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Von Heinrich von Grünigen um 22:28 |
Beat „Bergfloh“ Breu, der kleine Radler von Weltformat mit dem unverwüstlichen Überlebenswillen, ist wieder da. Vor Jahren bin ich ihm bei einer Vernissage zum letzten Mal begegnet, mitten in seiner Komiker-Phase, als einem der unfreiwillige Mix aus aus Wollen und nicht Können reichlich leid tat.
Nun tritt er erneut ins Rampenlicht der Boulevard-Bühne und kündigt sein Comeback an als Radrennfahrer, mit 50 und einer natürlichen Power-Motivation namens H-zwei-O-hoch-3. Das ist ein basisches Konzentrat in Wasserform mit einem ph-Wert von 13, das man massiv verdünnen muss, ehe man es trinken darf, dann hilft es – sagt er – gegen die Übersäuerung des Körpers und steigert nicht nur das Wohlbefinden sondern auch die Leistungsfähigkeit.
Es handle sich, betont er im TalkTäglich auf TeleZüri, nicht um ein „Wunderwasser“ sondern um eine natürliche Substanz, die einen natürlichen Prozess unterstützen helfe. 16 Kilo habe er abgenommen, aber nicht durch das Wasser allein, sondern durch die Umstellung seiner Ernährung: keine Kohlensäure, keine Weissmehlprodukte, viel Fisch, viel Gemüse und Früchte… Aber das Wasser helfe ihm, es nehme ihm die Lust auf Süssigkeiten und überhaupt.
Beat vertreibt das Präparat gerade selbst. 80 Franken kostet eine Flasche, sie reicht einen ganzen Monat lang. – Es handle sich, erfahren wir später in einem Beitrag von TeleZüri, um ein Direktvertriebs-System. Der Ex-Rad-Promi muss die Gunst der Stunde nutzen und sich seiner potenziellen Kundschaft zeigen, in einer Woche fährt er in Oerlikon wieder Rennen. – Hat er dank seinem Wasser abgenommen? Oder eher wegen der Umstellung seiner Ernährung und vor allem, weil er jeden Tag bis zu sechs Stunden trainiert, um wieder in Form zu kommen? Da würde selbst ich abnehmen, sechs Stunden täglich im Sattel…
Unbestritten: die Theorie vom ausgeglichenen Säure/Basen-Haushalt ist altbekannt und viele Menschen schwören darauf, indem sie sie bei der Zusammensetzung ihres Speisezettels berücksichtigen. Ob es dazu eine potenzierte Tinktur braucht und welche Rolle der Glaube an den Erfolg spielt, das ist eine andere Frage. Eigentlich wünsche ich Beat viel Erfolg bei seinem neuerlichen Überlebensversuch… aber ich weiss wirklich nicht, was ich davon halten soll.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:46 |
Das war also der letzte Abend im „Bistro“, der Café-Bar unserer Kuranstalt, im Kreise von Kollegen und Mitpatienten, mit denen man sich in den lezten Wochen zusammengefunden hat. Leidensgenossen und Genesungsgenossen gleichermassen. Die meisten haben noch eine bis zwei Wochen zu bleiben und es ist ein amüsanter Austausch der Agumente, ob sie nun noch bleiben „dürfen“ oder „müssen“. Ich verspüre, wenn ich ehrlich bin, einen gewissen Stalldrang und habe schon vor dem Abendessen damit begonnen, meine Koffe zu packen.
Morgen in der Frühe werden sie verschlossen, ab 0830 Uhr liegt die Rechnung an der Rezeption bereit, von den meisten meiner BetreuerInnen habe ich mich schon verabschiedet, nicht alle sind im gleichen Masse geschäftserprobt wie der Leiter der Fitness-Therapieangebote, der mir noch einen Prospekt mitgeben wollte für den Fall, dass ich mal einfach so für eine Woche als Privatmann („Selbstzahler“) in einen therapeutischen Wiederholungskurs oder so kommen möchte.
Bis zur letzten Stunde zeigt sich das Personal von seiner herzlichen, hilfsbereiten Seite. Diese Qualität der Betreuung ist nicht hoch genug einzuschätzen: man ist hier nicht eine Nummer oder ein anonymes Patientengut, die meisten kennen ihre „Kunden“ mit Namen, sprechen sie gar mit dem Vornamen an, machen ein Spässchen und tragen so bei zu einer motivierenden Kommunikation, die so wichtig ist für den Heilungsprozess.
Wenn ich die verschiedenen Testblätter und Berichte betrachte, die meinem Schlussrapport beigelegt sind, dann stelle ich fest, dass sich meine Leistungsfähigkeit zwischen der ersten und der dritten Woche erheblich gesteigert hat: schwarz auf weiss ist belegt, was ich eigentlich auch am eigenen Leib verspüre, wenn ich mich im Hause bewege, was mir von Tag zu Tag leichter gefallen ist.
Damit bin ich gerüstet und vorbereitet für die Rückkehr in die Stadt, wo ein Teil der Alltagswelt auf mich wartet. Von allen Seiten wird mir schon vorsorglich gut zugeredet, ich solle mich ja nicht übernehmen, jetzt heisse es neue Prioritäten zu setzen, die Geschäfte sanft anzugehen, Sorge zu mir zu tragen… aber da ich nicht unter einer Käseglocke lebe und die schöne Schonzeit in der ländlichen Idylle nun vorbei ist, wird man sehen müssen, wie damit umzugehen ist. Eines ist sicher: aus DIESER Thematik soll mir kein Sress erwachsen.
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Von Heinrich von Grünigen um 20:51 |
Die schönen Tage der gesundheitsförderlichen Erholung (auf Krankenkasse) gehen dem Ende entgegen. Letzte medizinische Checks sind angesagt, damit sich der Schlussbericht redigieren lässt, um den Hausarzt ins Bild zu setzen, wie es weiter gehen soll mit mir. Meine Befindlichkeit – verglichen mit dem Zustand vor drei Wochen – hat sich markant verbessert. Ich merke schon noch, dass es irgendwo mit der Sauerstoff-Versorgung hapern muss, denn ich gerate viel zu rasch ausser Atem, muss tief durchschnaufen, wenn ich eine Treppe hoch gegangen bin (und erinnere mich dabei an die ersten zaghaften Gehversuche noch im Spital unter Anleitung der kleinen Physiotherapeutin mit den silberblauen Augen, als mir bei der dritten Treppenstufe der kalte Schweiss auf der Stirne stand), aber ich kann wieder eine ganze Bassinlänge schwimmen, ich kann federnden Schrittes durch en Aufenthaltsraum in den Speisesaal gehen und ich fühle mich gerüstet für den Wiedereintritt ins „normale“ Leben.
Ich werde morgen das Programm des letzten Tages noch so gut auskosten wie es geht.
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Von Heinrich von Grünigen um 20:14 |
Mit etwas Verspätung bin ich heute beim sonntäglichen Stöbern im Internet auf eine Meldung gestossen, die schon Anfang April publiziert wurde und die mir bisher entgangen ist. Da hat ein Ernährungsforscher an der Universität Jena mit Versuchen an Mäusen herausgefunden, dass bei einer Funktionsstörung der Mitochondrien (das sind die sogenannten „Kraftwerke“ in unseren Muskelzellen, in denen z.B. das gespeicherte Fett in Energie umwgewandelt wird) die Versuchstiere an Gewicht zunehmen.
Dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Vorhandensein der Mitochondrien (die man sich durch entsprechendes Muskel-Training aneignen kann) und dem Abbau der Fettreserven, das war ja schon lange bekannt. Aber offenbar wurde in diesen Versuchen nachgewiesen, dass auch eine leichte Veränderung der Funktion zur Bildung von Übergewicht beitragen kann, auch wenn nicht unmässig gegessen wird und für ausreichende Bewegung gesorgt ist. Interessanterweise wurden die Fettreserven von den Mäusen aber nur angelegt, wenn sie kalorien- und fettreiche Kost zu sich nahmen. Wenn sie „richtig“ gefüttert wurden, stellte sich dieser Effekt nicht ein.
Noch handelt es sich nur um Erkenntnisse aus Tierversuchen. Aber diese eröffnen doch neue Perspektiven in der Diskussion über mögliche Ursachen der Adipositas. Da im Alter die Mitochondrien inaktiver werden, könnte auch dies eine Erklärung dafür sein, dass viele Menschen in der zweiten Lebenshälfte Gewicht zulegen, auch wenn sie weniger essen als früher. – Ich bin also auf dem richtigen Weg, wenn ich mir vornehme, nach Abschluss meiner Rehabilitation vermehrt darauf zu achten, mich körperlich zu betätigen. Das Problem wird sein, den guten Vorsatz in die Tat umzusetzen und einen vernünftigen Umgangston mit dem lieben inneren Schweinehündchen zu finden, das immer wieder Mittel und Wege findet, mich auszutricksen… so wie heute, wo ich mir fest vorgenommen hatte, im Lauf des Nachmittags noch einige Schritte zu gehen, mindestens 1’000 sollten es schon sein, ohne Stress… aber kaum war ich losmarschiert und lagen die ersten Hundert hinter mir, fing es zu regnen an und ich musste umkehren. Der Himmel öffnete seine Schleusen, Blitze zuckten und Donner grollte, als hätte sich die Natur gegen mich verschworen und möchte mich die letzten Tage hier noch auf die Probe stellen. – Für heute habe ich klein beigegeben.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:27 |
Es ist interessant, bei meinem Eintritt vor zweieinhalb Wochen war ich, so weit ich sehen konnte, der einzige Patient mit ausgeprägten Übergewicht. Inzwischen sind einige dazu gestossen, die es mit mir aufnehmen können. Und so ergibt sich zwangslos das eine oder andere Gespräch zum Thema.
Besonders berührt hat mich jedoch eine kurze Begegnung in der ersten Woche, abends, als mein Laptop auf dem Zimmer noch nicht installiert war und ich mich mit andern in die öffentlich zugängliche PC-Station auf der dritten Etage teilen musste. Ein Mitpatient, der gewartet hatte, bis meine Arbeit am Blog beendet war, und der tagsüber in der gleichen Gruppe wie ich einen Wanderversuch unternommen hatte, sprach mich darauf an, wie ich mich fühle. Ich klagte über meine Knieschmerzen und er schaute mich lange an. Weisst du, was du tun solltest? fragte er. Ja, sagte ich, eigentlich war ich für eine Operation vorgemerkt, im Juli, ein künstliches Kniegelenk, aber das muss jetzt wohl noch warten. – Wieder musterte er mich von der Seite spektisch, holte dann Luft und sagte: Du bist zu dick! Hast du schon einmal daran gedacht, abzunehmen?
Bingo! – Was sagt man in solchen Momenten? Ich kenne Leute, die in dieser Situation ausrasten. Ich glaube, ich bin cool geblieben und habe das Thema gewechselt. Natürlich hatte der Mann Recht, im Prinzip. Aber eben, was soll man sagen über die täglichen Kämpfe, mal Sieg, mal Niederlage, die jahrelangen Auseinandersetzungen, Hoffnungen und Enttäuschungen, und die Tatsache, dass einem das Thema zuweilen kreuzweise überall heraushängt..? – Kein Wunder, dass der Markt der magischen Heilmittel boomt! Der neueste Schrei, habe ich gelesen, ist jetzt die Fettverflüssigung.
Durch Einspritzung einer bestimmten chemischen Lösung ins Fettgewebe werden die Fettzellen dazu gebracht, sich aufzulösen… so einfach gehe das. Und was bei der Lektüre der Beschreibung anmutet wie ein Ritual aus der Werkstatt von Dr. Frankenstein, scheint in Amerika zu einem immer populäreren Trend zu werden. Die Methode ist allerdings umstritten, aber ihre Verfechter machen geltend, die Kritiker (zumeist Schönheits-Chirurgen mit Erfahrung im Fettabsaugen) würden nur ihre unliebsame Konkurrenz schlecht reden… Trotz dieser Auseinandersetzung gibt es in USA bereits Staaten, in denen die Technik ofiziell zugelassen ist und wo die entsprechenden Spritzen sogar in Fitnessclubs und Schönheitssalons gesetzt werden…
Hauptrisiko sei allerdings die gesundheitliche Sicherheit. Die Substanzen, die eingespritzt werden, werden offenbar nicht von seriösen und anerkannten Pharmakonzernen unter sterilen Bedingungen produziert, sondern in irgendwelchen inofiziellen Drogenklitschen, so dass mit einer Verunreinigung der Präparate und mit entsprechenden gesundheitlichen Schäden zu rechnen sei. – Da lobe ich mir dann doch unsere zuweilen allzu bedächtigen Gesundheitsbehörden, die nichts überstürzen und die unser Wohl im Auge behalten…
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Von Heinrich von Grünigen um 21:16 |
Das war sie dann, die erste Serie von „SF bi de Lüt“ mit dem Motto Ein Ort nimmt ab. Zwölf Sendungen, ein Thema. Eine Ortschaft, deren Name wohl noch längere Zeit mit dieser TV-Präsenz verbunden bleiben wird. Dreieinhalb Tonnen Körperfett sollten in zwölf Wochen zum Verschwinden gebracht werden… das Ziel wurde – bis auf 10% – fast erreicht: 3’200 Kilo sind es, hochgerechnet. Glückwunsch!
Und die Hauptfiguren, deren Kampf mit den Tücken des Abnehmens wir in den letzten Wochen mitverfolgen konnten, haben zwischen 2 und 10 Kilo abgenommen, pro Person. Ein grosser Teil von ihnen war im adipösen Bereich, also mit einem BMI über 30. Dieses Resultat kann sich unter verschiedenen Aspekten sehen lassen: zum einen zeigt es, dass „man“ nicht einfach auf Kommando abnehmen kann, sondern dass jedes Individuum grundsätzlich anders reagiert auf eine Veränderung der Lebensbedingungen. Alle hatten in etwa die gleichen Anregungen bezüglich Ernährung und Bewegung, die meisten nahmen sie auch wahr, aber die verschiedenen Personen sind unterschiedlich damit umgegangen.
Die Abschlusssendung zog in einem bunten Panoptikum Bilanz. Nicht verwunderlich, dass diese in der öffentlichen Selbstevaluation durchwegs positiv ausgefallen ist. Nicht alle Zuschauer haben wohl die Serie lückenlos verfolgt, aber ich konnte im Gespräch mit vielen Menschen, die mich darauf agesprochen hatten, feststellen, dass doch etwas hängen geblieben ist, dass die Sendungen und die Tipps und Anregungen, die sie in oft verspielter und plakativer Form vermittelt haben, doch haften geblieben sind. Wenn dadurch landesweit etwas in Bewegung geraten ist, dann kann sich die Projektleitung glücklich schätzen.
Aber nun kämpft jede und jeder wieder für sich allein mit sich selber… das ist der härteste Teil, der jetzt erst begonnen hat. Dazu kann man allen, die daran beteiligt sind, nur viel Kraft und Durchhaltewillen wünschen. Mir jedenfalls hat die Begegnung mit dem Eglisauer Team Spass gemacht und ich werde aufmerksam verfolgen, ob und wie es weiter geht.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:13 |
Michael Moore, enfant terrible unter den US-Dokumentarfilmern, hat abgenommen. Während den Dreharbeiten zu seinem neuesten Film über das amerikanische Gesundheitswesen hat er sich selber und seiner Crew eine Gesundheitskur verschrieben, was unter anderem zur Folge hatte, dass er in drei Monaten 15 Kilo abgespeckt hat.
In einem Interview mit der Chicago Tribune hat er darüber Auskunft gegeben, wie er dies erreicht habe. Und wer nun irgendwelche moore’schen Extrem-Tipps erwartet, sieht sich leider enttäuscht. Seine Empfehlungen sind elementar, aber vielleicht gerade deshalb wirksam und nützlich:
1. Jeden Tag 30-40 Minuten gehen und dabei etwas schwitzen
2. Zu jedem Frühstück ein Müesli mit Haferflocken und Faserstoffen (35 Gramm)
3. Keine Diäten
4. Genug schlafen, mindestens 7-8 Stunden
Und das soll alles sein? – Interessant ist, dass sich diese vier Punkte so ziemlich total decken mit meiner Rehabilitations-Realität: mit Frühturnen, Ergometer-Training, Wandern, Wassergymanstik und Velofahren komme ich täglich mehrmals ins Schwitzen; am Frühstücksbüffet gibt es eine breite Auswahl von von Faser-Produkten und Flocken zum Joghurt und zum Müesli; die Mahlzeiten sind ausgewogen und komplett, keine Diät, aber vollwertig und nur über die Menge begrenzt; zwischen Nachtessen um 18 Uhr und Früstück nach 8 Uhr bleibt ausreichend Zeit für eine lange Schlaf-Phase, sofern man sie sich nicht mit Herumzappen und Lesen mutwillig verkürzt. – Und ich merke, dass „es“ wirkt. Wieviel ich in den zwei Wochen abgenommen habe, kann ich noch nicht sagen, denn die Waagen sind zu wenig zuverlässig… aber DASS ich abgenommen habe, das merke ich beim Schuhebinden und an der lockereren Art, wie sich die Hosen an meinem Bauch anfühlen…
Also, Leute, ob ihr Michael Moore mögt oder nicht – seine Tipps sind elementar und können nützlich sein.
PS: das mit dem Flyer-Fahren statt Wandern hat heute geklappt, ich liess mir vom Arzt die Lizenz zum Biken geben, meldete mich bei der Wandergruppe ab, mietete ein E-Velo und kurvte eine Stunde lang – mit kleinen Pausen, wenn der Atem nicht mehr wollte – durch die hügelige Landschaft. Die sanfte Unterstützung beim Pedalen wurde mir diesmal – anders als bei früheren Testfahrten – mit meiner reduzierten Eigen-Energie voll bewusst. Vielleicht schaffe ich mir wirklich so ein Gerät für zuhause an.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:13 |
Rückblick: der Triumph von gestern war teuer erkauft. Die ganze Nacht konnte ich kaum schlafen, da beide Knie schmerzten und mir bei jeder Bewegung glühende Blitze durch die Gelenke zuckten. Und als ich am Morgen aufzustehen versuchte, humpelte ich durch Zimmer, gekrümmt wie ein Greis… Ich hatte mich eindeutig übernommen und musste nun dafür büssen. Mein Beschluss steht fest, am Donnerstags-Spaziergang werde ich definitiv nicht teilnehmen und mir statt dessen ein Fahrrad mieten. Sie haben hier auch Flyer im Angebot, fünf Franken pro Halbtag, damit bin ich ja bereits vertraut und die werden oder wurden am Inselspital Bern bei der Rehabilitation von Herzpatienten eingesetzt, das kann ich nun ebenfalls ausprobieren.
Und dann gabs wieder einen Vortrag darüber, wie wir Herzpatienten nun unser „Leben danach“ zu gestalten hätten. Es gab einige wenige, aber strenge Regeln, die zu beachten sind, ausgehend von der Tatsache, dass über das künftige Wohlergehen zu 60 Prozent der Patient selber entscheidet; der Beitrag der Ärzte und der Medizin beläuft sich auf gerade 40 Prozent. Folgendes sind die Stichworte: nicht mehr Rauchen. Das betrifft mich ja nun nicht, denn ich habe vor rund 40 Jahren damit aufgehört… aber wichtig ist zu wissen, dass Nikotin die Herzkranzgefässe verengt. Wer nach dem Infarkt weiterraucht, tötet sich in kürzester Zeit selber, der lebensrettende Eingriff war umsonst.
Das zweite Stichwort heisst „Ernährung“: nach dem Muster der mediterranen Kost geht es darum, Nahrung zu sich zu nehmen, die wenig Cholesterin und dafür die guten Omega-3-Fettsäuren enthält. Vorsicht bei Fleisch und Wurstwaren, viel Gemüse und Früchte, regelmässig Fisch und die Produkte möglichst naturbelassen… Überlebenswichtig ist dabei die Wein- bzw. Alkohol-Frage. Ein wenig Alkohol pro Tag (und es muss nicht der berühmte Rotwein sein) stellt für den gesunden Menschen eine hilfreiche Prophylaxe dar… aber Achtung: Wer nach einem Infarkt eine eingeschränkte Herzfunktion hat, der muss Alkohol selbst in kleinen Mengen meiden, da dieser das geschädigte Herz direkt angreift und weiter in Mitleidenschaft zieht. Eine Lektion, die ich verinnerlichen muss.
Der nächste Punkt ist „Bewegung“. Dabei geht es ausdrücklich nicht um „Sport“ oder „Leistung“, aber um körperliche Aktivität, die mit Vergnügen verbunen sein sollte. Das kennen wir ja auch voin der Adipositas-Therapie her. Und es geht auch nicht darum, irgendwelche Rekorde aufzustellen, sondern auch hier gilt: jede Bewegung ist besser als keine.
Schliesslich noch: „Stressmanagement“, also der persönliche Umgang mit Situationen im Alltag und im Berufsleben, die Druck und Spannungen verursachen können. Die Aufforderung, das Leben ganz einfach „leichter“ zu nehmen, Belastungen nicht an sich herankommen zu lassen, mit seinen Mitmenschen einen entspannten und positiven Umgang zu pflegen… ich denke, hier bringe ich nicht schlechte Voraussetzungen mit.
Alles in allem hat mir die Rehabilitation bis jetzt, in den ersten zwei Wochen, viel gute und wichtige Erkenntnisse vermittelt, die ich in der dritten Woche noch abrunden kann. Dann sehen wir weiter.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:33 |
Nein, ein Triumph des Willens war es nicht, die Allusion verbietet sich schon vor dem historischen Hintergrund, und mit dem Willen an sich hatte es wenig zu tun, vielmehr war das Wetter günstig und ein gewisser Gruppendruck lieferte den notwendigen Support.
Heute war wieder ein „ausgedehnter Spaziergang“ angesagt und nach den Strapazen der beiden letzten Male war ich so gut wie entschlossen, zu kneifen, einfach nicht an den Start zu gehen und mich hinterher damit herauszureden, es sei mit dem behandelnden Arzt abgesprochen gewesen, was es in einem gewissen Sinne auch war, denn dieser hatte mir tatsächlich eine bewusste Zurückhaltung empfohlen, was das Marschieren betrifft.
Dann aber kam der Termin näher, der Blick aus dem Fenster zeigte einen leicht bewölkten Himmel, noch kein Regen in Sicht, und ich sagte mir, vielleicht gehst du mal zur Besammlung, mit dem Vorbehalt, jederzeit umkehren zu können, wenn es zu viel wird. Ein Deal, der übrigens für alle gilt, die sich noch keine grosse Leistung zutrauen. Und so ging es denn los, anfangs recht zügig und munter, bald machten sich Erschöpfung und Atemnot bemerkbar und ich fiel zurück, zusammen mit einer zweiten Patientin, die zum ersten Mal dabei war. Bei jedem Zwischenstopp erkundigte sich der Trainer nach unserem Befinden und wir kamen stückweise voran, hielten mit, wenn auch als Nachhut, wurden von der Gruppe gleichsam mitgezogen, indem sie uns ermutigte. Bald war der Scheitelpunkt des Ausflugs erreicht, von jetzt an wurde die Strecke zurück wieder kürzer…
Als wir nach einer unglaublichen Marschzeit von fünf Viertelstunden wieder vor der Klinik standen, waren das Halloo und der Zuspruch gross, der Trainer gab mir „fünf“ mit der Hand, lobte unser Durchhaltevermögen, obwohl ich mich innerlich noch nicht damit abgefunden hatte, dass mir ein so simpler Spaziergang von einer guten Stunde nun derart schwer fällt, wo ich doch früher im Militär den 100-Kilometer-Marsch und jene Patrouillenläufe ohne grosse Mühe (wenn auch nicht mit Bravour) bewältigt hatte… so hinfällig ist das Gerüst geworden, die Struktur, der Apparat, dass sein Funktionieren plötzlich nicht mehr selbstverständlich ist.
Den wichtigsten Beitrag lieferte ein Mitpatient, der auch in der Gruppe war, nach dem Mittagessen. Er sagte, während wir uns zu unseren Zimmern begaben: Weisst du, ich habe heute glernt, dass ich mich eigentlich schämen sollte… – Ich schaute ihn fragend an. – Deine Leistung – wenn ich mir vorstelle, dass du ja fast das Doppelte an Gewicht zu schleppen hattest wie ich!
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Von Heinrich von Grünigen um 23:01 |
Heute war wieder Vortrag. Thema: Burn out – „die moderne Krankheit“. – Seit Mitte der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts kennt man das Phänomen. Es handelt sich um eine persönliche Krise, die nicht selten dadurch ausgelöst wird, dass sich jemand in seinem Alltag und im Beruf permanent selbst überfordert und, weil er die eigenen Ziele nicht mit der von sich selber verlangten Perfektion erreicht, dadurch massiv an Selbstwertgefühl verliert. Die Auswirkungen können dann meist psychosomatischer Natur, also empfindliche Krankheitssymptome aller Art sein.
Um mit dem Syndrom umgehen zu können, müssen die entsprechenden Symptome frühzeitig erkannt werden, aber gerade das ist meist ein Problem, weil Betroffene die Alarmzeichen meist gar nicht wahrnehmen wollen. Empfehlungen zur Vorbeugung, zur Prävention richten sich – soweit ich das verstanden habe und es in der gebotenen Kürze geschildert werden konnte – an die einzelnen Menschen, die möglicherweise betroffen sein können. Und wenn das Syndrom einmal vorhanden ist, braucht es viel Geduld und eine lange Zeit, um es zu „kurieren“.
Das ganze Krankheitsbild ist zwar real, aber in seiner differenzierten Komplexität auch sehr schwer fassbar. Es ist daher nicht verwunderlich, dass ein irritiertes Raunen durch den Vortragssaal ging, als am Schluss in der Fragerunde jemand wissen wollte, ob Burn out auch einen IV-Anspruch auslösen könne… insgeheim sah man vor dem inneren Auge schon die Schlagzeilen und die SVP-Hetzparolen zum Thema IV-Missbrauch…
Gerade die Unsichtbarkeit der Symptome macht es wohl aus, dass man sich schwer vorstellen kann, wie es ist, betroffen zu sein, wenn man sie nicht aus eigener Erfahrung kennt. Wenn ich das mit Adipositas vergleiche, so haben wir es dort mit extremer Sichtbarkeit zu tun. Das optisch wahrnehmbare Vorhandensein des zuvielen Körperfetts löst beim Betrachter bereits Reflexe aus, ehe auch nur ein Wort gewechselt ist, und keiner würde daran zweifeln, dass es existiert.
Ein weiterer Punkt beschäftigt mich: bei Adipositas und Übergewicht sprechen wir von Verhaltensprävention (anderes Ernähhrungs- und Bewegungsverhalten) und von Verhältnis-Prävention (Veränderung der Umwelt-Verhältnisse, welche das Entstehen von Adipositas begünstigen)… bei Burn out habe ich nur Empfehlungen gehört, die sich an den Einzelnen richten… aber was wäre mit einer Veränderung des ganzen beruflichen Umfelds, des Arbeitsklimas, der produktionsbedingten Stressfaktoren, des immer stärker werdenden Erfolgsdrucks, der Jobverlust-Ängste, die durch die aktuellen Trends in der globalisierten Wirtschaft ausgelöst werden…? – Letztlich ist hier eine Veränderung wohl ebenso schwer einzuleiten wie im Bereich Adipositas… aber das darf uns nicht davon abhalten, Lösungen zu suchen!
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