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Von Heinrich von Grünigen um 23:18 |
Heute Abend hat mich wieder mal die animalische Lust gepackt, einen Burger reinzuziehen. Es besteht keine Gefahr, dass das zur Gewohnheit wird, aber von Zeit zu Zeit, so alle halb Jahre vielleicht… Und da vor der Burger King-Filiale grad ein Parkplatz frei war, nahm ich das als Wink des Schicksals. Dazu kam eine Phantasie, unlängst gehört oder gelesen zu haben, dass die Burgers beim King nicht nur grösser sondern auch besser wären als beim Mc… Was also sollte dagegen sprechen?
Die Bilder an der Wand und schon aussen die grossen Plakate treiben dir die Säfte in die Mundhöhle. Da glänzen die strammen, prallen Fleischmaxe ebenmässig aus den knusprigen Brotdeckeln, da glitzert silbrigweiss der Zwiebelring und ein köstlicher Saucentropf rinnt über die prächtigen Fleischscheiben herunter, deren dunkle Grillmuster sich appetitlich vom krossen Braun des gebackenen Rindfleischs abheben… So eingestimmt bestelle ich wohlgemut einen Triple Whopper, als die Reihe an mir ist, und ein Mineralwasser.
Triple Whopper ist, das gebe ich zu, die happigste Kalorienbombe, die man ohne Waffenschein bekommen kann: satte 1’060 Kalorien soll sie enthalten… aber ich wills nun einmal wissen. Und als ich das Paket am Tisch auswickle, kommt die erste Enttäuschung. Nichts sieht aus wie auf dem Plakat. Die Fleischplätzchen sind dünn, laberig und unansehnlich grau. Salat, Tomate und Zwiebeln sind reichlich vorhanden und frisch, aber da ich meinen Mund nicht wie eine Schlange so weit aufreissen und die ganze Pracht einschieben kann, entschliesse ich mich, schichtweise von oben nach unten vorzugehen. So kommt es dann, dass mir die Fleischfladen recht trocken und fade erscheinen, kein Vergleich zu einem „normalen“ Burger, den man etwa im Schnellimbiss auf den Teller bekommt. Und am Schluss bleibt die schale Erkenntnis, dass weder Geschmack noch das Erlebnis des Verzehrs je dieses Ausmass an „Sünde“ rechtfertigen können…
Ein Gutes hat dieser Selbstversuch: der Verzicht fällt mir jetzt für eine Weile wieder leicht. So lange, wie diese Erinenrung anhält.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:40 |
Das soll es wirklich geben: Leute, die zwanghaft alle paar Minuten zum Kühlschrank gehen, ihn öffnen… wohl in der heimlichen Hoffnung, dass sich auf wundersame Weise seit der letzten Kontrollrunde irgendeine Leckerei dort neu eingefunden habe…
Die reine Spekulation auf eine solche Möglichkeit zeigt, in welcher Überfluswelt wir leben. Das Schlaraffenland ist virtuell geworden. Die gebratenen Tauben fliegen zwar nicht eigenflüglig durch die Luft in unseren Mund, aber es zeichnet sich schon die technische Möglichkeit ab, dass ein „denkender“ Kühlschrank von sich aus den Bestand kontrolliert und im Online-Shop selbständig die fehlenden Lebensmittel ordert… bloss einräumen müssten wir dann noch selber.
Wie bescheiden sind da unsere Pfahlbauer von Pfyn: als Frigo dient ein grösseres Tongeschirr, das in die feuchte Ecke des geflochtenen Lehmhauses gestellt wird; Farnkraut deckt das frische Fleisch, um fliegendes Ungeziefer abzuhalten… Das Leben, so lehrt uns die steinzeitliche Doku-Serie, funktioniert auch auf bescheidenem Niveau, der Organismus passt sich an, lebt von den verfügbaren Ressourcen, mit Entbehrungen zwar, aber er schlägt sich durch und macht das Beste draus.
Den Steinzeit-Frigo muss man nicht kontrollieren, es sei denn darauf, ob etwas fehlt… In welchem Wohlstand wir in unserem Alltag schwelgen können, das zeigt der Vergleich mit der nachgespielten Lebensweise unserer Altvorderen, auch wenn dort manches noch von der umgebenden Zivilisation geprägt ist. Und was mir auffällt: all diese Rekonstruktionen von früheren Lebensweisen zeigen, dass die Menschen in der damaligen Zeit über handwerkliche Fähigkeiten verfügt haben, weil sie von Kindsbeinen an darin geschult wurden, jahrelange Übung hatten und ihre Fertigkeit täglich unter Beweis stellen konnte. Was soll uns da die vorübergehende Konfrontation von Anfängern mit einer kurz zuvor etwas angelernten Problembewältigung wohl „beweisen“?
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Von Heinrich von Grünigen um 23:15 |
Das Wortspiel ist trivial, aber es liegt auf der Hand: wenn du mit jemandem verheiratet bist, der Speck heisst, dann kennst du die meisten. Ich bin also quasi nicht nur im übertragenen Sinn ein Speck-Liebhaber, und wenn ich gelegentlich in einem Mehrsternhotel absteige, wo American Breakfast auf der Menükarte steht, kann ich es mir nie verkneifen, nicht einige dieser knusprig gebratenen Speckstreifchen zum Rührei auf den Teller zu fischen.
Als ich vor vierzig Jahren im Militärdienst mit meinem Kameraden Alex zum ersten Mal probeweise die damals neue Atkins-Diät praktiziert habe, da spielten kross gebratene Speckstreifen, serviert zu Spiegeleiern und Emmentalerkäse, eine zentrale Rolle im Speiseplan: wir waren damals als Kompagniekommandant und Zugführer in einem dieser behäbigen Berner Landgasthöfe einquartiert (es muss ein „Bären“ gewesen sein) und der Wirt, zugleich Orts-Qm, setzte alles daran, seine Gäste bei Laune zu halten. Mit der Zeit kriegte man allerdings von dieser doch sehr einseitigen Kost ein besonderes Sättigungs-Empfinden, und der Duft von geröstetem Speck genügte oft schon, um jede Lust auf weitere Tafelfreuden zu verscheuchen.
Diese Erinnerungen, ein Mix aus Verlockung, Schlemmerlust und etwas Überdruss, stiegen in mir hoch, als ich heute auf diese einigermassen bizarre Zusammenstellung von Artikeln gestossen bin, die mit Speck-Geschmack ihre Kundschaft suchen (denn Speck hat in der amerikanischen Küche einen ganz besonderen Stellenwert):
– da gibt es bei Wendy’s den Baconator: einen mehrlagigen Hamburger mit sechs Streifen von in Eiche geräuchertem Speck…
– dann den Speck-Spray, mit dem sich jedes Lebensmittel aromatisieren lässt, so dass es nach gebratenem Speck riecht…
– dann die Zahnstocher mit Speck-Geschmack, besonders reizvoll, wenn es darum geht, Speck-Reste aus den Zähnen zu pulen…
– Pfefferminz-Drgées mit Speck-Aroma, besonders zu empfehlen vor einem Date mit einer Vegetarierin…
– Speck-Ice-Cream, damit man auch im heissen Sommer nicht auf seinen Lieblingsgeschmack verzichten muss…
– Wasser mit Speck-Geschmack, eigentlich für Hunde gedacht, aber bei Menschen offenbar auch beliebt…
– Speck-Schokolade-Tafeln, oder mit Schokolade überzogene Speckstreifen zum Knabbern, statt dem Spanischnüsslis-Riegel…
– und dann gibt es noch Zuckerwartte mit Speck-Geschmack und ein (deutsches!) Bier, das nach geräuchertem Speck schmeckt… und zu llerletzt auch noch ein Hundeshampoo, mit Speck-Geschmack, das dem vierbeinigen Liebling die Hygiene im wahrsten Sinn des Wortes schmackhaft machen soll.
Nach all diesen geschmacklichen Speck-ulationen, die zum guten Glück, im Unterschied zu unserer Atkins-Periode, keinerlei Kalorien enthalten, bin ich gespannt, ob mich das Aroma nicht noch bis in die nächtlichen Träume verfolgen wird…
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Von Heinrich von Grünigen um 23:38 |
Wer im Fitnesscenter vor sich hin schwitzt und seinen Body zu athletischer Leistung antreibt, der ist jeweils froh, wenn er an der betriebseigenen Theke ein stärkendes Getränk schlürfen kann, das ihm die verbrauchte Energie rasch wieder zuführt.
Gatorade oder so ähnlich heisst das kraftspendende Gebräu und es ist in zahlreichen Aroma-Varianten zu haben. Wer sich wegen seiner Linie in einem Center plagt, tut gut daran, solche Getränke zu meiden, denn sie sind, wie ihr Name sagt, energiereich.
Nun sind die Hersteller allerdings auf die glorreiche Idee verfallen, noch diesen Herbst eine Gagtorade-Variante mit reduzierten Kalorien zu lancieren, wie die New York Times vermeldet. Anvisierte Käufergruppe seien Athleten, die nicht so intensiv trainieren…
Das ist, mit Verlaub, eine merkwürdige Strategie: ein Drink, der Energie spenden soll, aber selber keine enthält… Das kommt mir vor die das legendäre Trockenwasser, mit dem wir in unserer Jugend Gutgläubige gefoppt haben: es handle sich dabei um ein Pulver, das man auf Exkursionen ganz leicht mit sich tragen könne, und das sich hervorragend als neutraler Durstlöscher eigne, wenn man es vor Gebrauch mit Wasser anrühre…
Nun hat der Schlankheitswahn also auch die Athleten-Tempel erfasst, und es werden Placebo-Energiespender verkauft. Hauptsache, die Kasse stimmt.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:27 |
Das ist kein Schreibfehler. Es geht um einen dicklichen, verfressenen, egoistischen Typen mit gelber Haut und Glatze, unrasiert, aber auf seine Art eben doch liebenswert, der jetzt in die Kinos gekommen ist.
Nicht allein, mit seinem ganzen Anhang, eine schrecklich nette Familie, an deren Leben hingter der Mattscheibe man sich während Jahren gewöhnt hat… und jetzt sind sie auf der Breitleinwand. Erfolgreicher, als ihnen sowohl Fans wie Skeptiker das jemals zugetraut hätten.
Homer Simpson ist der Inbegriff des politisch unkorrekten, hinterhältigen, nachtragenden, opportunistischen Zeitgenossen, immer auf den persönlichen Vorteil bedacht und bereit, den eigenen Interessen alles andere zu opfern, aber er ist gleichzeitig einer der augeprägtesten Sympathieträger unter den übergewichtigen TV-Figuren, nicht zuletzt, weil er sich all die Dinge erlauben kann (der Zeichentrick macht das Unmögliche möglich) und erlaubt, von denen unsereins höchstens in den verborgenen Winkeln des schlummernden Ichs zu träumen wagt.
Und dass er, der seine kleine Springfield-Welt mutwillig und gedankenlos im wahrsten Sinne des Wortes in die Scheisse geritten hat, sie am Schluss auf so glamouröse Weise retten kann, das ist wirklich eine starke Sache. Schon aus Solidarität mit dem übergewichtigen Looser sollte man sich diesen Film unbedingt ansehen, auch als normalgewichtiger Zeitgenosse.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:37 |
Vorurteile sind voreilige Urteile, die verhindern, dass wir uns mit einer Sache fair befassen. Der Kampf gegen Vorurteile im Zusammenhang mit der Krankheit Adipositas ist einer der zentralen Zwecke unserer Stiftung. Information, Aufklärung, Medienarbeit… so weit – so gut. Aber: wie steht es mit der Aussicht auf Erfolg?
Fast möchte man die Fahnen entmutigt streichen, denn eine amerikanische Analyse, über welche die britische Zeitung The Independent berichtet, kommt zu desolaten Schlussfolgerungen, so unter anderem zur Erkenntnis, „warum dünne Menschen die Übergewichtigen nicht mögen“.
Es habe damit zu tun, dass übergewichtige Menschen von vielen sogenannt „Dünnen“ als „krank“ wahrgenommen würden, was automatisch eine Angst vor Ansteckung auslöse, wodurch man auf Distanz gehe und diese Distanz auch aktiv markiere, indem man diese Menschen respektlos behandle… – Im Unterbewussten würde so Abneigung und Ablehnung erzeugt, die sich in verletzenden Gesten und Sprüchen manifestierten. (Die Publikation dieser Erkenntnis erfolgt interessanterweise nur wenige Tage nachdem in der renommierten Fachzeitschrift New England Journal of Medecine die Botschaft verbreitet wurde, dass Übergewicht in einem gesellschaftlichen Sinn „ansteckend“ sei, indem „dicke Freunde“ die ihnen nahe Stehenden in der Regel dazu verführen, ebenfalls Gewicht zuzulegen – die Meldung fand ein breites Echo in den Sonntagsmedien.)
Durch verschiedene praktische Tests und Konfrontationen bei Männern und Frauen fanden die Forscher heraus, dass die Abneigung gegenüber adipösen Menschen direkt zusammenhängt mit der Furcht des Einzelnen vor Erkrankung und Ansteckung. Allerdings weisen erste Kommentare dadrauf hin, dass es in Amerika immer Bevölkerungsgruppen mit starken Vorurteilen gegeben habe, gegenüber Juden, Schwarzen, Schwulen, ethnischen Minderheiten… aber als diese sehen mussten, dass sie mit ihrer Anti-Haltung nicht weiter kamen, hätten sie die Übergewichtigen als neue Sündenböcke ins Visier ihrer Aversionen genommen. – Möglicherwiese tröstlich, wenn man an Amerika denkt. Aber hilft uns das in unserer Schweizer Realität weiter?
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Von Heinrich von Grünigen um 22:42 |
Brutale Kunde aus USA: die heutige Los Angeles Times berichtet, dass es Firmen und Arbeitsgeber gibt, die begonnen haben, Mitarbeitenden, die zu dick sind oder sich nicht gesundheitsbewusst verhalten, mit Bussen zu belegen. Andere richten Prämien aus für Angestellte, die abgenommen haben oder die nicht mehr rauchen.
Eine Spitalkette in Indiana droht ihren Leuten, ab 2008 alle zwei Wochen 30 Dollar von jenen zu kassieren, deren gesundheitsrelevante Werte (BMI, Blutdruck, Cholesterin) nicht der vorgegebenen Norm entsprechen, so lange, bis alles im grünen Bereich ist… das kostet 750 Dollar im Jahr… keine enorme Summe, aber es läppert sich zusammen. Die Ankündigung wirkt offenbar, verschiedene Leute haben sich auf Anfrage vorgenommen, in der verbleibenden Zeit schon mal abzunehmen…
Eine grosse Krankenkasse sieht vor, die Prämien so flexibel zu gestalten, dass eine „normalgewichtige“ Familie (die nicht raucht) fünfmal weniger bezahlen muss als eine übergewichtige… – Vergleichbare Initiativen anderer Kassen scheinen eine ganze Welle von positiven Reaktionen ausgelöst zu haben, indem es plötzlich schick wurde, in Party-Kreisen „vernünftig“ und bewusst zu tafeln.
Also eigentlich kein schlechter Trend… nur: es bleibt das Problem jener Adipositas-Patienten, die keine Chance haben, ihr Gewicht unter Kontrolle zu bringen. Wie wird es gelingen, diese Gruppe vor ungerechtfertigter „Bestrafung“ zu bewahren? Diese Nuss lässt sich weder mit der Peitsche noch mit Zuckerbrot knacken.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:09 |
Es ist wirklich ein Zufall, dass ich mich vor fast genau einem Jahr an dieser Stelle über das Thema Fitnessteller ausgelassen habe. Heute habe ich mich wieder mal darauf eingelassen.
Wir hatten uns in einem kleinen Beizlein in der Provinzhauptstadt verabredet, das man landläufig als „Chnelle“ bezeichnen würde. Es hörte auf den malerischen Namen Speer-Viktoria und heute war der letzte Tag vor den Betriebsferien. Daher die Karte im laminierten A4-Format wohl etwas reduziert, die Küche ohnehin im Schuss, weil wir spät dran waren. Fünfmal im Angebot ein Fitnessteller: mit Entrecôte, mit panierten Schweinssplätzli (1 oder 2), mit einer grösseren oder einer kleineren Portion Pommesfrites.
Also rasch entschlossen bestellt und nach erfreulich kurzer Zeit standen zwei mächtige Platten zu sehr vernünftigem Preis auf dem Tisch: Gurken-, Mais-, Karrotten-, Nüssli-, Randen- und grüner Salat… eine ansehnliche Portion noch knuspriger Fritten daneben und ein verlockend duftendes Stück Fleisch… dazu wurde mit Schwung die 1-Liter-Flasche mit dem Ketchup auf den Tisch gewuchtet und auch die obligate Kräuterbutter war da, schon zerflossen und verschmolzen mit der triefenden Salatsauce. Grosser Teller – viel Fitness!
Wir haben trotzdem alles verputzt und uns vorgenommen, es dann am Abend bei einer kleinen Portion Birchermüesli bewenden zu lassen. Manchmal gibt es eben keine Alternative. Und geschmeckt hat es hervorragend.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:43 |
Kennen Sie das Sprichwort noch? Spinne am Abend, erquickend, erlabend. Und das Gegenstück dazu: Spinne am Morgen, Kummer und Sorgen. Als Kinder haben wir uns vor den achtbeinigen Weberwesen gegraust und uns um die Bedeutung der Volksmund-Überlieferung foutiert: nicht, dass die Begegnung mit einem Spinnentier je nach Tageszeit Glück oder Unglück gebracht hätte – vielmehr meinte der Ausspruch die häusliche Arbeit in früherer Zeit: Wer am Abend sich zum Zeitvertrieb ans Spinnrad setzen und allenfalls in gemütlicher Tratschrunde mit Freunden und Nachbarn die Welt bereden konnte, dem ging es gut (und das war so quasi ein TV-Ersatz); aber wer schon frühmorgens sich sein Leben durch Spinn-Tätigkeit verdienen musste, dem gings nicht so prächtig, den plagten Finanzsorgen, der hatte Grund zu Kümmernis.
Später lernte ich dann die Tiere als Umweltpolizisten schätzen und respektieren. Mit ihren feinstgesponnen Netzwerken fingen sie so manche Fliege und Mücke weg und es gab gute Gründe, diese Netze nicht zu zerstören, solange sie nicht den Alltag beeinträchtigten… Nun aber, nachdem wir längere Zeit nicht mehr in unserem Feriendomizil gewesen waren, zeigte sich, dass die fleissige Netzknüpfersippe der irrigen Meinung war, wir hätten ihr unser Territorium einfach überlassen. Ein unglaubliches Dickicht an verwobenen Fäden hatte sich im Keller, in der Küche, im Estrich, an den Fenstern breit gemacht, kunstvoll zu Trichteranlagen geformt, aus denen es für fliegendes Ungeziefer zwar kein Entrinnen gab, die sich aber auch menschlichen Händen überall in den Weg stellten, sich in den Haaren verfingen, Kleider verklebten… kurz: Räumung war angesagt und die ganze Pracht verschwand nach einiger Zeit im Staubsaugerrohr.
Die Tiere selber konnten sich offenbar in Wandritzen oder sonstwo in Sicherheit bringen. Jetzt jedenfalls, am Abend, sind wie wieder da, checken vorsichtig die Lage und spannen wieder versuchsweise den einen oder anderen Faden… Ich werde sie mit einem Glas nach draussen befördern, dann können sie in den Spalierbäumchen weiter arbeiten und das flatternde Ungeziefer abfangen, um fette Beute zu machen… Es ist beeindruckend, mit welch unerschütterlicher Zuversicht diese Lebewesen zu Werk gehen, sich durch keinen Rückschlag beirren lassen (heute muss für ihresgleichen im ganzen Haus ja quasi Harmagedon gewesen sein, jüngstes Gericht und Weltuntergang zugleich) und von neuem beginnen, unbeirrt ihren Lebensplan umzusetzen und ein neues Netz zu bauen. – Davon könnten wir uns zuweilen eine Scheibe abschneiden, wenn wir grad wieder mal einen Rückschlag erlitten haben…
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Von Heinrich von Grünigen um 22:44 |
Ferien in der Ostschweiz – was? Eben noch in der Reha, und schon wieder in den Ferien? Das eben ist, bilde ich mir wenigstens ein, Teil des neuen Lebensgefühls, dass man nicht mehr alles allzu ernst nehmen muss… und so haben wir kurzerhand beschlossen, in der zweitletzten Juliwoche die Stiftung zu schliessen, Ferien zu machen, den ohnehin deutlich reduzierten Geschäftsgang für einige Tage stehen zu lassen…
Jetzt ist die Hälfte schon vorbei. Zwar habe ich eine dicke Mappe voll Lektüre mitgenommen, konnte aber bis jetzt der Versuchung erfolgreich widerstehen, mich in eines der Dokumente zu vertiefen. Lang ausschlafen, gemütlich frühstücken, spät zu Mittag essen, etwas ums Haus herum im Garten basteln, Zeitung lesen und die aktuellen Kreuzworträtsel lösen, Fernseh gucken… und bends noch einen Blog verfassen… Es ist so provokativ angenehm, mit medizinischer und allgemeiner Billigung einfach nichts „Richtiges“ zu tun sondern nur herumzufaulenzen.
Heute Abend sind wir erstmals zum Essen ausgegangen: auf den Nollen, quasi den Hausberg, dort, wo unser Weekend- und Ferienhäuschen steht. Die höchste Erhebung im Kanton Thurgau, mit einem Wahnsinns Rundblick vom Säntis bis zum Bodensee… und es ist wie immer von betäubender Romantik, wenn man draussen auf der Terrasse sitzt, und langsam zieht die Nacht herein, erhellt von einem sprichwörtlich silbernen Fastvollmond, und in der Ferne entfaltet sich das Schnittmuster der beleuchteten Strassen, um den Mond sammeln sich die Wolken und du weisst, dass dort unten, Richtung halblinks, jetzt die Pfyn-Steinzeitler in ihren geflochtenen Hütten hocken… und oben donnert das 21. Jahrhundert in Form eines Flugzeuges Richtung Kloten…
Die Szene ist sowohl real wir unwirklich, beides zugleich, und man darf den Augenblick geniessen. Die Arbeit wartet, bis ich wieder im Büro bin.
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