30/9  Umwelt verändern

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:20

Es war ein amüsanter, hübscher, feinsinniger Film, den das Schweizer Fernsehen heute in seiner CH-Reihe zeigte: die Geschichte eines 18jährigen Jünglings aus dem Zürichbiet, der als Au-Pair nach Genf in eine Familie kommt und dort ins interne Spannungsfeld der Beziehungen gerät, was aus dem schüchternen Provinzler einen lebensklugen jungen Menschen werden lässt.

Eine kleine Schlüsselszene berichtet von der jüngeren Tochter, für die er bei Abwesenheit der Mutter „gesund“ kochen soll („Kein Ketchup und keine Mayo“), und der es dann doch gelingt, ihr Esses mit den verbotenen Würzstoffen kräftig aufzupeppen… und wenig später klagt sie dem jungen Betreuer ihr Leid darüber, dass sie sich „fett wie ein Walfisch“ fühle, wobei zu einer solchen Selbstwahrnehmung gar kein Anlass wäre.

Wie extrem stark die kumulierten Einflüsse von Umwelt, Werbung, Familie und Schule das Essverhalten der jungen Menschen prägen, so dass diesen kaum ein Spielraum bleibt für eigenverantwortliche Entscheidungen im Sinne des „richtigen“ Verhaltens, das hat unlängst eine Studie der Universität Michigan gezeigt, wie das Amerikanische Journal für Präventionsmedizin berichtet.

Nicht nur bestehen immer noch in bis zu 80 Prozent der Schulen Verträge mit Softdrink-Anbietern, welche die Schule am Umsatz beteiligen, was je nach Schule zwischen 70 Cent und 6,5 Dollar pro Schüler und Jahr einbringt, ein lächerlich geringer „Gewinn“, gemessen an den gesundheitlichen Langzeitfolgen dieser Praxis! – Andere Untersuchungen zeigen den dramatischen Abbau des Sportunterrichts an den Schulen, so dass sich die Jungen mit zunehmendem Alter immer weinger bewegen. – Die Food-Automaten, die in den Schulen aufgestellt sind, enthalten überwiegend Artikel mit zu viel Fett, zu viel Zucker und zu viel Salz… und alternative Angebote gibt es kaum.

In den Schulen mit dem höchsten Anteil an übergewichtigen Studenten sind im Schnitt bis zu 44 % betroffen; dazu kommt, dass die Jungen ausserhalb des Schulgeländes auch kaum eine bessere Auswahl finden: in den meisten Gegenden hat es mehr Fast-Food-Restaurants als Einkaufszentren mit frischer Früchte- und Gemüse-Auswahl, und in den ärmeren Gegenden ist dieses Ungleichgewicht am stärksten. Familien, die hier leben, haben praktisch keine Chance, sich ausgewogen zu ernähren.

Studienleiter Lloyd Johnston kommt zum Schluss, dass die entscheidende Rolle des gesellschafltichen Umfelds und dessen Einfluss auf das Ernährungsverhalten der Jugendlichen und damit auf das rasche Voranschreiten der Adipositas-Epidemie heute noch viel zu wenig Ernst genommen werde. Dabei handle es sich in aller Regel um Gegebenheiten, die man durch entsprechende Gesetze relativ leicht verändern könnte, sofern man dies überhaupt will. – Ich denke, dass auch unsere Politiker hier eine grosse Verantwortung wahrzunehmen haben. Auch nach den Wahlen noch.




29/9  Wurst & Durst

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:54

Kann es sein, dass an einem Samstag wirklich nichts passiert, über das zu berichten sich lohnen würde? Lohnen für wen eigentlich? Für den Schreibenden oder für die Lesenden? Müsste das nicht eine klassische Win-Win-Situation sein, wie die modernen Menschen heute zu der alten Maxime sagen, die da lautete: Gibst du mir die Wurst, lösch ich dir den Durst.

Von Würsten und vom Durstlöschen liesse sich reportieren: Da haben wir gegen Abend noch einen kurzen Abstecher an die Zürcher Herbstmesse Züspa gemacht, in Erinnerung daran, dass wir vor einem Jahr dort im Gesundheitssektor einen SAPS-Stand betrieben haben, gemeinsam mit der action d. Im Untergeschoss eine erdrückende Fülle von Degustationsbetrieben, meist für Weinsorten aller Art, dicht belagert von Leuten, die hier umsonst ein Gläschen kippen können… und weiter vorne die Metzgereien aus aller Herren Ländern, mit fein aufgbeschnittenen Wurstwaren und knackigen, prall gefüllten Därmen für jegliche Dauerverpflegung…

Oben in der Gesundheitsabteilung habe ich weniger Leute gesehen. Auch dort gibt es kleine Snacks zur Kundenbindung, aber eben: ein anderes Segment ist angesprochen. Und der Genuss am Ende merklich geringer.




28/9  Politisieren

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:04

Es war irgendwie ein spannender Tag, heute. Das Datum war in den Agenden schon seit Wochen eingetragen. Der Bundesrat sollte Beschluss fassen zum Thema der Übergewichts-Prävention. Ein Bericht war erarbeitet worden, der als Grundlage dienen würde für ein Langzeitprogramm. Es war abgemacht, dass Vertreter jener Organisationen, die in der Sache kompetent sind, zur Medienkonferenz eingeladen würden, um ihren Standpunkt auf Anfrage vertreten zu können und eine erste Wertung der Beschlüsse und des geplanten Programms vorzunehmen.

Am Morgen war tatsächlich Gesundheitspolitik auf der bundesrätlichen Traktandenliste. Präventionspolitik, Alkohol und Übergewicht standen zur Debatte, aber dann kam der freundliche Anruf aus Bern: Voraussichtlich werde nur zur Präventionspolitik ein Beschluss gefasst, die beiden andern Themen müssten auf eine spätere Sitzung verschoben werden. Somit entfalle auch die Notwendigkeit, an der Medienkonferenz dabei zu sein.

So gab es unverhofft einen anderweitig nutzbaren Nachmittag. – Aus gut unterrichteter Quelle waren später Vermutungen zu vernehmen über die Gründe des Aufschubs. Sowohl bei der Alkohol- wie bei der Übergewichts-Bekämpfung standen im Prinzip Massnahmen zur Diskussion, die den freien Handel tangieren könnten: Verbote, Auflagen, Regelungen. So etwas ist nicht populär, vor allem dann nicht, wenn der Gesundheitsminister einer Partei angehört, deren zweiter Bundesratssitz sowohl von der christlichen Mitte wie von grünlinksaussen unter Druck kommen könnte. Da zählt jede Stimme. Insbesondere, wenn es um die Popularität des Amtsinhabers nicht absolut zum Besten bestellt ist.

Da werden wir uns wohl noch etwas in politischer Geduld üben müssen. Das Problem läuft uns ja nicht davon, im Gegenteil.




27/9  Kau, Gummi, kau!

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:02

Ungeklärt war bis vor kurzem die Frage, ob das Kauen von elastischen Materialien mit eingebautem Geschmack letztlich zur Sättigung beitrage oder gar zusätzlichen Hunger wecke. Der Chewing-Gum, wie er nach dem zweiten Weltkrieg dank den Amis unseren alten Kontinent regelrecht überschwemmt hat, bis er zur Trottoir-verklebenden Strassenplage wurde, der besonders geschultes Reinigungspersonal mit Vereisungs-Pistolen auf den hartnäckigen Leib rücken musste, ist ja längst ein Bestandteil unseres Alltags.

Aber jetzt will ein Forscherinnen-Team der Universität Glasgow herausgefunden haben, dass es einen Zusammenhang gibt zwischem dem Kauen desselben und dem Verlust an Körpergewicht: erkundet wurden die Auswirkungen des Gummi-Konsums auf den Snack-Verzehr und das Hungergefühl. In einen Satz gefasst hat die Studie ergeben: Wer 15 Minuten lang Gummi kaut, isst nachher 36 Kalorien weniger Süsses als jemand, der keinen Gummi kaut…

Nun ist das noch keine grosse Kalorienmenge. Aber man kann jetzt rechnen: wer fünfmal pro Tag einen Gummi in den Mund schiebt und das jeden Tag tut, der würde – theoretisch – in einem Jahr soviel Kalorien weniger zu sich nehmen, wie einem Gewicht von 9,4 Kilo Fett entspricht… Allerdings, muss einschränkend gesagt sein, gab es in der Versuchsgruppe nur wenige übergewichtige Probanden und alle waren jung; dazu war es kein „doppelblinder“ Test, sondern die eine Gruppe kaute, die andere nicht… und man weiss nicht, in welcher die guten und wo die schlechten Futtervewerter waren. Und man darf sich auch nicht daran stören, dass die Studie von der Firma Wrigley’s gesponsort wurde.

Am Ende fällt dann noch der Energieverbrauch durch die Kau-Muskulatur ins Gewicht. Hierzu gibt es schon länger Berechnungen: elf Kalorien werden pro Kau-Stunde verbraucht… das könnte bei starken Kauern im Laufe eines Jahres fünf Kilo ausmachen. Immerhin.




26/9  CO2 aus dem Internet

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:35

Eine kleine Meldung in einer Fachzeitschrift lässt aufhorchen. Mein Computer läuft ja nicht an einem von mir selbst betriebenen Dynamo. Er braucht Strom, der aus der Dose kommt. (Dass erinnert mich an einen Propagandakleber aus den 70er Jahren: Wozu Atomkraftwerke? Bei uns kommt der Strom aus der Steckdose!) – Die Meldung besagt, dass weltweit bei der Herstellung der riesigen Elektrizitätsmengen, die es braucht, um das Internet zu betreiben, auch Unmengen von Kohlendioxid produziert und in die Atmosphäre entlassen werden.

Dabei geht es nicht nur um die PCs der einzelnen User, sondern auch um die unzähligen Server in den vielen Rechenzentren, die permanent in Betrieb sein müssen, um die jederzeitige Verfügbarkeit der weltumspannenden Informationen aus dem www-Netz zu gewährleisten. Diese Server – auch der relativ kleine, der bei uns im Büro steht – laufen rund um die Uhr, nicht einmal auf Standby, denn es ist zu mühsam, sie jeweils herunter und wieder hochzufahren.

Wir diskutieren über den Klimawandel, erfinden einen komplizierten Ablasshandel, mit dem man die Unannehmlichkeiten unserer Bequemlichkeit in arme Drittländer exportieren könnte… aber dass wir selber täglich massiv dazu beitragen, in der Summe jedenfalls, das ist uns wohl nicht bewusst. – In kurzer Zeit hat sich die synthetische Internet-Parallelwelt Second Life zu einem gigantischen Volks-Spielpark entwickelt. Aber ist uns bewusst, dass – wie Berechnungen ergeben haben – jede einzelne der fiktiven, virtuellen Spielfiguren für ihre elektronische Existenz auf den Bildschirmen mehr Strom verbraucht, als ein wirklich lebender Mensch in Brasilien, im Durchschnitt? – Insgesamt, so kommen die Studien zu Schluss, produziert die Herstellung des Stroms, den das Internet verbrennt, mehr Kohlendioxid als der weltweite Flugverkehr insgesamt. Haben wir jetzt ein schlechtes Gewissen?




25/9  Sauber, sauber!

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:18

Da zieht etwas am US-Horizont herauf, das auf breiter Basis Interesse finden könnte und für das sich sicher Allianzen schmieden liessen. Ich bin gespannt, wei lange es geht, bis das Konzept, angepasst an unsere mitteleuropäischen Gegebenheiten, hier auftaucht.

Es geht um die Eat Clean Diet (die „Sauber Essen Ernährung“). Und wenn man Tosca Reno, deren Erfinderin, sieht, denkt man, es müsste ausgesprochen begehrenswert sein, diese Koch- und Esskompetenz zu erwerben. So proper und knackig-gestylt ist die Dame, dabei hat sie zwei Kinder und auch sonst noch ein erfülltes Leben. – Ihr Konzept lässt sich auf sieben Merksätze reduzieren:

1. Fünf- bis sechsmal pro Tag essen.
2. Jede Mahlzeit sollte etwa 200-300 Kalorien haben.
3. Bei jeder Mahlzeit komplexe Kohlenhydrate und Eiweiss essen.
4. Mindestens zwei Liter (8 Gläser) Wasser pro Tag trinken.
5. Keine Mahlzeit auslassen, vor allem nicht das Frühstück.
6. Gesättigte und Transfette meiden.
7. Richtige Portionen essen.

Gut, das klingt jetzt nicht aufregend. Zentral ist die Forderung, dass nur „natürliche“, naturbelassene Lebensmittel verwendet werden, keine industriell gefertigten Produkte, die Zucker, Fett und andere künstliche Bestandteile enthalten, wie sie heute in den meisten Convienience-Angeboten unvermeidlich sind. Das mutet für Viele wohl etwas nostalgisch und romantisch an… wäre aber mit etwas gutem Willen und genügend Lust praktizierbar. Ich kenne Leute, die z.B. auf der Basis von strikt gelebtem Vegetarismus diese Prinzipien der natürlichen Verköstigung konsequent leben und dabei gesund und rank sind… Auch die Adepten von Slow Food werden bestätigen, dass es möglich ist, sich auf diese Weise zu ernähren.

Mit Sicherheit ist es weniger einfach als schnell eine Fertigpizza in die Mikrowelle zu schmeissen oder eine Büchse Ravioli aufzumachen… und unsere ganze Fast-Verpflegungs-Unkultur zielt ja nur darauf ab, uns in den kurzen Stresspausen möglichst rasch abzufüllen… – Man müsste eine kulinarische Revolution ausrufen und das Ess-Proletariat dafür gewinnen können. Nur aus einer Massenbewegung resultiert genügend Kraft, um Veränderungen einzuleiten… Aber da heisst es ganz rasch wieder aufwachen: der freie Markt hat seine eigenen Gesetze. Produziert wird, was gekauft wird.

Geht „Bio“ ein wenig in die richtige Richtung? Müsste hier angesetzt werden? – Grosse Lebensmittelverteiler, die sich jetzt mit ihren neuen Marketingkonzepten als Heislbringer der gebeutelten KonsumentInnenwelt darstellen, sind zu kreativen Taten aufgerufen. Das wäre eine saubere Sache.




24/9  Dölf hat gesagt…

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:16

Volkshelden haben es hierzulande nicht leicht. Adolf Ogi ist einer von ihnen, denn er hat ein ganz besonderes Flair dafür, komplexe Sachverhalte so zu vermitteln, dass unsereiner sie nachvollziehen und verstehen kann. Das war mit dem Eierkochen so und mit vielen zukunftsweisenden Vorlagen, die er durchs Parlament und durch die Abstimmungen gebracht hat. Hut ab.

Aus seinem letzten Jahr als Bundespräsident stammt ein vergnügliches Buch, das zwei seiner Mitarbeiter aus dem damaligen VBS zusammengestellt haben: Dölf hat gesagt… / Dölf a dit… – eine Sammlung von Aussprüchen, die bei verschiedenster politischer Gelegenheit gefallen sind… und irgendwie haben es Bundesräte (jedenfalls die, die man ernst nehmen kann) an sich, dass das, was sie sagen, einen ganz besonders zitierenswerten Stellenwert hat: man nimmt ihre Worte für bare Münze, auf die man später immer wieder zurückgreifen kann.

Nun hat sich Dölf zum Thema Übergewicht geäussert. In einer Kolumne der neuen Gratispostille „punkt ch“ (deren Website offenbar noch nicht funktioniert, daher kein Link), lobt er die Initiative der Nahrungsmittelindustrie einerseits, und andereseite jene bundespolitischen Instanzen, welche Druck auf die Kantone ausüben, damit diese das Sport-Obligatorium in den Schulen nicht aus Spargründen antasten. Das ist eine verdienstvolle Initiative.

Die Schlussfolgerung, zu der Dölf Ogi jedoch kommt, ist – leider – allzu einfach: Wer spart beim Sport, spart am falschen Ort! Wenn alle, Bund, Kantone, Gemeinden und Verbände, das begreifen, erzielen wir mit wenig Aufwand grosse Wirkung. Und wenn 95 Prozent wieder auf Normalgewicht sind, dürfen alle sagen: Freude herrscht! – Hier hat Ogi dem fatalen Slogan der Plakatkampagne von Gesundheitsförderung Schweiz geglaubt, wonach es „wenig“ brauche, um „viel“ zu verändern… Die Rechnung geht nicht auf. Die bald gegen 40 Prozent Übergewichtigen in der erwachsenen Schweizer Bevölkerung werden auch bei striktestem Sport-Obligatorium nicht so viel abnehmen können, dass die 95%-Quote zu erreichen wäre.

Gerne würden wir Dölf Ogi mit seinem Charisma und seiner Überzeugungskraft als Verbündeten für unser Anliegen gewinnen. Aber die Lösungen könten dann nicht so einfach sein.




23/9  Zu dünn

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:35

Eindrückliches Gespräch, auf das ich beim Zappen zufällig gestossen bin, in der französisches Version einer früheren Ausgabe von GesundheitSprechstunde. Es ging um Anorexie/Magersucht. Zwei junge Frauen, eine davon wog zuvor noch 28 Kilo und war sichtlich gezeichnet, wie man es von den Bildern kennt, die von den Amerikanern seinerzeit beim Einmarsch in die KZ gemacht wurden, papierene Haut, die sich über ausgeprägte Knochen spannt, überdimensional grosse Augen, Münder und Nasen… und eine Ärztin, welche die seelischen und körperlichen Vorgänge beschreibt, die dazu führen, dass junge Menschen sich so etwas freiwillig antun. Und nicht nur das: eine der beiden Frauen sagt, sie habe ihre Krankheit „geliebt“, diese habe ihr eine Identität gegeben. Und davon wegzukommen setze eine tiefe Erkenntnis voraus, dass gesundheitliche Schäden unausweichlich sind, verbunden mit dem klaren Willen, sich helfen zu lassen und etwas dagegen zu tun: zuzunehmen.

Eine bedrückende Parallelität zu Empfindungen und Einsichten am anderen Ende der Gewischtsskala.




22/9  7 Handlungsachsen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:54

Jetzt wirds konkreter. Vor drei Tagen habe ich versucht, mehr herauszufinden über die Empfehlungen der Lebensmittelindustrie in Sachen Übergewichtsprävention. Wie sich jetzt zeigt, wurde eine Zusammenfassung publiziert im Online-Magazin der Lebensmittelbranche: foodaktuell.ch.

Im Vordergrund steht ein Vorschlag für die Nährwertdeklaration, der sich am GDA-Prinzip orientiert (guideline daily amount = Empfehlungen für den Tagesbedarf), ausgehend von einem „normalen“ Tagesverbrauch von 2000 Kilokalorien für eine erwachsene Person. Diese Formel macht sich gut, sie wirkt transparent, aber sie hilft nur denen, die ohnehin schon ernährungsbewusst einkaufen. Für Kinder oder Menschen mit geringerer Bildung ist die Umrechnung nicht ausführbar, hier helfen einzig klare, einfache Farbsignale mit den Botschaften „rot“, „gelb“ und „grün“… die verpönte „Ampel“, die in England bereits zu einer deutlichen Veränderung des Kaufverhaltens geführt hat, ist durch noch so raffinierte Darstellungen nicht zu ersetzen, denn diese sind schlicht zu kompliziert.

Deklaration ist das eine. Daneben skizziert die Industrie (bzw. eine von ihrem Dachverband eingesetzte Arbeitsgruppe) noch sechs weitere „Handlungsachsen“:
– Optimierung der Produkterezepturen
– kleinere Portionengrössen
– Anpassung der Angebote in den Verkaufsautomaten
– Selbstbeschränkung der an Kinder gerichteten Werbung
– Sensibilisierung der Konsumenten für eine gesunde Ernährung
– Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz

Und alles in freiwilliger Selbstverantwortung. – Das sind ja interessante Stichworte. Mit der eigentlichen Tätigkeit der Lebensmittelproduzenten hat nur ein Teil davon zu tun. Wie bitte soll die Industrie eine „Sensibilisierung der Konsumenten für eine gesunde Ernährung“ bewerkstelligen, wenn die Werbung, die sich an Erwachsene richtet, uns tagtäglich den Schwachsinn von „Verdauung gut – alles gut“ ins Hirn hämmert, von der Stärkung der Abwehrkräfte faselt und energiedichte Produkte auf den Markt wirft, die kein Mensch zum Leben braucht?

Als wir von unserer Stiftung aus vor Jahren Kontakt mit dem Industrieverband aufnahmen, um zu fragen, ob man uns mit einem bescheidenen Betrag in unserer Aufklärungsarbeit unterstützen möchte, war die Antwort ein knappes Nein. Es gibt genügend Organisationen und Institutionen, die sich eine neutrale Verbraucherinformation zur Aufgabe gemacht haben, die untereinander vernetzt sind, die aber in der Regel um die Finanzierung ihrer Arbeit kämpfen müssen. Ob entsprechende Aktivitäten der Lebensmittelbranche da sehr glaubwürdig wirken, darf bezweifelt werden. Aber es geht nichts über den freien Willen und die eigene Verantwortung.




21/9  Ein kompetentes Zentrum

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:42

Das war dann nun diese Forums-Tagung im Freiburgischen Giffers, in einem Schulungszentrum, das ursprünglich kirchlich geführt war, jetzt sich neu zum Ziel gesetzt hat, adipösen Jugendlichen einen Weg zur gesellschaftlichen Integration zu weisen. Angeboten wird eine zwölfmonatige stationäre Therapie, in der es nicht nur um die gesundheitlichen Grundlagen von Ernährung und Bewegung geht, sondern um einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem auch allgemeine Lebensertüchtigung vermittelt wird, um die jungen Menschen fit zu machen für ihren weiteren Weg in der Gesellschaft.

Das Zentrum war malerischer Rahmen für eine hochkarätige Fachtagung, die dem Erfahrungsaustausch unter ExpertInnen und dem Wissenstransfer diente. Programme wurden vorgestellt, aktuelle Erkenntnisse aus allen Bereichen referiert und Kontakte konnten geknüpft werden, die bei der künftigen Arbeit weiterhelfen werden.

So eindeutig und illusionslos die Bestandesaufnahme sein musste, was die Problematik und die Tragweite der Adipositas bei Kindern und Jugendlichen betraf, so entscheidend war das Engagement, das „feu sacré“ aller Beteiligten auf der Suche nach Antworten und Lösungen. – Und das gibt Hoffnung: mag die Ausgangslage noch immer unklar sein, was die Möglichkeiten eines „staatlichen“ Handlungsplanes betrifft, so wurde doch spürbar, dass die SpezialistInnen, die an der Adipositas-„Front“ ihre tägliche Arbeit verrichten, willens und entschlossen sind, die kleinen Schritte zu gehen, die jetzt schon möglich sind, mit offenem Geist gemeinsam einen Ausweg zu suchen und sich gegenseitig zu unterstützen. Wer aus seiner täglichen Praxis Einblick hat in die Komplexität der Probleme, der kann es sich nicht leisten, auf Prinzipienreiterei zu machen, der greift beherzt nach Lösungen, die sich schon bewährt haben.

In diesem Sinne hoffe ich, dass viele Impulse von diesem Treffen ausgehen werden. Wo wir sie aufnehmen und unterstützen können, wollen wir es tun.