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Von Heinrich von Grünigen um 23:09 |
Dieser Tage feiert der CLUB des Schweizer Fernsehens sein 25jähriges Bestehen und damit nicht nur ein Viderteljahrhundert Mediengeschichte, sondern auch ein Vierteljahrhundert Schweizer Wirklichkeit, die in einer Sondersendung mit vielen Reminiszenzen und zahlreichen Einspielungen aus früheren Sendungen zelebriert und beschworen wurde.
Ich selber erinnere mich an mindestens vier Auftritte in dieser Sendung, noch von meinem Radio-Job her, als es um den Sprachenstreit zwischen Mundart und Hochdeutsch ging, oder um den Anteil der volkstümlichen Musik am DRS 1-Programm. Eine Sendung aber, das muss vor etwa zwölf Jahren gewesen sein, hat ganz wesentlich mein Lewben mitbestimmt, wenn man es so dramatisch formulieren will.
Thema der Diskussion war Übergewicht. Da sassen Mediziner und Betroffene, und ich war damals ein „bekannter Dicker“, und ich erzählte von meinem Dickwerden und vom Leben mit Zusatzgewicht. Einer der anwesenden Fachleute war der Stoffwechselspezialist Dr. med. Fritz Horber. Nach der Sendung sagte er mir, er sei gerade im Begriff, eine Stiftung zu gründen, eine gemeinnützige Institution, deren Ziel es sei, adipösen Menschen zu helfen, indem sie sich für deren Interessen und Anliegen stark macht. Man sei auich dabei, einen Stiftungsrat zu bestellen, und da käme es doch gelegen, swenn ich als Betroffener mit Medienerfahrung in diesen Rat Einsitz nehmen könnte.
Ich sagte zu und erlebte die Gründerjahre der Schweizerischen Adipositas-Stiftung mit, die ersten erfolglosen Kämpfe um die Geldbeschaffung, die ersten Erfolge und die ersten Rückschläge. Letztere allerdings überwogen die ersteren dedutlich, so dass der Gründungspräsident, Prof. Dr. iur. Wolfgang Larese, entnervt das Handtuch warf und die Stiftung liquidieren wollte. Der Publizist Karl Lüönd – ein früher Magenband-Patient Horbers – und ich waren überzeugt, dass eine solche Stiftung nützlich und sinnvoll sei und wagten einen Neustart, mit einem Teil der engagierten alten Crew, mit bescheideneren Zielen und kleineren Schritten.
Das war vor neun Jahren. Und da ich zu jener Zeit in Pension ging, bot es sich an, dass ich selber das Präsidium übernahm. Dabei ist es bis jetzt geblieben. Wir haben unseren Platz im Schweizer Gesundheitswesen behauptet, auch wenn sich die Geldbeschaffung nach wie vor mühsam gestaltet und wir keineswegs auf Rosen gebettet sind… – So hat der CLUB für mich und unsere Stiftung Schicksal gespielt.
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Von Heinrich von Grünigen um 18:21 |
Ich habe mich daran gewöhnt, dass ich immer etwas mehr Raum brauche als andere. Ich weiss, dass ich XXXXL-Grösse benötige, wenn ich neue Unterhosen kaufe. Und ich fühle mein Gewicht, wenn ich mich wieder mal eine Treppe hoch schleppe, mit aller Erdenschwere. Das führt dazu, dass ich gelegentlich meinen Zustand „vergesse“. Ich weiss zwar, dass ich übergewichtig bin, aber dass ich soooo dick wäre, das ist mir vielfach nicht präsent. Die Erkenntnis holt mich meistens dann wieder ein, wenn ich in einem Hotelzimmer auf dem Bettrand sitze und vis-à-vis an der Wand ist ein grosser Spiegel befestigt… oder wenn ich auswärts auf der Toilette bin und mich von der Seite in einem Badezimmer-Spiegel sehen kann. Dann realisiere ich, wie mein sonst in die Hose hängender Leib sich in die Breite ausbeult, dicke Speckfalten wirft und ein kolossales Bild abgibt, von dem ich mich zunächst spontan distanziere: Nein, das kann nicht sein, bin ich tatsächlich so dick geworden?
Immerhin, ich realisiere es. Aber die Ausgangslage ist in dieser Gewichtsklasse auch eindeutig und unmissverständlich. Schwieriger ist es da für jene Leute, die partout nicht wahrhaben wollen, dass sie zu schwer sind. Die in den Spiegel schauen können so oft und wo immer sie wollen – und doch stets nur einen schlanken, hübschen Menschen erkennen, obwohl sie klinisch gesehen längst im Adipositas-Bereich sind. – Es ist ein ähnliches Phänomen wie man es bei den untergewichtigen Anorektikern feststellt: sie sind spindeldürr und bestehen nur aus Haut und Knochen, aber sie behaupten steif und fest, sie seien zu dick und müssten abnehmen, um jeden Preis.
Leute, die ihr Übergewicht verdrängen und es nicht sehen wollen, haben neuerdings einen Namen: ihr Verhalten heisst Fatorexie. Das Phänomen ist offenbar bekannt und gar nicht so selten. Im unteren Bereich des leichten Übergewichts mag es sogar noch angehen, da bewahrt es die Betroffenen davor, in einen Schlankheitswahn zu verfallen und sich auf Teufel komm raus auf schlank zu trimmen. Heikler ist es bei schwerer Adipositas und vor allem in jungen Jahren, dann, wenn man von seinem Lebensstil her noch etwas zur leichten Veränderung tun könnte, wenn nicht die Gewohnheiten schon so eingebrannt sind, dass man das Steuerrad nicht mehr herumreissen kann.
Das Gefühl, gar nicht dick zu sein, ist also ambivalent. Es kann zu einem beruhigenden Selbstwertgefühl beitragen, kann von Stress befreien und im übertragenen Sinn entlasten. Aber es kann auch dazu beitragen, dass man gesundheitliche Symptome und Signale verdrängt, nicht erkennnt und auch nicht behandelt, bis es zu spät ist. Und das ist das Fatale an der Sache.
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Von Heinrich von Grünigen um 16:12 |
Heute Mittag, beim Essen am Gartensitzplatz, gemütlich unter dem Sonnenschirm, ist mir die Ameisen-Kolonne aufgefallen. Unaufhaltsam emsig strömten die kleinen Arbeiter der Hauswand entlang, verweilten kurz bei einer kleinen Öffnung in der Mauer, tauchten hinein ins Dunkel, kamen später wohl wieder heraus, um mit flinkem Trippeln weiter zu hasten, in Erfüllung irgend einer gemeinsamen höheren Aufgabe.
Dabei kreuzte ein kurioser Gedanke mein Gehirn. Wie war denn das? Haustiere werden dick, wenn sie von ihren Herrchen und Frauchen mit ungesunden Häppchen gemästet werden, so dass sie mit der Zeit ihre Hängebäuche kaum noch schleppen können und faul in der Wohnung herumliegen. Beim Schwein ist es gewollt, dem soll es ja an den Speck gehen, nicht aber bei Hund und Katze, für die inzwischen die Industrie ganze Diätnahrungs-Programme entwickelt hat.
Was aber ist mit den Ameisen? Auch sie leben in der Nähe des Menschen, können sich Zugang verschaffen zu dessen Vorräten, haben möglicherweise ein leichteres Leben als früher mal, indem sie weniger weit marschieren müssen, bis sie an nahrhafte Substanzen kommen… Aber hat deswegen schon jemand eine „dicke“ Ameise gesehen? Oder liegt es daran, dass die fleissigen Kerlchen in ihren Chitin-Gehäusen gefangen sind wie die Ritter einst in ihren Rüstungen und gar keine Möglichkeit haben, in die Breite zu gehen? Oder gibt es ein strenges Genetik-Programm, nach welchem alle Ameisen, die aus der Norm fallen, von den Wächtern eliminiert werden?
Oder liegt es daran, dass sie – unbesehen der Nahrungsquellen, die sie sich erschliessen – permanent unterwegs und in Bewegung sind, unaufhörlich marschierend, scheinbar planlos auf der Piste, aber eben ruhelos und unermüdlich, stets on the move? Wir wissen es nicht. Wenn es im Schöpfungsplan läge, dass auch Ameisen Fett ansetzen, wäre es wohl bereits geschehen. Aber hier haben die Insekten – als die eigentlichen Herrscher der Welt – uns einiges voraus.
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Von Heinrich von Grünigen um 21:46 |
In Erinnerung ist uns dieser kleine Wüstenstaat aus dem seinerzeitigen ersten Golfkrieg, als Saddam Husseins Truppen ihn überfielen, um seine Ölquellen zu annektieren. Die Amis ihrerseits eilten den kuwaitischen Verbündeten zu Hilfe, um sich deren Ölaquellen zu erhalten, aber Vater Bush sah dann noch davon ab, den Diktator von Bagdad definitiv zur Strecke zu bringen.
Von Kuwait weiss ich noch, dass das Land sehr reich ist, dass niemand Steuern bezahlt und dass die Arbeit von Hilfskräften verrichtet wird… Jetzt gerät das Volk in die Schlagzeilen, weil es im Verlauf der letzten 15 Jahre zu einem der dicksten Länder der Welt geworden ist. 80 Prozent seiner Einwohner sind übergewichtig, die Adipositas-Epidemie hat sich explosionsartig ausgebreitet, und Schuld daran sind die klassischen Ursachen, modellmässig: Da es heiss ist im Lande bleiben die Menschen gern und meist zuhause, sie bewegen sich wenig und lassen sich ihr Essen bringen. Besonders stark entwickelt haben sich die Fast-Food-Betriebe: Burger und Co. haben traditionelle einheimische Lebensmittel verdrängt, die Branche boomt, wie aus einem CNN-Bericht zu schliessen ist.
Seit einem Jahr wird auf privater Basis eine Gegen-Kampagne für ein gesünderes Kuwait lanciert. Auch sie setzt vor allem bei den Jungen und Jüngsten an, denn dort könne man noch etwas erreichen in Sachen gesunde Ernährung. Nach vierzig seien die Essgewohnheiten kaum noch zu beeinflussen, heisst es. Die ganz reichen Alten allerdings, die lassen sich in Europa operieren.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:54 |
Eine gewisse Ernüchterung stellt sich ein – aber: Was war denn zu erwarten? Voller Neugier habe ich am Morgen das regionale Blatt aufgeschlagen um zu schauen, ob da etwas von dem Communiqué abgedruckt sei, das wir am Donnerstag noch für den ersten Europäischen Adipositas-Tag an die Medien geschickt hatten. Nun war dieser Tag da, aber im Blatt stand nichts. Auch in den anderen Blättern, die ich am Kiosk erstand, war keine Zeile zu finden.
War das Thema nicht wichtig genug? Hatten wir eine schlechte Mitteilung verschickt? War sie zu spät raus? Ich hatte die Sachlage falsch eingeschätzt. Wer sollte einige dürre Zeilen zu einem weiteren Themen-Tag abdrucken, wenn da kein besonderes Fleisch am Knochen war? Wie sollte ein solcher Inhalt, der eigentlich keiner war, konkurrieren mit den viel bewegenderen Themen vom Mord mit der Axt, von den pornoverschickenden Beamten, vom Pirouetten-Looping der SVP in Sachen UBS-Staatsvertrag…
Ich hätte, das wurde mir im Lauf des meldungslosen Tages klar, nicht einfach brav die von Strassburg auferlegte Sperrfrist beachten und dann ein Textlein verbreiten dürfen, ich hätte vielmehr frühzeitig mit einzelnen Redaktionen direkt Kontakt aufnehmen sollen und ihnen einen massgeschneiderten Text anbieten, mit kritischem Inhalt zur Situation in der Schweiz und zu den Schwächen der laufenden Kampagnen. Und ich hätte die mir bekannten Journalisten und Journalistinnen begrüssen müssen, sowie – das ist wohl die dümmste Unterlassung – auch die Radiostationen und vor allem die Agenturen bedienen sollen…
Wir sind lernfähig. Nächstes Jahr wird alles besser. Vielleicht. Wenn wir Glück haben.
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Von Heinrich von Grünigen um 16:01 |
Trügt die Wahrnehmung? Hat die Gewaltkriminalität wirklich signifikant zugenommen? Oder handelt es sich nur um eine massiv erhöhte Medienpräsenz von Verbrechen, über die früher keiner gesprochen hat?
Interessant ist eine Untersuchung, die von einer Elternorganisation in England gemacht wurde. Dabei ging es um den Schulweg der Kinder. Statistiker hatten festgestellt, dass trotz aller Aufforderungen, die Kids doch nicht mit dem Auto zur Schule zu fahren, bloss noch 48 Prozent der Kinder zu Fuss in die Schule kamen. Warum?
Bei einer Befragung gaben 30 Prozent der Eltern an, sie fürchteten, dass ihr Kind sonst unterwegs entführt oder einem Gewaltdelikt zum Opfer fallen könnte. Weitere 30 Prozent sagten, sie hätten sonst Angst, dass ihr Kind auf dem Schulweg in einen Verkehrsunfall verwickelt werden könnte. – Darüber, dass sich der Schulweg im Auto allenfalls langfristig negativ auf die Gesundheit der Kinder auswirken könnte, machten sich lediglich 5 Prozent Gedanken.
Dabei spricht die Statistik eine andere Sprache: Das Risiko, dass ein Kind auf dem Schulweg einem Kapitalverbrechen zum Opfer fällt, beträgt (in England, aber hierzulande wird es kaum anders sein) gerade eins zu einer Million. Für die Gefahr, dass mangelnde Bewegung spätere Gesundheitsschäden verursachen wird, beläuft sich das Risiko auf eins zu drei!
Der Unterschied in der emotionalen Wahrnehmung liegt wohl darin, dass ein mögliches Gewaltverbrechen oder ein Verkehrsunfall „aktuell“ bedrohlich wirken, auch wenn sie unwahrscheinlich sind… während gesundheitliche Spätfolgen des Schultransports in weiter Ferne liegen und einen hypothetischen Charakter haben, auch wenn sie unausweichlich programmiert sind. Mit Vernunft hat das nichts zu tun.
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Von Heinrich von Grünigen um 20:03 |
Zahlen zum Nachdenken, gestern in den Nachrichten. Das Gesundheitwesen werde – so die KOF-Prognose – nächstes Jahr mehr als 65 Milliarden kosten. Der Gesundheitssektor sei einer der wichtisgten Wirtschaftzwseige geworden mit einer halben Million Beschäftigter. Die Schweiz habe die Krise besser bewältigt als andere Staaten. Ein Aufschwung sei in Sicht.
Gibt es da einen Zusammenhang? – Wenn die Gesundheitskosten steigen, so bedeutet das für die in diesem Sektor Tätigen doch Aufschwung, Wachstum, Wohlstand. Würden die Kosten im Gesundheitswesen massiv gesenkt (wie im Blick auf die Kassenprämien immer wieder gefordert wird) so würde dies für die Branche und die darin Beschäftigten zu einem Verdienst-Einbruch führen, zu Entlassungen, zu Betriebs-Schliessungen…
Wenn Wachstum das Mass für wirtschaftliches Wohlergehen ist, dann kommt das – im Inland – nicht anders zustande als dadurch, dass mehr konsumiert und verbraucht wird.
Steigende Gesundheitskosten sind also kein Fluch und keine Katastrophe… sondern der Ausdruck und die Nebenwirkung eines prosperierenden Wirtschaftswachstums. Oder habe ich da etwas falsch verstanden?
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Von Heinrich von Grünigen um 23:07 |
Mittwochnachmittag. Wir sitzen in einem Konferenzraum hinter der Selbstbedienungs-Kantine im Europa-Parlament in Strassburg. Gut zwanzig Leute aus verschiedenen EU-Ländern, zum Teil Adipositas-Mediziner, Europa-Abgeordnete, Leiter von nationalen Patienten-Organisationen, Fachleute aus Regierungsstellen… wir tauschen unsere Erfahrungen und Erwartungen aus. Am Vormittag war mit einer Medienkonferenz der erste europäische Adipositas-Tag (European Obesity Day) proklamiert worden, der am kommenden Samstag, 22. Mai 2010 stattfindet.
Lanciert war die Idee vor zwei Jahren worden, von Jean-Paul Allonsius, dem Präsidenten der Belgischen Vereinigung Adipöser Patienten, ein Schrank von einem Mann, der einst 185 Kilo wog und nun dabei ist, abzunehmen. Seine Geschichte und sein Erfolg machen Mut. Es ist der Erfolg der kleinen Schritte, weshalb sich das Motto des ersten Europa-Tages des Übergewichts auch eher bescheiden gibt: 5-10% lautet es, was ausgedeutscht bedeutet, dass eine europaweite Gewichtsabnahme um 5 bis 10 Prozent schon eine massive Verbesserung der Gesundheits-Situation in allen EU-Ländern bewirken würde und dass kein Grund zur Resignation besteht, wenn es nicht so recht vorwärts gehen will mit der Gewichtsreduktion… Wissenschaftlichen Background lieferten Prof. Dr. David Haslam, Vorsitzender und medizinischer Leiter des Nationalen Obesity Forums in England, sekundiert von Prof. Dr. Gema Frühbeck, der Vizepräsidentin der europäischen Arbeitsgruppe zur Erforschung der Adipositas. Zur Begrüssung gibt uns der EU-Kommissar für Gesundheit die Ehre und erklärt Prävention zum Schlüssel für die Gesundheit künftiger Generationen.
Es sind engagierte Voten, die fallen, von Vertreterinnen aus Rumänien, aus Spanien, Portugal, Frankreich… Ich sitze neben einer Französin, die in einer eigens von Präsident Sarkozy einberufenen Arbeitsgruppe mitmacht: auch in Frankreich hat der Staagtspräsident den Kampf gegen Übergewicht zur Chefsache gemacht. – Wir Schweizer haben die Sache sachte angehen lassen. Ich höre zu, beantworte Fragen, tausche Visitenkarten aus… aber einen Aktionsplan rund um den Adipositas-Tag kann ich (noch) nicht vorweisen. Wir werden ein Mediencommuniqué verschicken, auf den Samstag hin. Abre ob das jemand abdrucken wird, ist eine andere Frage.
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Von Heinrich von Grünigen um 10:33 |
Die Geschichte mit den zu mageren Models nimmt immer verworrenere Züge an. Mal beweist die Forschung, dass mollige Models dem Verkauf von Produkten nicht förderlich seien, dann sieht man die Models mit prachtvollen Schwangerschafts-Bäuchen posieren, als müssten sie zwangshaft beweisen, dass mehr in ihnen steckt als nur Haut und Knochen, dann heisst es, die Jugend müsse dringend darüber aufgeklärt werden, dass die so superschlanken Idealfiguren in Wirklichkeit gar nicht existieren, sondern dass sie am virtuellen Reissbrett geschönt und verdünnt worden sind… Und jetzt kommt die Sache mit Miss Kamilla Wladyka.
Das Bild des schönen Models sollte die Titelseite eines englischen Gesundheitsmagazins zieren. Doch die Redaktion befand, die Dame habe zwar ein hübsches Gesicht, aber sie sei so ausgemergelt und brandmager, dass man ihren Anblick keinesfalls mit dem Begriff „Gesundheit“ in Zusammenhang bringen würde. Deshalb griff die Bildagentur zum digitalen Werkzeug und „mollisierte“ die Schöne, zauberte die Falten weg, retouchierte hervorstehende Knochen und straffte die Haut, unterpolsterte, wo es nötig war, bis das Bild der perfekt gesunden Beauty geschaffen war.
Ist das nun die Trendwende? Setzt dieses Vorgehen neue Massstäbe? Unlängst hat auch das Modelabel LaRedoute mit einem Plus-Size-Model Farbe zu mehr Gewicht bekannt. Hier ist allerdings alles echt.
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Von Heinrich von Grünigen um 16:17 |
Zugegeben, der Begriff war mir nicht geläufig. Es ist möglich, dass ich ihm im Laufe meiner humanistischen Grundschulung einmal begegnet bin… aber damals hatte er noch keine Bedeutung für mich und brauchte also nicht aktiv wahrgenommen um später wieder identifiziert zu werden. Akrasia stammt aus der alten griechischen Philosophie und meint so viel wie Handeln wider besseres Wissen. Ein solches Verhalten wird als akratisch bezeichnet.
Ich bin beim Lesen über dieses Wort gestolpert, desen Bedeutung mir nicht sofort klar war. Es ging um ein neues Buch eines Arztes, der ein Konzept zum Abnehmen entwickelt hat: Gesund. Essen. Schlank Sein. – Im Zentrum stehen das „richtige“ und lustvolle Essen sowie dessen Zubereitung, vor dem Hintergrund einer recht umfassenden Auslegeordnung der physiologischen Zusammenhänge rund um die Nahrungsaufnahme und den Energieverbrauch. Unter dem Stichwort „Motivation“ wird auch die Frage erörtert, wie es wohl kommen könne, dass noch nie das Wissen um die Theorien vom Abnehmen so gross gewesen sei… und dass es dennoch immer mehr übergewichtige Menschen gebe.
Eine der Antworten heisst: Akrasia. – Es wird (u.a.) aus dem Lustprinzip heraus anders gehandelt – und gegessen – als das Wissen es eigentlich bestimmen müsste… Nun gelte es, sagt der Autor, eine „kopernikanische Wende“ zu vollziehen, indem man die Befriedigung durch einen kurzzeitigen Genuss dauerhaft aufgebe zu Gunsten eines höheren Wertes, der da heisst „Befriedigung durch Wunschgewicht“. Dadurch müsste es gelingen, auf spontane Genüsse zu verzichten, um eines dauerhaften Fernziels willen…
Das kommt mir etwas unzeitgemäss vor: Wir leben in einem hedonistischen Zeitalter, sind auf Instant-Lusterfüllung programmiert. Die Zeiten, da wir klaglos im diesseitigen Jammertal litten, um eines fernen Paradieses und seiner künftigen Segnungen willen, sind längst vorbei. Natürlich würde uns die Gewichtsabnahme schon im hiesigen, irdischen Dasein fühlbare Erleichterung und Wohlbefinden bringen… Warum aber verhalten wir uns dann immer wieder akratisch? Warum nehmen wir das Dessert, obwohl wir uns vorgenommen haben, diesmal darauf zu verzichten? Warum zelebrieren wir so oft „das letzte Mal“… obwohl wir genau wissen, dass es dabei nicht bleiben wird?
Ein Unternehmensberater sagte einmal in einem Workshop sinngemäss: Jeder Zustand, auch wenn er uns belastet und Mühe bereitet, hat irgendwo sein Gutes, bietet uns Vorteile… sonst würden wir aktiv daran arbeiten, ihn zu überwinden und zu verbessern. Aber solange die „Vorteile“ uns wichtiger sind, nehmen wir die „Nachteile“ im Kauf. Und so lange verändern wir unsere Situation nicht. Jedenfalls nicht von uns aus. Diese Bilanz aus Vor- und Nachteilen müsste man sich bewusst machen können, um dem akratischen Handeln vorzubeugen.
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