23/4  Auf „dick“ programmiert

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 14:26

Aufklärung oder Panikmache. Beides liegt nah beieinander. Wenn man gewissen Berichten glaubt, sollte man überhaupt damit aufhören, noch etwas zu essen. Denn alles, was man zu sich nehmen kann, macht im Endeffekt dick. Unabhängig davon, ob man viel oder wenig konsumiert.

Wir würden – so die These in einem Bericht der Gesundheitsplattform PraxisVITA – durch mannigfaltige Stoffe in unserem Ernährungsalltag geradezu darauf hin programmiert, mehr und immer mehr Kalorien zu uns zu nehmen und dadurch Gewicht zuzulegen, dick und letztlich krank zu werden.

Es sind vor allem gewisse Stoffe und Bestandteile, die in den modernen „Fertigmahlzeiten“ enthalten sind, die auf das Belohnungszentrum in unserem Gehirn eine mit Drogen vergleichbare Wirkung ausüben, in kleiner Dosierung zwar, die aber durch die regelmässige Wiederholung zu einer Form der Abhängigkeit führt.

So werden wir, ohne dass uns dies bewusst ist, von Kindheit an darauf konditioniert, gewisse Geschmacksmuster zu lieben, anderen vorzuziehen. Und je stärker ein Organismus solchen Einflüssen ausgesetzt ist, umso ausgeprägter wird sein Verlangen, die „Sucht“ zu stillen, umso grösser werden die Mengen, die nötig sind, um befriedigende Gefühle auszulösen. Ein Teufelskreis, aus dem nur noch schwer auszubrechen ist und dem man am besten dadurch entgehen könnte, dass man gar nie hinein gerät… aber das liegt nicht in unserer Hand, denn die Weichen dazu werden schon in frühester Kindheit gestellt.

Also braucht es doch eine gewisse Panikmache, damit die Aufklärung überhaupt wahrgenommen wird.




22/4  Diäten-Wettstreit

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 14:56

Es ist eine der häufig gestellten Fragen an unserem Beratungs-Telefon. Können Sie mir sagen, welches die beste Diät ist, um rasch möglichst viel Gewicht zu verlieren? Die Frage allein weckt meine Abwehrkräfte. Wie kommt jemand dazu, eine so unterirdisch blöde Anfrage überhaupt zu formulieren? Es muss das Resultat sein von unablässigen Werbe-Einträufelungen, dass es überhaupt solche „Diäten“ geben könnte.

Es wäre schön, wenn unsere Bestrebungen zur Aufklärung über den irregeleiteten Diäten-Wahn auch nur annähernd so „erfolgreich“ wären – aber das ist leider nicht der Fall. Nach wie vor überbieten sich – unabhängig von der Jahreszeit – die vollmundigen Anpreisungen, mit welcher besonderen Ernährungsweise die Leute mühelos ihre Pfunde „schmelzen“ lassen könnten…

In der Annual Review of Public Health hat Dr. David Katz einen Bericht veröffentlicht, in dem er mit scharfen Worten die Anpreisungen der verschiedenen Diät-Formen und die damit verbundenen Versprechungen geisselt. Praktisch alle seien nicht zu begründen und zum Teil grob fahrlässig. Sie würden das Publikum zu falschen Erwartungen verleiten, die in der Praxis kaum einzuhalten seien. Aber nirgendwo wie im Komplex Übergewicht und Adipositas sei die Bereitschaft der Betroffenen so gross, jeden Humbug für bare Münze zu nehmen.

Eine „gesunde Ernährung“ sei nicht an eine bestimmte Diät-„Doktrin“ gebunden, sie sei unabhängig davon, ob man eine „Steinzeit“-Diät mache, die traditionelle asiatische Küche liebe oder das Fett reduziere, sie habe nichts mit glutenfreier Ernährung zu tun und sei auch vegetarisch oder vegan möglich – auf Dauer sei die „richtige“ Ernährung eine Frage des Masses, der ausgewogenen Auswahl und des Konsums von möglichst naturbelassenen Lebensmitteln.

Es gebe aber bisher keine schlüssigen Beweise dafür, dass eine bestimmte Art der Ernährung „die beste“ sei vor allen andern. – Man darf nicht müde werden, diesen Sachverhalt immer wieder zu betonen. Gewichtsverluste bei radikalen Ernährungs-Umstellungen sind möglich… aber sie bergen auch die unausweichliche Gefahr des fatalen Jojo-Effekts, der bewirkt, dass die „verlorenen“ Kilos rascher wieder zurückkommen als sie „verschwunden“ sind.

Der Rest ist Werbung.




16/4  Hack ist Hack

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:18

Eine simple Weisheit. Nachdem mich die Werbung mit merklichem Aufwand davon überzeugt hatte, dass es ein besonders guter Burger sein muss, den der TV-Starkoch René Schudel da sogar während des Autofahrens mit seinem Beifahrer verspeist, hatte ich mir einen solchen am McDo-Tresen besorgt. Wie immer hatte er natürlich in der Werbung besser ausgesehen als in Wirklichkeit, aber das wissen wir ja inzwischen und die reale Enttäuschung hält sich in Grenzen. Tatsächlich gab es ein Salatblatt, ein paar vertrocknete Rucola-Blättchen, zwei erkaltete Specktranchen, eine etwas lahme Tomatenscheibe… aber das Fleisch, das muss ich zugeben, das Fleisch war sehr ansehnlich. Einen guten Centimeter dick war das Hack-Plätzchen, so wie auf den meisten Werbefotos abgebildet… aber vom Geschmack her auch nicht besonders überzeugend: eher etwas fade und trocken, so richtig zum Kauen.

Ein Fortschritt, sagte ich mir, gegenüber den millimeterdünnen Hackfleisch-Läppchen, die sich sonst in den Burgern finden… aber von der Konsistenz her doch nicht viel anders. An dieses Burgerfleisch-Phänomen musste ich denken, als ich heute den aktuellen Bericht über die Weiterentwicklung des Kunst-Burgers las. Da hatte doch letztes Jahr ein Professor in den Niederlanden für eine Viertelmillion Euro in der Petrischale im Labor aus Stammzellen Fleisch künstlich gezüchtet, aus dem er einen Burger briet, den er in einer Medienkonferenz öffentlich verkosten liess.

In der Zwischenzeit hat er mit seinem Team an der Weiterentwicklung gearbeitet. Das Interesse seitens der Nahrungsindustrie ist gross – aber die Hoffnung noch klein, dass sich das Projekt auf absehbare Zeit kommerzielisieren liesse. Zu gross noch der Aufwand, zu hoch die Kosten. Und als Erkenntnis bleibt vorläufig nur, dass auch künstlich erzeugtes Hackfleisch einfach nur Hackfleisch ist. Irgendwie tröstlich.




15/4  Volk für Getränkesteuer

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 15:19

Es lebe die Demokratie. Das hören wir in den letzten Tagen immer wieder in neuem Zusammenhang. Man müsse nur das Volk befragen, dann komme die wirkliche Wahrheit an den Tag. Das sagen nicht nur Demokratie-Freunde, sondern auch Populisten im Kampf um Wählerstimmen.

Interessant ist in deser Hinsicht ein Vorgang in West-Australien. Dort kam es zu einer Kontroverse zwischen dem Verband der Getränkeproduzenten und der Gesundheitsbehörde. Letztere hatte unter dem Motto LiveLighter (es ist ja witzig, dass die Adipositas-Stiftung sich schon vor Jahren das Motto „leichter leben!“ auf die Fahne geschrieben hatte, ehe dieses vom Zürcheer Gesundheitsdienst abgekupfert wurde) – also die australische Gesundheitsbehörde hatte eine Informations-Kampagne zur Einschränkung des Zuckerkonsums gestartet und die Süssgetränke-Hersteller hatten keine Freude daran. Sie warfen der Behörde vor, sie würden mit unlauteren Methoden gegen ihre Limonaden Stimmung machen und einseitig den Konsum von Hahnenwaser propagieren… (kommt uns auch irgendwie bekannt wor).

Diese Auseinandersetzung war der Anlass für eine repräsentative Umfrage bei 1’000 West-AustralierInnen: was sie von einer Sonder-Steuer auf gesüssten Getränken halten würden und was mit dem so erhaltenen Geld geschehen sollte? – Wuchtig war das Verdikt der Befragten: 78 Prozent sprachen sich für eine solche Steuer aus, und mit dem Geld sollten gesunde Lebensmittel wie Früchte und Gemüse verbilligt werden.

Eine ziemlich deutliche Ohrfeige für die Getränkelobby, im Namen des Volkes.




14/4  BMI-Waage

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:11

Es war eine Dame am Telefon. Sie wollte wissen, ob wir bei der Adipositas-Stiftung eine BMI-Waage hätten, die wir für einen Anlass vorübergehend ausleihen könnten. Ich musste zuerst nachfragen, ob ich das richtig verstanden hätte.

Doch, sagte sie, sie meine, sowas schon mal benutzt zu haben: eine Waage, die nicht nur das Gewicht registriert, sondern auch die Körpergrösse ermitteln und daraus dann den aktuellen BMI errechnen konnte. Davon hatte ich noch nie gehört. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, wie das technisch denn überhaupt gehen sollte, wie eine einfache Waage herausfinden sollte, wie gross jemand ist, der sich darauf stellt. Da müsste ja gerade ein kompliziertes Laser-System integriert sein, das über zwei Spiegel oder so die Distanz zum Scheitel misst… Nein, sagte ich, dazu fällt mir nichts ein. Sorry.

Später machte ich mich auf Recherche-Tour ins Internet. Unter dem Stichwort „BMI-Waage“ gibt es tatsächlich verschiedene handelsübliche Angebote. Allerdings auch keines in der Art, wie ich es mir vorzustellen versucht hatte, sondern viel simpler: da die Körpergrösse ja nicht je nach Tagesform variiert, kann bei der gleichen Person auch stets von der gleichen Grösse ausgegangen werden. Es genügt also, bei der Waage einmal seine Länge einzugeben, die Eingabe mit einem entsprechenden Code zu versehen, und schon errechnet das Gerät jedesmal, wenn man auf die Waage steht und „seinen“ Code antippt, automatisch aus dem aktuellen Gewicht den aktuellen BMI.

Das kann man so für mehrere BenutzerInnen einstellen und die ganze Familie ist versorgt. Einige Waagen können dann noch drahtlos mit dem PC kommunizieren und liefern die errechneten und gemessenen Werte zuhanden einer grafischen Darstellung ab, so dass man sie jederzeit weiter verwenden kann.

Die Sache mit der BMI-Waage war also nicht so abwegig, wie sie mir anfänglich vorgekommen ist – aber eben nur für einen fixen Benutzerkreis.




13/4  Klima- und Ernährungswandel

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 18:25

Eine neue Botschaft aus dem Argumentarium der Apokalypse. Die Klimaerwärmung bedroht nicht nur die Völker am Meeresufer mit steigenden Fluten und die restliche Menschheit mit Dürre und extremen Witterungsverhältnissen – nein, jetzt greift sie auch noch auf unsere Nahrungsvorräte.

Kaum merklich zwar, aber immerhin: auf lange Sicht existenzbedrohend. Klimaerwärmung und Anstieg des CO2-Gehalts in der Luft führen zu Veränderungen im Stoffwechselhaushalt der Futterpflanzen. Das hat eine Studie mit verschiedenen Aussaaten unter Labor-Bedingungen mit verändertem Luftgemisch an der University of California, Davis, ergeben.

Steigt der CO2-Anteil in der Luft, so sinkt die Fähigkeit der Pflanzen, Nitratsalze in Eiweiss umzuwandeln. Angesichts der heute prognostizierten Veränderungen könnte das so entstehende Nährstoff-Defizit rund 3% der weltweiten Protein-Produktion betragen. Das scheint nicht viel zu sein und es gibt Theorien, wonach dieses Defizit durch eine Erhöhung der Düngermenge künstlich wieder ausgeglichen werden könnte… aber das wäre keine nachhaltige Lösung. Die Qualität unserer Nährstoffe, sowohl im Direktverzehr als Gemüse wie auf dem Umweg über die Fleischproduktion, würde merklich geschmälert. Der Klimawandel ist auf unseren Tellern angekommen.

Jene, die ihn in sturer Verblendung leugnen, brauchen offenbar deutliche Signale.




12/4  Krankenkost

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:37

Eigentlich müsste es ja selbstverständlich sein. So selbstverständlich, dass man gar nicht auf den Gedanken kommt, es könnte anders sein. Und doch braucht es einen besonderen Effort: im amerikanischen Ottawa sind die neun grössten Spitäler und Kliniken überein gekommen, dass sie das Food-Angebot in ihren Küchen, Kantinen und Kiosken radikal umgestalten wollen.

Wer, wenn nicht die Gesundheits-Tempel, soll denn sonst mit dem guten Beispiel vorangehen, was die vernünftige, „richtige“ Verköstigung betrifft? Angesichts der grossen Zahl an PatientInnen und an BesucherInnen, die jahrein jahraus durch die Spitäler pilgern, könnte ein sehr breites Publikum erreicht und auch motiviert werden. Deshalb werden die aktuellen Angebote kritisch unter die Lupe genommen. Abgesehen von der Patienten-Verpflegung, die auf das aktuelle Krankheitsbild abgestimmt bleiben muss, geht es einerseits um die Menü-Gestaltung in der öffentlich zugänglichen Spital-Gastronomie, die noch immer von Junk-Food dominiert wird, aber auch um die Auslagen im Spital-Kiosk, wo Süssgetränke, Schokolade und Zuckerkram das Angebot bestimmen.

Das alles soll nicht von heute auf morgen geschehen, sondern in einem strukturierten Prozess über die nächsten zwei, drei Jahre. Man verspricht sich davon eine Signalwirkung, die auch im häuslichen Alltag seine Nachahmer finden soll. Der Versuch verdient es, beobachtet zu werden.




10/4  Der Grosi-Faktor

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:30

Heute war ein superschöner Frühlingstag. So richtig ideales Wetter, um mit der kleinen Enkelin nach draussen zu gehen, in ein lauschiges Restaurant am Waldesrand mit grossem Spielplatz: Kletterturm, Riesenrutsche, Sandkasten, alle Arten von Schaukeln, Tische, Bänke… ein Paradies für kleine Leute voll Bewegungsdrang und Lebensfreude!

Einmal pro Woche ist Enkelin-Tag. Julie ist inzwischen dreieinhalb Jahre alt, eine Mischung aus Wildfang und Prinzessin, ein Quecksilberkind und dauernd in Bewegung oder dann in ein intensives Spiel vertieft, bei dem sie die Welt um sich vergisst. Beim Essen hat sie ihren eigenen Willen. Sie ist wählerisch und ihre Präferenzen folgen der Tagesform. Gemessen an der Energie, die sie täglich umsetzt, isst sie eigentlich wenig, jedenfalls wenn die Grosseltern dabei sind.

So auch heute Mittag. Ein paar Pommes, die sie der Oma vom Teller stibitzt, das Pouletfleisch vom Opa hat keine Chance, auch das Apfelmus passt ihr nicht. Dafür dann aber das Kinder-Eis, aus einem Plastik-Donald-Duck-Kopf gelöffelt, da ist sie voll dabei. Und das freut die Grosseltern, wenn die Enkelin geniesst und schmaust.

Aber halt! – Da lese ich nun von einer Kampagne, die in Irland geplant wird. Dort hat man in einer Langzeitstudie herausgefunden, dass Kinder, die regelmässig von ihren Grosseltern betreut werden, ein grösseres Risiko haben, später übergewichtig zu werden. Die Kontrolle hat gezeigt, dass Opa und Oma eher dazu neigen, die Kleinen mit Süssigkeiten zu verwöhnen und so den Grundstein legen für ein späteres Essverhalten, das überschüssige Pfunde produziert.

Den Granny Factor nennen das die irischen Forscher und sie sind dabei, eine TV-Kampagne auszutüfteln. Mit ihr sollen die Grosseltern aufgeklärt werden, welche Verantwortung sie für das richtige Essverhalten ihrer Enkelkinder tragen, und die Eltern sollen ermutigt werden, mit ihren Eltern ein ernsthaftes Wort zu reden, wenn sie ihnen die Kleinen in Obhut geben. Denn, so das Fazit, der Granny Factor sei ein wesentlicher Baustein für das Fundament des kindlichen Übergewichts. – Sofern die Kinder sich nicht ausreichend bewegen.




8/4  Sinn-voll essen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:13

Das Auge isst mit. Ein alter Spruch, banal, aber wirksam: eine perfekt angerichtete und hübsch präsentierte Mahlzeit schmeckt gleich viel besser. Und denken wir nur an die vielen leuchtend bunten Früchte auf allen Arten von Verpackungen, in denen dann vielleicht in Wirklichkeit 1,5 Prozent eines künstlich erzeugten Fruchtfleisch-Ersatzes zu finden sind.

Dass zu einem guten Essen auch ein ansprechender, appetiterweckender Duft beitragen kann, ist ebenso bekannt wie die Tatsache, dass es dann auf den Geschmack ankommt, ob wir an einer Speise Gefallen finden oder gar süchtig werden danach und sie immer wieder aus dem Regal greifen.

Aber das sind nur drei der fünf Sinne, welche die Wahrnehmung des Menschen prägen und beeinflussen. In letzter Zeit hat die Konsumwirtschaft weltweit die Bedeutung des multisensualen Marketings erkannt… denken wir etwa an die Automobilindustrie, die neben aller technologischen Innovation auch immer darauf achtet, dass es im Fahrzeug „nach Leder“ riecht, dass der Motor den gerade richtigen Sound erzeugt, der sportliche FahrerInnen anspricht und dass das Armaturenbrett eine reine Freude zum Anfassen ist.

Nun komme diese „multisensuale“ Erlebniswelt mit aller Macht per Marketing auch auf unseren Umgang mit Lebensmitteln zu. Das jedenfalls war die Botschaft von Professor Charles Spence anlässlich einer Tagung in Cannes vom 2. April: Noch in diesem Jahr werden zahlreiche Produkte auf den Food-Markt kommen, die über Präsentation und Inhalt sämtliche Sinne der Konsumenten ansprechen und berühren wollen. Optisch lockt die Verpackung noch stärker als bisher, betörende Gerüche sollen beim Öffnen der Umhüllung verströmen, durch intensive Geschmackserlebnisse – immer raffiniertere Aroma-Kombinationen – soll der Gaumen gekitzelt werden, durch bestimmte Klang-Bilder soll ein bleibender Eindruck von Frische entstehen (etwa das durch Zusatzstoffe forcierte Knistern der Frühstücke-Cerealien, oder mittels besonderer Apps, die während des Essens eine verführerische, appetitliche Hintergrundmusik liefern), und schliesslich soll der Tastsinn durch die Beschaffenheit der Nahrungsmittel extra intensiv mobilisiert werden…

Ob uns etwas „gut“ dünkt oder nicht, das liegt nicht mehr in unserem ganz persönlichen Ermessen, das wird uns minuziös durch die Produzeten eingeträufelt, in der genau richtigen Dosierung, dass wir die Wirkung verspüren, nicht aber die Absicht.

Denn die ist ja nicht darauf ausgerichtet, uns zu motivieren, dass wir uns ausgewogen, gesund und vernünftig ernähren… sondern die hat einzig und allein den Zweck, sich im Konkurrenzkampf der Anbieter das grössere Stück vom Kuchen abzuschneiden – auch wenn dieser einen etwas bitteren Nachgeschmack hat.




7/4  Prokrustes-Kleider?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:15

Das haben wir in der Schule gelernt. In der griechischen Mythologie gab es einen Riesen, einen grauslichen Wegelagerer, der den Wanderern am Abend ein Nachtlager bot. Willigten sie ein – und das mussten sie wohl oder übel – steckte er sie in ein besonderes Bett, nach ihm benannt, das Prokrustes-Bett. Waren die Gäste zu lang für das Bett, hackte er ihnen kurzerhand die Füsse ab, bis sie passten. Und waren sie zu klein, so soll er sie auf einem Amboss in die Länge gehämmert haben, bis sie das Bett ausfüllten.

An diese unerfreuliche Geschichte, die noch heute als Symbol gilt für eine ausweglose Situation, in der man nur verlieren kann, oder für den Versuch, gewaltsam alle und jeden über den gleichen Kamm zu scheren – an diese Geschichte musste ich denken, als ich die Sache mit Dame Sally Davies las. Frau Davies ist Professorin und seit 2010 in England als Chief Medical Officer tätig, das ist die oberste Beraterfunktion der Regierung in Gesundheitsfragen. Sie ist verantwortlich für Planung und Umsetzung aller Präventionsstrategien und Massnahmen zur Gesundherhaltung der Bevölkerung.

Und nun lese ich einen reichlich bizarren Bericht aus dem Guardian. Demnach soll sich Frau Davies darüber geärgert haben, dass übergewichtige Menschen in den englichen Medien zunehmend „akzeptiert“ würden, anstatt dass man ihnen permanent klar machte, dass sie abnehmen sollten. Es sei unverantwortlich, dass ein grosser Teil der Bevölkerung heute der Meinung sei, es sei duchaus ok, übergewichtig und adipös zu sein… Diese Haltung werde noch dadurch gefördert, dass man auf die Bedürfnisse der Dicken eingehe, dass in der Mode auch fülligere Models zum Zug kämen, dass es ein immer grösseres Angebot an Kleidung in Übergrössen gebe, anstatt dass man die Dicken quasi zwinge, abzunehmen, weil sie sonst keine Kleider finden…

Das ist nun wohl der Gipfel an Zynismus und Menschenverachtung: da kämpfen weltweit engagierte Gruppen für „mehr Akzeptanz“, gegen Diskriminierung und Benachteiligung, setzen sich dafür ein, dass Menschen mit Übergewicht nicht ausgegrenzt werden… Und dann kommt die englische Ober-Staats-Ärztin und verlangt, dass sich die Menschen gefälligst nach der verfügbaren Kleidergrösse zu richten haben und nicht umgekehrt, dass man auf die immer grössere Anzahl Übergewichtiger nicht mehr mit angepassten Angeboten reagiere, um ihnen das Leben zu erleichtern, sondern dass man sie offiziell in ihrem Alltag schikanieren solle, so dass sie physisch gezwungen würden, sich gesünder zu ernähren und auf den Konsum von Zucker und von gesüssten Getränken zu verzichten.

So sinnvoll letzters auch sein mag: es geht nicht an, alle Bürger über den gleichen Leisten zu schlagen und sie in genormte Kleidung zu pressen. Vor allem, solange die vielschichtigen Ursachen der Adipositas – von Kindsbeinen an – nicht besser abgeklärt sind und solange nicht stringente Massnahmen getroffen wurden, um die Gefahren aus der Umwelt zu beseitigen. – Freundlicherweise hatte Frau Davies auch verlauten lassen, es sei unsinnig, zur Arbeit zu Fuss oder mit dem Fahrrad zu gehen, denn das Unfallrisiko sei bei diesen Fortbewegungsarten wesentlich grösser als wenn man im Auto unterwegs sei.

Wenn das wirklich die offizielle Meinung der obersten Gesundheitsverantwortlichen der Regierung sein sollte, dann hat England ein medizynisches Problem.