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Von Heinrich von Grünigen um 16:08 |
Die Tatsache ist unbestritten. Ausreichender Schlaf wäre eine der besten Voraussetzung für die Gewichtskontrolle. Doch damit ist es derzeit bei uns nicht so gut bestellt. Wir wohnen im siebten Stock unmittelbar neben dem Bahnhof Oerlikon. Dieser wird noch bis 2016 umgebaut. Es muss eine der grösseren SBB-Baustellen sein, denn nicht nur werden alle acht Geleise neu verlegt, die alten Erweiterungsbauten zum historischen Bahnhofsgebäude abgerissen, die Perron-Überdachungen abgebrochen, eine breite Unterführung gegraben, eine neue Brücke gesetzt… und dies alles bei vollem Betrieb.
Das heisst: „voll“ kann man ihn nur in Bezug auf den Fahrplan nennen, denn alles andere müssen die Bahnkunden auslöffeln. Es ist ein täglich wechselnder Hindernis- und Orientierungslauf auf der Suche nach Zügen, die stets irgendwo anders halten, zu denen man nur noch auf Umwegen gelangen kann, die mit kryptischen Signaltafeln angezeigt werden… Man macht es dem Pendler und der Pendlerin nicht leicht.
Von oben aus dem siebten Stock sieht das ja putzig aus, wie eine belebte Modellbahn-Anlage mit den Ameisenströmen der Reisenden und dem tüchtigen Umbau-Personal: winzige Männlein in knallorangen Overalls, die über die ganze Baustelle verstreut sind und wie an unsichtbaren Fäden laufen, um irgend einen geheimnisvollen Masterplan abzuarbeiten.
Mal stehen sie einzeln herum, mal in Gruppen, dann bauen sie einen hölzernen Trennzaun oder bedienen einen der zahllosen Schaufelbagger. Davon hat es welche in allen Grössen und Farben, blaue, gelbe, weisse, und jeder hat eine spezielle Funktion. Der eine hebt eine Grube aus, der andere knackt mit seiner hydraulischen Schere die Betonwände klein, einer ist so schmal, dass er über die alte Velorampe ins Untergeschoss fahren kann, um dort Backsteinmauern einzureissen… Es ist ein scheinbar planloses Gewusele, dessen Resultat aber doch mit klarer Struktur jeden Tag sichtbarer wird. Ein faszinierendes Schauspiel, vom Frühstückstisch aus zu beobachten, etwas, wofür alte Mnner sonst stundenlang am Bretterzaun stehen müssen.
Wenn nur der Lärm nicht wäre! Im Moment sind die Männlein dabei, die Trümmer der abgebrochenen Gebäude zu sortieren nach Stein, Metall und Holz. Die einzelnen Teile werden in verschiedene Container aus Stahl gelegt. Mit der Ladeschaufel werden sie aufgehoben, zum entsprechenden Behälter gekarrt und dort fallen gelassen. Das gibt jedes Mal ein Geräusch als wäre eine mittlere Kartätsche eingeschlagen, dabei erzittert unser Haus bei den schwereren Brocken.
Diese Arbeit ist so geplant, dass sie kurz nach Mitternacht beginnt. Im Abstand von wenigen Minuten knallen die Beton- und Metallbrocken in die Kisten. Der Schall wird vom benachbarten Hotel verstärkt zurückgeworfen und dringt sogar durch dreifach verglaste Fenster… kaum ist man ein wenig eingedämmert – WUMM! – folgt der nächste Schlag und man ist wieder hellwach.
Fernsehen ist eine Notlösung. Man gibt sich ja keine Rechenschaft, was auf gewissen Sendern während der Nacht an Schrott abgenudelt wird… Morgens nach fünf hört das akustische Martyrium auf. Die orangen Männchen wenden sich stilleren Tätigkeiten zu. Du versuchst aus den frühen Stunden noch so viel Schlaf wie möglich zu zapfen… aber es reicht nicht aus, um frisch zu sein.
Gerädert kriecht man ins Büro und wünscht sich für die nächste Nacht ein Wunder in Form des Dornröschen-Effekts: im gleichen Moment, wo du einschläfst, müssten auch alle Männlein auf der Baustelle in einen Tiefschlaf fallen, der bis zum nächsten Morgen anhält. Ich suche nur noch eine passende Hexe.
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Von Heinrich von Grünigen um 14:06 |
Eigentlich sollte ich heute in Lausanne sein. Als persönlich geladener Teilnehmer an einem internationalen Nestlé-Symposium zum Thema Ernährung und die Darmflora des Menschen.
Eine spannende Thematik, die erst in den letzten Jahren ins engere Blickfeld der Forschung gerückt ist, nachdem durch verschiedene Studien Zusammenhänge zwischen der Darmflora und der Entstehung von Übergewicht und Adipositas aufgedeckt wurden, die sich in Tierversuchen zweifelsfrei nachweisen liessen.
Ein Panel von hochkarätigen Forschern aus aller Welt trifft sich dieser Tage im Nestlé Research Center – aber leider kann ich nicht mit dabei sein im Hörsaal: eine böse Erkältung hat mich erwischt, mit Schluckbeschwerden, Halsweh und hartnäckigem Husten, deren Keim wahrscheinlich noch in der Reha gelegt wurde, bei den „Wanderungen“ um die Klinik, zwar bei Sonnenschein, aber bei kalten Bergwinden, die dem verschwitzten Wandersmann offenbar arg zusetzten.
Zum Ausbruch ist die Erkältung erst zuhause gekommen, aber sie hat gereicht, um mich von der Teilnahme an der Veranstaltung abzuhalten. Nun kann ich das Event aus der Ferne verfolgen. Das Programm vor Augen, kann ich mir vorstellen, wer das Rednerpult gerade betritt… und später kann ich in der Online-Dokumentation nachlesen, was gesagt wurde. Immerhin: das Wissen ist zugänglich, auch wenn der direkte Austausch vor Ort nicht möglich ist.
Ich bin gespannt, ob die Referate zu neuen Erkenntnissen führen. Und vor allem: ob diese Erkenntnisse einen Einfluss haben werden auf die künftige Produkte-Strategie des Lebensmittel-Giganten Nestlé.
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Von Heinrich von Grünigen um 17:03 |
Kleine Kinder sind die schwächsten Konsumenten. Sie kaufen noch nicht selber ein, sie kochen nicht und bestimmen nicht, was auf den Tisch kommt. Was das Essen betrifft, sind sie komplett von ihren Eltern abhängig, meist von der Mutter.
Ein Experiment an der Queensland-Universität hat ein bedenkenswertes Resultat gezeitigt. Einer Gruppe von Müttern mit kleinen Kindern (bis zu drei Jahren) wurden verschiedene Essens-Angebote gemacht. Zuerst erhielten die Kleinen eine komplette, sättigende Mahlzeit. Sie hätten genug, sagten sie auf die entsprechende Frage, wären satt und könnten nichts mehr essen.
Nur 15 Minuten später wurden den gleichen, „satten“ Kindern eine Auswahl von süssen und salzigen, kalorienreichen Snacks vorgesetzt, von Schokoriegeln und Bonbons bis zu Chips. Und siehe da: die gleichen Kinder, die kurz vorher gesagt hatten, se wären satt, langten erneut zu und mampften fröhlich weiter. Und zwar alle ohne Ausnahme.
Der Test beweise, so die Erkenntnis der Wissenschaftler, dass kleine Kinder noch kein ausgebildetes Sättigungsgefühl kennen und sich von vorhandenen Angeboten jederzeit zum Essen animieren liessen. Dass sie auf diese Weise weit mehr Kalorien zu sich nähmen als sie ihrem Alter und ihrem Wachstum entsprechend brauchen würden. Dass demnach durch ein Überangebot an „dickmachender“ Nahrung die kleinen Kids zwangsläufig überfüttert werden, wenn die Mütter nicht bewusst aufpassen und Gegensteuer geben.
Der Test lässt aufhorchen. Er zeigt, dass Kleinkinder offenbar reflexartig „essen“, wenn Nahrung vorhanden ist. Ganz abgesehen davon, dass diese „Angebote“ ja von Industrie und Handel mit raffinierten Werbetricks zusätzlich schmackhaft gemacht werden, mit allerlei Gadgets und Spielen, mit Identifikationsfiguren und unbewussten Anreizen… und die guten Mütter freuen sich, wenn die Kleinen einen „guten Appetit“ haben: sie halten dies für ein Anzeichen von Gesundheit und Wohlergehen.
Es ist höchste Zeit, dass diese Art von Fatfood-Vermarktung weltweit verboten wird.
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Von Heinrich von Grünigen um 15:50 |
Still und leise ist er über die Bühne gegangen. Letzten Donnerstag, 16. Oktober, der internationale Welternährungstag. Hundert Millionen Menschen weniger leiden Hunger als noch vor zehn Jahren, heisst es. Ist dies ein Grund zum Jubeln? Das bedeutet doch nur, dass es den Ärmsten der Armen etwas weniger schlecht geht. Aber die grossen Probleme rund um unsere Ernährung sind damit nicht gelöst.
Ein Schandfleck erster Ordnung bleibt der „Foodwaste“ – die Lebensmittel-Verschwendung, der bei uns fast die Hälfte aller Esswaren zum Opfer fällt, eine Verteilung, mit der qualitative Ansprüche gezüchtet werden, die kaum mehr sinnvoll einzuhalten sind.
Ungelöst ist das Problem des subventionierten Exports von Schlachtabfällen aus der europäischen Überflusswirtschaft in afrikaniscdhe Armutsländer, wodurch die einheimische Agrarstruktur in ganzen Landstrichen in ihrer Existenz gefährdet oder ganz vernichtet wird.
Ungelöst ist das Problem der kommerziellen Profitmaximierung zulasten der Verbraucher, die mit allen Mitteln der Kunst zu einem Überkonsum verleitet werden, der zwangsläufig in Übergewicht, Adipositas und die unasweichlichen Folgekrankheiten mündet…
Da wirkt es reichlich zynisch, wenn die UNO für den diesjährigen Welternährungstag das Motto der Versorgung durch bäuerliche Familienbetriebe ausruft – – und gleichzeitig bei uns im letzten Jahr 1400 Betriebe eingegangen sind… Sicher besinnen sich viele Verteiler auf den Charme der „Nähe“, haben die Bedeutung der „Regionalität“ für das Marketing erkannt und bauen diese Angebote aus, aber das ist noch ein Tropfen auf den heissen Stein, vergleichbar mit der wachsenden Anzahl von „Hofläden“, die auf einen Direktverkauf ab Bauernbetrieb hinweisen.
Findet das Umdenken statt? Wird der Mahnruf von Ban Ki Moon erhört? Wir werden es erfahren, sofern wir es erleben…
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Von Heinrich von Grünigen um 21:59 |
Wir sind in einem kleinen Hotel über dem Vierwaldstättersee. Eine Diskussionsrunde zu Medienfragen und zur Qualität der elektronischen Produkte. Es tut gut, wieder mal in den alten professionellen Kategorien zu denken und zu debattieren, auch wenn man dabei realisiert, wie die Zeit vergeht und was sich alles verändert hat.
Natürlich ist das auch ein bequemer Vorwand, beim Follow-Up-Training eine kleine Pause einzulegen, denn hier gibt es keinen Fitnessraum und für allfällige Spaziergänge ist es schon zu dunkel bzw. sind die Wege zum Ufer zu steil.
So bleiben nur die kleinen Übungen, die man im Zimmer machen kann. Und dass mich dieses Thema beschäftigt, mir sogar so etwas wie ein schlechtes Gewissen einhaucht, das empfinde ich auf angenehme Weise positiv. In diesem Sinne: bis morgen.
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Von Heinrich von Grünigen um 19:04 |
Zurück im heimischen Alltag. Schon am Nachmittag nach der Entlassung wieder im Büro, um die aufgelaufenen Pendenzen abzuarbeiten, wenigstens teilweise. Schon wieder fünf Stunden sitzend am Schreibtisch verbracht. Was ist mit den Vorsätzen?
Bei der Velofahrt ins Büro habe ich realisiert, wie sehr mir das tägliche Strampeln auf dem Ergometer-Rad die Beinmuskulatur in Schwung gebracht hat, denn dort, wo ich früher bergauf trotz elektrischer Unterstützung ins Keuchen kam, fuhr ich nun mühelos hinauf… Ich war so überrascht, dass ich auf dem Heimweg einen Umweg fuhr, weitere Steigungen hinauf, die ich ebenso ohne grosse Anstrengung nehmen konnte. Das Fahren fiel mir auch auf ebener Strecke leichter, ich konnte direkt eine Energy-Stufe zurück schalten. Jetzt muss ich zuhause auf dem Hometrainer unbedingt dran bleiben, damit sich die neu gewonnene Fitness nicht verliert.
Pech habe ich mit dem Wassersport: eigentlich wäre für heute Abend eine Stunde Aquafit mit Freund Rolf angesagt gewesen und wir hatten uns vorgenommen, tapfer zu sein… Aber er musste sich einem kleinen Eingriff unterziehen und ich habe mich offenbar beim freiwilligen Klinik-Umgang am Sonntag erkältet, denn es plagen mich akute Halsschmerzen und Schluckbeschwerden, so dass wir „schweren Herzens“ von der Nässe und ihren möglichen Auswirkungen Abstand nehmen mussten… Die erneuerte „letzte“ Kraft reicht gerade noch für den Schlummertrunk in der Stammkneipe.
Aber um die Physio-Übungen, die man liegend auf dem Bett machen kann, werde ich nicht herum kommen.
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Von Heinrich von Grünigen um 19:48 |
Der letzte Tag ist vorbei. Zum letzten Mal in der Massage, zum letzten Mal die Physio-Übungen gepaukt, Abschied genommen von liebgewordenen Maschinen, Gerätschaften und vor allem: Menschen.
Menschen sind das Kapital einer dermassen pflegeintensiven Klinik. Das fängt an mit dem Gärtner, der Aussieht wie OTTO, von hinten, wehendes Blondhaar unter einer Dächlikappe auf einem schlaksigen Klappergesell. Ich habe sie alle ein wenig ins Herz geschlossen, vom immer aufgestellten Kantinen-Personal über die fürsorgliche Pflege-Crew bis zu den zahllosen Therapeuten und Therapeutinnen, die auf ihrem Spezialgebiet unaufhörlich danach trachteten, uns auf der Erfolgsspur vorwärts zu bringen.
Was, Sie gehen schon? Man hat sich in den drei Wochen aneinander gewöhnt, hat sich auch ausserhalb der eigenen Lektionen zugenickt, man war eine grosse, gemeinsame Familie, die sich aushalf, die Erfahrungen tauschte, Mut zusprach, Anteil nahm.
Nun geht es also wieder zurück aus der geschützten Gesundheits-Werkstatt in den Alltag, ausgerüstet mit Empfehlungen und Tipps, Anleitungen zur Weiterführung der Übungen auch ohne Aufsicht… denn so erfreulich die heute gemessenen Fortschritte auch sind, sie stellen erst den Anfang an einer langen Reise zum Ziel, auf der die Kontinuität zählen wird.
Noch bin ich guter Dinge und voller Hoffnung, dass es gelingen wird, „dran zu bleiben“ und nicht sofort ins alte Fahrwasser zurückzufallen. Mein herzlicher Dank geht an die Klinik-Crew, der es an Arbeit nicht mangeln wird. Schon morgen Nachmittag wird mein Bett wieder belegt sein.
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Von Heinrich von Grünigen um 16:43 |
Ich habe Wort gehalten. Letzte Woche hatte ich mich gegen „meine“ Physiotherapeutin aufgelehnt, als sie mit mir um die Klinik laufen wollte. Das sei, sagte ich ihr, doch eine reine Verschwendung des Knowhows, das sie sich mit ihrer Ausbildung angeeignet hatte. Ums Haus laufen könne ich zur Not auch alleine, wenn sie nicht irgendwelche Messungen an mir vornehmen wolle. Mir wäre es lieber, sie würde die verbleibenden Therapiestunden noch nutzen, um mir Übungen und Trick zu zeigen, die ich zuhause als Training weiter praktizieren könne.
Sie war einverstanden, aber ich musste hoch und heilig versprechen, dass ich übers Wochenende einen autonomen Rundgang machen würde und ihr ehrlich berichte, wie viele Zwischenstopps ich einlegen müsse. Ich versprach es. Und heute Nachmittag raffte ich mich dann auf, bestellte noch den Pfleger vom Pikett zum Zeugen, falls Zweifel an meiner Redlichkeit aufkämen, und zog los.
Zuerst ging es von der Terrasse vor dem Aufenthaltsraum durch den Park zum Therapie-Zentrum, von dem aus wir den Rundgang normalerweise starteten. Es wehte ein kräftiger Föhnwind, der mir mal ins Gesicht schlug, um mich nach der nächsten Wegbiegung von hinten anzuschieben. Ich war überrascht, wie mühelos mir dieser Gang zum Start erschien. Das stimmte mich zuversichtlich.
Nach einer kurzen Ruhepause machte ich mich auf den Weg. Ohne Stöcke und mit ruhigen, kurzen Schritten, immer auf den Atem achtend, um sparsam mit der Energie umzugehen. Ich kam an all den Stellen und Parkbänken vorbei, an denen ich bei meinem ersten Rundgang angehalten hatte oder abgesessen war, und die Distanzen schienen mir zu einer lächerlich kurzen Strecke geschrumpft zu sein. Natürlich lockten die Sitzbänke kräftig und verführerisch, aber ich kämpfte den inneren Faulpelz nieder und ging – piano, piano – weiter.
Einen einzigen Zwischenhalt musste ich einlegen, kurz nach der Mitte der Strecke, wo der sanfte Anstieg zum oberen Stockwerk begann… Warten, bis der Puls sich beruhigt hatte und weiter bis ans Ziel, auch diesmal nonstop. Achtzehnmal musste ich vor drei Wochen anhalten – jetzt hatte ich es mit einer einzigen Verschnaufpause geschafft!
Aber geschafft war ich selber. Und froh darüber, dass ich meinen Geldbeutel entgegen meiner ursprünglichen Absicht doch nicht in die Trainerhose gesteckt hätte, sonst hätte ich mich mit Sicherheit im Restaurant, durch das mich der Weg wieder zurück in die Klinik führte, für meine „Leistung“ mit einer Latte Macchiato und einer Crèmeschnitte belohnt.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:03 |
Es hat wenig Dicke, hier. Die Klinik ist nicht speziell auf übergewichtige PatientInnen ausgerichtet. Zwar hat es überall Stühle ohne Seitenlehnen, in den Behinderten-WCs gibt es Closomat (alter Schule)… aber ein Bewegungsprogramm, das sich gezielt an eine adipöse Klientel wenden würde, habe ich nicht angetroffen.
Zwar gibt es ein paar „schwere“ Fälle, teils im Rollstuhl, teils auf Krücken… ein Herr hat mich beim Krafttraining angestrahlt und verkündet, dass er bis vor einiger Zeit auch noch so schwer gewesen sei wie ich… jetzt habe er abgenommen – und er hebt das T-Shirt hoch, um mir die geschrumpfte Fettschürze zu zeigen – er habe einen Magenbypass machen lassen. Er würde es sofort wieder tun.
Er klemmt sich wie ich in die teils zu knappen Fitness-Maschinen, auch er hat sich offenbar länger nicht mehr ausreichend bewegt, es fällt ihm so schwer, wie es mir am Anfang gefallen ist. Dass die Therapie-Liegen, wie sich gezeigt hat, meinem Gewicht nicht gewachsen sind, ist auch ein Indiz. Wie sich jetzt herausgestellt hat, sind sie bis 120 Kilo geprüft… seitdem darf ich nur noch auf eine der wenigen einteiligen und solideren Unterlagen klettern.
Die Physiotherapeutin räumt ein, dass sie in ihrer Ausbildung keine besonderen Hinweise auf den Umgang mit schwergewichtigen Patienten erhalten habe… Ein Thema, das in Zukunft unweigerlich an Bedeutung gewinnen wird, denn die Generation der Adipositas-Betroffenen wird zwangsläufig früher oder später auch in Reha-Klinken anzutreffen sein, und zwar in grösserer Anzahl als wir es hier und heute sind.
Ok, meinte der Chefarzt, als ich ihn auf diesen Umstand ansprach, es seien ja dann doch nicht alle so wie ich und für das Mittelfeld – sprich: bis 120 Kilo – fühle man sich technisch gerüstet.
Wie auch immer: Sensibilisierung ist der erste Schritt zur Einsicht, die später mal in Handeln mündet. Die nach uns kommen, werden offene Türen finden.
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Von Heinrich von Grünigen um 21:21 |
In vier Tagen werde ich entlassen. Heute war der Mediziner-Tross da um eine erste Bilanz aufzunehmen. Wie mein Befinden sei? Ob der Aufenthalt etwas gebracht habe? Ob mein Ziel erreicht sei?
Ehrlicherweise sagte ich auf die letzte Frage: Nein. – In drei Wochen ist das, was ich mir erhoffe, von niemandem zu erreichen. Um ans Ziel zu gelangen – nämlich: beschwerdefrei über längere Strecken gehen, keine Knieschmerzen mehr haben, markant Gewicht verlieren, fit(ter) werden – ist es noch ein weiter Weg, den nicht nur gute Vorsätze pflastern, sondern auch einiges an Durchhaltewille, das, was ich hier gelernt und erfahren habe, auch in meinem Alltag anzuwenden.
Erst dann kann es möglich sein, dem ursprünglichen Ziel näher zu kommen. Meine Antwort gefiel den Medizinern. Die konsequente Umsetzung des Gelernten ist und bleibt die zentrale Voraussetzung für einen Erfolg.
Allerdings, sagte der Chefarzt, gibt es zwei Handicaps, die Ihnen das Leben weiterhin schwer machen: Das eine ist Ihr Herz. Seit dem Infarkt ist es in seiner Tätigkeit eingeschränkt, das lässt sich nicht reparieren, mit dem müssen Sie sich arrangieren. Das zweite ist Ihr Gewicht. So lange es bleibt wie es ist, bleibt jede Bewegung mühsam und qualvoll… aber erst konsequente Bewegung kann helfen, eine Reduktion einzuleiten.
Mit dem Aufenthalt in der Klinik habe ich den Versuch unternommen, aus dem Teufelskreis auszubrechen. Man hat mir Wege und Mittel dazu aufgezeigt. Wie zuverlässig ich sie jetzt dann anwende, liegt in meiner Verantwortung. Unmöglich sei es nicht. So nehmen wir die letzten Tage und Lektionen noch als Chance und nicht als Pflicht.
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