28/2  Journalistisches Fastfood

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:17

Der Zeitungsbericht heute, über den achtjährigen Jungen in England, der knapp hundert Kilo wiegt, hat ordentlich zu reden gegeben. Sein minuziös aufgelisteter Speiseplan ist ein Schocker: kein einziges, einigermassen „gesundes“ Lebensmittel ist darunter. Schokoriegel, Schokopops, Hamburger, Fertigkartoffelstock… – Er hasse Früchte und Gemüse, wird die Mutter zitiert. Und: Soll ich ihn etwa verhungern lassen?

Über den Jungen kann ich mich nicht ärgern, der tut mir nur leid. Aber die Mutter trägt wohl die Hauptschuld, auch wenn sie alleinerziehend ist: Sie hätte ihrem Kind ein vernünftiges Verhältnis zum Essen vorleben und beibringen müssen, als er noch bereit war, zu lernen. Dass er randaliere, wenn er nicht bekommt, was ihm schmeckt, dass er offenbar seine Lieblingsspeisen klaut und sie heimlich isst… das alles sind wahrscheinlich Folgen einer frühen Irreführung.

Experten bezeichneten die falsche Ernährung als Kindsmisshandlung und berieten darüber, den Jungen in ein Heim einzuweisen. Dagegen setzte sich die Mutter – aus Mutterliebe, heisst es – zur Wehr. Und die Behördenvertreter entschieden zu ihren Gunsten: der Bub darf bleiben.

Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, was nun gemeinsam unternommen wird, um den Kleinen wieder auf eine gesundheitsförderliche Dimension zu reduzieren… Welches Programm kommt zur Anwendung? Welche Tipps und Tricks werden eingesetzt, um ihn zu überzeugen, von seiner Abneigung gegen Grünzeug und Früchte zu lassen? Und wie soll er bewegt werden, da er offenbar bereits den Weg bis zur Schule nicht mehr aus eigener Kraft schafft?

Keine Bange, wir werden es erfahren. Die Medien werden den Fall dokumentieren und uns aufklären darüber, was geschehen ist und noch geschieht, in praktischen Portionen, journalistisches Fastfood gewissermassen, sensations- und kalorienreich, und attraktiv verpackt. Supersize, quasi.




27/2  Extrem essen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:37

Je mehr wir auf der einen Seite darüber reden, dass „vernünftige“ Ernährung angesagt ist, deste mehr regt sich auf der andern Seite heimlicher oder erklärter Widerstand. Eine Art von kulinarischer Résistance macht sich bemerkbar, risikoreiches Essen vermittelt offenbar einen ähnlichen Kick wie Extrem-Bergsteigen. Oder haben wir es gar mit nahrungsmittelmässigem Rasertum zu tun?

Vor einigen Wochen ging die Meldung durch die Medien, dass ein Lokal irgendwo im Mittelland sich darauf spezialisiert hatte, extrariesige Portionen anzubieten, um die Kundschaft das Völlerei-Erlebnis so richtig auskosten zu lassen. – Das Vorbild kommt – woher sonst – wieder mal aus USA. X-Treme Eating nennt sich der Trend und er ist absolut spektakulär.

Kein Gang hat weniger als 2’000 Kalorien, ein Colossal Burger enthält 141 Gramm Fett… ein Vielfaches des individuellen Tagesverbrauchs kommt so zusammen in einer einzigen Mahlzeit, wenn das Dessert – eine Art Schwarzwäldertorte – auch noch 1’400 Kalorien und 32 Löffel Zucker zur Bilanz beiträgt… – Offenbar finden diese Angebote ihre Kundschaft. Wenn es nur um den gelegentlichen Gaumenkitzel geht, so wie der brave Familienvater und VW-Fahrer sich einmal pro Jahr in die ultimative Achterbahn setzt, dann mag es ja noch angehen. Aber wenn Extrem-Essen zur Gewohnheit werden sollte, so wie sich in einzelnen Bevölkerungsgruppen die regelmässige Quartalsbesäufnis eingebürgert hat, dann haben wir ein Problem….

Wer hat die Lösung?




26/2  Abnehmen mit Grüntee

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:48

Die freundliche Suchmaschine Google zaubert mir in Bruchteilen einer Sekunde über anderthalb Millionen Nennungen in Deutsch auf den Bildschirm, wenn ich die beiden Begrifft Grüntee und Abnehmen eingebe.

Offenbar handelt es sich hier um ein schon länger bekanntes und hinreichend dokumentiertes Phänomen, dass zwischen Grüntee und Abnehmen ein Zusammenhang besteht. Damit verbunden sind auch zahlreiche Präparate und Pillen aus dem Zwischenbereich, den die Schulmedizin als Woodoo bezeichnet und der in der Adipositas-Szene leider nur allzu üppig wuchert.

Heute nun ist mir ein Forschungsbericht aufs Pult geflattert, der dem genannten Befund einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben scheint: da wurden 182 Menschen aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen mit leichtem Übergewicht (im Schnitt BMI 27), dazu angehalten, während drei Monaten zweimal täglich Grüntee mit dem Wirkstoff Catechin in unterschiedlicher Dosierung zu trinken. Eine Gruppe erhielt zu Vergleichzwecken ein Placebo-Getränk.

Die Probanden gingen 90 Tage lang zweimal täglich ins Labor und tranken dort ihren Tee. Daneben assen und verhielten sie sich wie sonst immer. Und alle vier Wochen wurden sie vermessen. Eine der Messgrössen war der Bauchumfang. Während sich dieser bei der Placebo-Gruppe in den 12 Wochen um 4 Millimeter verringerte, schafften es die richtigen TeetrinkerInnen in der gleichen Zeit auf eine Verkleinerung des Bauchumfangs zwischen einem ganzen und ganzen zwei Centimetern!

Fragen Sie mich nun nicht, ob das viel sei oder wenig… ich kenne die Erwartungen der Forscher nicht. Ich weiss, dass es Gewichtsreduktionsprogramme gibt, bei denen vorher und nachher an allen möglichen Stellen der Umfang gemessen wird: am Bauch, an den Armen, an den Ober- und Unterchenkeln… so dass man bei all der Messerei dann insgesamt auf -zig Centimeter Umfang-Reduktion kommt… – Aber das ist es ja nicht: die Tee-Leute haben nur gerade am Bauch gemessen.

Aus dem Papier, das mir vorliegt, geht auch nicht hervor, was passiert, wenn die Probanden nach den 12 Wochen noch weiter Tee trinken: ob dann die Gewichtsabnahme im gleichen Masse weiter geht… und was geschieht, wenn man vom Tee wieder auf normales Wasser umstellt? Tabellen und Grafiken sind eine gute Sache. Aber man muss sie auch lesen und verstehen können. Vielleicht bekomme ich irgendwann noch zusätzliche Informationen über neuere Studien. – Bis dann bleibt mir nur eins: Abwarten – und (Grün)Tee trinken.




25/2  Lobby als Hobby

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:04

Die Wahlen werfen ihre Schatten voraus. Die Zeitungen sind voll von Analysen und Spekulationen, Programmen und Proklamationen. Heute war zu lesen, wie es die Parteien denn mit grünen Themen halten. Und es gab eine interessante Gegenüberstellung zwischen den Postulaten, die sie heute vertreten, und ihrem Verhalten bei früheren Abstimmungen zu klimaschonenden energiepolitischen Fragen im Parlament.

Ich habe mich bei dieser Lektüre gefragt, was wohl noch passieren muss oder wie es anzustellen wäre, dass „unsere“ Thematik ebenfalls Eingang findet in Parteiprogramme. Dass wir eine solide parlamentarische Mehrheit finden könnten für Massnahmen zur Eindämmung der Übergewichtsexplosion. Dass solche Vorschläge von einzelnen Pareteien als zentrales Anliegen aufgenommen werden und ein Wettkampf auf dem politischen Parkett darüber entbrennt, wer als erster die wirksamsten Massnahmen propagiert.

Die Fraktion der Übergewichtigen in den Räten ist nicht unerheblich, und wenn alle Dicken sich in einer Partei zusammenschliessen würden, so könnten wir zwei Bundesräte stellen… Aber interessanterweise ist es bis jetzt bei einzelnen parlamentarischen Vorstössen geblieben, Anfragen, Motionen, die der Bundesrat zwar zum Teil entgegengenommen, aber auch wenig befriedigend beantwortet hat. Eine Reihe solcher Anträge ist noch hängig und wird ohne Diskussion abgeschrieben, wenn während zwei Jahren nicht darauf eingetreten wurde und wenn die Fraktionspräsidenten nicht anders entscheiden.

Wir müssen effizienter lobbyieren lernen und Verbündete finden. Das Thema ist zu wichtig, als dass es zufälligen Einzel-Initiativen überlassen bleiben darf, so wertvoll diese auch sind. Wir haben noch viel zu tun.




24/2  Das Früchtebukett

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 19:57

Zum Valentinstag waren es Blumen, und wenns hoch kam ein kleines Schmücklein. Aber nun erobert eine neue Idee den Markt, die viel Freude in gesundheitsbewusste Gemächer tragen könnte: das essbare Bukett aus Früchten.

Den Früchtekorb kennen wir schon als beliebtes Geschenk zum Jahreswechsel, mitsamt der Salami, der Ananasbüchse und der Schampusflasche… und auch jene dekorativ mit Käsehäppchen, Mozzarellakugeln und Schinkenröllchen bespickten Melonen, die bei keinem Buffet fehlen.

Aber diese Idee ist schon rein optisch spektakulär. Sie nennet sich Edible Arrangements und kann per Internet in USA, Kanada und England bestellt werden. Es handelt sich um prächtige, farbenfrohe „Sträusse“, handgefertigt aus frischen Früchten oder Teilen davon, aus Ananas geschnittene Blumen, Erdbeeren, Orangenschnitze, Melonenstücke… Ganze 28 Variationen sind z.B. in England erhältlich, und es müsste jemand ein ausgekochter Früchtemuffel sein, dem nicht das Wasser im Mund zusammenliefe beim Anblick dieser Köstlichkeiten.

5 am Tag ist eine sympathische Kampagne, aber so richtig lecker kommt sie auch nicht über die Rampe… Wer ergreift die Initiative und kreiert eine Schweizer Version von Edible Arrangements?




23/2  Doch (k)ein Werbeverbot?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:33

Vom Hörensagen lernt man Lügen. Und wo Worte geklaubt werden, ist der Missbrauch nicht fern. – Aber da ging heute ein Aufatmen durch die Reihen derer, denen der Kampf gegen die grassierende Übergewichts-Epidemie ein Anliegen ist. BigMac-Werbung für Kids verbieten – so lautete heute in heute eine kleine Nachricht.

Der Bundesrat will Werbung für Lebensmittel und Getränke mit hohem Fett-, Salz- und Zuckergehalt in Kindersendungen verbieten. Er will dies laut heutiger Mitteilung gesetzlich verankern.

Aha, denkt da der bewusste Bürger, nun haben sie in „Bern“ die Zeichen der Zeit erkannt. Eben noch las man, dass die Regierung in England ein entprechendes Werbeverbot im Umfeld von TV-Sendungen, die sich an Kinder richten, erlassen hat. Und nun hat unser tüchtiger Bundesrat das Gleiche beschlossen und sich an die Spitze derer gestellt, die der Adipositas den Kampf angesagt haben. Bravo!

Wirklich? – Wenn man die Antwort des Bundesrates auf eine entsprechende Anfrage von Nationalrat Heiner Studer (EVP) liest, dann erhält man eine völlig andere Auskunft. Studer hatte Mitte Dezember auf die Pläne in England hingewiesen und den Bundesrat gefragt, ob er bereit sei, ein ähnliches Verbot ins Auge zu fassen, ob er die gesetzlichen Grundlagen für einen solchen Entscheid als ausreichend erachte und ob er bereit sei, dem Parlament eine entsprechende Anpassung des Radio- und Fernsehgesetzes zu unterbreiten.

Am 21. Februar hat der Bundesrat geantwortet. Er weist darauf hin, dass der Gesetzgeber bei der Revision des Radio- und Fernsehgesetzes im Interesse der Kinder verboten habe, dass Kindersendungen durch Werbung unterbrochen werden und dass Werbebotschaften mittels dem sog. Splitscreen (Einblendungen auf dem Bildschirm) und Product Placement in Kindersendungen geschmuggelt werden. Das hält der Bundesrat für ausreichend. Weiter will er (wohl im Interesse der markt- und Werbefreiheit) nicht gehen. Mit diesen „Verboten“ sei den Anliegen des Jugenschutzes Genüge getan.

Meint der Bundesrat. Dumm nur, dass er hier etwas „verboten“ hat, was im Programm gar nicht stattfindet! Niemand hat bei uns eine Splitscreen-Einblendung gesehen, für eine Werbe-Unterbrechung sind die Kindersendungen ohnehin zu kurz und Prduct Placement ist ein weites Feld, wenn Live-Übertragungen aus dem Europa-Park gesendet werden und als Moderator im Disney-Club der Mister Gummibärchen persönlich auftritt…

Die vermeintliche News entpuppt sich also als Null-Meldung. Es wird sich gar nichts ändern. Der Bundesrat hat sich vor der Werbe- und Wirtschaftslobby geduckt, es wird kein Zeichen gesetzt… denn obwohl die gesetzlichen Grundlagen für den Erlass eines Werbeverbots auf dem Verordnungsweg vorhanden sind, wird ein solches im Moment als unverhältnismässig angesehen. Und es besteht kein Handlungsbedarf.

Im Herbst dieses Jahres sollen dem Bundesrat Vorschläge für Massnahmen zur Eindämmung der Adipositas und des Übergewichts bei Kindern und Jugendlichen unterbreitet werden. Wenn die Antwort auf die die Anfrage Studer den Stil zeigt, wie mit dem Thema ungegangen werden soll, dann gute Nacht!




22/2  Der 200-Kilo-Teenager

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:45

Bethany Walton ist 19 und wiegt 216 Kilo. Sie war von Geburt an übergewichtig und wurde mit 8 Jahren auf Diät gesetzt. Von da an nahm sie noch mehr zu und kompensierte mit heimlichem Essen ihre Frust-Erlebnisse in der Schule, über die sie mit niemandem sprechen mochte.

Über Bethany berichtet eine exklusive BBC-Reportage. Sie zeichnet den Leidensweg nach, im Rückblick auf eine extrem belastete Kindheit, und dokumentiert den chirurgischen Eingriff, der für die junge Frau eine Rückkehr in ein normales Leben möglich machen soll.

Sie hat einem BMI von 72, als sie in die Klinik eintritt. Der Eingriff, der an ihr vorgenommen wird, ist – zumindest für uns – ungewohnt: es ist eine Magen-Verkleinerung (ohne Bypass und Darmverkürzung), indem das Volumen des Magens auf einen Zehntel reduziert wird… der ganze Magen-Rest wird entfernt. Nach drei Tagen kann die Patientin bereits nach Hause. Sie muss ihre Ernährung radikal umstellen, hat ein permanentes Sattheitsgefühl und isst nur noch einen Bruchteil der früheren Menge.

Vertilgte sie vor der Operation bis zu 6000 Kalorien pro Tag, schafft sie jetzt noch 900. Die Pfunde purzeln. In drei Monaten nimmt sie 16 Kilo ab, kann neue, modischere Kleider kaufen, gewinnt Selbstwertgefühl zurück und mag sich selber wieder gernhaben… sie ist auf dem Weg, der normale Teenager zu werden, den sie bisher nie sein konnte.

Ein Film, der Mut macht, auch wenn wir noch nicht wissen, wie die Langzeitentwicklung verlaufen wird. Der Einstieg in die Möglichkeit eines neuen Lebens ist geschafft. Das ist es, was zählt.

Zu loben ist in diesem Zusammenhang Claudia Schiffer, die – gemäss Zeitungsbericht von heute – allen jungen Mädchen, die Model werden möchten, dringend empfiehlt, die Finger von jeder Art von Diät zu lassen, sich dafür genügend zu bewegen und vernünftig und ausgewogen zu essen… – Ob die auf sie hören werden?




21/2  Vogelperspektive

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:13

Im klassischen Sinn bedeutet das Wort: dass man von schräg oben auf etwas hinunterschaut. In einem bildlicheren Sinn verstanden, kann es bedeuten, dass man beim Drüberhinwegfliegen auf etwas hinunterschaut. Und weil man dabei in der Regel ziemlich weit oben ist, können die, auf die man hinunterschaut, einem auch nichts anhaben, wenn man zum Beispiel frech ist oder sich gar erlauben sollte, auf die dort unten zu kacken.

Lieder aus der Vogelperspektive nennt sich ein unterhaltendes Programm im Untertitel, das zur Zeit und noch bis zum 3. März im Zürcher Hechtplatztheater gastiert. Heinz de Specht heisst die Darbietung, mit der drei junge, multimusikalisch sprach- und gesangsbegabte Männer auf der Bühne stehen. Es ist ein Hochgenuss, ihnen zuzuhören, und ich kann es der verehrten LeserInnenschaft nur empfehlen, rassig zu reservieren, ehe Christian Weiss, Daniel Schaub und Roman Riklin im Vogelflug weitgergezogen sind.

Ihr Liedgut signalisiert Vertrautheit. Melodisch und stimmlich erinnert es oft an das Pfannestil Chammersexdeet. Und inhaltlich kommt es unverschämt bodenständig daher, mit ausgekocht trivialen Substanzen, hinter denen sich Abgründe im Alltag auftun, die wir selber schon wieder und wieder erlebt haben: am Kassenlaufband im Supermarkt, im Mietshaus mit Haus- und Waschküchenordnung, im Umgang mit Freunden und Befreundeten, im täglichen Gebrauch der kleinen Hilfsmittel…

Die Vogelperspektive zeigt von oben, wie klein und gleichsam unbedeutend doch das alles auch ist, was uns nervt… und plötzlich fliegen wir selber mit den Vögeln, dort, unter den Wolken… – Ja, einmal oder mehrmals klingt auch die Frage nach dem idealen Körper und dem Traumgewicht an, aber sie geht wieder vorbei, ist unerheblich.

Am meisten hat mich ein stillen Song am Ende gepackt, neben allen Parodien und Balladen und verspielten Überraschungen: nachdem das Publikum eine Zugabe nach der andern erbettelt hatte, kam als Schlusslied, mit einer traurig-monotonen Melodie die Aufforderung an Gott, den Schöpfer, sich nichts draus zu machen, dass sein Projekt nach der Evolution aus den Fugen geraten sei… zum Glück sei er ja in seinem Game immer noch auf Level Eins und könne jederzeit einen neuen Jeton einwerfen und das Spiel nochmals beginnen. – Wenn das kein Trost ist?




20/2  Doppelsitz

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:37

Es war am 20. Dezember 2006. Da verklagte Jean-Jacques Jauffret die Fluglinie Air France. Ein Jahr zuvor hatte der 180 Kilo schwere Autor, Drehbuchschreiber und Filmregisseur in New Delhi ein Flugzeug bestiegen. Er war gezwungen worden, zwei Plätze zu bezahlen, obwohl er kaum sitzen konnte, da sich die Armlehne nicht hochklappen liess…

Ich kenne das Problem. In meiner Zeit mit 165 Kilo war jede Flugreise eine Tortur. Auch wenn man die Armlehne aufklappen konnte, musste ich stets darauf achten, dass neben mir jemand aus der Familie oder aus dem Freundeskreis sass, der oder die dünn genug war, um die Nähe auszuhalten. Die Bitte um eine Gurtverlängerung war zwingend und das Tischlein für die Bordverpflegung (die es damals noch gab) liess sich keinesfalls herunterklappen, es stand fast senkrecht zu meinem Kinn hoch und zwang mich so, die einzelnen Speisen auf der einen Hand zu balancieren, während ich mit der andern fingermässig essen musste, da sich die Betecke – obwohl noch nobel aus Chromstahl – einhändig nicht brauchen liessen. Die Bordtoilette konnte ich glatt vergessen. Vielleicht hätte ich mich hinein zwängen können, aber unter keinen Umständen war danan zu denken, sich umzudrehen oder gar die Hosen herunter zu lassen…

Jean-Jacques Jauffret empfand die Prozedur und die Behandlung, der er sich zu unterziehen hatte, als erniedrigend und verletzend. Er verklagte die Fluggesellschaft auf Schadenersatz. Diese berief sich darauf, dass die doppelte Bezahlung bei Übergrösse gängige Geschäftspraxis sei. Heute fand offenbar in Paris die Gerichtsverhandlung statt. Das Urteil wurde noch nicht bekannt gegeben.

Die Fluggesellschaften stehen vor einem Problem. Auf der einen Seite müssen sie ihre Kapazitäten optimieren, um die Einnahmen anzuheben, das führt zu engeren Sitzen und knapperen Abständen zwischen den Reihen… Auf der andern Seite werden die Passagiere immer fülliger und schwerer. – Wenn wir Diskriminierung der Übergewichtigen ablehnen und bekämpfen, dann muss dies auch bei solchen Praktiken der Airlines ansetzen. Ich trete dafür ein, dass in Flugzeugen ein bestimmtes Kontingent an extrabreiten Plätzen installiert wird, die adipösen Fluggästen unkompliziert und ohne Aufpreis zugewiesen werden. Die Filmwirtschaft hat gezeigt, dass in den Kinos problemlos bequeme Sessel eingebaut werden konnten, die überbreite Kinobesucher nicht mehr so einengen wie früher… – Wir sind gespannt auf das Urteil.




19/2  Kampf der Giganten

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:24

Kollege Daniel hat mir heute einen Ausdruck aus der Online-Ausgabe von CASHdaily aufs Pult gelegt, als Anregung für einen Blog-Beitrag, und ich habe ihn rasch überflogen… dann aber vergessen, ihn mitzunehmen. – Und online kann ich ihn nicht mehr abrufen, da ich nicht Abonnent bin. Sorry, so muss ich noch den kurzen Faden der spontanen Erinnerung um meinen grossen Zeh knüpfen, wenn ich hier einen kleinen Luftsprung machen will.

Es ging in dem Artikel darum, dass nach coop mit seinem interaktiven Online-Gewichtsreduktionsprogramm nun auch die Migros ins gleiche Feld vorstossen will. eBalance macht also gewissermassen Schule, findet Nachahmer (über ein entsprechendes Angebot von Ringier wird schon länger gemunkelt, vielleicht kommts einmal tatsächlich) und wird zum Trendsetter. Es wird spannend sein, die verschiedenen Online-Produkte einmal zu vergleichen, wenn sie laufen.

Online-Ernährungsprogramme zur Gewichtskontrolle kommen in sogenannten „Diätvergleichen“ immer gut weg, da sie meist seriös und realistisch aufgebaut sind und eine Fülle von Informationen vermitteln, mit deren laufender Aktualisierung keine Buchpublikation mithalten kann. Ein erster Vergleich mit dem coop-Online-Coach hat einen Punktesieg für eBalance ergeben. Aus Sicht der betroffenen Verbraucher kann man sich nichts besseres wünschen, als einen seriösen Wettbewerb zwischen potenten Anbietern, so dass der Kampf an der Marktfront nicht mehr nur darum geht, wer die günstigere Milchschnitte oder das preiswertere Nutella anbieten (Kalorienbomben, auf welche die Menschheit überhuapt nicht gewartet hat, um sich vernünftig zu ernähren). Wenn es nun einen Wettbewerb darüber gibt, wer das „bessere“, ansprechendere, wirkungsvollere Programm für eine korrekte Ernährungs- und Bewegungsplanung und Gewichtskontrolle anbietet, dann sollte uns das mehr Recht sein.

Es sei denn, es handle sich lediglich um eine PR-Offensive, um einen eleganten Marketing-Gag, um eine medienwirksame Maskerade… Ich unterstelle keineswegs, dass dem so sei. Aber ich stelle im Moment fest, dass die Migros – im Unterschied zu coop – sich bei einzelnen Produkten im Fleischbereich schwer tut mit einer transparenten Deklaration. Ich höre, dass von der Migros auf Zulieferer Druck ausgeübt wird, ihre Produkte billiger – und nicht gesünder – herzustellen. Hier gilt es, Glaubwürdigkeit durch den Tatbeweis herzustellen.

coop hat im Moment mit Weight Watchers und Slow Food die Nase vorn. Wir warten gespannt auf die nächsten Züge am Schachbrett.