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Von Heinrich von Grünigen um 23:55 |
Die Realität holt uns ein. Der Blick schreibt mit riesigen Lettern DICKEN-ALARM auf sein Titelblatt und berichtet, wie die Spitäler ihre Einrichtungen an das stetig zunehmende Körpergewicht ihrer PatientInnen anpassen müssen. Die Redaktion hat dazu auch den Standpunkt der SAPS eingeholt und das ist verdienstvoll.
Auf der Titelseite steht dann allerdings in kleinerer Schrift noch ein Zusatz: …und die Dünnen zahlen mit. – Das ist ein Satz, der mir nicht gefällt. Er schürt Missgunst und stellt die Übergewichtigen ins Abseits. Freund Rolf hat denn auch sofort entsprechend reagiert: Jetzt geht es los, hat er mir am Telefon aufgebracht gesagt, jetzt werden wir in die Pfanne gehauen, jetzt geht es uns wie den Rauchern, jetzt sind wir auf die Randgruppen-Solidarität angewiesen… – Ich habe ihn beruhigt, noch können wir uns frei bewegen und werden nicht aus den Restaurants gewiesen. Aber die Sache mit dem Bezahlen stimmt nachdenklich: im Online-Bereich des Blick nehmen die zum Teil recht gehässigen Reaktionen schon über 20 Seiten ein und es finden sich sowohl alle krassen Vorurteile wie recht viel Verständnis und Zeichen von Solidarität.
Wie ist es denn mit anderen Gefahren im Krankenhaus? Ich zum Beispiel fahre nicht Ski und auch nicht Snowboard. Aber ich zahle mit meinen Kassen- und Versicherungsprämien die Behandlung der immer schwereren Unfallfolgen der Pistenraser voll mit. Ich trinke nur mässig und fahre nicht im Vollrausch, aber ich hafte indirekt mit für die Unfallfolgen der andern. Ich kiffe nicht und spritze mir keinen Stoff, aber ich finanziere mit meinen Steuern das Auffangnetz der Methadonabgabe, damit soundso viele unserer Landsleute trotz schwerer Abhängigkeit ein einigermassen geordnetes Leben führen können.
Das ist gut und richtig so. Aber dann soll man nicht uns Dicke ausgrenzen und sagen – wie das im Blick-Forum etwa geschrieben wird – , wir seien so, weil wir uns den ganzen Tag mit Esswaren vollstopfen und auf der faulen Haut herumliegen… – Was wir brauchen ist ganz normale Akzeptanz, nicht Spott und Hohn und schon gar nicht die Verachtung, die uns aus vielen Zuschriften entgegenschlägt. Es gibt noch einiges zu tun.
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Von Heinrich von Grünigen um 17:48 |
Man schrieb das Jahr 1924, als das US-Patentamt am 6. Mai einem Patentgesuch die Nummer 1’493’222 zuteilte.
Die Vorrichtung, die mit diesem Dokument patentiert und deren wirtschaftliche Ausbeutung vor Nachahmung geschützt wurde, sah kompliziert aus, war in ihrer Wirkungsweise jedoch ziemlich einfach. Es war im Grunde so etwas wie eine grosse Briefwaage, die man nachträglich in jede bestehende WC-Schüssel einbauen konnte, so dass sie, an einer metallenen Feder hängend, in einer Art flachen Schüssel die festen Überbleibsel der menschlichen Verdauung auffing… und dabei das Gewicht der Ausscheidung mass, ganz egal, ob diese zur geschmeidigen Wurst geringelt oder doch eher breiig bis dünnflüssig war. Hatte man das Gewicht abgelesen und registriert, spülte der ordentliche Wasserschwall das fäkalische Corpus Delicti auf seinen weiteren Weg durch die Kanalisation.
Man versprach sich von diesem ausgefeilten Messinstrument Aufschluss über den Anteil an Feststoffen, die den Körper wieder verliessen, nachdem Verdauung und Stoffwechsel ihres Amtes gewaltet hatten. Wog man die genossene Nahrung, zog davon die ausgeschiedenen Reste ab, so verblieb eine Differenz, die zum einen als „Brennstoff“ für den Betrieb des Körper-Motors diente, zum andern, sofern nicht aufgebraucht, die Grundlage bilden würde für ungeliebte Fettpolster…
Für wahrhaftig Gewichts-Besessene gab diese Einrichtung aktuellen Aufschluss über das Ausmass der Erleichterung, die man sich verschaffen konnte. Mir ist es auch schon passiert, dass ich nach einer bemerkenswert ausgiebigen Session schnell nochmals auf die Waage gestanden bin, um das Resultat mit dem täglich erhobenen Morgengewicht zu vergleichen… Wobei ich in der Regel doch eher enttäuscht war: was sich nach einem Kilopond anfühlte waren meist bloss ein paar hundert Gramm. Ein grosser kommerzieller Erfolg wird dem Patent Nr. 1’493’222 wohl kaum beschieden gewesen sein.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:10 |
Den Samstag habe ich als Extra-Tag noch in Interlaken verbracht, denn auf den Abend war im altehrwürdigen Hotel Victoria-Jungfrau eine Gala-Soirée angesagt, aus Anlass des 15-jährigen Bestehens der Gewichtsreduktions-Firma ParaMediForm. PMF, wie ich hier der Kürze halber sage, ist einer von mehreren Sponsoring-Partnern, die unserer Stiftung mit ihrer Zuwendung überhaupt erlauben, im Dienste der Übergewichtigen tätig zu sein.
Vor 15 Jahren wurde PMF begründet und hat sich seither zu einem grossen Unternehmen entwickelt mit über 70 Franchising-Filialen in der Schweiz und in Deutschland. Auch das Programm hat sich in dieser Zeit verändert, hat neue Erkenntnisse bezüglich Ernährung und Bewegung aufgenommen und integriert und ist heute eine feste Grösse im boomenden Markt der Gewichtskontrolle. Der Erfolg gibt dem Konzept Recht. Wir haben am SAPS-Beratungstelefon zahlreiche Feedbacks zu den verschiedenen Abnehm-Konzepten und es ist wichtig, dass es ganz unterschiedliche Ansätze und Lösungen gibt, solange diese auf einer „gesunden“ Basis beruhen. Da jeder Fall von Übergewicht eine ganz individuelle und persönliche Vorgeschichte und Ausprägung hat, braucht es auch unterschiedliche Möglichkeiten, damit umzugehen, um erfolgreich abzunehmen.
Zu PMF hören wir in der Regel nur Positives; einzig kritisierter Punkt ist zuweilen der Finanzierungsmodus, da die ganze Kur, ausgehend von einem realistischen Ziel, das in einer vernünftigen Zeit erreicht werden soll, pauschal im voraus bezahlt werden muss. Das können je nachdem einige tausend Franken sein. Viel zu viel, sagen einzelne Kunden, aber gerade das, sagt Madeleine Breuer, die Firmengründerin, sei eines der Geheimnisse ihres Erfolgs: die allererste Kundin hatte ihr das anschaulich vor Augen geführt, als sie bei Vertragsabschluss nach reiflicher Überlegung den ganzen stolzen Betrag in kleinen Noten vor sich auf den Tisch stapelte. Sie wolle, habe sie gesagt, die Summe in Form der Banknotenbündel immer in Erinnerung und vor dem inneren Auge behalten, wenn sie je mit der Anfechtung konfrontiert sein würde, die Kur abzubrechen oder gegen die Regeln der nachhaltigen Ernährungsumstellung zu verstossen.
Dieses Phänomen wird uns im Gespräch von vielen bestätigt, die mit PMF erfolgreich und dauerhaft abgenommen haben: wenn es „günstiger“ gewesen wäre, dann hätten sie mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendeinmal die Vorgaben zu wenig ernst genommen und das Programm nicht mehr konsequent verfolgt. – Erfolg ist – unter günstigen Voraussetzungen – möglich, wenn auch nicht garantiert. Sofern man es sich leisten kann. Es war eine gediegene Jubiläumsfeier, die das Unternehmen sich sich durchaus leisten konnte.
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Von Heinrich von Grünigen um 15:21 |
EVA, der Fortsetzungs-Comic-Strip von Jaermann/Schaad im Tagesanzeiger, hat Kultstatus. Die Frau hat fast alle Zweis am Rücken, die man haben kann: einen Itsch-Namen, einen tristen Job und Übergewicht. Aber sie ist taff und mutig und schlägt sich durchs Leben. In der heutigen Ausgabe geht sie mit ihrer pfiffigen Enkelin durch die Strasse. Das Kind fragt: Oma, warst du in eurer Familie das fünfte Kind? – Warum? will Eva wissen. In dem Moment kommen die beiden an einem grossen Plakat von Gesundheitsförderung Schweiz vorbei. Darauf ist der breite Schlitten abgebildet und darunter steht: In der Schweiz ist jedes 5. Kind zu dick.
Die Pointe sitzt und geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Am Mittag im Restaurant turnt am Nebentisch ein lebhaftes Mädchen mit geröteten Wangen herum, wenn es zwischen den Tischen durchrennt, hängt ihm sein Bäuchlein unter dem kurzen Hemd hervor über den Hosenbund, es schlägt der Mutter nach. Kein Zweifel, es ist das 5. Kind.
Als später eine Familie mit einem kleinen, dünnen Jungen vorbeigeht, ist mir sofort klar: das muss das erste oder höchstens das zweite Kind sein…
So werden bittere Fakten im Volksmund plötzlich zu Chiffern und Symbolen. Verlieren sie dadurch ihre Bedeutung? Ich denke nicht. Im Gegenteil. Die Botschaft ist dabei, sich im Bewusstsein der Allgemeinheit zu verankern. Nur so wird sie auf Dauer wahrgenommen und verinnerlicht. Und löst vielleicht etwas aus, das zu Veränderung führen kann.
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Von Heinrich von Grünigen um 18:36 |
Interlaken, Tag 2. – Den Reigen der Referate eröffnet der Berner Regierungsrat und Arzt Philipp Perrenoud (SP), Gesundheits- und Fürsorgedirektor des Kantons Bern. Er tritt mit klaren Worten ein für die Verantwortung des Staates und für gesetzliche Regelungen, wenn es darum geht, im Gesundheitswesen allen die gleiche Chance zu geben.
Ob sich Gesundheitsförderung und Prävention aus ökonomischer Sicht überhaupt lohnen, fragt Urs Brügger, Professor an der ZHAW in Winterthur. Verbindliche Zahlen gibt es nicht, er kann nur bestätigen, dass die Schweiz im internationalen Vergleich schlecht dasteht und bloss gut 2 Prozent der gesamten Gesundheitskosten für Vorbeugende Massnahmen ausgibt. – Mit einer sehr persönlichen Jungfernrede präsentiert sich Thomas Mattig, Dr. iur., der neue Direktor von Gesundheitsförderung Schweiz. Seine Institution soll eine wichtige Rolle bei der Erreichung der Gesundheitsziele spielen und auch er appelliert an die Verantwortung der Regierungen, die Voraussetzungen zu schaffen für eine gedeihliche Entwicklung. Gut klingt auch sein Bekenntnis zur Bedeutung der Nichtregierungs-Organisationen im Gesundheitsbereich, die er in seine Aktivitäten einbinden will.
Und eine solche stellt sich im Anschluss vor: Public Health Schweiz ist eine international vernetzte Fach- und Dachorganisation unter dem Präsidium von NR und Dr. med. Ignazio Cassis (FDP): bei seinem Engagement ist zu hoffen, dass etwas auch auf „seinen“ Innenminister abfärben möge. – Und eine weitere Organisation zeigt interessante Zukunftsperspektiven auf: Thomas Wellacott, Programmleiter veim WWF Schweiz, berichtet über gemeinsame Projekte mit Partnern, die man früher mal bekämpft hat und mit denen man jetzt zusammenspannt: sich gemeinsam für eine gute Sache einsetzen anstatt sich zu befehden… das ist ein Prinzip, das wir uns auch bei der Adipositas-Arbeit zu eigen machen müssten… wenn denn eine Bereitschaft bei möglichen „Partnern“ vorhanden ist und wir Aktionen entwerfen können, bei denen die alles bestimmende „Win-Win-Situation“ gegeben ist.
Einen fulminanten Höhepunkt setzt Adolf Ogi, alt Bundesrat und Dr. h.c., Uno-Sonderberater für Sport, mit seinem Bericht über die Aktivitäten der UNO mit Sport im Dienste der Gesundheit Seine Begeisterung und seine träfe Spontaneität lösen einen Beifallssturm im Plenum der Gesundheitsförderer aus… – Der Abschluss der Tagung gilt – wohl unfreiwillig – unserem eigenen Thema, der Adipositas und ihren Ursachen. Isabelle Moncada, Journalistin bei Télévision Suisse Romande und Produzentin des Gesundheits-Magazins 36,9 Grad, zeigt in einer gnadenlosen Dokumentation die Realität, in der sich ein übergewichtiger neunjähriger Bub befindet, der keine Chance hat, dass seine Therapie von der Krankenkasse bezahlt wird, für den es kein Entrinnen vor der Werbung für kalorien- und fettreiche Nahrung gibt, der in der Schul-Kantine falsch ernährt wird und der sich im Sport zu wenig bewegen kann… all dies, obwohl heute schon gewisse gesetzliche Grundlagen vorhanden wären. – Diesen Schlusspunkt müssen die Verantwortlichen auf allen Stufen in ihrem Gedächtnis von Interlaken mit nach Hause nehmen, ehe sie sich wieder ans Fliessband ihres Büro-Alltags stellen… (Wir werden versuchen, den Text des Referats auf der SAPS-Webseite zu veröffentlichen.)
Fazit: eine anregende Tagung.
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Von Heinrich von Grünigen um 18:49 |
Das ist das jährliche Klassentreffen der Gesundheistfördernden Institutionen, diesmal in Interlaken, bei strahlend schönem Wetter, im ehrwürdigen Gemäuer des Casino-Kursaals, und es sind fast alle gekommen, obwohl das Thema sehr allgemein gehalten ist.
Einer der Akzente am ersten Tag war ein Roundtable-Gespräch am langen Tisch, witzig und provokativ moderiert von Politguru Ivan Rickenbacher, der es verstand, die verschiedenen Exponenten aus der Reserve zu locken. – Ist Gesundheitsförderung ein Einzelkampf oder eine kollektive Herausforderung? lautete die Einstiegsfrage, und da waren sie, der Präsident der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz, der Direktor des Bundesamtes für Gesundheit, der kantonale Finanzdirektor aus der Zentralschweiz, der langjährige Präsident der Gesundheitsorganisation Radix und ein Vertreter der Wirtschaftsorganisation Seco.
Gemeinsames und Trennendes wurde ausgelotet: pikant, dass die Stiftung Gesundheitsförderung zwar zum zehnten Mal bereits diese Tagung ausrichtet, dass sie aber also Organisation in einer Präsentation des BAG zum neuen Präventionsgesetz nicht eindeutig eingebunden war… Ging es hier um Signal, an dem gerätselt werden durfte? Joachim Eder, Zuger Gesundheitsdirektor und Gesundheitsförderungs-Präsident, liess sich nicht einschüchtern: er bleibt auf der Kommandobrücke, hat er doch die Leitung erst vor einem knappen Jahr übernommen.
Zu denken gab eine Aussage von BAG-Direktor Thomas Zeltner. Unter Verwendung eines Zitats aus England führte er aus: Health is Wealth and Wealth is Health, was so viel bedeutet wie: Wohlstand und Gesundheit gehören untrennbar zusammen. So quasi in Analogie zum guten Bertolt Brecht, den man sagen hört: Nur wehr im Wohlstand lebt, lebt angenehm.
Dies freilich – und das mag wohl auch für das Englische Zitat gelten – ist eine Feststellung aus anderer Zeit und aus anderer Perspektive, formuliert von den Vertretern der Unterschicht, die in Armut und Entbehrung leben. Was ist denn, war man versucht zu fragen, mit der Tatsache, dass Übergewicht und Adipositas u.a. eine typische Wohlstands-Krankheit sind? Wenn es uns heute schon so gut geht, dass bald die Hälfte der Schweizer zu dick sind, dann ist der Wohlstand in gewisser Hinsicht zur Plage geworden! Zeltner schränkte dann auch vorsichtig verklausuliert ein: es gebe natürlich durchaus auch negative Erscheinungen im Zusammenhang mit dem Wohlstand. Man hätte es sich durchaus etwas deutlicher gewünscht.
Und dann war da noch der Seco-Vertreter: er lobte – wie auch sonst – die Selbstverantwortung der Wirtschaft, die zu ihrem Wohlergehen darauf angewiesen sei, dass der Bund keine einschränkenden gesetzlichen Regelungen erlasse. Und wenn es der Wirtschaft gut gehe, dann gehe es allen gut. – Gemach, hätte man hier einwenden mögen: Lass dir und deiner Wirtschaftslobby gesagt sein, Freund, dass das Wachstum der Lebensmittelindustrie heute und in Zukunft nur noch auf den Hüften und am Bauch der armen Teufel stattfindet, die von der Natur das genetische Geschenk bekommen haben, dass sie für allfällige Notzeiten Speck ansetzen können… – Mit dem glücklichen Drittel derer, die essen können, was sie wollen, und dabei schlank bleiben, ist kein Wachstum zu erzielen. – Aber: nach dem Podium gab es keine Plenumsdiskussion.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:36 |
Heute war Solothurner-Tag. Gestern begannen dort die Filmtage, heute war die Verleihung des Schweizer Filmpreises, zu der allerdings die alten Kämpen nicht mehr eingeladen werden, denn was sollen diese Veteranen noch bei Glanz und Gloria zu suchen haben..?
Immerhin, da gab es eine Medienkonferenz. An der wurde die Zukunft des helvetischen Filmpreises vorgestellt. Für die Ermittlung der Preisträger soll ein Academy-System eingeführt werden, wie man es von der Oscar-Verleihung her kennt. Ein erlesener Rat der bereits prämiierten und der herausragenden VertreterInnen der wichtigen Branchenverbände. 200 sollen es sein, welche die Nominierungen vornehmen, aus denen dann die Besten des Jahrgangs gekürt werden sollen. Die Übergabe der Auszeichnungen soll nicht mehr in der altehrwürdigen Ambassadorenstadt erfolgen, sondern an einem noch unbekannten Ort, Bewerbungen werden entgegngenommen.
Als ich am Mittag in Solothurn ankam, fragte mich die Taxi-Chauffeuse, ob es denn stimme, dass die Filmtage in eine andere Stadt verlegt würden, man höre so Gerüchte… Die Frage ist also in der Leute Mund. Ich konnte sie beruhigen. Diese Art von Spekulation wird meist gezielt in Umlauf gesetzt, wenn es darum geht, über eine Erhöhung der Subventionen zu verhandeln. Aber der Filmpreis, der schon, das wird ja seit Jahren diskutiert und eigentlich hat er nie so recht in die „Werkschau“ gepasst, für die das Understatement die ursprüngliche Präsentationsform war.
Wie lang der rote Teppich sein soll, über den die Missen und Mister aller Schattierungen und die Charcuterie-Prominenz defilieren würden, das war Gegenstand von Erörterungen und von kritischen Einwänden. Armin Walpen, Generalbevollmächtigter der SRG SSR idée suisse, legte einen feierlichen Eid ab, dass sein Unternehmen in den drei kommenden Jahren für die Veranstaltung der Film-Gala aufkommen werde, also kann der Teppich nicht lang genug sein.
Wir, die wir bei der Verleihungsfeier nicht benötigt wurden, sassen in der kleinen Beiz und genehmigten uns das traditionelle Fondue mit allem Drum und Dran. Was bringt das cinéastische Grossmannstum, fragten wir uns, wohl wissend, dass unsere Schnöderei am Ende nur dem Frust entsprang, dass wir nicht dabei sein durften… Aber eigentlich ist so ein Academy-Getue der Schweiz und dem Schweizer wesensfremd. Wer wirklich Weltformat hat, der findet selber den Zugang zum internationalen Film-Jet-Set, der geht in Hollywood ein und aus und lebt die Realität dort, wo sie zuhause ist. Was bringt es, wenn wir hier in der Art von Swiss-Miniatur ein Mini-Hollywood inszenieren, bloss damit die Verantwortlichen ihre virtuelle Wichtigkeit zelebrieren können? Man könnte mit dem Geld, das in eine solche Show gesteckt wird, locker einen Film produzieren, sagten wir uns, mit einem moralisch vorwurfsvollen Unterton… Aber dann kehrte der gute Pragmatismus zurück: es ist nicht an uns, diese Frage zu entscheiden. Lasst es die Sache der Jungen sein, die nicht belastet sind von 40 Jahren Solothurner Filmgeschichte, die ihre Akzente im Hier und Jetzt setzen müssen und die die Filme von morgen machen. Gut so.
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Von Heinrich von Grünigen um 16:41 |
Was ist eine Verhaltensänderung wert? Gute Vorsätze, das wissen wir seit Jahresbeginn, schmelzen schneller als der Schnee… was also kann getan werden, um sie dauerhafter zu machen? Braucht es dazu Schneekanonen, die einen unschmelzbaren Kunstschnee verstäuben? Bis die ganze Landschaft plastifiziert ist? Bildlich gesprochen…
Um sich unter Druck zu setzen, einen Vorsatz auch wirklich einzuhalten, braucht es einen Anreiz. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine der gängigen ist die Partnerwahl. Das erlebt man oft bei jungen Menschen, die wenig Wert auf ihr Äusseres legen (inkl. Übergewicht). Warte nur, sagt man in solchen Fällen gerne, bis er an die Richtige kommt, dann ändert sich das blitzartig. Und in der Tat: aufkeimende Beziehung und Partnerschaft können Wunder der Veränderung bewirken!
Aber was ist mit Selbst-Motivation? – Hier gibt es in USA seit Anfang Jahr eine neue Möglichkeit, per Internet gegen sich selber anzutreten. Das Ding nennt sich stickK.com und ist eine interaktive Web-Plattform. Sie dient für verschiedene Zwecke, unter anderem zur Gewichtskontrolle, zum Raucherstopp und zum regelmässigen Training… – Die Sache ist ganz einfach: man kann sich in eine der verschiedenen „Communities“ eintragen, kann ein Ziel formulieren, das man erreichen möchte, kann einen Geldbetrag einsetzen, den man auf die Erreichung dieses Ziels gegen sich selber wettet… und muss noch einen unbestechlichen Schiedsrichter benennen, dem die Kontrolle der Zielerreichung obliegt.
Wird das Ziel tatsächlich erreicht, so bekommt man sein Geld zurück und hat die Genugtuung, dass man sich etwas Gutes getan hat… – Erreicht man aber das Ziel nicht und gibt der Schiedsrichter die Auszahlung nicht frei, so fällt der verwettete Beitrag an eine gemeinnützige Organisation, die man vorher bezeichnet hat. So wird man, wenn auch unfreiwillig, zum wohltätigen Spender, wobei man sich aber leider sein „Versagen“ eingestehen muss.
Vor einiger Zeit hatten wir bei der SAPS ein absolut ähnliches Projekt verfolgt. Vorgeschlagen hat es uns damals Guido Eugster, der als Mitglied des legendären Gesangs-Trios persönliche Erfahrungen hatte mit der Forderung, dass jetzt endlich „de Buuch wägg“ müsse. Das Projekt war damals, freilich ohne Einbezug des Internets, sehr weit gediehen, aber dann haben wir uns aus den Augen verloren. Das Erscheinen von „stickK.com“ ist vielleicht Anlass, die alten Pläne wieder auszugraben und eine schweizerische Version zu schaffen… wobei das verwettete Geld dann freundlicherweise an die SAPS fliessen würde.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:12 |
…das ist Englisch und die Abkürzung für Bring Your Own (bring dein eigenes…) – gemeint ist: Getränk. Und die Idee, die dahinter steht, bezieht sich auf Nachtlokale, Clubs, in denen junge Menschen sich bei viel Musik die Seele aus dem Leib toben. Ein Beitrag in der TV-Sendung Schweiz aktuell hat mich auf das Phänomen aufmerksam gemacht.
Nicht wenige Junge dröhnen sich, um übers Weekend aus dem Alltagsstress zu entfliehen, gerne mit Alkohol zu. Weil dieser aber in Clublokalen meist seinen Preis hat, ist man schon länger dazu übergegangen, sich den Stoff vorgängig beim Discounter möglichst billig zu beschaffen und sich einen happigen Pegel schon anzutrinken, ehe man überhaupt das Lokal betritt. So ist für Hochstimmung gesorgt und die Kosten lassen sich in Grenzen halten. Folge war allerdings, dass sich zerdepperte Flaschen als Scherbenspur durch die ganze Ortschaft zogen, bis vor den Club, in dem man sich nur noch den Rest zu geben brauchte.
Findige Leute sind auf den Gedanken gekommen, man könnte der Umwelt diese Belastung ersparen, wenn die Jungen sich mit ihrem eigenen Sprit nicht schon draussen, sondern erst im Lokal drinnen volltanken könnten. Und schon war das BYO-Konzept geboren, wie es z.B. im luzernischen Kriens im Club Der Froschkönig praktiziert wird. Die Umwelt bleibt sauber, die Scherben im Lokal und die Kids auf der Strecke… möchte man meinen, wenn man die Aussagen in den Interviews sieht und hört. Eines wird sogleich klar: dank der Tatsache, dass der Sprit beim Discounter viel billiger ist als am Tresen, wird heftig mehr gesoffen. Das sagen die Jungen mit Begeisterung.
Wenn ich nun von diesem jugendlichen Trinkverhalten auf das allgemeine menschliche Essverhalten schliesse, dann wird die Gleichung „billig = mehr!“ evident: je billiger gewisse Produkte in umso grösseren Portionen angeboten werden, umso mehr wird davon gefuttert, vertilgt, verschlungen, heruntergespachtelt, verdrückt, geschluckt… und da dieses Billigfutter in der Regel auch fettreich, salzig und kaloriendicht ist, bleibt der Speck dort kleben, wo er zum Problem für die Gewundheit wird. BYO – Buy Your Overkill…
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Von Heinrich von Grünigen um 23:17 |
Am Nachmittag in St. Gallen dann am Vortrag von PD Dr. med. Bernd Schultes. Der Saal etwa zur Hälfte gefüllt, es sind auch Betroffene da. Es geht um die Zusammenhänge zwischen Übergewicht/Adipositas und verschiedenen Krankheiten, von der Depression im Jugendalter bis zum vorzeitigen Herztod und dem Hirnschlag. Die Aussagen sind klar und präzise formuliert, die Korrelation zwischen der häufigeren Erkrankung und dem zunehmenden Körpergewicht ist weltweit evidenzbasiert. Wer das nicht wahrhaben will ist wie ein Holocaustleugner: Ideologie wider besseres – und allgemeines – Wissen.
Aber dieser Aspekt ist nicht das Thema. In der anschliessenden Fragerunde branden wie Blitzlichter verschiedene Positionen auf: ein alter Mann meldet sich zu Wort. Er sei nie übergewichtig gewesen. Als er nach seiner Pensionierung sieben Kilo zugenommen habe, habe er sich strikt an „FdH“ gehalten und konsequent weniger gegessen, jetzt sei er wieder schlank. Er verstehe nicht, wo das Problem liege, jeder, der wolle, könne dünn sein, das sei eine reine Willenssache. Applaus im Saal. – Schultes reagiert gelassen: der Mann gehöre offenbar zu der kleinen Gruppe von Menschen, denen es leicht fällt, ihr Essverhalten zu kontrollieren; aber „FdH“ sei kein Patentrezept gegen die Adipositas-Problematik und für die Mehrzahl der Betroffenen nicht praktikabel. – Eine Dame will wissen, was er von Fettabsaugen hält: keine Lösung für Adipositas, allenfalls von einem begrenzten kosmetischen Nutzen… – Ob er die drei wichtigsten Empfehlungen fürs Abnehmen zusammenfassen könne, will ein weiterer Zuhörer wissen. Nein, sagt Schultes, wenn er das könnte, wäre er ein gemachter Mann… die Thematik ist zu komplex und zu differenziert sind die verschiedenen Auslöser, als dass man sie pauschal und mit simplen Methoden angehen könnte… – Darauf will einer aus dem Betroffenen-Kreis doch auf die Grundpfeiler jeder Verhaltensempfehlung hinweisen: wenn immer möglich gehen statt fahren, Vollkorn statt Weissbrot, Treppe statt Lift… Schultes pflichtet zwar im Grunde bei und dankt für die Anmerkung… aber auch hier: nicht jeder Fall von Adipositas-Erkrankung kann auf diese einfache Formel reduziert werden. – Einer will wissen, wie gross denn der Anteil jener Patienten sei, bei denen die Adipositas durch eine Hormon-Störung hervorgerufen ist. Weniger als ein Prozent lautet die Antwort, soviel man heute wisse. – Zum Schluss die Frage: ist Adipositas heilbar? Nein, heisst der Bescheid. Die „Anfälligkeit“ für Übergewicht ist chronisch und unheilbar. Man muss lernen, damit zu leben. Das ist die Herausforderung.
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