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Von Heinrich von Grünigen um 22:12 |
…das ist Englisch und die Abkürzung für Bring Your Own (bring dein eigenes…) – gemeint ist: Getränk. Und die Idee, die dahinter steht, bezieht sich auf Nachtlokale, Clubs, in denen junge Menschen sich bei viel Musik die Seele aus dem Leib toben. Ein Beitrag in der TV-Sendung Schweiz aktuell hat mich auf das Phänomen aufmerksam gemacht.
Nicht wenige Junge dröhnen sich, um übers Weekend aus dem Alltagsstress zu entfliehen, gerne mit Alkohol zu. Weil dieser aber in Clublokalen meist seinen Preis hat, ist man schon länger dazu übergegangen, sich den Stoff vorgängig beim Discounter möglichst billig zu beschaffen und sich einen happigen Pegel schon anzutrinken, ehe man überhaupt das Lokal betritt. So ist für Hochstimmung gesorgt und die Kosten lassen sich in Grenzen halten. Folge war allerdings, dass sich zerdepperte Flaschen als Scherbenspur durch die ganze Ortschaft zogen, bis vor den Club, in dem man sich nur noch den Rest zu geben brauchte.
Findige Leute sind auf den Gedanken gekommen, man könnte der Umwelt diese Belastung ersparen, wenn die Jungen sich mit ihrem eigenen Sprit nicht schon draussen, sondern erst im Lokal drinnen volltanken könnten. Und schon war das BYO-Konzept geboren, wie es z.B. im luzernischen Kriens im Club Der Froschkönig praktiziert wird. Die Umwelt bleibt sauber, die Scherben im Lokal und die Kids auf der Strecke… möchte man meinen, wenn man die Aussagen in den Interviews sieht und hört. Eines wird sogleich klar: dank der Tatsache, dass der Sprit beim Discounter viel billiger ist als am Tresen, wird heftig mehr gesoffen. Das sagen die Jungen mit Begeisterung.
Wenn ich nun von diesem jugendlichen Trinkverhalten auf das allgemeine menschliche Essverhalten schliesse, dann wird die Gleichung „billig = mehr!“ evident: je billiger gewisse Produkte in umso grösseren Portionen angeboten werden, umso mehr wird davon gefuttert, vertilgt, verschlungen, heruntergespachtelt, verdrückt, geschluckt… und da dieses Billigfutter in der Regel auch fettreich, salzig und kaloriendicht ist, bleibt der Speck dort kleben, wo er zum Problem für die Gewundheit wird. BYO – Buy Your Overkill…
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Von Heinrich von Grünigen um 23:17 |
Am Nachmittag in St. Gallen dann am Vortrag von PD Dr. med. Bernd Schultes. Der Saal etwa zur Hälfte gefüllt, es sind auch Betroffene da. Es geht um die Zusammenhänge zwischen Übergewicht/Adipositas und verschiedenen Krankheiten, von der Depression im Jugendalter bis zum vorzeitigen Herztod und dem Hirnschlag. Die Aussagen sind klar und präzise formuliert, die Korrelation zwischen der häufigeren Erkrankung und dem zunehmenden Körpergewicht ist weltweit evidenzbasiert. Wer das nicht wahrhaben will ist wie ein Holocaustleugner: Ideologie wider besseres – und allgemeines – Wissen.
Aber dieser Aspekt ist nicht das Thema. In der anschliessenden Fragerunde branden wie Blitzlichter verschiedene Positionen auf: ein alter Mann meldet sich zu Wort. Er sei nie übergewichtig gewesen. Als er nach seiner Pensionierung sieben Kilo zugenommen habe, habe er sich strikt an „FdH“ gehalten und konsequent weniger gegessen, jetzt sei er wieder schlank. Er verstehe nicht, wo das Problem liege, jeder, der wolle, könne dünn sein, das sei eine reine Willenssache. Applaus im Saal. – Schultes reagiert gelassen: der Mann gehöre offenbar zu der kleinen Gruppe von Menschen, denen es leicht fällt, ihr Essverhalten zu kontrollieren; aber „FdH“ sei kein Patentrezept gegen die Adipositas-Problematik und für die Mehrzahl der Betroffenen nicht praktikabel. – Eine Dame will wissen, was er von Fettabsaugen hält: keine Lösung für Adipositas, allenfalls von einem begrenzten kosmetischen Nutzen… – Ob er die drei wichtigsten Empfehlungen fürs Abnehmen zusammenfassen könne, will ein weiterer Zuhörer wissen. Nein, sagt Schultes, wenn er das könnte, wäre er ein gemachter Mann… die Thematik ist zu komplex und zu differenziert sind die verschiedenen Auslöser, als dass man sie pauschal und mit simplen Methoden angehen könnte… – Darauf will einer aus dem Betroffenen-Kreis doch auf die Grundpfeiler jeder Verhaltensempfehlung hinweisen: wenn immer möglich gehen statt fahren, Vollkorn statt Weissbrot, Treppe statt Lift… Schultes pflichtet zwar im Grunde bei und dankt für die Anmerkung… aber auch hier: nicht jeder Fall von Adipositas-Erkrankung kann auf diese einfache Formel reduziert werden. – Einer will wissen, wie gross denn der Anteil jener Patienten sei, bei denen die Adipositas durch eine Hormon-Störung hervorgerufen ist. Weniger als ein Prozent lautet die Antwort, soviel man heute wisse. – Zum Schluss die Frage: ist Adipositas heilbar? Nein, heisst der Bescheid. Die „Anfälligkeit“ für Übergewicht ist chronisch und unheilbar. Man muss lernen, damit zu leben. Das ist die Herausforderung.
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Von Heinrich von Grünigen um 21:58 |
Alle Jahre wieder – es ist schon zur Gewohnheit geworden: Mitte Januar findet in einer der OLMA-Hallen in St. Gallen das Gesundheits-Symposium statt und wir haben im Rahmen des Auftritts des Adipositas-Zentrums des Kantonsspitals unseren SAPS-Stand, zusammen mit einer Delegation der Selbsthilfegruppen St. Gallen und Sargans. Diesmal befindet sich die Ausstellung im Souterrain, neu angeordnet, es hat viel Kommerz neben den verschiedenen Abteilungen der Spitäler und Kliniken, das Gesundheitsgeschäft scheint zu boomen, aber was uns auffällt: diesmal hat es keine Gratis-Joghurtdrink-Verteiler… während man sich früher am Emmi-Stand für das ganze Jahr mit supergesunden Wunderdrinks volltanken konnte, gibts diesmal nichts zu schlürfen! Dafür – und auch das ist eine sympathische Erscheinung – werden an allen Ecken und Ende Äpfel verteilt, knackig frisches Obst, in das geräuschvoll gebissen wird und es macht Spass, die verschiedenen Apfelesstypen zu beobachten: die einen, die das Kernobst in grossen Bissen ratzeputz verspeisen unn am Schluss nur den blanken Stiel übrig lassen, den sie lässig mit dem Finger zur Seite spicken, zwischen die Stände… und die andern, die mit spitzen Nagerzähnchen an der äussersten Peripherie des Apfels knabbern, auf diese Weise rundum eine kleine Furche in das Fruchtfleisch ziehen, und wenn diese das Obst umrundet hat, beginnen sie schon mit suchenden Augen nach einer Möglichkeit Ausschau zu halten, wie sie sich des kaum richtig angebissenen Teils wieder entledigen könnten… Schade um all die gute, gesundheitsförderliche, aber ungegessene Substanz aus der Natur!
Diesmal haben wir kleine Plastic-Säcke mitgebracht, damit die Besucher unseres Standes die Broschüren, die sie mitnehmen, bequem heimtragen können. Sie finden reissend Absatz und es ist zu fürchten, dass unser Vorrat am Sonntag schon früh aufgebraucht sein wird… macht nichts, Hauptsache, es dient dem Publikum. Am Sonntagnachmittag übrigens gibt es einen Vortrag, der interessant werden dürfte. PD Dr. med Bernd Schultes vom Adipositas-Zentrum Rorschach spricht um 15.40 Uhr zur Frage: Warum macht Übergewicht krank? Vielleicht sehen wir ja unter dem Publikum sogar einen Weltwoche-Journalisten… lieber spät und inkognito noch etwas lernen als gar nicht.
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Von Heinrich von Grünigen um 17:19 |
Wie gehen Menschen damit um, dass sich die Pfunde unausweichlich an ihre Hüften zu schmiegen scheinen? Die Adipositas-Epidemie, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO schon vor Jahren erkannt und benannt wurde, ist ein weltweites Phänomen. Aber wie gehen die Menschen (als betroffene Individuen) in den verschiedenen Ländern damit um? Eine jetzt veröffentlichte Studie gibt Auskunft.
Befragt zum Umgang mit ihrem Übergewicht wurden 9’000 Personen in 13 Ländern auf fünf Kontinenten… So sind die Resultate vergleichbar rund um den ganzen Erdball. In manchen Fragen bzw. Antworten kommen regionale, kulturelle Gepflogenheiten zum Ausdruck, Vieles ist nachvollziehbar, einiges überraschend und auch widersprüchlich. Der Leiter der Studie, Steve Garton, zieht den Schluss: Überall auf der Welt gibt es Leute, die ihre Lust nach einem Hamburger oder einem Extrastück Pizza nicht unterdrücken können, sich dann aber deutlich besser fühlen, wenn sie dazu eine Diät-Cola trinken…
Und das sind die Länder, in denen die Befragung durchgeführt wurde: England, Frankreich, Tschechien, Rumänien, USA, Kanada, Brasilien, Vereinigte Arabische Emirate, Saudiarabien, Hong Kong, Singapur, Malaysia und Australien.
Welches Land steht am meiten auf Fast Food? Es sind die Briten (45% waren der Meinung, nicht darauf verzichten zu können), gefolgt von den Amerikanern (44%) und den Kanadiern (37%). Abgelehnt wird Fast Food dagegen in Frankreich (81%) und Rumänien (73%)… aber auch die Franzosen sind übergewichtig, das kommt von ihrer traditionellen, fettreichen Küche.
Aus der ganzen Studie wird ein weltweit ambivalenter Aspekt ersichtlich, der für die Übergewcihts-Problematik prägend ist: „Essen“ lässt niemanden kalt; die Nahrungsaufnahme ist einerseits eine Überlebensnotwendigkeit, anderseits kann sie auch Genuss, Lust und Emotionen vermitteln… In dieser Spannung muss das Individuum sein „richtiges“ Verhalten positionieren können. Steve Garton fasst zusammen: Auf der einen Seite haben mehr als die Hälfte aller Antwortenden (54%) gesagt, sie würden alles essen, wonach sie Lust hätten und wann immer sie es wollten… und auf der andern Seite haben mehr als zwei Drittel gesagt, sie würden bewusst essen und sich Mühe geben, sich gesund zu ernähren… eine Aussage, die klar dem ersten Statement widerspricht. Und damit zeigt sich das weltweite Paradox beim Essen: die Leute sind hin- und hergerissen zwischen Nahrung als Betriebsstoff und Nahrung als Lustgewinn.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:31 |
Soll man sich nun Woche für Woche über die Weltwoche ärgern? – In einem Artikel mit dem provokativen Titel Je dicker, desto gesünder vereinigt und vermengt der Autor eine Sammlung von Fakten und Erkenntnissen, die allesamt längst bekannt sind und die fast alle hier in diesem Blog bereits ausführlich referiert und kommentiert wurden… bloss die Art und Weise, wie einzelne Tatsachen miteinander in Verbindung gebracht werden ist so abwegig schief, dass es fast schwer fällt, sich mit dem Text ernsthaft zu befassen.
Der Hauptfehler des Autors ist der, dass er überhaupt nicht differenziert. Er spricht von „Übergewicht“ und meint damit „ein paar Kilos“, die man zuviel haben könnte. Und er unterstellt all denen, die sich ernsthaft mit der Adipositas-Prävention befassen, allen Ernstes, sie würden eine unangebrachte Hysterie schüren, von der einzig eine „milliardenschwere“ Schlankheitsindustrie profitieren könne.
Dicke Menschen würden gar nicht leiden, im Gegenteil, sie seien „glücklich“, suggeriert ein weiterer Beitrag. – Die Autoren blenden dabei völlig aus, dass sich die Lebensumstände der Betroffenen mit zunehmendem Gewicht verschlechtern. Der Begriff Adipositas kommt in den Artikeln kein einziges mal vor: die chronische krankhafte Fettsucht, deren Langzeitwirkung die Lebenserwartung verkürzen kann und das Risiko massiv vergrössert, an einer Begleiterkrankung wie Herzinfarkt, Diabetes oder Krebs vorzeitig zu sterben, ganz abgesehen von den unweigerlich sich einstellenden Gelenkschäden in den Knien und an der Wirbelsäule… – Die Anzahl adipöser Menschen in der Schweiz kann auf eine halbe Million geschätzt werden. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber sie sind mit Sicherheit höher als die offiziellen Werte (die vom Autoren ohnehin in Zweifel gezogen werden), denn in der Schweiz wurden bisher – anders als in anderen Ländern – die entsprechenden Daten nicht „vermessen“ und protokolliert, sondern bloss telefonisch erhoben, was zweifellos zu beschönigenden Selbst-Deklarationen geführt hat.
Nun kann man annehmen, dass es der Wochenschrift gar nicht um einen sachlichen Diskussionsbeitrag geht, sondern einmal mehr darum, partout das Gegenteil der landläufig anerkannten Meinung zu behaupten. Aber betrüblich bleibt dabei doch, wie hier an sich „richtige“ und (im einzelnen) zutreffende Fakten durch schiefe Verknüpfungen und tendenziöse Interpretation zu Aussagen umformuliert werden, die von jedem, der das Leid des exzessiven Dickseins am eigenen Leib erfahren hat, als blanker Hohn und Zynismus empfunden werden müssen.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:20 |
Eine kleine Begegnung, heute, auf der Autobahn, hat mir zu denken gegeben. Unterwegs von Zürich nach Winterthur, etwa auf halber Strecke, taucht vor mir im leichten Nieselregen der massige Umriss eines Sattelschleppers auf. Hell golden leuchtet er durch den leicht diesigen Vormittag und ich erkenne, als ich mich nähere, grosse Kornähren, die auf dem Wagen, ihn ganz umspannend, abgebildet sind: ein mächtiges, prachtvoll wogendes Kornfeld… und ich rieche förmlich diesen erdigen Duft nach Sonnenwärme, das Gesunde und Heilsame, das als Kraft in diesen massiven Aehren steckt: Korn! Brotgetreide! Ich schmecke und spüre die krachende Kruste beim Reinbeissen, der würzige Geruch von warmem Gebäck steigt mir in die Nase, vollkorn oder weiss – Hauptsache es ist das gute, natürliche Brot, das direkt aus dem Ofen kommt!
Und irgendwo in meinem Innern trällert eine Erinnerung leise das blöde Lied vom „Bett im Kornfeld…“
Inzwischen bin ich nahe genug an den Wagen herangekommen, um ihn zu überholen und um zu lesen, was hinten und auf der Seite inmitten des wogenden und sonnengertränkten Kornfeldes auf weissen Täfelchen geschrieben steht: Schweizer Fleisch. – Das macht mich nachdenklich. Was hat ein Weizenfeld mit Fleisch zu tun? Klar, man hat diese Geschichten gehört, dass in Südamerika ganze Landstriche veröden, weil das Vieh dort den Einheimischen die Brotfrucht wegfrisst, damit es in andern Kontinenten als Super-Beef verkauft und geschmort werden kann… Aber Schweizer Fleisch?
Alles andere sei Beilage, heisst es im TV-Spot. Ist das Kornfeld also die Beilage? Oder hat es noch einen ganz anderen symbolischen Wert? Eine Botschaft, die mir mitgeteilt werden soll? Vielleicht der Zusammenhang zwischen der bodenständigen Grundlage unserer Nahrung und dem Luxusgut Fleisch? Wie lange ist es her, dass wir höchstens einmal pro Woche Fleisch auf den Tisch bekommen haben? Ein halbes Jahrhundert erst, und auch dann galt es einzuteilen. Das beste Stück bekam der Vater… zweimal schöpfen lag nicht drin. Und heute ist die Diskussion über Wursthaut zur Staatsaffäre geworden.
Ich bin längst von der Autobahn herunter und kurve an den einstigen Sulzer-Hochburgen vorbei… Fleisch und Korn spuken immer noch durch meine Gedanken und erst später entschlüsselt sich mir das Rätsel, beim Blick auf die Website des Fleischvermarkters Proviande: die Fleisch-Transporter symbolisieren rollende Speisekammern und „dokumentieren“ ein besonderes „Engagement für die Schweizer Landwirtschaft“. Gut zu wissen, wenn man unterwegs ist.
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Von Heinrich von Grünigen um 17:14 |
Die Englische Zeitung The Guardian publiziert Auszüge aus einer neuen Publikation von Michael Pollan, Autor verschiedenen Ernährungsbücher. Es geht um eine Standortbestimmung in der Frage, was wir denn wirklich essen sollen, wenn wir „gesund“ essen wollen.
Früher war das noch einfach, sagt Pollan, da hatte man einen natürlichen Zugang zu den verfügbaren Lebensmitteln; seit bald 40 Jahren aber überbietet sich eine immer mächtigere Nahrungsmittelindustrie mit einem milliardenschweren Umsatz- und Profitvolumen, wissenschaftlich begründete Thesen und Theorien tragen mehr zur Verwirrung und zur Unsicherheit bei, als sie zu klären vermögen, und immer mehr Krankheiten breiten sich aus, die mit „falscher“ Ernährung verbunden sind. Pollan möchte uns ganz einfach dazu ermuntern, unser Essen wieder zu geniessen…
Seine Botschaft ist so simpel, dass sie sich in wenige Worte kleiden lässt: Iss Nahrung. Nicht zuviel. Vor allem Pflanzen. – Was sollen solche Platitüden? ist man versucht zu fragen. Aber der Hintergrund ist alles andere als trivial: Pollan legt dar, dass der Lebensmittelmarkt heute überschwemmt wird mit Produkten, die weit davon entfernt sind, Nahrung im ursprünglichen Sinn zu bieten. Es sind nahrungsähnliche Substanzen, im Labor chemisch verändert in ihrer Struktur und ihren Inhalten, wie sie in der Natur gar nicht vorkommen, es sind Genussmittel, die der Körper zu seinem Wohlbefinden nicht eigentlich braucht.
Fatal sei, dass alle wisenschaftlichen Begründungen uns suggerieren, solche Fabrikate müssten grundsätzlich „gesünder“ sein als das frische Naturprodukt (und die Werbung bemüht sich ja auch mit Geschick, diesen Eindruck täglich in unsere Hirne zu hämmern). Die Ernährungstrends würden viel zu rasch wechseln, die Autorität der Familie (und die Tradition) bezüglich Essen sei verloren gegangen. Wir befänden uns in einem Zustand der „Überernährung“, der für die Gesundheit weit schädlicher sei als es früher die Unterernhährung war…
Was empfiehlt uns Pollan denn? – Er verzichtet auf konkrete Ratschläge, ruft auf zu Misstrauen gegenüber „unnatürlichen“ Produkten mit Zusatzstoffen, warnt vor Lebensmitteln, die eine „gesundheitsfördernde“ Wirkung haben sollen: gerade dies sei ein Hinweis darauf, dass es sich nicht um „Nahrung“ im eigentlichen Sinn handle… – Eine fulminante Polemik, die bedenkenswerte Elemente enthält, auch wenn sie kompromisslos mit der aktuellen „westlichen“ Esskultur abrechnet, die – auch das sei wieder einmal gesagt – natürlich nicht insgesamt in den gleichen Topf geworfen werden kann…
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Von Heinrich von Grünigen um 23:28 |
Keine Telefonnummer, kein Geheimcode, kein Schliessfach… es ist die abstrakte, streng wissenschaftliche Bezeichnung eines neu entdeckten Gens, dem man nachsagt, dass es Übergewicht und Adipositas verursachen kann. Nach aktuellen Forschungen u.a. an der Universität Duisburg kann man davon ausgehen, dass ca. 60 Prozent der Adipositas-Fälle durch das Erbgut bestimmt sind. Das ist mehr als man bisher angenommen hat, aber gleichzeitig ist es doch auch keine „Entschuldigung“ in dem Sinne, dass Betroffene geltend machen könnten, sie trügen keinerlei Eigenverantwortung.
Denn das Gen allein macht noch nicht dick. Erst eine ungünstige Konstellation von genetischer Veranlagung mit weiteren, anderen Genvarianten, ungünstigen Umwelt-Faktoren, übermässige kalorienreiche Ernährung und fehlende Bewegung… all dies zusammen kann eine starke Gewichtszunahme bewirken. Aber die Kenntnis der genetischen Disposition kann dazu beitragen, frühzeitig ein vorhandenes Risiko zu erkennen und konsequent das eigene Verhalten danach auszurichten.
Wenn nun aber zwei Drittel der Bevölkerung genetisch „vorbelastet“ sind, so heisst das doch nichts anderes, als dass die „richtige“ Lebensweise unbesehen für „alle“ gelten müsste. Wer genetisch „ohne“ Makel ist, dem schaden weder Bewegung noch gesunde Ernährung. Programme und Lösungen müssen also nicht eigens auf die „Dicken“ zufgeschnitten werden, wie Kritiker immer wieder bemängeln, sondern sie kommen dem ganzen Volke, allen zugute. Was die Gesundheit allgemein verbessert, das senkt die Kosten für die Behandlung von Krankheiten.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:25 |
In der aktuellen WELTWOCHE geisselt Max Frenkel, das altliberale Raubein, in harschem Wort die laufende Tranche der Kampagne von Gesundheitsförderung Schweiz. Sein Kommentar lässt keinen guten Faden an der Aktion, ohne sich allerdings konkret mit deren Inhalt zu befassen. Dem Kämpfer wider einen allzu aktiven Staat ist das Prinzip ein Gräuel: dass dem Bürger und der Bürgerin von Amtes wegen mit einer Kampagne ein bestimmtes Verhalten nahegelegt werden soll, ist ihm in seiner freiheitsdurstigen Seele zutiefst zuwider.
Das sei ein weiteres Beispiel grassierender staatlicher Bevormundung, wie sie – deutet der Meister allen Ernstes an – seinerzeit in der alten DDR praktiziert worden sei. Und dabei werde beim Phänomen der zunehmenden Dickleibigkeit (der Kinder und Jugendlichen) noch nicht einmal die Ursache richtig erkannt. Diese liege nämlich, und hier erfüllt Frenkel offenbar die Auflage seines Redaktionsleiters, im überhöhten Ausländeranteil (wo denn sonst?), der die Statistik negativ beeinflusst, indem sich dort weniger Schulbildung orten lässt, was logischerweise zu dickeren Kindern führe… – Wenn, so die Folgerung Frenkels, die Ausländer besser integriert wären, dann würden diese das gut helvetische Essverhalten übernehmen, dadurch also gesünder essen und somit auch weniger zunehmen.
Eine gewagte These, die in Fachkreisen bisher noch niemand vertreten hat. Faktisch trifft der Sachverhalt zwar zu, dass Übergewicht und Adipositas im Immigrationsmilieu anteilmässig stärker vertreten sind als in der einheimischen Bevölkerung; aber der Schluss, der aus diesem Faktum gezogen wird, ist falsch, denn quantitativ bleiben die Schweizer in der Überzahl, jede Aufklärungskampagne muss sich zuerst an sie wenden und die Schichten „mit Immigrationshintergrund“ gezielt und mit differenzierten Botschaften ansprechen. – Die Frenkel-Lösung, nach der zuerst integriert werden soll, um dann das gesunde Schweizertum wirken zu lassen, spannt das Pferd hinter dem Wagen an. Und was in der ganzen Polemik völlig verkannt wird: es geht hier um Prävention, um vorbeugende Massnahmen, die verhindern sollen, dass weiteres Übergewicht im gleichen Masse entsteht, wie es sich in den letzten Jahren entwickelt hat. Und die erreichen sollen, dass die finanzielle Belastung im Gesundheitswesen nicht weiter so ansteigt, wie sie es bisher getan hat.
Die Schweiz steht im internationalen Vergleich alles andere als gut da, wenn es um das finanzielle Engagement für die Prävention geht. Und dass heute 20 Prozent der Kinder zu dick und 5 Prozent adipös sind, das ist eine empirisch erforschte, von Schulärzten vermessene Tatsache, die sich nicht leichtfertig vom Papier schreiben lässt, indem man so tut, als sei das nur eine Behauptung… – Wie auch immer: Frenkel ist ein erfahrener Journalist, der sich bisher meist durch ein gutes Augenmass und Sinn für die Realitäten ausgezeichnet hat. Dass er sich hier in eine ideologische Sackgasse geschrieben hat, ist bedauerlich und trägt zur Lösung des Problems nichts bei.
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Von Heinrich von Grünigen um 23:44 |
Eigentlich hätte man es wissen müssen. Aber immer ist da wieder diese dumpfe Hoffnung: einmal klappts vielleicht doch! – Und so kauft man sich das Ding, auch wenn man dabei denkt, dass hundert Franken im Grunde eben doch ein Batzen Geld sind und dass es kein Wunder ist, dass sich das Zeug offenbar so schlecht verkauft, dass noch bis heute die TV-Werbespots geschaltet blieben, obwohl die Dezember-Rubbelei schon längst vorbei ist.
Dann kommt die Gala-Show. Eine Art Personalfest am Leutschenbach, das halbe Publikum sind die eigenen Leute. Zum Glück gibts die Missen und die Mister, die können von Amtes wegen nicht kneifen. – Aber eben: es bleibt noch ein Quäntchen Hoffnung, denn immerhin wären vier Nobelkarossen zu gewinnen, die sich versilbern liessen und dann sind da die fünf Millionen am Stück. Ein Teil davon, das nehmen wir uns jedes Jahr vor, würde in die Stiftung fliessen, dann hätten wir wenigstens einige ruhige Jahre, in denen man sich nicht fast täglich mit der Mittelbeschaffung beschäftigen muss… und es wäre dann auch weniger schlimm, wenn unversehens einer der Sponsoren mitteilt, dass das Geld, das er in der Planungsphase noch versprochen hatte, nun doch nicht vorhanden sei.
Also lässt man die Show ihren Lauf nehmen, verfolgt das Zahlenorakel aufmerksam, macht Notizen, um ja keinen Fehler zu begehen, falls der an sich unwahrscheinliche Fall doch eintreffen sollte… aber wie jedes Jahr stellen sich die richtigen Zahlen nicht ein, von Ziehung zu Ziehung bricht etwas mehr Hoffnung weg und an Schluss bleibt alles beim Alten… nein, nicht ganz, man ist um 80 Schweizer Franken erleichtert, sofern man nicht vergisst, den Zwanziger, der quasi als Trostpreis aufgedruckt ist, noch einzulösen.
Wozu braucht der Mensch die Hoffnung, wenn doch alles eine Lotterie ist? Nun gut, es gibt jedesmal Leute, die gewinnen, denen ein gnädiges Schicksal unvermittelt einen Koffer mit Banknoten in die Hand drückt, die dann überwältigt sind, nach Worten ringen, sich bedanken… wie all die anderen Träger von Preisen, denen die Award-Lotterie eine Trophäe zugespielt hat. Wie im richtigen Leben kommt die Ernüchterung immer erst hinterher.
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