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Von Heinrich von Grünigen um 23:22 |
Es ist, als wäre ein Schalter herumgelegt worden. Aus dem Radiolautsprecher tönen Weihnachtslieder, durch die TV-Spots toben SantaCläuse, die Häuser sind plötzlich mit Lämpchengirlanden verziert und am Einkaufszentrum hängen abertausende von LED-Birnchen… in den Zeitungen tauchen Geschenksideen auf, Rezepte für Zimtsterne und Mailänderli quellen aus dem Briefkasten… Und auch wenn keinerlei weihnächtliche Stimmung aufkommen mag angesichts der schneefreien Dürre allüberall, so ist es nicht zu übersehen: der Advent ist da.
Mithin also auch die Zeit der Firmenessen, der Jahresbilanzen, des gemütlichen Beisammenseins… angefangen mit den vielen Metzgeten, die landauf und ab für Stimmung sorgen (einen Traum aus Blutwurst, Leberwurst und zartem Schnörrli habe ich schon hinter mir). – Mein Arzt weiss, warum er denTermin für die nächste Gewichtskontrolle so nah wie möglich nach Neujahr gelegt hat. Einige Tage konnte ich noch herausschinden, zwecks Normalisierung, aber der Auftrag ist klar: vernünftig Mass halten! Genuss darf zwar sein, aber eben nicht im Exzess, nicht im Sinne der Völlerei als Selbstzweck, auch wenn es noch so gut wäre.
So haben wir denn am heutigen ersten Adventssonntag ein Zeichen gesetzt. Nach einem späten Brunch gab es erst am Abend wieder etwas: einen Teller Suppe und einen Salat mir warmen Champignons. Wenn das kein gutes Omen ist. Jetzt nur nicht in die Nähe des Kühlschranks geraten…
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Von Heinrich von Grünigen um 16:39 |
Die gestrige Arena-Sendung hat ein vielfältiges Echo ausgelöst, sei es in persönlichen Mails oder in verschiedenen Foren. Eines zeigen die Reaktionen: mediale Botschaften sind flüchtig und kommen beim Betrachter oft nicht so an, wie sie eigentlich gemeint waren. So kommt es denn auch zu widersprüchlichen Feedbacks, die in meinem Fall von Lob und Zustimmung bis zum enttäuschten Austritt aus unserer Stiftung reichen… glücklicherweise überwiegt die Zustimmung, aber man fragt sich dann doch: Habe ich mich so ungeschickt ausgedrückt, dass gerade das Gegenteil von dem verstanden wurde, was ich gemeint habe?
Wie auch immer: Das Thema ist im Gespräch und das ist das Wichtigste. Meinungsbildung tut not, nur wenn die Argumente ausgetauscht werden, lässt sich etwas bewegen, so aussichtslos dies im Moment auch scheinen mag.
Ein gutes Beispiel sind die „Plakate mit dem breiten Schlitten“, die von einigen Diskussionsteilnehmern genannt wurden. Zwar wurde auch gesagt, dass Plakate ein untaugliches Mittel seien, um das Verhalten der Menschen zu ändern… Sicher, das wussten auch die Leute, die diese Plakat-Kampagne lanciert hatten. Aber bei dieser Aktion ging es nicht um eine konkrete Hilfe für Betroffene, sondern es ging darum, das Thema der Übergewichtsproblematik ins allgemeine Bewusstsein zu rufen. Dies ist offenbar auch bestens gelungen, denn nicht nur entbrannte eine hitzige Diskussion unter Fachleuten und Politikern, die Nachwirkung war und ist so intensiv, dass heute, nach vier Jahren, noch immer über diese Plakate gesprochen wird, wie unsere Arena-Diskussion gezeigt hat. Welche andere Plakat-Kampagne ist nach vier Jahren noch so plastisch in Erinnerung? Das ist ein rückwirkendes Kompliment an die damaligen Verantwortlichen. – Aber auf der Suche nach Lösungen gilt es nach vorne zu blicken. Und das müssen wir mit vereintgen Kräften tun.
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Von Heinrich von Grünigen um 20:45 |
Was am meisten auffällt: das ARENA-Studio ist winzig. Alle sind nah aufeinander, was am Bildschirm nach einem grossen Schauplatz aussieht, ist in Wirklichkeit ein dicht gefüllter Raum, in dem sich alle quasi auf Armlänge gegenüberstehen… – Die Sendung wird „live aufgezeichnet“, das heissgt: sie wird um sechs Uhr so produziert, als würde sie direkt ausgestrahlt. Im Hintergrund läufdt eine Uhr, die ist so eingestellt, dass sie die effektive spätere Sendezeit anzeigt, so dass die Moderatorin von Start weg die „richtige“ Laufzeit der Diskussion im Auge hat.
In der Mitte die vier Kontrahenten.Man kennt sich, kennt aus früheren Begegnungen die Argumente, und doch ist die Begegnung immer wieder neu und spannend, denn jeder „spielt“ verständlicherweise für sein Publikum. Ist man im inneren Kreis, hat man keine Zeit, denGesprächs-Bogen als Ganzes zu überblicken. Man folgt zwar der Diskussion, überlegt sich aber schon, was man als nächstes sagen soll, wenn man denn drankommt. Und da man in der Regel nicht mehr Argumente aufgreifen kann, die schon vorbei sind, muss man seinen Beitrag laufend adaptieren…
Jedenfalls bin ich gespannt, wie sich das dann beim Zuschauen am Bildschirm ausnimmt. Ob man seine Punkte glaubwürdig rüber gebracht hat? Ob die ganze Diskussion etwas beiträgt zur Meinungsbildung? Ob sie auch denen etwas bringt, die nicht schon alles wissen? Oder am Ende auch solchen, die es eigentlich gar nicht wissen wollen? Warten wir ab und schauen wir zu.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:09 |
Heute habe ich den ganzen Tag in einer Sitzung verbracht. Auch das muss sein. Interessant war aber die Diskussion am Rand und in der Pause. Natürlich ging es um die jetzt aktuelle Thematik der neuen Zahlen der Übergewichtigen in der Schweiz. Und darum, dass ich für morgen Abend in die ARENA im Schweizer Fernsehen aufgeboten bin, wo es um eben dieses Thema und um die Frage gehen wird, ob der Staat sich denn überhaupt um die Gesundheit seiner Bürger kümmern solle oder ob nicht vielmehr alles der individuellen Eigenverantwortung zu überlassen sei.
Zum Glück gab es viele Unwissende und Skeptiker, so dass ich meine Argumente schon mal probeweise ins Feld führen und testen konnte. Bin gespannt, wie viel davon mir bis morgen noch bleibt und ob die Argumente dann auch zu überzeugen vermögen. Wenn man selber an etwas glaubt, heisst das ja noch nicht, dass andere einem folgen müssen. Zum Glück gilt auch hier die Eigenverantwortung. Dies ist ein guter Grund, nun eigenverantwortlich ins Hotelbett zu steigen und einige Augen voll Schlaf zu fassen, ehe am Morgen wieder die ersten Züge direkt vor meinem Fenster durch den Bahnhof Lausanne donnern.
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Von Heinrich von Grünigen um 16:35 |
Hut ab vor der kleinen Jessica! Sie ist sieben Jahre alt und hat ein Buch geschrieben und gezeichnet, in Ich-Form. Es handelt von einem dicken Mädchen, das wegen seines Übergewichts gehänselt und gemobbt wird. Not Fat Because I Wanna Be heisst das Buch, was sich etwa übersetzen lässt mit: Ich bin nicht dick, weil ich es nicht sein will.
Im richtigen Leben heisst sie LaNiyah Bailey, ihr Motto lautet: „Ich bin schön. Ich werde geliebt. Ich lasse nicht zu, dass andere mir sagen, wie ich bin. Mobbing ist nicht cool.“ . Mit drei Jahren begann LaNiyah Gewicht anzusetzen und kam unter Druck, wurde vom Kinderarzt zu einer Diät verdonnert und durchlebte alle Phasen des Kampfs gegen ihr Gewicht.
„Seit dem Kindergarten machen mich die andern fertig, weil ich zu fett sei“, sagt sie. Schmerzlich musste sie erfahren, wie verletzend Wort sein können. Da beschloss sie, sich auf ihre eigene Weise zur Wehr zu setzen. Und das kam gerade rechtzeitig, denn in den letzten Jahrzehnten hatte sich die Adipositas bei Kindern verdreifacht, Fälle von Mobbing unter Jugendlichen mit tödlichem Ausgang hatten sich in mehreren US-Staaten gehäuft…
So verwundert es denn nicht, dass das Buch von LaNiyah in vielen Schulen als offizielles Lehrmittel benutzt wird, um auf die Problematik aufmerksam zu machen, und dass es in die Anti-Mobbing-Kampagne von Präsident Obama einbezogen wurde. Wie die jugendliche Autorin sagt: „Wir sind nicht die Monster, zu denen uns die andern machen wollen!“
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Von Heinrich von Grünigen um 17:18 |
In einer europaweiten Studie wurden das Essverhalten, die Fernseh-Gewohnheiten und die Bewegungsmuster von Kindern erfasst und ausgewertet. Die Resultate wurden Ende Oktober an einem Kongress in Madrid präsentiert.
Die Erkenntnis ist nicht ganz neu, aber doch eine Bestätigung früherer Einsichten: Kinder, die genug schlafen, nicht zuviel TV schauen und sich ausreichend spielerisch bewegen, essen gesünder und sind weniger übergewichtig…
Einmal mehr wurde ein direkter Zusammenhang zwischen dem kindlichen Körpergewicht und der Zeit festgestellt, die Jugendliche vor dem Bildschirm verbringen. Dabei ist nach wie vor nicht geklärt, ob dies daher rührt, weil sich die Kinder zu wenig bewegen oder weil sie vor dem Bildschirm zu viel und zu ungesund essen… Fakt ist jedenfalls, dass Kinder, die beim Essen TV gucken, mehr Süsses zu sich nehmen als ihre Altersgenossen bei TV-freien Mahlzeiten.
Auch gibt es einen nachweislichen Zusammenhang zwischen Schlaf-Dauer und Übergewicht. Kinder, die länger schlafen und ausreichend im Freien spielen, sind weniger oft übergewichtig. – Der Studienleiter zieht daraus den Schluss, dass es – was die Möglichkeiten zur Bewegung beim Spiel betrifft – vor allem davon abhängt, wie die urbane Umgebung für die Kinder gestaltet ist. Es sei müssig und ungerecht, den Eltern einen Vorwurf zu machen, dass sie zu wenig auf das Gewicht ihrer Kinder achteten, wenn diese gar keine Möglichkeit hätten, sich ausserhalb der Wohnung im Spiel auszutoben. Dies müssten die Städteplaner künftig konsequenter berücksichtigen.
Solche Studien vermitteln keine „neuen“ Fakten, sie bestätigen jedoch, was man bereits weiss, was aber noch nicht überall die nötige Beachtung findet und gefunden hat. Wer glaubt, in der Bevölkerung sei dafür ein breites Verständnis vorhanden, der möge die Leser-Reaktionen auf mein Interview bei TA-online lesen…
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Von Heinrich von Grünigen um 17:41 |
Die gestrige Publikation der neu erhobenen Werte für den Anteil übergewichtiger Menschen in der Schweiz hat Staub aufgewirbelt. Den ganzen Tag über gab es Anfragen von Medien, die eine Stellungnahme wollten. TV-Intervies, Telefongespräche, schriftliche Beantwortung von Fragen.
Erstaunlich gross ist die Anzahl der Publikumsreaktionen, welche diese Zahlen in Frage stellen, die Messmethoden anzweifeln, dem Bundesamt für Gesundheit gar Manipulation und Miesmacherei unterstellen, wie dies etwa im Forum des TagesAnzeigers-Online zum Ausdruck kommt.
Die Missverständnisse greifen epidemisch um sich: ein Mann mit BMI 22, der aber einen Bauchumfang von 95 cm hat, schliesst daraus, dass er nun in die „Hochrisikogruppe“ für Herzinfarkt gehöre… das ist Blödsinn und Schabernack! Wer die „Grenzwerte“ für ein „gesundes“ Körpergewicht überschreitet, ist nicht automatisch schon im „Hochrisiko“, denn diese Werte markieren bloss die Grenze, den Anfang eines möglichen Risikos. Und zudem ist der Bauchumfang nur eines von verschiedenen Indizien für ein möglicherweise erhöhtes Risiko, das deswegen noch lange nicht zwangsläufig eintreten muss.
Interessant ist die Information aus dem Bundesamt für Gesundheit, dass die ca. 1’500 Probanden der Studie, die – nebenbei – zu diesen Zahlen geführt hat, nicht „repräsentativ“ ausgewählt wurden, sondern sich freiwillig zur Verfügung stellten, so dass angenommen werden kann, dass schwer Übergewichtige an dieser Studie gar nicht teilgenommen haben, dass die Anzahl der „Dicken“ also in Wirklichkeit noch etwas höher liegen würde. Was auch deshalb als plausibel erscheint, weil die Schweiz mit diesen neuen Zahlen immer noch unter dem europäischen Durchschnitt liegt und es keinen Grund zur Annahme gibt, dass das Schweizer Volk durch Gottes Fügung deutlich schlanker wäre als die Restbevölkerung Europas…
Was ist die Quintessenz? – Panik und Hysterie sind nicht angezeigt. Auch kein überstürztes Handeln. Aber die Initiativen zur Prävention und zur Unterstützung der Massnahmen, die ein gesundes Körpergewicht begünstigen, sind zielgerichtet fortzuführen. Da mögen die Interessenvertreter des Gewerbes und die Rechtspopulisten noch so täubeln… die Zahlen lügen nicht.
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Von Heinrich von Grünigen um 16:57 |
53% der erwachsenen Schweizer Bevölkerung sind übergewichtig. Das ist eine neue, aktuelle Zahl, die insofern von Bedeutung ist, als sie exakt vermessen und dann hochgerechnet worden ist. Bis jetzt haben die periodisch durchgeführten „Gesundheitsbefragungen“ immer etwas tiefere Werte ergeben, denn die relevanten Daten wurden nicht durch Messung erfasst, sondern per telefonischer Umfrage eingeholt. Dass dabei manche der Angerufenen ihre Angben nicht am effektiven Körpergewicht sondern eher an ihrem Wunschgewicht orientierten, führte zu einer Verzerrung der Fakten, weshalb sich internationale Organisationen auch weigerten, die Schweizer Daten in ihre Übersichten aufzunehmen.
Eine andere Studie des Bundesamtes für Gesundheit, die Salzstudie, hat nun die effektiven Werte von 1’445 SchweizerInnen erfasst, wie die SonntagsZeitung in ihrer heutigen Ausgabe berichtet. Dabei wurde nicht nur der BMI berechnet, sondern auch der Bauchumfang gemessen, der ein verlässlicherer Indikator für die Gefährdung der Gesundheit durch Übergewicht und Adipositas darstellt. Früher ergaben die Statistiken immer für Männer eine höhere Anzahl Adipöser und Übergewichtiger als für Frauen… nun hat sich dieses Verhältnis gewendet: offensichtlich neigen Frauen eher dazu, bei mündlicher Befragung etwas tiefer zu stapeln und Männer geben offener zu, was punkto Gewicht bei ihnen Sache ist.
Die neuen Zahlen bestätigen eine Annahme, dei in Fachkreisen längst bekannt war. Aber nun sind die Werte offiziell. Es ist zu hoffen, dass sie in der Öffentlichkeit und bei der Politik den nötigen Eindruck machen, um sowohl bezüglich der Prävention als auch der Adipositas-Programme des Bundes und der Kantone etwas Unterstützung auszulösen.
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Von Heinrich von Grünigen um 17:54 |
Im Scherz haben wir es immer gesagt: in gewisse Lebensmittel müssten die Hersteller doch irgend eine Substanz einarbeiten, dass wir sie immer und immer wieder kaufen und essen wollen… Anfixen quasi, nur hat man dem früher nicht so gesagt. Und eigentlich wollte die Vernunft einer solchen Spekulation ja auch gar nicht zustimmen, denn eine so verwerfliche Absicht würde man einem anständigen Nahrungsmittelfabrikanten gar nicht zutrauen.
Und nun lese ich in Bloombergs Businessweek einen Bericht über wissenschaftliche Erkenntnisse, die genau in diese Richtung gehen. Die Forscher an verschiedenen Universitäten fädnen immer mehr Beweise dafür, dass gewissse Fertigprodukte mit viel Fett und Zucker oder Getränke mit viel Fructose im Hirn ähnliche oder identische Reaktionen auslösen wie Kokain. Und dass daraus eine suchtartige Abhängigkeit entstehe. Mit dieser Erkenntnis, die in diesem Jahr allein durch 28 wissenschaftliche Studien erhärtet worden sei, könnte der Lebensamittelindustrie eine ebenso erbitterte Auseinandersetzung ins Haus sthen, wie sie die Tabakindustrie weitgehend schon hinter sich hat.
Die Food-Produzenten argumentieren, sie würden ja ein immer breiteres Angebot an bewusst gesunden Lebensmitteln anbieten und jeder verantwortliche Konsument könne selber bestimmen, wie „gesund“ oder „ungesund“ er essen wolle… Aber eine Marktanalyse zeigt, dass die „gesunden“ Angebote nur einen kleinen Teil des Marktes ausmachen und dass die Profite und das Wachstum mit den Produkten erzeugt werden, die aus Lust konsumiert werden und keine Bedeutung für die gesunde Ernährung haben.
Die Wissenschafter sehen auch hier eine Parallele zur Tabakindusrie: die hatte jahrelang auf den Vorwurf der Gefährlichkeit des Rauchens damit reagiert, dass sie immer neue „Light-Zigaretten“ auf den Markt warf… bis unwiderlegbar erwiesen war, dass auch diese dem Menschen schaden.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:37 |
Eine der fundamentalen Botschaften für den Umgang mit Nahrung ist die, dass man den Kindern gegenüber das Essen nie als Belohnung oder Bestrafung einsetzen solle. Und auch, dass man Süssigkeiten nicht als Mittel zum Trösten verwenden dürfe, obwohl – das ist ja unbestritten – der Genuss von Schokolade so etwas wie Glücksgefühle vermitteln kann.
Nun erlebte ich beim Fernsehgucken, dass da jemand heftig gegen diese Botschaft verstösst. Es geht um einen TV-Spot, in dem ein kleines Mädchen auf seinem Bett liegt und jämmerlich weint. Was los sei, fragt die Mutter. Sie sei verliebt, sagt die Kleine. Das sei doch schön, meint die Mutter. Ja, aber sie habe noch nie mit ihm sprechen können, sagt die Tochter. Dann laden wir ihn doch mal ein, schlägt die Mutter vor. Im nächsten Bild klingelt es an die Tür. Die Mutter öffnet. Draussen sitzt ein unsympathischer Rotzbengel auf seinem Moped und fragt nach der Tochter… die Mutter knallt ihm die Türe vor der Nase zu. Ihrem Kind sagt die Mutter, es sei der Briefträger gewesen. Der habe eben mitgeteilt, dass der Junge weit, weg gezogen sei. Da schluchzt das Kind aus tiefstem Herzen und wirft sich in seinem Elend aufs Kissen. Die Mutter hat vorgesorgt. Sie gibt der Kleinen eine Kilopackung Schokoladekugeln… die zufälligerweise gerade an diesem Tag im Supermarkt zu einem Schnäppchenpreis zu kaufen sind. Und das Kind ist wieder froh.
Nun sieht man diesen Spot zwei-drei Mal und reibt sich die Augen… Wie war das? Eben noch hat man an einerVeranstaltung des Bundesamtes für Gesundheit gehört, dass elf Firmen sich zusammengeschlossen haben zum sog. Swiss Pledge, zu einer förmlichen Verpflichtung, auf Werbung für kalorienreiche und „ungesunde“ Nahrung zu verzichten, die sich an Kinder unter 12 Jahren wendet… und nun das! – Sicher, der Grossverteiler, der auf diese Weise wirbt, gehört nicht zu den elf Firmen. Und die Schokoladenmarke, die er im Kilopack vergünstigt vertreibt, auch nicht. Also ist „rechtlich“ nichts einzuwenden, alles korekt. Aber es bleibt doch ein schales Gefühl zurück und man gewinnt die Erkenntnis, dass noch viel geschehen muss, bis sich die Verhältnisse zum bessern wenden. Und das ist ein schlechter Trost.
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