31/7  Gelbsack

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:27

Das ist kein Schreibfehler. Es geht um einen dicklichen, verfressenen, egoistischen Typen mit gelber Haut und Glatze, unrasiert, aber auf seine Art eben doch liebenswert, der jetzt in die Kinos gekommen ist.

Nicht allein, mit seinem ganzen Anhang, eine schrecklich nette Familie, an deren Leben hingter der Mattscheibe man sich während Jahren gewöhnt hat… und jetzt sind sie auf der Breitleinwand. Erfolgreicher, als ihnen sowohl Fans wie Skeptiker das jemals zugetraut hätten.

Homer Simpson ist der Inbegriff des politisch unkorrekten, hinterhältigen, nachtragenden, opportunistischen Zeitgenossen, immer auf den persönlichen Vorteil bedacht und bereit, den eigenen Interessen alles andere zu opfern, aber er ist gleichzeitig einer der augeprägtesten Sympathieträger unter den übergewichtigen TV-Figuren, nicht zuletzt, weil er sich all die Dinge erlauben kann (der Zeichentrick macht das Unmögliche möglich) und erlaubt, von denen unsereins höchstens in den verborgenen Winkeln des schlummernden Ichs zu träumen wagt.

Und dass er, der seine kleine Springfield-Welt mutwillig und gedankenlos im wahrsten Sinne des Wortes in die Scheisse geritten hat, sie am Schluss auf so glamouröse Weise retten kann, das ist wirklich eine starke Sache. Schon aus Solidarität mit dem übergewichtigen Looser sollte man sich diesen Film unbedingt ansehen, auch als normalgewichtiger Zeitgenosse.




30/7  Vor-verurteilt!

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:37

Vorurteile sind voreilige Urteile, die verhindern, dass wir uns mit einer Sache fair befassen. Der Kampf gegen Vorurteile im Zusammenhang mit der Krankheit Adipositas ist einer der zentralen Zwecke unserer Stiftung. Information, Aufklärung, Medienarbeit… so weit – so gut. Aber: wie steht es mit der Aussicht auf Erfolg?

Fast möchte man die Fahnen entmutigt streichen, denn eine amerikanische Analyse, über welche die britische Zeitung The Independent berichtet, kommt zu desolaten Schlussfolgerungen, so unter anderem zur Erkenntnis, „warum dünne Menschen die Übergewichtigen nicht mögen“.

Es habe damit zu tun, dass übergewichtige Menschen von vielen sogenannt „Dünnen“ als „krank“ wahrgenommen würden, was automatisch eine Angst vor Ansteckung auslöse, wodurch man auf Distanz gehe und diese Distanz auch aktiv markiere, indem man diese Menschen respektlos behandle… – Im Unterbewussten würde so Abneigung und Ablehnung erzeugt, die sich in verletzenden Gesten und Sprüchen manifestierten. (Die Publikation dieser Erkenntnis erfolgt interessanterweise nur wenige Tage nachdem in der renommierten Fachzeitschrift New England Journal of Medecine die Botschaft verbreitet wurde, dass Übergewicht in einem gesellschaftlichen Sinn „ansteckend“ sei, indem „dicke Freunde“ die ihnen nahe Stehenden in der Regel dazu verführen, ebenfalls Gewicht zuzulegen – die Meldung fand ein breites Echo in den Sonntagsmedien.)

Durch verschiedene praktische Tests und Konfrontationen bei Männern und Frauen fanden die Forscher heraus, dass die Abneigung gegenüber adipösen Menschen direkt zusammenhängt mit der Furcht des Einzelnen vor Erkrankung und Ansteckung. Allerdings weisen erste Kommentare dadrauf hin, dass es in Amerika immer Bevölkerungsgruppen mit starken Vorurteilen gegeben habe, gegenüber Juden, Schwarzen, Schwulen, ethnischen Minderheiten… aber als diese sehen mussten, dass sie mit ihrer Anti-Haltung nicht weiter kamen, hätten sie die Übergewichtigen als neue Sündenböcke ins Visier ihrer Aversionen genommen. – Möglicherwiese tröstlich, wenn man an Amerika denkt. Aber hilft uns das in unserer Schweizer Realität weiter?




29/7  Peitsche oder Zuckerbrot?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:42

Brutale Kunde aus USA: die heutige Los Angeles Times berichtet, dass es Firmen und Arbeitsgeber gibt, die begonnen haben, Mitarbeitenden, die zu dick sind oder sich nicht gesundheitsbewusst verhalten, mit Bussen zu belegen. Andere richten Prämien aus für Angestellte, die abgenommen haben oder die nicht mehr rauchen.

Eine Spitalkette in Indiana droht ihren Leuten, ab 2008 alle zwei Wochen 30 Dollar von jenen zu kassieren, deren gesundheitsrelevante Werte (BMI, Blutdruck, Cholesterin) nicht der vorgegebenen Norm entsprechen, so lange, bis alles im grünen Bereich ist… das kostet 750 Dollar im Jahr… keine enorme Summe, aber es läppert sich zusammen. Die Ankündigung wirkt offenbar, verschiedene Leute haben sich auf Anfrage vorgenommen, in der verbleibenden Zeit schon mal abzunehmen…

Eine grosse Krankenkasse sieht vor, die Prämien so flexibel zu gestalten, dass eine „normalgewichtige“ Familie (die nicht raucht) fünfmal weniger bezahlen muss als eine übergewichtige… – Vergleichbare Initiativen anderer Kassen scheinen eine ganze Welle von positiven Reaktionen ausgelöst zu haben, indem es plötzlich schick wurde, in Party-Kreisen „vernünftig“ und bewusst zu tafeln.

Also eigentlich kein schlechter Trend… nur: es bleibt das Problem jener Adipositas-Patienten, die keine Chance haben, ihr Gewicht unter Kontrolle zu bringen. Wie wird es gelingen, diese Gruppe vor ungerechtfertigter „Bestrafung“ zu bewahren? Diese Nuss lässt sich weder mit der Peitsche noch mit Zuckerbrot knacken.




28/7  Fitness vom Tellerchen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:09

Es ist wirklich ein Zufall, dass ich mich vor fast genau einem Jahr an dieser Stelle über das Thema Fitnessteller ausgelassen habe. Heute habe ich mich wieder mal darauf eingelassen.

Wir hatten uns in einem kleinen Beizlein in der Provinzhauptstadt verabredet, das man landläufig als „Chnelle“ bezeichnen würde. Es hörte auf den malerischen Namen Speer-Viktoria und heute war der letzte Tag vor den Betriebsferien. Daher die Karte im laminierten A4-Format wohl etwas reduziert, die Küche ohnehin im Schuss, weil wir spät dran waren. Fünfmal im Angebot ein Fitnessteller: mit Entrecôte, mit panierten Schweinssplätzli (1 oder 2), mit einer grösseren oder einer kleineren Portion Pommesfrites.

Also rasch entschlossen bestellt und nach erfreulich kurzer Zeit standen zwei mächtige Platten zu sehr vernünftigem Preis auf dem Tisch: Gurken-, Mais-, Karrotten-, Nüssli-, Randen- und grüner Salat… eine ansehnliche Portion noch knuspriger Fritten daneben und ein verlockend duftendes Stück Fleisch… dazu wurde mit Schwung die 1-Liter-Flasche mit dem Ketchup auf den Tisch gewuchtet und auch die obligate Kräuterbutter war da, schon zerflossen und verschmolzen mit der triefenden Salatsauce. Grosser Teller – viel Fitness!

Wir haben trotzdem alles verputzt und uns vorgenommen, es dann am Abend bei einer kleinen Portion Birchermüesli bewenden zu lassen. Manchmal gibt es eben keine Alternative. Und geschmeckt hat es hervorragend.




27/7  Spinne am Abend

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:43

Kennen Sie das Sprichwort noch? Spinne am Abend, erquickend, erlabend. Und das Gegenstück dazu: Spinne am Morgen, Kummer und Sorgen. Als Kinder haben wir uns vor den achtbeinigen Weberwesen gegraust und uns um die Bedeutung der Volksmund-Überlieferung foutiert: nicht, dass die Begegnung mit einem Spinnentier je nach Tageszeit Glück oder Unglück gebracht hätte – vielmehr meinte der Ausspruch die häusliche Arbeit in früherer Zeit: Wer am Abend sich zum Zeitvertrieb ans Spinnrad setzen und allenfalls in gemütlicher Tratschrunde mit Freunden und Nachbarn die Welt bereden konnte, dem ging es gut (und das war so quasi ein TV-Ersatz); aber wer schon frühmorgens sich sein Leben durch Spinn-Tätigkeit verdienen musste, dem gings nicht so prächtig, den plagten Finanzsorgen, der hatte Grund zu Kümmernis.

Später lernte ich dann die Tiere als Umweltpolizisten schätzen und respektieren. Mit ihren feinstgesponnen Netzwerken fingen sie so manche Fliege und Mücke weg und es gab gute Gründe, diese Netze nicht zu zerstören, solange sie nicht den Alltag beeinträchtigten… Nun aber, nachdem wir längere Zeit nicht mehr in unserem Feriendomizil gewesen waren, zeigte sich, dass die fleissige Netzknüpfersippe der irrigen Meinung war, wir hätten ihr unser Territorium einfach überlassen. Ein unglaubliches Dickicht an verwobenen Fäden hatte sich im Keller, in der Küche, im Estrich, an den Fenstern breit gemacht, kunstvoll zu Trichteranlagen geformt, aus denen es für fliegendes Ungeziefer zwar kein Entrinnen gab, die sich aber auch menschlichen Händen überall in den Weg stellten, sich in den Haaren verfingen, Kleider verklebten… kurz: Räumung war angesagt und die ganze Pracht verschwand nach einiger Zeit im Staubsaugerrohr.

Die Tiere selber konnten sich offenbar in Wandritzen oder sonstwo in Sicherheit bringen. Jetzt jedenfalls, am Abend, sind wie wieder da, checken vorsichtig die Lage und spannen wieder versuchsweise den einen oder anderen Faden… Ich werde sie mit einem Glas nach draussen befördern, dann können sie in den Spalierbäumchen weiter arbeiten und das flatternde Ungeziefer abfangen, um fette Beute zu machen… Es ist beeindruckend, mit welch unerschütterlicher Zuversicht diese Lebewesen zu Werk gehen, sich durch keinen Rückschlag beirren lassen (heute muss für ihresgleichen im ganzen Haus ja quasi Harmagedon gewesen sein, jüngstes Gericht und Weltuntergang zugleich) und von neuem beginnen, unbeirrt ihren Lebensplan umzusetzen und ein neues Netz zu bauen. – Davon könnten wir uns zuweilen eine Scheibe abschneiden, wenn wir grad wieder mal einen Rückschlag erlitten haben…




26/7  Silbermond

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:44

Ferien in der Ostschweiz – was? Eben noch in der Reha, und schon wieder in den Ferien? Das eben ist, bilde ich mir wenigstens ein, Teil des neuen Lebensgefühls, dass man nicht mehr alles allzu ernst nehmen muss… und so haben wir kurzerhand beschlossen, in der zweitletzten Juliwoche die Stiftung zu schliessen, Ferien zu machen, den ohnehin deutlich reduzierten Geschäftsgang für einige Tage stehen zu lassen…

Jetzt ist die Hälfte schon vorbei. Zwar habe ich eine dicke Mappe voll Lektüre mitgenommen, konnte aber bis jetzt der Versuchung erfolgreich widerstehen, mich in eines der Dokumente zu vertiefen. Lang ausschlafen, gemütlich frühstücken, spät zu Mittag essen, etwas ums Haus herum im Garten basteln, Zeitung lesen und die aktuellen Kreuzworträtsel lösen, Fernseh gucken… und bends noch einen Blog verfassen… Es ist so provokativ angenehm, mit medizinischer und allgemeiner Billigung einfach nichts „Richtiges“ zu tun sondern nur herumzufaulenzen.

Heute Abend sind wir erstmals zum Essen ausgegangen: auf den Nollen, quasi den Hausberg, dort, wo unser Weekend- und Ferienhäuschen steht. Die höchste Erhebung im Kanton Thurgau, mit einem Wahnsinns Rundblick vom Säntis bis zum Bodensee… und es ist wie immer von betäubender Romantik, wenn man draussen auf der Terrasse sitzt, und langsam zieht die Nacht herein, erhellt von einem sprichwörtlich silbernen Fastvollmond, und in der Ferne entfaltet sich das Schnittmuster der beleuchteten Strassen, um den Mond sammeln sich die Wolken und du weisst, dass dort unten, Richtung halblinks, jetzt die Pfyn-Steinzeitler in ihren geflochtenen Hütten hocken… und oben donnert das 21. Jahrhundert in Form eines Flugzeuges Richtung Kloten…

Die Szene ist sowohl real wir unwirklich, beides zugleich, und man darf den Augenblick geniessen. Die Arbeit wartet, bis ich wieder im Büro bin.




25/7  Still-Vorteil

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:32

In den Siebzigerjahren machte eine Auseinandersetzung zwischen der Entwicklungs-Organisation Erklärung von Bern und dem Nahrungsmittelmulti Nestlé Schlagzeilen. Es ging um die Frage, ob künstliche Kinderernährung für Säuglinge in der dritten Welt eine Gefährdung darstelle. Nestlé versuchte, seine Kritiker durch Prozesse zum Schweigen zu bringen, was sich aber letztlich als kontraproduktiv erwies, denn das Thema wurde weltweit erörtert. Einige Aspekte dieser Auseinandersetzung sind mir noch in Erinnerung, wir hatten sie damals in unseren Sendungen kritisch begleitet.

Eine wissenschaftliche Auslegeordnung zu den erforschten Zusammenhängen zwischen dem Stillen und dem späteren Übergewicht bei Kindern, die in der März-Nummer 2007 von Obesity Reviews publiziert wurde, weckt Assoziationen an die damalige Diskussion. Bloss geht es hier nicht (nur) um die dritte Welt, sondern fatalerweise um die „erste“, um unsere: Wenn der Zusammenhang zwischen erfolgreichem (und langem) Stillen und der kindlichen Resistenz gegen späteres Übergewicht erwiesen ist, dann gilt wohl auch der Umkehrschluss: künstliche Babynahrung begünstigt die spätere Ausprägung von kindlicher Adipositas, oder – auf einen eingängigen Slogen verkürzt – „Nestlé macht Kinder dick“.

Ich weiss, die Firma ist nicht allein, aber sie ist marktbeherrschend. Und ich weiss auch, dass sie einiges an PR-Geldern springen lässt, um sich ernährungsmässig ein positives Image zu verschaffen… aber eben: es ist reine Imagepflege, die ohne Auswirkungen auf das reale und gesundheitsrelevante Verhalten der meisten KonsumentInnen bleibt… Die Stillförderung ist eines der Hauptanliegen bei der Adipositasprävention. Und es ist in unserer leistungsorientierten Gesellschaft nicht selbstverständlich, dass junge Mütter im Interesse ihrer Kleinen die richtige Entscheidung treffen können, abgesehen von allen Lifestyle-Diktaten. Umso wichtiger wäre es, dass die Produzenten von Ersatz-Nahrung, auf die eine Mutter in speziellen Fällen angewiesen sein kann, extrem zurückhaltend sind, was die Werbung betrifft.




24/7  Rückfall?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:49

Als der Dokumentarfilmer Morgan Spurlock 2004 seinen Report „Supersize me“ drehte, um zu beweisen, dass exzessiver Verzehr von Fastfood Übergewicht und gesundheitliche Schäden verursacht, da hat der anvisierte Hambruger-Brater McDonald’s umgehend reagiert und seine Salat-Linie auf den Markt geworfen, die Nährwerte seiner Produkte deklariert, Informationen zu richtiger Ernährung und Bewegung vermittelt und vor allem die supergrossen Portionen aus dem Handel gezogen.

Das wurde in Ernährungskreisen allgemein positiv vermerkt und belobigt… aber war es mehr als ein PR-Gag? In Amerika stellt man sich heute diese Frage, denn erst vor kurzem wurde in den McDonald’s-Filialen neu der „Hugo“ eingeführt. Das ist ein Super-Riesen-Becher Coca-Cola von 42 Unzen (das sind 1,24 Liter), zum Preis von 89 Cent, mit 410 Kalorien… Das neue Angebot habe nichts mit dem früheren Supersize-Konzept zu tun, liess der Konzern verlauten, man entspreche mit diesem Angebot nur dem Wunsch des Publikums nach mehr Auswahl und zudem sei der Verkauf auf die heisse Sommerzeit beschränkt…

Soll und darf man einer solchen Begründung glauben? – Der tiefe Preis und die grosse Menge laden gerade jene Bevölkerungsschichten ein, die ohnehin kein Geld haben, um sich gesund zu ernähren. Ist McDonald’s damit dem Marktdruck auf die Rendite erlegen? Ist es ein einmaliger Ausrutscher (der zudem bei uns noch nicht im Angebot aufgetaucht ist)? Oder das Signal für den Beginn einer Trendwende und der Rückkehr zum Wettbewerb über die Riesenportionen, wie ihn Burger King in den letzten Jahren beharrlich geführt hat?

Der Mensch ist verführbar. Wenn er ein Schnäppchen wittert, schlägt er zu. Die diskrete Namensgebung „Hugo“, hinter der sich offensichtlich das Wort „huge“ (riesig) verbirgt, ist da zumindest ehrlich.




23/7  Was wird Norm?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:21

Besorgte Frage aus den USA, wo ein Experten-Team aus Baltimore verschiedene Studien der letzten 15 Jahre ausgewertet und hochgerechnet hat: Was wird dereinst „normal“ sein? Die Prognose ist erschreckend: im Jahr 2015 werden 75% der Amerikaner übergewichtig und adipös sein, 41% werden an Adipositas erkrankt sein und einen BMI über 30 haben. – Was ist angesichts dieser Verteilung der Gewichtskategorien dann noch „normal“? Wird es dann die Norm sein, dass man übergewichtig ist? Wird man sich auf ein „beschwertes“ Leben mit einem BMI zwischen 25 und 30 einrichten und wenigstens die schlimmsten gesundheitlichen Nebenwirkungen zu vermeiden suchen? Werden dann die Dünnen ausgegrenzt und verspottet? Und ist es erstrebenswert, mollig zu sein?

Die acht Jahre, die uns heute von dieser Horrorvision noch trennen, sind verdammt kurz. Auch wenn bei uns die Ausprägung des Problems noch nicht so extrem ist wie in den Vereinigten Staaten, so sind die Zeichen unübersehbar. Und es mutet irgendwie blauäugig und hilflos an, wenn unsere gesundheitsförderlichen Institutionen, die jetzt endlich an einer kohärenten Lösung zu arbeiten beginnen, sich etwa das Ziel setzen, bis in drei Jahren, also bis 2010, den „Trend“ zu stoppen, dass immer mehr Jugendliche übergewichtig werden…

Im Moment konzentriert sich das ganze Bemühen auf Kinder und Jugendliche. Das macht Sinn. Aber die Übergewichts-Explosion findet in allen Altersklassen statt. Und wenn unsere Behörden meinen, man könne ohne massive finanzielle Investition und ohne rigorose gesetzliche Regelungen in dieser Sache etwas bewegen, dann befinden sie sich in einem fatalen Irrtum. In den kommenden Wochen und Monaten wird sich weisen, ob es gelingt, einen Ansatz für mögliche Lösungen zu finden. In Sicht sind sie noch nicht, einfache Lösungen gibt es keine.




22/7  Gut im Saft

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:29

Der freundliche ältere Herr mit Glatze, der am Fernsehen so schnell sprechen kann, ohne Luft zu holen, würde mir sogar zwei Saftpressen zum Preis von einer einzigen überlassen, wenn ich nur rasch entschlossen zugriffe und das Ding sofort bestellen würde. Es macht aus allem Saft, aus den Gurken, aus ganzen Äpfeln und Orangen, aus frischen Trauben und das geht so schnell und mühelos, dass ich denke, wenn ich mir von früh bis spät eine Dauer-Saftkur verordnen würde, müssten meine Pfunde nur so von mir purzeln… und dann wird mir auch klar, warum der milde Wohltäter aus dem TV mir eine der beiden Maschinen schenken will: dann kann sich die eine nämlich wieder abkühlen, während ich mit der anderen weiter saften kann, bis sie glüht…

Das soll gesund sein. Doch Zweifel beschleichen mich, denn ich habe ja gelernt, dass auch Fruchtsäfte gleich viel Zucker enthalten wie die Süssgetränke aus Dosen und Flaschen… Eine australische Studie hat im Frühling gezeigt, dass Kinder, die täglich zwei Glas frisch gepressten Fruchtsaft trinken, mehr an Gewich zulegen als Kinder, die ganze Früchte essen und ungesüsste Getränke oder Wasser trinken.

Und jetzt erscheint eine neue Studie, die das Gegenteil besagt: das Trinken von „100%-igem Fruchtsaft“ habe auf das kindliche Übergewicht keinerlei Einfluss… – Diese Studie der Universität Toronto hat allerdings einige Haken. Zum einen wurde sie durchgeführt im Auftrag des Departementes für Landwirtschaft und der Vereinigung der Saft-Produzenten, zum andern sagt sie nichts darüber aus, wie der Energieverbrauch der Kinder durch Bewegung aussah. Was lernen wir daraus?

Einmal mehr geht es um Wachsamkeit: der Mythos vom „natürlichen“ (hundertprozentigen) Fruchstaft ist eine der heute griffigsten Marketing-Lügen. Wenn auf der Packung steht „ohne Zucker-Zusatz“, so sagt das gar nichts über den Nährwert aus. Ein Getränk mit 100 Gramm natürlichem Fructose-Zucker enthält immer noch 100 Gramm Zucker, auch „ohne Zusatz“ von weiteren Zucker-Bestandteilen. Nur der Verzicht oder die Verwendung von künstlichen Süssstoffen kann die Gewichtsreduktion positiv beeinflussen. Alles andere ist Werbung.