21/1  Labelkrieg

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:36

Nach McDonald’s hat nun coop den nächsten Schritt gemacht mit einer firmeneigenen Nährwert-Deklaration. Zum Glück gibt es Zeitungsinserate. Sonst hätte ich das gar nicht bemerkt. Heute war in den Blättern vom Sonntag auf einer Doppelseite ein fetter Schoko-Kuchen abgebildet, wie Oma ihn zu backen pflegte. Ich muss allein beim Betrachten des Bildes rund anderthalb Kilo zugenommen haben.

Auf der Seite hat es eine Etikette, die mir mitteilt, wieviel an Kalorien, Zucker und Fett eine Scheibe des Cakes enthält, und welchem Anteil eines durchschnittlichen Tagesbedarfs (man geht von 2000 kcal aus)dies entspricht. Das Konzept nennt sich Foodprofil und ist zunächst auf Eigenmarken zu finden. Bis Ende 2007 sollen bis 1000 Produkte so etikettiert sein.

Dass die Lebensmittelindustrie alles unternehmen würde, um eine staatlich vorgeschriebene Deklarationspflicht abzuwenden oder zu unterlaufen, damit war zu rechnen. Und angesichts der enormen Entscheidungsfreudigkeit und des sprichwörtlichen Tempos unserer Gesetzgebungsmaschinerie, sowie der Regulierungsunlust, die in unserem Gesundheitsministerium anzutreffen ist, hat jeder Versuch, der einigermassen flächendeckend angewendet wird, eine gute Chance, sich durchzusetzen.

Vorstösse aus dem Parlament, man möchte bitte die Realisierung eines Ampelsystems prüfen, wie es in England von der Regierung eingeführt wurde, schlummern still in Schubladen. Man wartet darauf, dass aus Brüssel eine Europa-Regelung kommt, die man dann nachvollziehen kann. Und dass dieser die Zähne schon gezogen sein werden, ehe sie den Mund aufgemacht hat, um zuzubeissen, damit ist zu rechnen.

Soll man also coop für die „Pionierleistung“ (Selbstlob im Inserattext!) preisen? – Es ist immerhin ein Ansatz, angelehnt an das Gegenmodell, das die Nahrungsmittelhersteller in England gegen die obrigkeitlichen Richtlinien propagiert haben, auch wenn die tagesbedarfsrelative Umrechnung ein gewisses rechnerisches Talent erfordert.

Interessant wäre es gewesen, wenn coop und Migros sich gemeinsam auf ein System verständigt hätten. Aber so, wie der Zickenkrieg zwischen den beiden Foodgiganten (helvetischen Zuschnitts) heute um jedes Rabättchen tobt, wäre das zu schön, um wahr zu werden.

Als Pragmatiker nimmt man zur Kenntnis, dass es dieses Label jetzt gibt. Denn dass etwas unternommen werden muss, um die Orientierung in der Nahrungslandschaft zu erleichtern, ist allen klar, die daran interessiert sind, dass der Übergewichts-Lawine irgendwie Einhalt geboten wird. Derweil das so ist, streiten sich Expertengremien über die „richtige“ Form, wie das Thema unters Volk zu bringen sei: der NZZ am Sonntag war ein Schreiben zugespielt worden, mit dem eine Gruppe anerkannter Adipositas-SpezialistInnen Kritik übt an der aktuellen Sensibilisierungs-Kampagne von Gesundheitsförderung Schweiz mit dem Motto Die Schweiz wird immer dicker. Man kann und soll eine Werbekampagne, die mit quasi öffentlichen Geldern finanziert wird, kritisieren. Das ist legitim. Hilft allerdings den Betroffenen im Moment nicht weiter. – Das Thema ist es Wert, morgen nochmals aufgenommen zu werden.




20/1  Messeleben

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:30

Wir sind wieder einmal im Einsatz. Drei Tage in der OLMA-Halle 9, am 4. Gesundheits-Symposium in St.Gallen. Wir haben einen Tisch beim Adipositas-Zentrum St.Gallen/Rorschach und stehen mitten im Geschehen.

Es ist natürlich wie bei den meisten Gesundheitsmessen: die Leute, die kommen, sind die gesundheitsbewussten Menschen, die noch mehr wissen wollen als sie schon wissen. Und die sich geduldig in die Schlangen reihen beim Anstehen für die Messung des Blutdrucks, des Blutzuckers, des Cholesterins, des BMI, des Körperfettanteils… und wenn sie durch sind, kommt das Gespräch mit dem Arzt, der ihnen – hoffentlich – attestiert, dass alles im grünen Bereich sei.

Es gibt auch die Anderen. Leute, die dankbar sind für Tipps, für Broschüren, für Unterlagen. Besorgte Grosseltern, die sich erkundigen, wie sie ihre Kinder dazu bringen könnten, bei den übergewichtigen Enkeln besser aufs Essen zu achten… Familien, die sich gemeinsam der Herausforderung stellen wollen und sich über ein Kochbuch freuen, das den Kids den Weg in die gesunde Küche weist…

Am Sonntag ist der letzte Tag. Wir rechnen nochmals mit einem Besucher-Ansturm und nehmen dann die Fragen und Sorgen mit zurück in den Alltag. Jeder Kontakt gibt neue Ideen.




19/1  Selbstbewusst und krank

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:50

Vor einer Woche hat sich das Magazin FACTS mit Fragen rund um staatliche Eingriffe im Kampf gegen Übergewicht befasst. Auch ich wurde befragt und abgebildet. Der Journalist hatte sich leider in die These verbissen, wer Regelungen verlange, wolle „die Dicken bekämpfen“… Dabei geht es um das Gegenteil, nämlich die Verhältnisse so zu beeinflussen, dass Menschen, die zum Dickwerden veranlagt sind, vor Umwelt-Zwängen verschont werden…

Kurz porträtiert wurde auch eine Gruppe, die das Internet-Portal Rund, n@ und?? betreibt. Eine an sich sympathische Organisation, die bestrebt ist, im „Rundsein“ die positiven Aspekte zu sehen und übergewichtigen Menschen Mut zu machen, sich zu akzeptieren, zu sich und seinem Gewicht zu stehen, sich nicht fertig machen zu lassen. Das ist ein wichtiger Ansatz, der Vielen helfen könnte.

Allerdings haben die Rundnaündler gestern in FACTS noch einen Leserbrief nachgeschoben, der mich reichlich irritiert hat. Sie seien, sagen sie, im Artikel falsch dargestellt worden. Es sei ihnen wichtig, darauf hinzuweisen, dass sie vor allem das Selbstbewusstsein der Übergewichtigen fördern möchten. Denn wer selbstbewusst sei, der könne jederzeit abnehmen, wenn er nur wolle… aber wenn er selbstbewusst sei, könne er auch getrost dick bleiben und dabei gesund sein…

Das, mit Verlaub, ist Schwachsinn, meine Lieben. Zwar nicht jetzt, wo ihr das sagt und wo ihr von dem, was ihr sagt, überzeugt seid. Denn ihr seid jung, in den besten Jahren. Euer Körper funktioniert auch unter einer gewissen Fettschicht noch leidlich, ihr mögt euch noch bewegen und euer rundes Leben geniessen… Ich weiss, wovon ich spreche, denn ich hatte das mit 40 Jahren auch noch so. Und an Selbstbewusstsein hat es mir eigentlich nie gefehlt. Ich scherte mich wenig um mein Gewicht, machte von Zeit zu Zeit aus ästhetischen Überlegungen wieder mal eine Diät (oder wenn ich partout nicht mehr in die Uniform passte). Und wer mir mit der Gesundheit kam, den belächelte ich mild, denn meine Werte waren immer super: kein Zucker, kein Cholesterin, auch (noch) kein zu hoher Blutdruck…

Der Knick kam dann mit 55. Zuerst waren die Schmerzen in den Knien, die eine Operation nötig machten, dann fehlte der Schnauf beim Treppensteigen, Schweiss brach nach zwanzig Schritten aus, das Herz raste mit viel zu hohem Blutdruck… ich fühlte mich als fettes, aufgedunsenes körperliches Wrack, da half kein Selbstbewusstsein und kein gutes Zureden. Und als ich mich endlich dazu aufgerafft hatte, nun ernsthaft etwas zu unternehmen, merkte ich, dass es inzwischen unheimlich schwierig geworden war… Das war vor zehn Jahren. Und ich ärgere mich über die Sorglosigkeit meiner früheren dicken Jahre.

Wenn ich lese oder höre, dass man dicken Menschen Mut machen solle, mit Freuden dick zu bleiben, weil das gesund sei, dann macht mich das zuerst wütend, dann betroffen und schliesslich traurig. Selbstbewusst und blöd. Sorry, aber das müsste nicht sein. – Denn selbst-bewusst heisst ja, dass man sich seiner selbst und dessen, was für einen gut ist, bewusst ist. Reden wir in zwanzig Jahren wieder darüber?




18/1  low & low

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:22

Unter den Ernährungsfachleuten tobt ein Richtungskampf. Low fat hiess jahrelang die Parole, und in USA wurden richtige low-fat-Exzesse gefeiert… aber die Menschen nahmen dennoch zu. – Dann kam 2002 die grosse Wende: Low carb war jetzt Trumpf (und damit hob der gute alte, inzwischen verblichene Dr. Atkins wieder sein Haupt aus der Versenkung).

Ja, was nun? fragte sich der Abnehmer verwirrt? – Aus München kommt die Antwort, nachzulesen im medizinischen Online-Magazin PHOENIX: Eine Kombination aus den beiden Ernährungsweisen, in Tateinheit mit einer Art Trennkost, das bringt am meisten.

Prof. Dr. med. Olaf Adam aus München hat die sogenannte KFZ-Diät entwickelt… die freilich nichts mit Automobilen zu tun hat (in Deutschland: Kfz für Kraftfahrzeug), sondern mit den Anfangsbuchstaben von Kohlenhydraten, Fetten und Zwischenmahlzeiten.

Bei einem Test über 12 Monate hat sich gezeigt, dass die Leute, die KFZ praktizierten, ihr Körpergewicht um 11,1% verringert hatten, während eine andere Gruppe, die Low-carb allein machte, nur 4,4% reduzierte. Eine weitere Gruppe mit einer allgemein kalorienreduzierten Mischkost nahm um 2,5 Prozent ab… (allerdings fehlt bei diesem Versuch noch die Langzeit-Bestätigung).

Die Theorie, die dahinter steht (lehnt sich an die Trennkost-Philosophie an): der Körper kann nicht Fett und Kohlenhydrate gleichzeitig verbrennen. Isst man beides zusammen, so verbrennt er die Kohlenhydrate und speichert das Fett in den Fettzellen… (aus meiner eigenen Erfahrung mache ich ein Fragezeichen zur Notwendigkeit von Zwischenmahlzeiten. Diese sind – nach Adam – wichtig, damit kein Hungergefühl aufkommt… anderseits wird durch sie die Fettabbau-Phase unterbrochen und der Blutzuckerspiegel angehoben…)

Wie mans macht: es hat einen Haken. Ausprobieren, was wirkt und was sich als Lebensform auf Dauer praktizieren lässt. Einen weisen Rat fügt der PHOENIX-Herausgeber noch an: Diäten kommen und gehen. Um einen Langzeiterfolg (über 5 Jahre) zu garantieren, kommt der Adipöse an zwei Massnahmen nicht vorbei: Konsequente Steigerung der körperlichen Aktivität und Reduktion der Energiezufuhr. Und noch ein Rat: Lasst die Senioren mit Diäten in Ruhe, sie werden sonst früher sterben!




17/1  Gesund-Burger

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 21:18

Unterwegs auf der Autobahn habe ich heute an einer Raststätte Halt gemacht. Auf den Tischen lagen Sets aus, auf denen in strahlender Schönheit ein Hamburger zu sehen war. Daneben das gezeichnete Bild einer zeitlosen Schönheit, wie man sie von uralten Ovomaltine-Plakaten in Erinnerung hat… Nostalgie bürgt für Qualität.

Und das ist es auch, was die Dame wie ein Nummerngirl mit perlweissem Lächeln auf einer ovalen Tafel zeigt: Cindy’s Quality. Sportlich gekleidet, im kurzen Cheerleader-Dress und mit keckem Pferdeschwanz… und rund um das Burger-Bild ein Text, der es in sich hat:

Wir haben unser Brot nach den Grundsätzen einer gesunden Ernährung entwickelt! steht da. Und das bedeutet in diesem Fall:
– intensiver Eigengeschmack dank langer Teigführung
– 1/5 vollwertiges Dinkel-Vollkornmehl
– reich an Vitaminen und Spurenelementen
– friche Weizenkeimlinge garantieren weitere 30 Vitamine
– Mehl aus Schweizer IP Suisse Produktion

Wenn das keine Offerte zu gesünderem Leben dank Burger Bun ist!? – Und beim Fleisch handelt es sich um 100%iges Frischfleich, das (man höre!) inhouse vom Fleischwolf direkt auf den Grill kommt. – Die weiteren Zutaten werden für Sie à la minute frisch vom Stück geschnitten… – Da läuft mir doch das Wasser im Mund zusammen. Soll noch jemand sagen, Fast Food könne nicht „gesund“ zubereitet werden!




16/1  Krankenkassen im Gespräch

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:55

Heute war wieder mal ein Meeting im Rahmen von Swiss PALS. Das hat nichts mit den „Freunden“ zu tun, die sich landläufig hinter dem englischen Wort pals verbergen, sondern ist die Abkürzung für Patient Advocacy Leading Summit, was eine etwas edlere Umschreibung ist für einen Zusammenschluss von Patienten- bzw. Betroffenen-Organisationen, die Wert auf die Qualität ihrer Arbeit legen.

Man trifft sich vier- bis fünfmal pro Jahr zu einem thematischen Austausch; vertreten sind (im Moment) Aids, Epilepsie, Diabetes, Parkinson, Osteoporose und Adipositas… und man diskutiert mit Vertretern verschiedener Pharma-Unternehmen und mit ExpertInnen je nach Thema. Letztes Jahr lernten wir viel über das „politische Lobbying“; 2007 geht es um die Frage: was ist, soll, tut einte gute Patienten-Organisation, mit welchen Erwartungen sieht sie sich konfrontiert.

Den Auftakt machte ein Gespräch mit der Krankenkasse CSS (stellvertretrend für andere). Viele Betroffenen-Organisationen haben ein ambivalentes Verhältnis zu Kassen (ich habe es in diesem Blog schon verschiedentlich angesprochen), sie erfahren sie in der Praxis oft als „Verhinderer“, die nicht bereit sind, notwendige Therapien zu berappen… Es war nun spannend, für einmal die „andere Seite“ zu hören.

Die CSS will mehr sein als einfach eine Finanzierungs-Organisation. Sie will ihre Kunden in schwierigen Situationen beraten und begleiten, ihnen Hilfe anbieten, um eine optimale Betreuung zu gewährleisten, was sich langfristig wieder positiv auf die Kostenentwicklung auswirken soll. Mit dem im Ausbau befindlichen Konzept von Care- und Case-Management soll ein individuelles Eingehen auf bestimmte Krankheitsformen und auf individuelle Bedürfnsise möglich werden.

Dabei bietet sich die Zusammenarbeit mit Patienten-Organisationen geradezu an, denn diese verfügen über ein besonderes Wissen zu einzelnen Krankheiten, haben einen direkten Zugang zu Betroffenen und deren Umfeld, geniessen Vertrauen und können auf neutraler Basis und frei von kommerziellen Interessen eine sachliche Information vermitteln. Je nach Problemstellung können die Kassen gewisse Aufgaben an die vorhandenen Organisationen delegieren, mit klaren Leistungsaufträgen. Dies eröffnet neue Perspektiven, die gemeinsam und konstruktiv anzugehen sind, in einem Geist der Partnerschaft. Das Gespräch ist fortzusetzen.




15/1  Die Bettdecken-Diät

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:31

Die Erkenntnisse haben sich bruchstückhaft verdichtet: zuerst erfuhr man, dass Leute, die nur sehr wenig Schlaf bekommen, eher dazu neigen, übergewichtig zu werden, weil Kurzschläfer mehr unter Stress stehen (oder weil sie wegen Stress nicht schlafen können). Das hat mich schon mal nachdenklich gemacht, meine ich doch, unter der Woche mit vier bis fünf Stunden Schlaf locker auszukommen… und wundere mich dann, dass ich am Morgen oft auf der Bettkante sitze und wie ein Maikäfer innerlich Anlauf nehmen muss, ehe ich den Tag anpacke…

Dann haben wir aus andern Studien vernommen, dass ein langer Schlaf, verbunden mit einer leichten, kohlenhydratfreien Abendmahlzeit, es dem Körper erlaubt, in der ausgiebigen Regenerationsphase ein Optimum an Kalorien zu verbrennen und an den Fettrserven zu zehren…

Im letzten Sommer gab es ein Buch mit dem Titel Schlaf dich schlank, das die eine oder andere Hoffnung wecken mochte… und nun kommt in England ein weiteres Buch mit dem verheissungsvollen Programm neu als Paperback auf den Markt: The Duvet Diet – Sleep Yourself Slim (zu Deutsch: Die Bettdecken-Diät – schlaf dich schlank).

Hinter dem Buch steht ein Britisches Schlafforscher-Team, das der Leserschaft zu einem gesunden, tiefen Schlaf verhelfen will… und daneben werden, scheint es, noch ein paar bahnbrechende Tipps vermittelt wie: mehr Gemüse essen, ein Tagebuch führen, einen engen Gürtel tragen (weil man sich dann eher satt fühlt)… und: mit Stäbchen essen.

Hoppla. Wozu dies jetzt? Gehen die von der Annahme aus, dass unsereins so ungeschickt mit den Hölzchen umgeht, dass die Hälfte des Essens sich auf dem Tisch verzettelt? Oder ist der Tipp nur für die Suppe gemeint? Ich jedenfalls kann mit den Stäbchen in kurzer Zeit Unmengen an gebratenem Reis mit Ente aus dem Schälchen in den Mund schaufeln und die Sushi wandern sowieso am Stück zwischen die Zähne…

Da gehe ich denn doch lieber schnurstracks ins Bett: bleiben mir noch genau sechseinhalb Stunden. Schon besser!




14/1  Sündenbock Transfette

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:46

Das Sündenregister wird immer länger. Bis vor kurzem haben wir gar nicht gewusst, was Transfette überhaupt sind. Dann hörten wir, dass wir viel zu viel davon in gewissen Lebensmitteln haben und dass sie gefährlich hohe Risiken bergen für bestimmte Herzkrankheiten. Und nun erfahren wir aus einer Harvard-Studie, dass sie für Frauen auch das Risiko erhöhen, unfruchtbar zu werden.

Deshalb empfehlen die Forscher, dass Frauen Transfette möglichst meiden sollen, wenn sie Kinder kriegen möchten… Gibt es gar einen Zusammenhang zwischen der Verwendung von Transfetten in industriell gefertigten Lebensmitteln und der immer grösseren Anzahl an kinderlosen Ehepaaren? – Dazu sagt die Studie nichts aus, sie weist lediglich auf ein „erhöhtes Risiko“ hin.

Die renommierte Ernährungswissenschafterin Marion Nestle ist denn auch skeptisch diesem Befund gegenüber. Es sei problematisch, das Risiko für Unfruchtbarkeit einem einzigen Faktor zuzuschreiben, und bislang sei empirisch nur erwiesen, dass der Verlust der Fruchtbarkeit bei Frauen häufiger die Folge von extremer Unter- oder Überernährung sei. Dass bestimmte Lebensmittel dabei eine besondere Rolle spielten, sei weniger wahrscheinlich. Bei der Wirkung auf die Gesundheit komme es auf die Ernährung als Ganzes an.

So oder so dürfte es sich trotzdem lohnen, der Deklaration auf den Verpackungen vermehrt Beachtung zu schenken, so sie denn überhaupt klar und verständlich ist. Das aber ist ein anderes Thema und ein zu weites Feld für einen Sonntagabend.




13/1  Wahrnehmung – Ein Nachtrag

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:42

Vorgestern schrieb ich über die Performance-Zwillinge und stützte mich dabei – wie sich herausstellt – auf die zugänglichen Quellen im Internet ab. Ich bin dann freilich auch nicht hingegangen, in diese Galerie, um mir die „Action“ anzusehen, was sollte das?

Aber bei vergleichender Betrachtung der aktuellen Berichterstattung heute in verschiedenen Zeitungen, da musste ich mich doch fragen, ob wir angesichts der raschen elektronischen Verbreitung von Informationen, die man für wahr halten könnte, nicht der Gefahr erliegen, dass einfach einer vom andern abschreibt und man sich gegenseitig in eine Art der vermuteten Wahrnehmung hineinsteigert, von der man am Schluss nicht mehr weiss, ob sie mit der Wirklichkeit etwas zu tun hat…

So wusste ein Kritiker, der leibhaftig dabei war, zu berichten, dass die jungen Damen keineswegs ausgemergelt gewirkt hätten, wie man sie auf den Fotos in der Dokumentation noch gesehen hatte, dass sie – wie sie auf Anfrage sagten – einen BMI durchaus im Normalbereich hätten… dass sie die Unterstellung, anorektisch zu sein, mit Empörung zurückwiesen, ebenso den Vorwurf, sie böten der Jugend ein falsches Vorbild… Im Gegenteil, beteuerten sie, sie wollten abschrecken von jenen falschen Idolen, welche die Laufstege bevölkern und auf Fotos posieren, wollten die Hässlichkeit der Magerkeit dokumentieren…

Und plötzlich kam ich mir irgendwie ertappt vor: auch ich hatte mich in eine Verurteilung des Auftritts hineinargumentieren lassen, weil ich aufgrund des vorliegenden Faktenmaterials angenommen hatte, es SEI so, wie die andern es beschrieben hatten…

Dem Galeriebesitzer mag der Rummel recht sein, Normal- oder Untergewicht hin oder her: Hauptsache, es wird geschrieben! Und ich erinnere mich an das Experiment, das seinerzeit von Frank Baumann in einem Jelmoli-Schaufenster veranstaltet wurde, als eine Familie sich bereit erklärte, eine Zeitlang hinter Glas und öffentlich zu leben.

Von Big Brother wusste man damals noch nichts. Aber die Aktion musste abgebrochen werden, weil die Schaulustigen sich in gefährlicher Weise auf der Strasse vor der Vitrine drängten… nicht, weil man etwas gesehen hätte, aber weil sie hofften, vielleicht etwas von all dem zu Gesicht zu bekommen, was die Medien vorher spekulativ bereits kritisiert und verurteilt hatten…

Die Vermutung liegt nahe, dass man sich gar nicht mehr so recht von Herzen empören könnte, wenn man zu genau wüsste, worum es jeweils geht.




12/1  Die Affen-Diät

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:22

Der Versuch war verlockend: neun Freiwillige, alles Risikopatienten mit zu hohem Blutdruck und zu viel Cholesterol, liessen sich zwölf Tage lang im Zoo, direkt neben dem Affenhaus, in einem Zelt einsperren, wo sie für einen BBC-Bericht gefilmt wurden. Brother Ape, gewissermassen.

In diesen zwölf Tagen bekamen sie ausschliesslich das zu essen, wovon sich unsere affenähnlichen Vor-Vorfahren wahrscheinlich ernährt haben: Früchte, Gemüse, Nüsse, Honig. Alles naturbelassen, keine verarbeiteten Lebensmittel. 5 Kilo ass jeder Proband pro Tag, und nahm so 2’300 Kalorien zu sich. Eine typische Jäger-und-Sammler-Verpflegung, die in verschiedenen Varianten in einem Dreitage-Rhytmus geboten wurde, gelegentlich ergänzt mit etwas Fisch.

Diese Ernährungsweise hatte zur Folge, dass alle Teilnehmer ihren Blutdruck nach den zwölf Tagen normalisiert hatten, der Cholesterol-Spiegel hatte sich im Schnitt um 20 Prozent gesenkt und – quasi als Nebenwirkung, weil eigentlich gar nicht beabsichtigt – hatten die Leute im Mittel 4,4 Kilo abgenommen. (Dabei, gilt es anzumerken, lebten sie ja quasi in einem Schlaraffenzelt, denn sie mussten weder auf Bäume klettern noch meilenweit gehen, um ihr Futter einzusammeln… damit hätten sie wohl noch deutlich mehr Energie verbraucht und Gewicht reduziert.)

Der Bericht ist gestern Donnerstag von der BBC gesendet worden. Natürlich können wir nun nicht einfach wie die Affen leben. Aber für einzelne Teilnehmer war die Erkenntnis doch verblüffend, dass man sich „gesund“ ernähren konnte und dabei doch satt wurde. Ein 36jähriger Fahrlehrer aus Sheffield hatte in seinem ganzen Leben noch nie Früchte oder Gemüse gegessen… jetzt war er auf den Geschmack gekommen und hatte ein neues Lebensgefühl gewonnen.

„Sich zum Affen machen“ könnte also ernährungsmässig eine völlig neue Bedeutung erhalten. Ich allerdings habe mich heute wie ein stinknormaler Zentraleuropäer verhalten und ein Fondue gespachtelt, in angenehmer Gesellschaft. Und obwohl wir uns alle vor der Mahlzeit fest vorgenommen hatten, nur wenig zu essen und vielleicht nicht die ganze Portion zu vertilgen, erlagen wir doch dem Lockruf des blubbernden Käses und brachten auch kein bestimmtes Nein über die Lippen, als die Bedienung mit dem Supplement kam.