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Von Heinrich von Grünigen um 23:55 |
Am Dienstagabend trifft sich Tout-Oerlikon mit einigen zugewandten Orten am Rand der offenen Rennbahn. Ein verheissungsvoller Cervelat- und Bratwurstduft liegt über dem Areal und unter den Sonnenschirmen drängt sich die Fangemeinde auf den Sitzbänken, die Bierflaschen in der Hand. Man kennt sich, ist unter Nachbarn und Bekannten.
Die Tribüne ist dicht besetzt und im steinernen Oval der offenen Velorennbahn zieht eine Truppe von Radlern ihre Runden, der Speaker klärt das Publikum scheppernd auf, aber für Laien sind die Rituale schwer zu entschlüsseln. Es ist Sport, was hier stattfindet. Stellvertretend für alle, die nicht selber im Sattel sitzen können oder mögen sprinten die drahtigen Burschen auf ihren eleganten Rädern um die Wette. Nächste Woche, sagt der Speaker, gibt es dann wieder Steherrennen, das sind die schweren Töffs, die wuchtig vorneweg brummen, und in deren Abgasschatten sich die runden Rücken der Velozipedisten buckeln… Beat Breu wird auch dabei sein… Mit oder ohne Wasser? fragen Stimmen aus dem Publikum.
Es ist eine eigenartig verschworene Gemeinschaft, die sich hier ein Stelldichein gibt, dicht gedrängt an der Abschrankung zur Fahrpiste, locker flanierend im hinteren Teil, zwischen der Tribüne und den Ständen mit der Verpflegung. Noch hat es Sitzplätze im bedienten Teil, wir treffen auf Prominenz und lokale Grössen, man frischt Erinnerungen auf und schmiedet Pläne, Witze machen die Runde, und plötzlich ist der sportliche Teil zur Nebensache geworden, vergessen, ein Geräusch im Hintergrund, das Plärren des Speakers, denn die Radler ziehen geräuschlos ihre Bahnen.
Man sitzt und gönnt sich eine Bratwurst, ernährungstechnisch nicht ganz korrekt, aber schmackhaft, dazu ein Bier, später ein Glas Rotwein… es ist ein ausgesprochen gemütlicher Abend, der dauert bis es dunkel wird, bis die Helligkeit von den grossen Flutlichtern durch die Bäume auf die Tische fällt, und später Lampe für Lampe wieder ausgeschaltet wird, um den verbleibenden Gästen zu signalisieren, dass es an der Zeit wäre. – Ok, bis bald, ein andermal.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:57 |
Da war dieser junge Mann heute am Beratungstelefon. Auf Umwegen übers Internet hatte er zu uns gefunden, in der letzten Hoffnung auf Hilfe. Wie schwer er ist, weiss er nicht, da seine Waage nicht mehr imstande ist, sein Gewicht anzuzeigen und er seitdem noch massiv zugelegt hat. Er hat schon einige Therapien hinter sich, von klein auf, weiss oder wüsste aus eigner Erfahrung, wie er sich verhalten sollte, kennt sich in der Theorie aus, aber in der Praxis schafft er es nicht. Abgenommen hat er schon gewaltige Massen, die immer wieder zurück gekommen sind. Jetzt ist er am Ende und braucht jemanden, der ihn unterstützt.
Solche Telefongespräche machen mich hilflos. Zu gut kenne ich die Gefühle und den inneren Zwiekampf, die Verzweiflung und den Ärger über sich selbst, wenn man wieder mal ausgerechnet das getan hat, was man sich vornahm, auf keinen Fall zu tun… Wenn man beim Einkauf zugelangt hat und es nicht schaffte, die Packung wieder ins Regal zurück zu stellen… Dieser Hass, mit dem man sich selber beobachtet, wie man etwas isst – meist nicht mit dem erhofften Genuss – von dem man genau weiss, dass man es bereuen wird, später, auf der Waage… Was rät man, was empfiehlt man in einem solchen Fall? Oft ist es schon wichtig, dass man Verständnis zeigen kann, dass das Gegenüber merkt, dass es nicht alleine ist, dass es darüber reden, die Last des Versagens mit jemandem teilen kann.
Dass man sich von Schuldgefühlen befreien kann, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Besserung. Und auch wenn es diese Besserung im Sinne einer Heilung gar nicht gibt, wenn der tägliche Kampf bis ans Lebensende gekämpft werden muss, so hilft doch die Gewissheit, dass es andern auch so geht und dass sie gelernt haben, damit zu leben.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:25 |
Vor drei Tagen habe ich den Vergleich angestellt zwischen den Kosten für die Abwendung von künftigen Überschwemmungen und dem Aufwand, der für die Adipositas-Prävention in den kommenden Jahren zu treiben ist. Heute hat der Vizedirektor des Bundesamtes für Umwelt, Andreas Götz, in einem Interview mit der SonntasZeitung meine These bestätigt.
Wenn wir auch in Zukunft sicher vor Überflutungen sein wollten, müsste massiv investiert werden. Auf die Frage nach den Kosten kommt eine klare Ansage: Ich rechne in den kommenden Jahrzehnten mit Milliardenbeträgen für Bund, Kantone und Gemeinden.
Und schon gibt es erste Verlautbarungen von Parlamentariern wie z.B. von Hermann Weyeneth, die vom Bundesrat einen zusätzlichen Extra-Kredit verlangen, da die für das kommende Jahr ordentlich budgetierten 100 Millioinen nicht mehr ausreichen würden…
Da ist nun also ein Chefbeamter, der sich in der Öffentlichkeit unmissverständlich hinter berechtigte Forderungen stellt und damit die Diskussion vorbereitet, mit der die Politik sensibilisiert werden soll. Und weil man die eindrücklichen Bilder der reissenden Fluten und der braunen Wassermassen, die sich quer durch Dörfer und Städte wälzen, noch überdeutlich vor Augen hat, erscheinen diese Forderungen legitim und nachvollziehbar.
Bei der Prävention im Gesundheitsbereich ist das anders. Die Schweiz ist in diesem Sektor knauseriger als andere europäische Länder. Der Aufwand für die Vermeidung von Krankheiten ist minimal im Vergleich mit den allgemeinen Kosten des Gesundheitswesens, obwohl man annehmen kann, dass jeder Franken, der für die Verhinderung einer Krankheit ausgegeben wird, später rund sieben Franken an Behandlungskosten einspart. Aber für solche Überlegungen gibt es noch keine Lobby im Parlament. Ein Teil unserer Gesundheitspolitiker sehen ihre Aufgabe darin, die Gesundheitskosten um jeden Preis zu senken. Und trotzdem steigen die Kassenprämien beharrlich. Die Diskussison ist noch lange nicht abgeschlossen.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:42 |
In einem Online-Ernährungsforum wurde die Frage aufgeworfen, was denn bei genauerer Betrachtung wohl weniger ungesund sei: eine Diät nach der andern zu machen und mit dem Jo-Jo-Effekt ab- und dann wieder zuzunehmen… oder ganz einfach übergewichtig zu bleiben?
Interessanterweise hat kaum jemand die provokative Alternative aufgenommen. Aber viele der Antworten kreisen um das Elend des Jo-Jo-Effekts: dass es in der menschlichen Natur liegen müsse, sich nach den Entbehrungen einer „strengen“ und einschränkenden Diät wieder etwas zu gönnen und so richtig zuzuschlagen. Deshalb plädiert die grosse Mehrheit der Diskussionsteilnehmer aufgrund eigener Erfahrungen dafür, auf extreme Ernährungsformen zu verzichten, nur ganz langsam abzunehmen und vor allem durch stetiges und bewusstes, quasi vorsichtiges Ausprobieren jene Form der Ernährung zu finden, die sich am besten in den eigenen Lebensstil integrieren lässt, an den man sich gewöhnt hat…
So viel „Vernunft“ tut richtig gut und man möchte allen, die sich hier mit ihrer Einsicht geoutet haben, den Erfolg gönnen, den sie sich von ihrem Verhalten erhoffen… – Es gibt ein Hilfsmittel auf dem Weg zu diesem Ziel, das ich hier gerne anpreisen möchte. Es ist ein 176 Seiten starkes, schön gestaltetes Buch, das von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung herausgegeben wird. Es heisst: Gesund abnehmen – ein praktischer Ratgeber mit kritischem Diätvergleich und kosgtet 26 Franken, die es voll und ganz wert ist.
Das Buch enthält alle gesicherten Informationen für den Umgang mit „normalem“ Übergewicht, zahlreiche Tests und Anleitungen, wie man sein eigenes Essverhalten, seinen Umgang mit Lebensmitteln, seine Stärken und Schwächen analysieren kann, um daran zu arbeiten. Sodann werden die 35 in der Schweiz am weitesten verbreiteten und bekanntesten Diäten bzw. Programme zur Gewichtsreduktion nach einem kritischen Raster unter die Lupe genommen.
Nur wenige erhalten das Prädikat „empfehlenswert“, einige werden als „bedingt empfehlenswert“ eingestuft und der grosse Rest ist „nicht empfehlenswert“, da das Nährwertprofil keine gesunde Lebensweise garantiert und da der Rückfall von Anfang an programmiert ist, weil die Langzeit-Tauglichkeit fehlt. eBalance ist übrigens „empfehlenswert“. Also doch eine Alternative zur eingangs gestellten, wahrscheinloich nicht ganz ernstgemeinten Frage!
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Von Heinrich von Grünigen um 23:23 |
Früher, auf dem Schulweg durch das Ryffligässchen in Bern, kamen wir jeweils an einem kleinen Geschäft vorbei mit einem Schaukasten auf Augenhöhe. Dort waren die Informationshefte des Schweizerischen Lichtbundes ausgestellt. Das war die Naturisten-Organisation, die – im Interesse eines gesünderen Lebens – am Neuenburgersee einen Nacktbadestrand betrieb.
Es waren die züchtigen Jahre nach dem Krieg und die reine Möglichkeit, im Vorübergehen eventuell durch die Vitrine aus den Augenwinkeln einen flüchtigen Blick auf eine Abbildung unverhüllter weiblicher Brüste erhaschen zu können, wirkte unheimlich elektrisierend. Pech nur, dass in den meisten Fällen ausgerechnet über diese interessante Stelle ein Papierband mit dem aufgedruckten Preis gespannt war. Wenn man Glück hatte, so rutschte dieses Band nach einiger Zeit, wohl unter der Einwirkung der Sonnenstrahlung, etwas nach unten und gab einen kleinen, aufklärerischen Streifen frei… An ein Bild erinnere ich mich besonders. Es hiess „Die Stabhochspringerin“ und war von unten her aufgenommen… aber hier blieb der Papierstreifen standhaft und bewegte sich keinen Millimeter, obwohl das Bild inzwischen schon recht vergilbt war.
Verglichen mit den An- und Einsichten, die sich heute an jedem stinknormalen Kiosk auf breitester Front eröffnen, war das natürlich die reine Gartenlaube der Unschuld. Umso erstaunlicher mutet die Kontroverse an, die unlängst in einer Zürcher Gaststätte ausgebrochen ist, nachdem eine stillende Mutter, die ihr Baby angesetzt hatte, aus dem Lokal gewiesen wurde. – Die enorme Bedeutung eines möglichst langen Stillens für die Übergewichts-Prävention bei Kleinkindern ist hinlänglich bewiesen, es sollte mit allen Mitteln gefördert werden, denn einfacher und auch kostengünstiger lässt sich dieses Problem kaum in den Griff kriegen, wenigstens teilweise…
Es geht also nicht darum, Toleranz für Frauen zu fordern, die ihre Kinder im öffentlichen Raum stillen, es muss darum gehen, diesen Vorgang zu ermutigen und jedem Verhinderer entschieden entgegenzutreten.
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Von Heinrich von Grünigen um 21:52 |
Weite Teile der Schweiz versinken im Wasser. TV-Bilder, wie man sie bisher aus Asien und vor kurzem aus England kannte. Seit Menschengedenken seien die Flüsse nicht mehr so hoch gegangen, Menschen auf der Flucht lassen ihr Hab und Gut in den Wellen zurück, ein Fall für die Versicherung, sofern man eine hat.
Schäden, die insgesamt in die Millionen, vielleicht Milliarden gehen, bis alle Infrastrukturen wieder hergestellt sind… auf die Gefahr hin, dass über kurz oder lang die Wasser erneut kommen, noch wilder, noch höher, denn wir haben ja Klimaerwärmung. Und die Kosten werden wieder fällig. Und dazu noch der enorme Aufwand für die Sanierung der Dämme und für die Errichtung eines wirksamen Hochwasser-Schutzes.
Es sind besondere Gedanken, die mit beim Betrachten der Berichterstattung durch den Kopf gehen. Ich habe heute im Rahmen einer Vernehmlassung zu einem Strategie-Papier des Bundesamtes für Gesundheit zur Eindämmung der Übergewichts-Epidemie in der Schweiz Stellung genommen. Auch eine Art Überschwemmung, mit Körperfett und massiven Folgen für die Gesundheits-Kosten. Eine der zentralen Fragen ist die der Finanzierung.
Eine solche landesweite Aufklärungs- und Präventionskampagne kostet Geld, sehr viel Geld. Aber dieses, sagen die zuständigen Gesundheits-Beamten, sei eh nicht vorhanden, deshalb müssten sich die Massnahmen nach den Mitteln richten, die da sind, und was es zusätzlich braucht, das müsse andernorts eingespart und umgelagert werden. – Aber wenn die Naturgewalt in Form von Wasser kommt, dann ist es für jeden klar, dass auch die Gelder reichlich fliessen. Die Glückskette sammelt, die Versicherungen zahlen unkompliziert und der für die Nothilfe erforderliche Aufwand wird selbstverständlich geleistet… Wo liegt der Unterschied? Was machen wir falsch?
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Von Heinrich von Grünigen um 23:14 |
Das mit dem Schall und dem Rauch ist irgendwie vorbei. Auf den Namen kommt es eben doch an. Da mögen meine Freunde von der Werbeindustrie mit wasserblauen Augen noch so treuherzig versichern, dass die Werbebotschaften wirklich und auf Ehrenwort keinsterlei Einfluss auf das Kaufverhalten der Kinder und Jugendlichen hätten… und dass deshalb jeder Gedanke daran, allenfalls die an Kinder gerichtete Food-Werbung einzuschränken, nichts als verschwendete Energie sei… Nun gibt es jedenfalls wieder eine spannende Studie, die das Gegenteil beweist:
Eine Forschergruppe hat verschiedene, völlig identische Fast-Food-Produkte und andere Lebensmittel in unterschiedliche Verpackungen gesteckt. Ein Teil war in neutrales Papier gewickelt, der andere Teil in Papier mit dem McDonald’s-Logo drauf. 60 Prozent der Kids (im Alter zwischen 3 und 5 Jahren) waren überzeugt, dass ihnen der Food aus dem McDonald’s-Papier deutlich besser geschmeckt habe. Nur gerade 18 Prozent „merkten“ keinen Unteschied und fanden beide Muster gleich gut. Bei den Pommes waren es sogar 70%, welche die Stäbchen aus dem McDo-Papier schmackhafter fanden.
Werbung zeigt also durchaus Wirkung, wobei nicht zu vernachlässigen ist, dass sich ein solcher Effekt keineswegs kurzfristig einstellt, sondern dass der Hamburger-Bräter Jahrzehnte gebraucht hat, um sich erfolgreich in den Herzen der Dreikäsehochs einzunisten. – Am Ende, hat ein Kommentator angemerkt, müsste man den Kleinen vielleicht die Broccoli in einer Chicken-McNuggets-Packung servieren…
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Von Heinrich von Grünigen um 21:26 |
Wirklich, es ist, als würde man neu geboren. Nach 24 Stunden hat die nette Dame mit kräftigen Rucken die 10 aufgeklebten Elektroden wieder abgerissen… und die Empfindung (so stelle ich mir das Epilieren mit heissem Wachs vor) war letztlich angenehm, denn sie brachte die Freiheit der Bewegung, das Ende des Juckens und überhaupt einen positiven Befund.
Dabei folgten nochmals ein Ruhe-EKG, eine Ultraschall-Echo-Aufnahme und als Abschluss ein Belastungs-EKG auf dem Ergometer: Radfahren mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad, immer strenger und strenger, bis es nicht mehr geht, fiktiv den Berg hinauf, der Atem pfeift schwer und schwerer, stossweise und hart, das Herz klopft (und kann doch nicht so wie es will, da die Betablocker es daran hindern), die Beine werden bleiern schwer, es geht immer mühsamer… und ich muss abbrechen. Immerhin, sagt der betreuende Arzt, mit 150 Watt Belastung sind Sie fast dort, wo Männer Ihres Alters im Normalzustand hinkommen. Und das mit geschwächter Pumpe nach dem Infarkt.
Überhaupt, sagt der Arzt, und erläutert zusammenfassend das Ergebnis der verschiedenen Tests, sei mein Zustand deutlich besser, als er sich das aufgrund der bisherigen Berichte aus dem Spital vorgestellt habe, ich sei auf dem besten Weg der Erholung, eine Erweiterung der Massnahmen dränge sich nicht auf, auch die Medikamente könnten vorderhand so belassen bleiben… Das ist doch gute Kunde und ich verlasse die Praxis wohlgemut und federnden Schrittes, schwinge mich auf mein richtiges Velo und pedale heimwärts, ohne Mühe und ohne zu Keuchen, auch wenn es ein Stück weit den Berg hinan geht. Ich kann es ja jetzt.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:27 |
Das ist eine nachwirkende Kontrollmassnahme: ich musste mich heute, auf Veranlassung meines Hausarztes, der wiederum im Auftrag der Herz-Experten aus dem Universitätsspital handelte, bei einer spezialisierten Praxis für ein Dauer-EKG melden. Eine freundliche Dame nahm mich in Empfang, wog und vermass mich und platzierte schliesslich zehn Elektroden-Kleber an meiner Brust.
Nun sitze ich seit Mittag mit diesen zehn Plastern, die im Brusthaar leider unsympathisch zwicken und reissen (vielleicht wäre es doch besser gewesen, mir die Unannehmlichkeit des Rasiertwerdens nicht zu ersparen…). Und von jedem dieser Pflaster geht ein feiner Draht weg, der über einen verschiedenefarbenen Knopf befestigt ist und mein Inneres nach den Herzaktivitäten abhorcht.
Die Drähte münden in einen kleinen weissen Strang, der wiederum über einen Stecker in ein handliches Gerät führt, von der Grösse eines kleinen Walkman (das sind bzw. waren jene Dinger, mit denen man Musik hören konnte, bevor die MP3-Player und die iPods kamen). Das kaum handtellergrosse Gerät steckt in einer kleinen Tragtasche aus Segeltuch, und ein Display zeigt an, wie die Zeit verrinnt… 24 Stunden lang müssen die Kleber dranbleiben und die freundliche Dame hat mit Bedauern in der Stimme gemeint, ich dürfe zwar nicht duschen… aber waschen könnte ich mich schon.
Ich habe also keinen Vorwand, den inneren Schweinehund mal einen guten Mann sein zu lassen. Sonst solle ich meinen gewohnten Tätigkeiten nachgehen wie immer und mir allenfalls eine Protokollnotiz anfertigen, wenn ich etwas Aussergewöhnliches feststellen würde, wie zum Beispiel einen plötzlichen Schmerz, Schwindelgefühle, oder so. Aber bis jetzt ist das alles ausgeblieben. Ich habe auch darauf verzichtet, mir einen Horrorfilm anzusehen, bei dem mir das Blut in den Adern gefrieren und das Herz stillstehen müsste, denn ich möchte das Rehabilitationsbild ja nicht mutwillig verfälschen. Auch die Optionen, die mir mein Horoskop heute in Sachen Liebe in Aussicht gestellt hat, liess ich unausgeschöpft, man weiss ja nie, in welcher Form es sich, für Spezialistinnen entschlüsselbar, auf dem elektronischen Chip eingraviert hätte…
Die grösste Herausforderung des heutigen Abends liegt nun noch darin, die Nacht zu überstehen, ohne mich mit den Kabeln zu erwürgen und ohne im Schlaf die aufgeklebten Elektroden abzureissen… Am Ende führe ich mir noch einen Schlummertrunk zu Gemüte, das beruhigt.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:08 |
Das Bundesamt für Gesundheit BAG steht in der öffentlichen Kritik. Massiv zugeschlagen hat letzte Woche ein Heft, das als einziges immer alles besser weiss: DIE WELTWOCHE. Der altgediente Bundeshaus-Journalist Urs Paul Engeler, ein Mensch, der von Verfolgungswahn umzingelt scheint, greift ganz tief in die publizistische Trickkiste, um dem Gesundheitsamt Lust- und Lebensfeindlichkeit, Regulationswahn, beamtenmässigen Übereifer, Unfähigkeit und überhaupt alles vorwerfen zu können, was des Teufels ist.
Stichworte dazu sind: Alkoholmissbrauch, Rauchen, Transfette, Acrylamid, Chinazimt… und der Autor wird so richtig poetisch, wenn er dichtet: Jede Freude, noch so klein, muss ein Todesfaktor sein. – Ja, mit Verlaub, am Ende unseres Lebens steht er, der Gevatter Tod. Die einen verschont er länger, andere holt er sich früher, nicht selten trägt das Individuum aktiv dazu bei, die Lebensspanne zu verkürzen, davon wissen vor allem wir Adipösen ja ein Liedlein zu singen, verringert sich doch offiziell (und nicht nur vom BAG behauptet) die Lebenserwartung exponentiell mit ansteigenden BMI-Wert.
Selbstverständlich ist es das gute journalistische Recht eines jeden Schreibers, alles zu behaupten, was das Papier halten mag, solange die Chefredaktion es für dienlich befindet. Aber im Falle dieses generellen BAG-Bashings komme ich doch nicht darum herum, auf das Dilemma hinzuweisen: würde das Amt keine Warnung vor Gefahren durch bestimmte Lebensmittel formulieren, wären die gleichen Medien wieder die ersten, die Zetermordio schreiben und den faulen Bürokraten vorwerfen würden, sie sässen nur auf ihren dicken Hintern herum und würden ihre Aufgabe vernachlässigen…
Und ich kann mir heute schon vorstellen, welch Geschreibe und Gerede losgehen wird, wenn im Herbst das lange erwartete Strategiepapier zu einer kohärenten Prävention des Übergewichts in der Schweiz dem Bundesrat vorgelegt wird: für die einen – und dazu werde sicherlich auch ich gehören – wird es zu wenig konkret und nicht konsequent genug sein… und für andere wird es ein Schreckgespenst an falscher Bevormundung und Regulierungswut sein, die den freien Willen zur Selbstverantwortung des Einzelnen beschneidet. – Das BAG ist so oder so zwischen Hammer und Amboss, was immer es tut oder unterlässt. Also sollten wenigstens wir, die wir an der Thematik vital interessiert sind, Verständnis haben und konstruktiv bleiben.
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