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Von Heinrich von Grünigen um 23:12 |
Wenn ich in diesen Tagen in Zürich am Bellevueplatz vorbei fahre, bietet sich das Thema „Verpacken“ ganz von selber an. In dem grauklotzigen ad hoc-Gebäude zum Bankjubiläum werden die Arbeiten von Christo, dem Verpackungskünstler gezeigt. Mit ihm verbindet mich eine ganz private Erinnerung. Vor vielen Jahren, es muss in den wilden Sechzigern gewesen sein, hat er in Bern im Auftrag von Harald Szeemann die Kunsthalle eingepackt. Und wir, eine Gruppe von etwas nonkonformen aber vielleicht nicht allzu progressiven Kulturaktivisten, haben dem Harald als Antwort auf sein verpacktes Museum ein in weisse Zeitungspapierbahnen verpacktes Occasionsauto geschenkt…
Und die andere Verbindung besteht zur Bank, die da jubiliert. Mit der Gründung der Schweizerischen Adipositas-Stiftung SAPS wollte man ursprünglich auch ein Adipositas-Institut begründen, zu dessen Finanzierung einige Mittel nötig waren. Man dachte damals, vor acht Jahren, diese wären vielleicht bei der Credit Suisse zu finden, bei einer Bank, die sich etwas auf ihr soziales Engagement zugute hielt. Angesichts der drängenden Problematik und der gesellschaftlichen wie gesundheitspolitischen Tragweite der sich ankündigenden Adipositas-Epidemie sollte es ein Leichtes sein, das erforderliche Startkapital zu finden und zu bekommen. Aber weit gefehlt! Je höher man in die Teppichetagen stieg, umso kürzer wurden die Audienzen, um schliesslich ganz oben mit der unwirschen Bemerkung abgebrochen zu werden: „Wozu Geld für Dicke? Die sollen weniger essen.“ (Ob das der genaue Wortlaut war, kann ich nicht belegen, aber sinngemäss ist es so überliefert.) Daran muss ich denken, wenn ich mir die Kosten übgerschlage, die das Christo-Jubel-Häuschen verursacht haben mag, und reflektiere, was wir in unserer Stiftung mit einem Teil dieser Kohle alles hätten machen können.
Nun gut, wir haben versucht, uns selber zu helfen, und sind bis jetzt Schritt für Schritt voran gekommen. Soeben ist die dritte Ausgabe unseres Mitgliedermagazins „saps.ch“ erschienen, farbig und 12 Seiten stark, Auflage 4000 (zurzeit), mit dem Hauptthema: „Selbsthilfegruppen“. Selbsthilfe ist nach wie vor in vielen Bereichen des Gesundheitswesens die einzige Möglichkeit, etwas zu bewirken und zu bewegen. Aber auch das braucht Geld. Wir haben heute – ganz winzige Christölein – den ganzen Tag die neuen Magazine verpackt, in Couverts gesteckt, adressiert und zur Post getragen, an Arztpraxen, an Medienredaktionen, an die Mitglieder unseres Trägervereins… in der Hoffnung, dass etwas von unserem Engagement wieder zurück kommt in Form von finanzieller Unterstützung. Vielleicht muss man doch nicht warten bis zum 300. Bankjubeljahr.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:57 |
Heute zu Besuch bei einem meiner Neffen im Spital. Er ist in der Rehabilitation nach einer partiellen Lähmung (Guillain-Barré-Syndrom) und zum Glück seit kurzem wieder in der Lage, sich aus eigener Kraft zu bewegen, in den Rollstuhl zu steigen und durch die Gänge der Klinik zu kurven.
Nur mit dem Essen ist es so eine Sache. In den ersten Wochen hing er buchstäblich am Tropf und erhielt die erforderlichen Nährstoffe intravenös. Dass er dabei rasch an Gewicht verlor, lag auf der Hand. Die Aufnahme fester Nahrung war nicht möglich, da auch die Schluck-Funktion beeinträchtigt war und die Gefahr bestand, dass die Speisen nicht in den Magen sondern durch die Luftröhre in die Lunge gerieten. Was auch für Getränke galt.
So wurde für die Zuführung von „verdaubarer“ Nahrung mit Fasern und Fibern eine Sonde operativ direkt in den Magen gelegt. Und bei jedem Rollstuhl-Ausflug muss der kleine Dosierungs-Apparat mit dem Plasticbeutel und der bräunlichen Nährlösung an einer Stange montiert werden, die aussieht, als wäre es der Stromabnehmer bei einem der Elektro-Scooter auf dem Rummelplatz.
Eine paradoxe Welt: die einen haben die grösste Mühe, sich durch gezieltes und bewusstes Verhalten so zu ernähren, dass sie Gewicht verlieren können, und andere müssen zu operativer Hilfe greifen und brauchen Hightech-Unterstützung, um sich die lebensnotwendigen Nährstoffe zuzuführen.
Und wenn man dann zuhause vor einem kleinen Teller exzellenter San Lorenzo-Pasta al Pesto sitzt, dann kommt einem das vor wie Lebensgenuss in Luxus pur und man merkt wieder mal, wie gut man es doch hat und merkt, dass das ein Grund ist, dankbar zu sein.
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Von Heinrich von Grünigen um 19:24 |
Mit dem 1. April ist es immer eine heikle Sache. Schon früh am Morgen blättert man die Zeitung mit gespitzter Aufmerksamkeit durch: Wo versteckt sich der diesjährige Scherz? Was haben sie sich einfallen lassen? Wie wollen sie diesmal die gutgläubige Leserschaft „erwischen“ und zu einer Spontanhandlung verführen, die später mit dem schadenfrohen Ausruf „April! April!“ quitttiert werden kann?
Darf ich der Meldung trauen, die ich unter dem heutigen Datum im wissenschafltichen Informationsdienst EurekAlert! gefunden habe? Neue wissenschaftliche Abhandlung zeigt, dass vegetarische Ernährung zu grösserem Gewichtsverlust führt.
Besteht meine irregeführte Spontanhandlung nun darin, dass ich dieses Thema hier aufgreife? Denn bisher war mir die geschilderte Tatsache nicht bekannt. Auch im 5. Ernährungsbericht des Bundesamtes für Gesundheit steht nichts davon. – Die Studie, in der April-Ausgabe der US-Zeitschrift Nutrition Review veröffentlicht, belege, dass Vegetarier und Veganer deutlich weniger übergewichtig seien als Fleisch-Esser und dass sie weniger Herzbescherden, Diabetes, hohen Blutdruck und all die andern Krankheiten haben, die mit Übergewicht verbunden sind. Die Studie, in welcher 87 frühere Arbeiten zusammengefasst werden, zeige weiter, dass bei diesem Befund die Anzahl der aufgenommenen Kalorien und das Ausmass an Bewegung keine Rolle spielten.
„Wir haben herausgefunden“ wird eine der Autorinnen, Dr. Susan E. Berkow vom Physicians Committee for Responsible Medecine, zitiert, „dass die Leute unbegrenzte Portionen von stark faserhaltigen Lebensmitteln wie Früchte, Gemüse oder ganze Körner verspeisen können, und dabei ihr gesundes Körpergewicht behalten, ohne Hunger zu verspüren.“
Während der Anteil der Übergewichtigen in der Bevölkerung nach wie vor massiv zunimmt, blieb er in der Gruppe der Vegetarier und Veganer zwischen null und sechs Prozent stabil. Und eine vergleichende Studie in Schweden mit über 55’000 fleischessenden Teilnehmerinnen habe ebenfalls gezeigt, dass diese deutlich mehr zu Übergewicht neigten als Vegetarierinnen.
Was heisst das jetzt? Sollen wir alle umstellen, die wir mit dem Gewicht zu kämpfen haben? – Meine Freundin Doris jedenfalls wird sich über diese Studie freuen, April hin oder her. Sie ist seit Jahren überzeugte Vegetarierin und hat kein Gewichtsproblem, sie treibt Sport und wandert und wäre ein Vorbild, was gesunde Lebensweise betrifft, auch in den übrigen elf Monaten des Jahres.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:14 |
Freitag und Samstag findet in Bern der Jahreskongress des Schweizerischen Verbandes der diplomierten ErnährungsberaterInnen statt. Thema der Veranstaltung: Marketing in der Ernährungsberatung – mehr als nur Werbung?
Die Thematik ist nicht zufällig gewählt. Die Nachfrage nach Beratung bezüglich Ernährung erlebt zwar eine ausgeprägte Hausse, aber der offizielle und einzig „zertifizierte“ Berufsverband steckt ein Stück weit in einer Image-Krise. Das Bild der qualifizierten, kassenzugelassenen „diéticienne“ (wie es auf Französisch so elegant heisst) ist in der Wahrnehmung vieler Patienten geprägt von überlieferten Clichés, die in den Köpfen vorhanden sind, auch wenn sie längst nicht mehr stimmen.
Die Ernährungsberaterin ist diese feingliedrige Dame, die schon so gesund aussieht, weil sie weiss, wie man gesund lebt… und die mit ihrem Mahnfinger an das Glöcklein unseres schlechten Gewissens klopft, das umso lauter klingelt, als wir ja selber ganz genau wüssten (oder doch zu wissen glauben), was gut für uns wäre, aber aus einem der Gründe, die uns nie exakt bewusst sind, tun wir es nicht.
Überholt und falsch sei dieses Bild, wird zu Recht moniert, die diplomierten und in der Praxis geschulten Beraterinnen verfügten über das nötige Wissen, um auch mit schwierigen Fällen umzugehen und das Vertrauen selbst misstrauischer und widerspenstiger Kunden zu gewinnen. Aber: sie müssten sich besser verkaufen können. „Qualität“ und „Wissen“ allein sind noch keine Marke. Und es schmerzt die Frauen, die nach der Matur eine dreijährige Fachhochschul-Ausbildung absolviert haben, wenn irgendwelche Quereinsteigerinnen nach der Anlern-Schnellbleiche ein Gewichtskontroll-Programm mit wohlklingendem Fantasie-Namen anbieten, und damit auf Erfolgskurs sind…
Marktgerechtes Verhalten ist also zwingend, neue Ideen sind gefragt. – Wir von der Adipostias-Stiftung vertreten eine markante Gruppe von potenziellen AbnehmerInnen sprich KundInnen. Auf diese gilt es sich mit besonderer Sorgfalt einzustellen, denn eine Adipositas-„Karriere“ mit jahrelangen Ups and Downs macht dünnhäutig und kritisch, jeder wohlgemeinten Empfehlung gegenüber. – Wir wurden eingeladen, im Umfeld der Veranstaltung einen Informationsstand zu betreiben und unsere Unterlagen abzugeben, die von den interessierten Teilnehmerinnen auch gerne mitgenommen werden.
Und was mir unsere Präsenz besonders angenehm gestaltet, das sind die kleinen Botschaften der Anerkennung und der Zustimmung für das, was wir mit der Stiftung leisten: Danke, dass ihr euch für die Übergewichtigen einsetzt. Gut, dass es euch gibt. Eure Arbeit ist wichtig, gerade jetzt… Macht weiter so! – Ein Auftrag, den wir gerne übernehmen. Es ist an uns, zu danken.
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Von Heinrich von Grünigen um 22:42 |
Unser Bedarf nach Orientierungshilfen ist enorm. Ratgeber-Publikationen boomen. Empfehlungs-Journalismus hat Konjunktur. Und dass ich nur einen bestimmten Drink schlürfen muss, damit ich im Winter füdliblutt im Meer baden kann, das hämmert mir die Television jeden Tag mehrmals ein, mit Geld-Zurück-Garantie. Was ist, wenn ich das gar nicht will?
Die heutige Ausgabe von FACTS bringt eine sorgfältige Auslegeordnung der im Moment herrschenden Ansichten bezüglich vernünftiger, sprich „richtiger“ Ernährung. Eine klare Absage an alle einseitigen „Diäten“, wie heilsversprechend sie immer angekündigt werden mögen, ein Plädoyer für mässiges, ausgewogenes und bewusstes Essen und schliesslich auch ein verdankenswertes Bekenntnis dazu, dass „ein bisschen dicker“ nicht so schlimm ist wie wenn man sich mit alljährlichen Diätversuchen den Winterspeck wieder wegzuhungern versucht und dabei den Stoffwechsel ruiniert.
Sie merken: ich spreche nicht von Adipositas, nicht vom massiven, auf lange Sicht gesundheitsbedrohenden Übergewicht, zu dessen Reduktion besondere, gezielte und individuell abgestimmte Massnahmen nötig sind. Aber es geht um die Prävention, ums Vorbeugen bzw. um die Bewahrung eines „gesunden Gewichts“. Dass man hier nicht jedes Grämmlein verbissen bekämpfen muss, sondern sich mit seinem „Wohlfühlgewicht“ auch oberhalb des theoretischen „Idealgewichts“ sehr gut arrangieren kann, das braucht vielleicht etwas Mut. – In dieser Hinsicht bin ich sehr angetan von den TV-Spots für das Sonnenschutzmittel „Dove“, in dem sich einige Ladies räkeln, die locker mit einigen zusätzlichen Pfunden umzugehen wissen.
Und dann bringt mir meine Mitarbeiterin ein Inserätlein, das sie in der Zeitung gefunden hat: „Neu! Das Pflaster zur Anwendung bei Übergewicht: SinoPlast Body“. Nun gibt es also schon Pflaster gegen Übergewicht, sagt sie. Was wird das wohl Wert sein? – Zuerst lache ich sie aus: Hereingefallen! Das ist gar nicht „gegen“ Übergewicht… es heisst: „Zur Anwendung bei Übergewicht“… und bei Übergewicht könnte man auch Hühnermist einreiben… es wird ja nicht behauptet, das nütze etwas.
Der Blick in die Website belehrt mich auf doppelte Weise eines Bessern: Dort heisst es, es handle sich um ein „registriertes Medizinprodukt zur Behandlung von Übergewicht und zur Gewichtskontrolle!“ Es beruhe auf den Erkenntnissen der traditionellen chinesischen Medizin. Man muss sich den ganzen Tag lang ein Pflaster auf die Fusssohlen kleben und spüre sofort die wirkende Wärme. (Das hat meine Mutter früher mit einem Senfpflaster auch geschafft, wenn ich erkältet war.) Und zwar 90 Tage lang. Das kostet dann 249 Franken 95 Rappen. – Irgend eine Information über das Produkt und dessen Zusammensetzung ist nicht zu finden. Dafür vier begeisterte Äusserungen von Leuten, die glauben, es habe ihnen geholfen.
Die ganze Wahrheit ist dann auf einer anderen Seite zu lesen: Nicht anwendbar bei krankhafter Fettsucht. (Das habe ich mir doch noch fast gedacht…)
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Von Heinrich von Grünigen um 23:27 |
Zu diesem Begriff zählt die Suchmaschine Google in 0,34 Sekunden ganze 222 Millionen (!) Nennungen auf, weltweit. Für die Schweiz sind es immer noch 346’000. Und seit heute Nachmittag weiss ich ungefähr, was ich mir darunter vorzustellen habe.
Der Begriff ist emotional belastet. Man malt sich aus, wie düstere, auf Profit sinnende Technokraten in Labors irgendwelche Esswaren austüfteln, denen sie möglichst unnatürliche Eigenschaften verleihen, indem sie sie verändern und umkonstruieren, sie auf besondere Wirkung programmieren, damit sie am Markt bessere Absatz-Chancen haben…
Aber was ich heute in der Hochschule Wädenswil erlebt habe, gibt mir Zuversicht und Hoffnung. Eine diskrete Institution schmiegt sich über dem Zürichsee in die malerische Landschaft. Hochschule für Life Science und Facility Management nennt sie sich, und wer meint, das liesse sich einfach so übersetzen, der soll es mal versuchen.
Die Leute in Wädenswil sind alles andere als düstere Tüftler. Sie analysieren die Trends in der Ernährung und in Produktion und Vertrieb von Nahrungsmitteln, unter dem Aspekt der globalen Zusammenhänge, die eng mit Politik verknüpft sind. Sie machen sich Gedanken zur Entwicklung der Gesundheit und zu künftigen Perspektiven und sie überlegen sich, ob es Möglichkeiten gibt, gemeinsam mit Partnern Prozesse einzuleiten, welche zu einer positiven Veränderung führen könnten.
Das klingt zwar reichlich utopisch, ist aber durchaus praxisnah und handfest: Hier werden Grundlagen erarbeitet, wird Wissen vermittelt und Expertise gefördert, deren sich bedienen könnte, wer dafür Verwendung hat (und wer es sich leisten kann, denn alles hat seinen Preis). – Da gibt es ganz konkrete Fragestellungen: Müsste man nicht einen kleinen, schmackhaften (aber „gesunden“) Snack entwickeln können, der günstig im Preis ist, an jedem Kiosk verfügbar, nahrhaft und bekömmlich, und eine klare Alternative zu all dem kalorienverdichteten Süss-Zeugs, das die ganzen Auslagen verstopft und praktisch keinen Nährwert hat?
Oder man hat Analysen gemacht zu den Erfahrungen in andern Ländern mit alternativen Lösungen für einfache Deklaration der Lebensmittel, von der „Ampel“ bis zu positiven „Labels“… Aber es ist nicht einfach, diese Erkenntnisse zu vermitteln und unter die Leute zu bringen. Denn der Markt ist hart, die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind erschwerend und das Beharrungsvermögen der Zustände ist enorm… – Ich habe von meinem Besuch in Wädenswil zahlreiche Impulse mitgenommen und denke, da wird sich das eine oder andere in die praktische Arbeit übertragen lassen, wenn wir die richtigen Leute finden für eine gute gemeinsame Sache.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:29 |
Freund Rolf, mit dem ich nach der Aquafit-Lektion noch in der Quartierwirtschaft bei einer Flasche Mineral (er ohne, ich mit) sitze, wäre eigentlich ein grosser Biertrinker vor dem Herrn. Aber sein Arzt hat ihm, wegen Adipositas in Verbindung mit Diabetes und Herzproblemen, dringend geraten, den Bierkonsum einzuschränken. Was Freund Rolf auch brav befolgt, jedenfalls wenn ich dabei bin.
Aber irgend eine suchtbildende Substanz muss in dem Gesöff drin sein, denn der Verzicht führt offenbar zu Entzugserscheinungen, die mit Wahnvorstellungen und Visionen verbunden sind. Heute jedenfalls hat Rolf sich plötzlich zurückgelehnt (nachdem er bis ins kleinste geschmackliche Detail alles wissen wollte über das samstägliche Geburtstagsmenü, an dem er zu seinem Leidwesen infolge Terminkollision nicht hatte dabei sein können), hat in die Weite der Gaststube geblickt, tief geseufzt und gesagt:
Du müsstest einmal beschreiben, wie das ist, wenn einer auf das Biertrinken verzichten muss. Das geht eine Weile lang gut. Aber dann staut es sich tief in ihm drin auf, das Verlangen nach Bier. Es wächst und wächst und dehnt sich aus, wird immer grösser, bis es ihn „verjagt“, richtiggehend „vertätscht“, bis er nicht mehr anders kann und einen grossen Humpen frischen, kalten Biers bestellt, mit einer richtig dicken Schaumhaube obendrauf. Dann nimmt er diesen Humpen in beide Hände, führt ihn sorgsam wie einen heiligen Kelch an die ausgetrockneten Lippen, die er in den Schaum eintaucht, bis sie die gelbe Flüssigkeit finden. Er nimmt einen langen, tiefen Zug und fühlt die kühle Flüssigkeit in sich hineingleiten mit einer anschmiegsamen Frische, die seine ganze Kehle erfüllt. Dann setzt er das Glas ab und fährt sich, schwer durchatmend, mit dem Handrücken über die Lippen, wischt die letzten Schaumfetzchen ab und schlenkert sie symbolisch aus, dann schnaubt er hart und befriedigt durch den Mund aus und weiss: es ist noch da, das Bier, es hat mich nicht im Stich gelassen, es nimmt mir nicht übel, dass ich es so lange verschmäht, gemieden habe. Mein Bier!
Ich höre Rolf mit einer gewissen Andacht zu. Seine Geschichte hat kein Happy End. Er weiss, dass er am Montag wieder zum Arzt muss. Bis dann wird aus seinem Bier-Traum sicher nichts. Aber es war doch schön, ihn sich ausgemalt zu haben.
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Von Heinrich von Grünigen um 1:16 |
Eigentlich tickt die innere Uhr ja noch nach dem alten Zeitplan und signalisiert eine Viertelstunde nach Mitternacht, obwohl es bereits 1 Uhr 17 ist. Ich habe den Abend in Solothurn verbracht, vielmehr in Bettlach, an der Generalversammlung einer der Arbeitsgruppen von Terre des hommes.
Nach den statutarischen Geschäften gab es einen Vortrag über die Hilfsprojekte in Burkina Faso, dem zweitärmsten Land der Welt, dessen Hauptstadt Ouagadougou heisst. Früher, wenn mich die Erinnerung nicht täuscht, hiess das Land Obervolta. Und das Kindeshilfswerk Terre des hommes betreut dort unter anderem Mütter und Kinder. Denn die Sterblichkeit bei den Gebärenden ist hoch und mehr als ein Viertel der Kleinkinder sind unterernährt.
Unterernährung im Kindesalter beeinträchtigt das Leben dauerhaft und reduziert die Chancen, überhaupt eine Existenz aufbauen zu können. Die Projekte von Terre des hommes zielen deshalb darauf ab, die Existenzgrundlagen zu verbessern und das Überleben zu ermöglichen, in einem gesellschaftlichen Umfeld, das von völlig anderen Werten geprägt ist, als wir sie kennen.
Während ich mir den Vortrag anhöre, gehen mir die bizarrsten Gedankenkombinationen durch den Kopf, ausgelöst durch die Tatsache, dass in weiten Teilen der Welt Kinder verelenden, weil sie zu wenig zu essen haben, während es bei uns zu einem Problem der Volksgesundheit wird, dass die Kinder zu viel essen…
Uns hat man seinerzeit bei Tisch das Leeressen des Tellers mit der Aufforderung schmackhaft gemacht: „Denk an die armen Kinder in Afrika, die wären froh, wenn sie diesen guten Kartoffelstock hätten!“ Nie war die Rede davon, wie denn gerade dieser Kartoffelstock jetzt nach Afrika zu den armen Kindern kommen könnte… Aber das Problem bleibt unverändert bestehen.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:01 |
Den gestern gefassten Vorsatz hab ich eingehalten: Ich habe mich heute nicht auf die Waage gestellt! – Und was das Essverhalten betrifft, so ist wieder relativ strikte Konsequenz angesagt. Dazu trägt ein Artikel in der SonntagsZeitung bei.
Es geht um eine Studie des Gottlieb-Duttweiler-Instituts GDI, die nächste Woche herauskommen soll und die dem Blatt mal so für ein bisschen Vorauspropaganda zugespielt worden ist. Sie handelt vom „Gesundheitsmarkt“, trägt den Titel „Health Horizon“ und blickt in die Zukunft, wie sich das für eine horizont-überschreitende Analyse geziemt.
Die Schlussfolgerungen, zu denen die Studie kommt, sind eigentlich logisch: Wenn immer mehr Menschen immer früher zu dick werden und deshalb eine kürzere Lebenserwartung haben, und wenn gleichzeitig die Kosten für das Gesundheitswesen unablässig steigen, wobei die Krankenkassen die Leistungen in der Grundversicherung redzieren… dann führt das unweigerlich zu einer knallharten Zweiklassen-Medizin, in der sich die Reichen jede Luxusbehandlung leisten können und in der die Minderbemittelten froh sein müssen, wenn sie beizeiten abtreten dürfen, da sie sich die Behandlung ja ohnehin nicht mehr leisten könnten. Und wenn ein Teil der Leute früher stirbt, wird noch weniger an Prämiensubstanz eingezahlt, und die Spirale dreht sich unaufhaltsam nach unten…
Diese letzte Schlussfolgerung steht allerdings nicht im Artikel, die habe ich mir selber ausgedacht. Es könnte ja sein, dass… – Aber Fakt ist, dass sich schon heute klare Trends abzeichnen, nach denen der Übergewichtige auf jeden Fall der Betrogene sein wird. Denn schon jetzt kennen viele Krankenkassen kein Pardon, wenn es um die Zusatzversicherungen geht: Wer nicht dem Normalgewicht entspricht (BMI nicht über 25!), hat schon heute kaum eine Chance, noch eine Zusatzversicherung abschliessen zu können. Oder er muss sich einen Vorbehalt gefallen lassen, der die Behandlung von Folgen der Adipostias ausschliesst. Wir haben bei unserer Geschäftsstelle gerade neulich einen solchen Fall gehabt. – Was also, wenn – wie die Studie vorhersagt – gewisse zusätzliche medizinische Leistungen künftig nur noch über Zusatzversicherungen zu finanzieren sind… aber gleichzeitig die Kassen den Dicken diese Möglichkeit verweigern?
Eine paradoxe Situation, für die alle gemeinsam nach einer Lösung suchen müssen, die noch guten Willens sind.
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Von Heinrich von Grünigen um 21:15 |
Das kommt ja nur einmal im Leben vor, dass man jenen imaginären Zeit-Äquator überquert, der laut Gersetz das aktive Leben von der sogenannten Pension trennt. Gut, es hat den Vorteil, dass vom nächsten Monat an eine Art staatlicher Alters-Bonus auf mein Konto überwiesen wird. Dumm nur, dass der gleiche Betrag bei der berufsbedingten Vorsorge wieder abgezwackt wird, so dass die Summe unter dem Strich die gleiche bleibt.
Gefeiert wird trotzdem. Familienangehörige und zugewandte Orte versammeln sich in einem gemütlichen Beizlein, der Wirt steht höchstpersönlich in der Küche, im Keller wird ein adäquater Tropfen ausgewählt und das Menü ist von auserlesener Natürlichkeit und perfekt zubereitet.
Das sind die Momente, in denen für einige Stunden der tägliche Kampf mit sich selber etwas zurückgestellt wird. Das Bewusstsein ist noch da. Das Wissen um die Problematik der zu grossen Menge. Man wählt gezielt keine allzu üppige Portion, hat bei der Festlegung des Speisenplanes schon darauf geachtet, dass die Grundregeln, an die man sich halten möchte, nicht ganz ausser Acht gelassen wurden.
Aber dann darf auch der Genuss zu seinem Recht kommen. Man darf es sich ohne schlechtes Gewissen wieder einmal schmecken lassen, den einzigartigen schwarzen Risotto zum gegrillten Fisch, das zartschmelzende Lammkotelett, das knackigfrische Gemüsebouquet und zuletzt den kleinen Käseteller mit einer Variation von verführerischen Kostproben aus dem westlichen Nachbarland…
Einfach nur das Gute – mit Verstand, wie unsere Mütter zu sagen pflegten – auf der Zunge zergehen lassen, in kleinen Bissen, andächtig fast, im Wissen, dass es das nicht jeden Tag gibt. Und mit dem festen Vorsatz, am nächsten Morgen einen grossen Bogen um die Waage zu machen.
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