl dieser Eintragungen spiegelt sich mehr oder weniger ungefiltert die Meinung des „Volkes“: Abnehmen sei eine reine Willenssache, man müsse nur weniger essen und sich mehr bewegen, die Dicken seien bloss zu faul, würden sich aus lauter Bequemlichkeit eine Luxus-OP von der Allgemeinheit finanzieren lassen, während viele andere, dringend benötigte Leistungen von den Krankenkassen nicht übernommen würden…
Zwar gibt es einige besonnene SchreiberInnen, die darauf hinweisen, dass Adipositas ein komplexes Krankheitsbild ist, dass niemand „einfach so“ operiert wird, dass der Magen-Bypass in aller Regel die letzte Option ist und dass damit in den meisten Fällen wesentlich höhere Folgekosten vermieden oder verringert werden können… Aber das bleibt in diesem Schlagabtausch der Vorurteile ohne Wirkung: verbal wird auf die egoistischen, dummen, faulen, unbelehrbaren Dicken eingedroschen, als wären sie allein der Grund für die jährliche Prämienerhöhung!
Zugegeben, die stetig steigenden Gesundheitskosten sind ein Ärgernis. Sie sind nicht zuletzt zurückzuführen auf immer raffiniertere und aufwändigere Behandlungsmethoden für Krankheiten, die man früher entweder nicht kannte oder die man einst wohl in stillem Leiden ertragen hatte. Der Wunsch, für sich selber die beste aller möglichen Therapien zu bekommen, ist legitim. Aber er verursacht Kosten.
Wie steht es nun mit dem Aufwand für die Adipositas-Chirurgie? Ein solcher Eingriff beläuft sich im Schnitt auf 20’000 Franken. Pro Jahr werden heute etwas über 5’000 Operationen ausgeführt. Das macht total 100 Millionen. Die Gesamtkosten, die dem Gesundheitswesen jährlich durch die Folgen von Übergewicht und Adipositas entstehen (Therapien von Diabetes, Herzinfarkt, Hirnschlag, Krebs…), belaufen sich auf rund 8 Milliarden. Davon sind es für die Operationen gerade mal 1,25%!
Schade, dass in der ersten Fassung des Online-Berichts von 20minuten das Gespräch mit dem Krankenkassen-Experten Felix Schneuwly, das in der gedruckten Ausgabe der Zeitung enthalten ist, nicht veröffentlicht wurde: Er plädiert nämlich für zielgruppenspezifische Anreize bei der Prämiengestaltung, etwa im Sinne eines Bonus-Systems für Übergewichtige, das zu einer Prämienvergünstigung führt, wenn sie dauerhaft abnehmen. Ein Vorschlag, den ich gerne unterschreiben würde. – Hier der nachträglich eingefügte Link zu seinen Antworten.
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Von Heinrich von Grünigen um 15:23 |
Es sieht nach Wiedergutmachung aus. In letzter Zeit ist eine allgemein für gesund gehaltene Frucht bös in Verruf geraten: die Avocado. Sie ist ein übler Umweltkiller, ihr massenweiser Anbau – zu Exportzwecken – zerstört Landschaften und Wälder und richtet verheerende Klimaschäden an, die zu irreversiblen Verwüstungen führen können.
Dabei fehlt die Avocado in kaum einem Rezeptbuch für gesundheitsbewusste Ernährung, denn sie sättigt und enthält essentielle Fette, sie schmeckt angenehm und lässt sich zu einer Vielzahl von Speisen verarbeiten. Auch auf meinem – eingeschränkten – ketogenen Speisezettel figuriert sie als klare Empfehlung.
Seit ich die alarmierenden Berichte über die Umwelt-Folgen gelesen habe, mache ich jedoch einen Bogen um die Kiste im Regal mit den exotischen Früchten. Ich meine gar, mich zu erinnern, dass früher ein grosser, flacher Korb an der Stirnseite der Gemüseabteilung gestanden habe, mit einer offenen Auslage von Avocados in allen Grün/Dunkel-Schattierungen, einladend, sich im Vorübergehen zu bedienen… und diesen Korb habe ich in der letzten Zeit dort nicht mehr gesehen.
Also stecken wir in einem Dilemma: wollen wir uns ernährungsmässig Gutes tun, darf die Avocado auf dem Tisch nicht fehlen… aber wollen wir ein gutes Umweltgewissen behalten, müssten wir auf sie verzichten (womit wir aber indirekt wieder den Avocado-Bauern schaden, die auf deren Anbau und Export angewiesen sind).
Da kommt mir jetzt ein Bericht entgegen, der darauf hinweist, dass das Gesündeste an der ganzen Sache eigentlich der Kern sei. Diese harte, glitschige Kugel, satt eingebettet in das weiche grüne Fruchtfleisch. Bisweilen haben wir diesen Kern aufbewahrt, ihn in einen Blumentopf gepflanzt, in der stillen Hoffnung, auf dem Balkon möchte ein Avocado-Bäumchen spriessen… Aber daraus wurde mit unschöner Regelmässigkeit leider nichts. Und jetzt lese ich, der Kern enthalte in Wirklichkeit die meisten und besten Wirkstoffe und sei ein Allheilmittel gegen so manche Beschwerden wie innere Entzündungen, Krebs, vorzeitige Hautalterung, zur Stärkung des Immunsystems aber auch gut zum Abnehmen, da es dank seiner thermogenetischen Wirkung den Fettabbau fördere.
Allerdings kann man den Avocado-Kern nicht einfach so verspeisen: man muss ihn regelrecht verarbeiten oder einen Kern-Sud kochen, um an die wertvollen Wirkstoffe zu gelangen. Das genaue Rezept ist hier zu finden.
Gut für mich. Allerdings nach wie vor nicht gut für die Umwelt…
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Von Heinrich von Grünigen um 17:19 |
Dass übergewichtige Soldaten im Feldeinsatz Probleme haben – und bereiten können – ist eine alte Geschichte. Und dass die Armee ihre Angehörigen nach deren physischen Leistungen ausgehoben und eingeteilt hat, war schon vor über 50 Jahren so, als ich selber vor dem damaligen Aushebungsoffizier in der Turnhalle des Liebefeld-Schulhauses antreten musste. Meine Leistungen beim Sport-Test (Laufen, Klettern, Werfen) waren so schlecht, dass er mich fragte, ob ich wirklich zum Militär wolle… Und weil ich mir damals noch nicht vorstellen konnte, die Ersatzsteuer berappen zu können, sagte ich mit Überzeugung: Ja! So kam ich zu den Fliegerabwehr-Funkern, wo es mehr auf das Mundwerk als auf die Muckis ankam.
Nun hört und liest man, dass die Sicherheitspolitische Kommissison des Nationalrates vorschlägt, um genügend Nachwuchs für das Militär zu generieren, seien auch übergewichtige Rekruten und Menschen mit leichter körperlicher Behinderung für entsprechende Büro-Jobs zuzulassen. Das Thema war der Redaktion von 20minuten wichtig genug, mich gestern Sonntag zu kontaktieren und um die Meinung der SAPS zu fragen. Und heute kam sogar eine Reporterin im Auftrag von TeleBern vorbei, um mein Statement aufzuzeichnen.
Was soll man dazu sagen: selbstverständlich ist es ok und zu begrüssen, wenn auch Übergewichtige als vollwertige Mitbürger ihren Dienst am Vaterland leisten können und nicht ausgeschlossen werden. Ihre intellektuellen Fähigkeiten und speziellen Begabungen sind durch das Körpergewicht weder verringert noch beeinträchtigt. Ich hatte während meiner ganzen Militär-Karriere nie unlösbare Probleme mit meinem Gewicht. Betroffen war allenfalls das Personal in der Schneiderei im Zeughaus, das mir periodisch neue Uniformen nach Mass anfertigen musste, wenn ich wieder einmal die gängigen Normgrössen sprengte. Aber ich hatte dabei stets den Eindruck, es erfülle sie eine Form von Berufsstolz, wenn sie mit einer neuen Kluft aufwarten konnte, die mir im wahrsten Sinn des Wortes auf den Leib geschneidert war. Unbequem für mich war bloss, dass ich stets mehrere Versionen des Kampfanzuges (Winter/Sommer) zuhause haben und mitnehmen musste, da diese ja nicht beim Einrücken vor Ort gefasst werden konnten…
Ich wünsche den dickeren Kameraden – wenn die Empfehlung der Kommission denn dereinst umgesetzt wird – alles Gute und einen befriedigenden Dienst.
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Von Heinrich von Grünigen um 15:34 |
Ein Bericht im Tages-Anzeiger lässt aufhorchen. Es geht um eine Empfehlung der unabhängigen Experten-Kommission Swiss Medical Board, welche periodisch gewisse medizinische Leistungen untersucht im Hinblick auf ihre Wirksamkeit, im Verhältnis zur Wirtschaftlichkeit. Kürzlich wurde ein Papier veröffentlicht über den Vergleich zwischen der chirurgischen (bariatrischen) Behandlung der Adipositas und der sogeannten „konservativen“ Methode (Ernährungsberatung und Bewegungsempfehlungen).
Die Kommission kommt zum Schluss, dass die chirurgische Methode einen besseren Erfolg auch im Hinblick auf die verschiedenen Begleiterkrankungen verspricht. Sie ermpfiehlt, zu prüfen, ob die Grenze für einen operativen Eingriff, die heute bei einem BMI von 35 und mehr liegt, im Einzelfall nicht gesenkt werden sollte, wenn bereits Komorbiditäten vorliegen (im Sinne der „metabolic surgery“, wie sie heute schon in USA praktiziert wird).
Ebenso wird vorgeschlagen, zu prüfen, ob weiterhin an der Auflage (für die Kosten-Erstattung in der Grundversicherung) festgehalten werden soll, dass vorgängig einer Operation während insgesamt zwei Jahren „erfolglos“ mit konservativen Methoden eine Gewichtsreduktion angestrebt werden muss… (wer die Kriterien für einen Eingriff erfüllt, hat in der Regel bereits einen lebenslangen Kampf mit seinem Übergewicht geführt!).
Diese und eine Reihe weiterer Vorschläge sind sinnvoll. Sie erleichtern den betroffenen PatientInnen den Zugang zur bisher einzigen, medizinisch anerkannten Methode, auf lange Sicht sein Körpergewicht zu reduzieren. Ungeklärt sei nach wie vor die Frage der effektiven Kosteneffizienz: ob es möglich sei, die Kosten der Operation von durchschnittlich CHF 15’000 durch den späteren Verlauf der Krankheit wieder einzusparen, sei nicht eindeutig bewiesen, heisst es im Bericht. Auch wenn dies nicht in jedem Fall gegeben wäre, ist immerhin zu bedenken: wenn bei einem einzelnen Adipositas-Patienten mit ausgeprägtem Diabetes Typ 2 eine spätere länger dauernde Dialyse-Behandlung und/oder gar eine Nierentransplantation vermieden werden kann, hat sich die „Investition“ mehr als gelohnt, nicht zu sprechen von den Kosten für Kniegelenk- oder Hüft-Prothesen, von der Behandlung eines Herzinfarktes oder eines Hirnschlags mit Invaliditäts-Folge.. und ganz abgesehen von der nach der Gewichtsreduktion neu gewonnenen Lebensqualität!
Die Empfehlungen des Swiss Medical Board sind zu begrüssen. Zu hoffen ist, dass die Empfehlungen bald Eingang finden in die entsprechenden Regelungen und Richtlinien. Bedenklich bleiben indes viele der Reaktionen auf den Tagi-Artikel im Online-Forum!
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Von Heinrich von Grünigen um 18:47 |
Als ich noch beim Kinderhilfswerk Terre des hommes im Stiftungsrat sass, hatten wir ein altgedientes Mitglied. Es pflegte – wie weiland im historischen Rom Cato der Ältere mit seinem unverzichtbaren Ceterum censeo Carthaginem esse delendam – jede Diskussion über geplante Investitionen, neue Strategien oder finanzpolitische Perspektiven ultimativ zu beenden mit der Frage: And what about the Children?
Und was ist mit den Kindern? – Analog war ich heute versucht, die Frage zu formulieren: What about the Patients?
Es war an sich eine interessante Veranstaltung: über 250 hochkarätige VertreterInnen aller Berufsgattungen und Funktionen aus dem Gesundheitswesen hörten sich im noblen Ambiente des Berner Hotels Bellevue eine Reihe von Vorträgen und Debatten an zur Thematik „Neue Rollenverteilung im Gesundheitsbereich – welcher Platz bleibt den Ärzten?“ – Es ging dabei vor allem um die Aufgabenteilung mit bzw. die Einbindung qualifizierter Assistenz-Funktionen in der medizinischen Betreuung. Was braucht es, damit aus der klassischen „Arztgehilfin“ mit eingeschränkter Verantwortung (nach traditionellem Rollenverständnis) eine partnerschaftliche Ergänzung in der Pflege werden kann, welche die Ärzte echt zu entlasten vermag?
Grundsätzliche, ethische, rechtliche Fragen wurden erörtert, Modelle, die sich im Ausland bewährt haben, skizziert. Die Schweiz steht im Vergleich mit den meisten OECD-Staaten punkto medizinischer Versorgung nicht schlecht da. Und doch zeichnen sich infolge der Überalterung und des Überhandnehmens chronischer Erkrankungen neue Bedürfnisse nach medizinischer Betreuung in noch unabsehbarem Ausmass ab. Gleichzeitig eröffnet die Digitalisierung (Stichwort: eHealth) völlig neue Perspektiven für die Aufteilung der Verantwortung zwischen dem Medizinpersonal und einer bewussten Patienteschaft.
Das war denn aber auch der einzige konkrete Bezug zu den Erwartungen der PatientInnen (abgesehen von einem eher polit-theoretischen Exkurs aus der Perspektive der gesamteuropäischen Dachorganisation der Patientenorganisationen EPF). Daneben waren all die verschiedenen Ausprägungen der Pflegebedürftigen wie nicht existent im Diskurs.
Sind sie denn nur Statisten, Material in den Händen der Pflegenden, Rohstoff für den Betrieb der Gesundheitsfabriken, ob nun staatlich verordnet oder privat auf Profit getrimmt? Was ist die Stellung der PatientInnen in diesem „Rollenspiel“, das da in Zukunft überdacht und ev. neu organisiert werden soll? Es gab eine Phase, da sagten Vertreter der Krankenkassen, der Patient sei „Kunde“ und es gelte, sich auf die Bedürfnisse der Kunden einzustellen, kondenorientiert zu handeln… Ich habe damals widersprochen: der Patient kann nur so lange als Kunde betrachtet (und behandelt) werden, als er nicht selber krank ist. Wird er krank und braucht er medizinische Betreuung, wechselt sein Status vom Kunden zum Opfer, zum persönlich Betroffenen, der jede Überlegung nach Wirtschaftlichkeit, Zweckmässigkeit, Verhältnismässigkeit einer Therapie über Bord wirft, weil es um sein ureigenes, persönliches Wohlergehen geht (oder um das seiner Liebsten): jetzt klammert er sich an jeden Strohhalm der Hoffnung, will die beste aller möglichen Therapien haben, holt Second und Third Opinions ein, solange noch ein Funke glüht, der Heilung und Überleben verspricht.
Diese Ausgangslage, die m.E. einen wesentlichen Faktor als Kostentreiber im Gesundheitwesen darstellt, kam in der Auslegeordnung zu kurz. Und je ausgefeilter und „besser“ die Grundversorgung ist, umso höher steigen die Anforderungen, die Erwartungen – und die Kosten. Damit werden wir leben müssen, ob mit oder ohne Aufgabenteilung.
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Von Heinrich von Grünigen um 15:03 |
Ein Diätprogramm, von dem abgeraten wird. Und trotzdem schafft es den Weg immer wieder in die Schlagzeilen. Es geht um die sogenannte „HCG-Kur“, bei der den Patienten das Schwangerscahftshormon hCG verabreicht wird, in Kombination mit einer extrem reduzierten (500 kcal/Tag) kohlenhydrat-armen Ernährung.
Ich habe diese Diät in den 70er-Jahren selber ausprobiert. Eine renommierte Schölnheitschirurgin an bester Zürcher Adresse hatte sie im Angebot. Es gab einmal pro Woche eine Spritze und rigorose Ernährungsvorschriften, an die ich mich im Detail nicht mehr erinnere und die ich wohl nicht strikte eingehalten hatte, jedenfalls blieb der erhoffte Erfolg aus und ich beschloss, die Kur abzubrechen. Frau Doktor in ihrer schneeweissen Luxuspraxis sah mich enttäuscht an, blickte auf meine seit Kindertagen deutlich abstehenden Hörmuscheln und fragte mich in ihrem Bündner Dialekt: „Störend Ihnen Ihrni Ohren eigentli nit?“
Ich konnte die Praxis verlassen, ohne dass sie mich zwecks Coupierung auf den OP-Tisch gebracht hätte. Daran muss ich jedes Mal denken, wenn heute von der HCG-Diät die Rede ist. Im Diskussionsforum auf der SAPS-Website läuft seit 14 Jahren eine Debatte über diese „Diät“, mit 8’290 Aufrufen, von begeistert bis entsetzt, von ernsten medizinischen Bedenken bis zur eindringlichen Nachfrage nach Bezugsquellen…
Neuerdings gibt es auch „homöopathisches hCG“, das in Form von Globuli eine Rolle spielt bei der sogenannten „21-Tage Stoffwechwechselkur“: auch hier geht es um einen ketogenen, fettarmen, kalorienreduzierten Speiseplan und um das Hormonpräparat, nur diemal „gekugelt“, nicht gespritzt… Da die ketogene Ernährung (Verzicht auf Kohlenhydrate in Form von Brot und Pasta) allein schon eine stark gewichtsreduzierende Wirkung zeigt, ist es schwierig zu beurteilen, welcher Anteil am Erfolg den Kügelchen zukommt und inwieweit es sich um den Placebo-Effekt handelt, der gerade bei der Gewichtsreduktion eine wesentliche Bedeutung haben kann.
Kritisch mit der HCG-Kur setzt sich auch die Kolumne von Jürg Hösli in der heutigen Ausgabe von 20Minuten Online auseinander: ausser dem Portemonnaie würde nichts abnehmen, schreibt der Autor. Das ist vielleicht nicht ganz richtig: wer die Vorgaben bezüglich Ernährung einhält, nimmt wohl unweigerlich ab, sofern er/sie konsequent ist. Wie gut es dann aber gelingt, das tiefere Gewicht auf Dauer zu halten, ist eine andere Frage.
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Von Heinrich von Grünigen um 16:33 |
Ich habe schon mehrmals darüber geschrieben. Ich hatte einen Bekannten, der grauste sich vor dem Gedanken, dass das Fleisch auf seinem Teller von einem Tier stammen könnte, das man töten musste. So ass er aus Prinzip kein Fleisch, das danach aussah. Und ebenso prinzipiell stellte er sich vor – und war felsenfest davon überzeugt -, dass die Cervelats auf Cervelat-Bäumen wuchsen.
An ihn musste ich unwillkürlich denken, als ich heute die Meldung las, dass es für Vegetarier ein neues Trend-Produkt gebe: die Jackfrucht, die in unreifem Zustand eine leicht faserige Konsistenz habe und in der Küche zu verwenden sei wie Poulet-Fleisch. In den USA sei dieses Frucht-Fleisch voll im Trend.
Eine kulinarische Option also nicht nur für für die überzeugten Pflanzenfresser, sondern wohl ebenso sehr auch für all jene, die ihren Fleischkonsum aus ökologischen und gesundheitlichen Überlegungen reduzieren möchten. Nun ist aber die Jackfrucht ein echter Exot, im hiesigen Handel kaum in „unreifem“ Zustand frisch zu erwerben. Es gibt verarbeitete, getrocknete Jackfrucht-Angebote, die aber meist der ausgereiften Frucht gelten, die sich zu Desserts verarbeiten lässt. Die Beschaffung von unreifen Früchten als Fleischersatz erweist sich im Moment offenbar noch als schwierig, am aussichtsreichsten sei es in Asia-Shops, wo es zwar keine „frischen“ Früchte, aber doch Konserven davon zu erwerben gebe. – Mal ein Experiment wagen?
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Von Heinrich von Grünigen um 14:01 |
Am Anfang sah es aus wie ein einstündiger Werbespot. „Runter mit den Kilos – Abnehmen nach Regeln und Punkten“ hiess eine knapp einstündige Dokumentarsendung, realisiert vom Westschweizer Fernsehen und gestern von SRF 1 ausgestrahlt. Ein Jahr lang wurden drei Menschen begleitet, die sich im Kampf gegen ihr Übergewicht auf das Programm des weltweiten Abnehm-Konzerns WeightWatchers abstützten.
Gezeigt wurden die regelmässigen Meetings, an denen die Abnehmwilligen unter Kontrolle auf die Waage steigen, sich von den jeweiligen WW-Coaches loben oder sanft tadeln lassen, um neu motiviert wieder in den täglichen Clich mit den Kalorien zu steigen. Erläutert wird summarisch das Konzept: jedes Nahrungsmittel hat einen Punkte-Wert (je nach Menge) und wer abnehmen will, hat – je nach Ausgangs- und Zielgewicht – eine bestimmte Punktezahl pro Tag zugute und muss nun selber schauen, aus welchen Elementen sich diese Punkte zusammensetzen. Dabei kann man sich helfen lassen.
Zwei Frauen und ein Mann: drei völlig unterschiedliche Lebernssituationen, und unterschiedlich auch der jeweilige Erfolg: Abnahme nach Wunsch, Stillstand, Enttäuschung, neuer Gewichtsanstieg und neuer Anlauf…
Bald entpuppte sich die Dokumentation aber doch als kritische Analyse nicht nur des Geschäftsgebarens von WW (intransparente Entlöhnung der Coaches, Disziplinierungsmassnahmen, wenn diese von ihrem Idealgewicht abrutschen, fehlende Informationen zu allfälligen Langzeit-Erfolgen), sondern auch der Diät-Industrie insgesamt, in Gesprächen mit und Statements von Stoffwechsel-ExpertInnen, mündend in das ernüchternde Fazit: „Diäten bringen es nicht…“
Es ist die Bestätigung dessen, was wir eigentlich wissen: der reine Versuch, durch eine Umstellung der Ernährung und mehr Bewegung das zu grosse Gewicht zu reduzieren, ist auf lange Sicht zum Scheitern verurteilt, auch wenn sich kurzfristig Abspeck-Erfolge einstellen mögen. Höchstes der Gefühle – sagt eine Spezialistin – sei der Verlust von 10 Prozent des Ausgangsgewichtes durch die „konventionelle“ Methode. Früher oder später komme das Gewicht wieder zurück.
Ausgehend vom weltweit kommerziell erfolgreichen WW-Modell hat sich der Report auf Diäten fokussiert. Nicht angesprochen wurden die operativen Methoden der bariatrischen Chirurgie oder andere, alternative Ansätze. Das Thema bleibt pendent.
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